Edward der Schreckliche

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Antaris

Mitglied
Edward der Schreckliche

Ich habe nie viel von Katzen gehalten. Einige meiner Freunde sind mit Vertretern dieser Spezies aufgewachsen, oder leben heute noch mit ihnen zusammen und erzählen von Zeit zu Zeit von den freundschaftlichen Beziehungen, die sie zu Katzen pflegen. Ich weiß, dass die Samtpfoten es nur gut meinen, wenn sie um einen herum schnurren, und dass sie es weniger gut meinen, wenn sie anfangen, mit dem Schwanz zu schlagen. Trotzdem hielt ich es für eine Schnapsidee, eine Katze anzuschaffen, und das Katzentier, welches eines Nachmittags unsicher durch unsere Wohnung tappte war mir von Anfang an suspekt.

„Nun reg dich mal wieder ab“, beschwichtigte mein Mensch und strich mir über den Rücken. „Das ist ein ganz liebes kleines Kätzchen, schau nur!“

Ich hielt den neuen Mitbewohner eher für einen arroganten Schleimer. Der Neuankömmling tat so, als sei ich gar nicht da, strich aber immer wieder meinem Menschen um die Beine und schnurrte auffallend laut. In den Ohren entdeckte ich eine verräterische Tätowierung. Das heißt, er hat gesessen, folgerte ich. Das muss nichts bedeuten. Alle Tiere, die je in ein Tierheim geraten würden schwören, dass sie unschuldig hinter Gittern sitzen, und auf einige mag das zutreffen.

Unwillkürlich stäubte sich mein Nackenfell. „Na, na, Alter, meinst du nicht dass du jetzt übertreibst?“ Jovial tätschelte mir mein Mensch die Kruppe, aber dass er mich ‚Alter’ nannte, trug nicht gerade zur Aufhellung meiner Stimmung bei. Schließlich war er der Beamte im Vorruhestandsprogramm, nicht ich. Um des lieben Friedens willen gab ich aber klein bei und verzog mich in meinen Korb.

Von dort aus beobachte ich die Katze genauer. Mit ihrem auffällig gezeichneten grauweißen Fell verfügte sie über ein gefälliges Äußeres, welches den Menschen sicher besonders gut gefiel. Für mein Empfinden bewegte sie allerdings ein bisschen zu forsch und zu lässig in der fremden Wohnung. Da sprang sie doch tatsächlich auf das Sofa und ließ ihren glattgeleckten Wollpopo in die Lieblingssitzkuhle meines Menschen plumpsen!

Ich sprang auf. „Tiere gehören nicht auf die Polstergarnitur“, knurrte ich direkt vor ihrer Nase, „also sieh schleunigst zu, dass du da runter kommst.“

Die Katze gähnte demonstrativ und fixierte mich mit ihren halb geöffneten grünen Augen. „Am besten sage ich gleich wie die Dinge für dich stehen und da ich wenig Lust habe mich zu wiederholen höre lieber gut zu,“ sprach sie herablassend. „Dies ist bis auf weiteres mein Zuhause, und ich lege wenig Wert darauf, es mit einem Hund zu teilen. Sollte deine Anwesenheit in diesen Räumlichkeiten unabdingbar sein empfehle ich dir meine Gegenwart zu meiden.“ Daraufhin kehrte sie mir den Rücken zu und rollte sich zusammen.

Gerade wollte ich sie mit einem Nasenstüber daran erinnern, dass ich meine eigene Meinung zu ihrem Einzug hatte, da spürte ich die Hand meines Menschen an meinem Halsband. „Jetzt reicht es aber“, schimpfte er. „Den armen Edward lässt du jetzt in Ruhe damit er sich eingewöhnen kann. Am besten gehen wir für eine Weile nach draußen.“

Er zerrte mich in den Flur, schnappte sich die Leine und ehe ich mich versah hatten wir das Haus verlassen. Ich wunderte mich nicht nur über die körperlichen Kräfte, die wütende Menschen entwickeln können, sondern auch über den plötzlichen Drang meines Menschen nach draußen. Normalerweise muss ich mich dreimal täglich etwa eine halbe Stunde vor der Zeit zur Garderobe begeben, erwartungsfroh den Haken an dem die Leine hängt anschauen und mit dem Schwanz wedeln. Wenn sich mein Mensch am anderen Ende der Leine festhält zerre ich ihn nach draußen und schleife quer durch den Park bis zur Hundewiese. Das ist vor allem an heißen Sommertagen eine unselige Plackerei, aber ich muss sie aus Verantwortungsbewusstsein auf mich nehmen, denn wenn ich ihn in Ruhe lasse wird er sich irgendwann überhaupt nicht mehr bewegen. Vielleicht wächst er dann vor dem Fernseher fest.
Aus reinem Pflichtgefühl trabe ich auch den angefaulten Holzstücken hinterher, die er quer über die Hundewiese schmeißt, und bringe sie zu ihm zurück. Diese unbedarfte Welpenspiel ist sehr wichtig für Menschen, es hält sie fit und beweglich.

Als ich an jenem Nachmittag auf der Hundewiese ankam gehörte die Gymnastizierung meines Menschen nicht zu meinen Prioritäten. Zuerst erzählte ich den anderen Hunden von dem Schicksal, welches mir diesen fragwürdigen Hausgenossen beschert hatte.

„Nun übertreib mal nicht“, wiegelte Einstein, der Golden Retriever ab. „so ein kleines Tier kann keine ernsten Schwierigkeiten machen.“

„Nur an der Vorderpfoten sind scharfe Krallen“, berichtete Rauhaardackel Wastl. „Der Rest ist ungefährlich, wenn nicht sogar ausgesprochen weich und freundlich.“

„Das Katzenvieh ist rotzfrech“, hechelte ich entnervt. „Es macht sich gleich auf dem Sofa breit und meint, ich hätte zu kuschen.“

„Katzen sind sehr eigen,“ näselte Rocco, der Dobermann aus der Eden Bar herablassend. „Wenn du dich erst an ihre Art gewöhnt hast wirst du besser mit der Katze klar kommen.“

„Bestimmt machst du dir nur unnötig Sorgen“, sprach Sir Henry, ein Jack Russelterrier aus der Oberstadt. „Die meisten Stubentiger sind ganz in Ordnung. Wenn bei schlechtem Wetter mein Mensch nicht so lange Spaziergänge machen will wüsste ich nicht, was ich den ganzen Tag zuhause ohne meine Katze täte.“

„Oh, ein Kätzchen!“ meinte Pudeldame Lissy verzückt. „Ich hätte auch so gerne ein Kätzchen, welches meinen Schlafplatz warm hält wenn ich nicht da bin.“

Ein Hund nach dem anderen erklärte mir, wie unproblematisch Hunde und Katzen neben- und miteinander leben können. „Hält denn niemand etwas von der Idee, Katzen einfach den nächstbesten Baum heraufzujagen?“ jaulte ich schließlich mitten auf der Hundewiese.

Entgeistert starrten mich die übrigen Hunde an. „Ich darf doch bitten,“ ergriff Dodo, der Afghanische Windhund das Wort. „Wir sind alle kluge, zivilisierte Hunde und keine ungehobelten Bauerntölen. Über solche primitiven Aktionen sollten wir nicht einmal nachdenken.“

Resigniert zog ich meinen Menschen nach Hause. Zu meinem Entsetzen hatte sich die Katze inzwischen über meinen alten Tennisball hergemacht und ihn mit ihren Krallen stark aus der Form gebracht. Ich suchte mein Spielzeug zusammen, legte es in meinen Korb und mich darauf. Wenn ein Zwei- oder Vierbeiner nun meinem Korb zu nahe kam knurrte ich rein präventiv.

Dass Drohungen nicht viel nützen würden hatte ich mir schon am Nachmittag gedacht, als ich entdeckte, dass sogar mein Korb bereits nach Katze roch. Tatsächlich fehlte mein frisch angenagter Kauknochen als ich spätabends vom letzten Rundgang mit meinem Menschen zurückkam, und nach dem Morgenspaziergang am folgenden Tag entdeckte ich, dass jemand versucht hatte, seine Krallen an meiner altersschwachen Beißwurst zu schärfen. Natürlich tat das Katzentier so, als habe es überhaupt nichts zu tun mit meinen Sorgen. Gleichgültig blickten die grünen Augen durch mich hindurch, dann ging die Katze in die Küche und begann lustlos ihr Futter zu fressen. Dabei bekam die Katze viel besseres Futter als ich, das wusste ich, seit ich zum ersten Mal die Katzenschüssel blanklecken durfte, und überhaupt hieß es ständig Edward hier, Edward da!

„Das ist meisten so, dass Katzen besseres Futter als Hunde bekommen,“ erklärte Sir Henry, der Jack-Russelterrier, als ich ihm am Nachmittag von meinen Sorgen erzählte. „Wenn sich Dein Mensch erst mal an die Katze gewöhnt hat lässt auch die Tüddelei nach. Die Sache mit dem Tennisball macht mir allerdings Sorgen. Katzenkrallen können normalerweise keinem Tennisball etwas anhaben.“

„Dies war ein ganz besonderer Tennisball,“ bestätigte ich, „alt und mit einer schönen Patina, ein unersetzliches Unikat. Meine Beißwurst zieht auch schon Fäden vom Krallenwetzen. So etwas bekomme ich bestimmt nicht wieder weil mein Mensch nicht mehr auf den Hundeplatz will. Ich glaube, er wird zu alt für solche Späße.“

„Einen Kratzbaum habt ihr nicht?“ unterbrach mich Sir Henry,

„Einen kleinen in der Küche und einen großen im Wohnzimmer, alles nigelnagelneu,“ bestätigte ich. Mein Mensch hatte einen halben Tag gebraucht um das sperrige Gerümpel zusammen zu schrauben.

„Merkwürdig“, meinte Sir Henry.

Als mein Mensch abends zuhause die Blumen gießen wollte zog er die aufgelösten Reste meines Kauknochens aus der Gießkanne. Die Katze war verschwunden. Mein Mensch hatte eine Katzenklappe in die Haustüre gebaut. Natürlich wusste ich, dass Katzen in einem Haus fast jederzeit kommen und gehen dürfen, und dass Menschen von ihnen nicht erwarten, dass sie irgendwelche Verantwortung übernehmen, aber es wurmte mich doch, dass die Katze erst im Morgengrauen wieder zurückkam. Sie rollte sich auf dem Sofa zusammen und schlief bis kurz vor Mittag.

„Stimmt es was von dir erzählt wird“, sprach die Katze mit scheinheiliger Freundlichkeit nachdem sie sich zum Aufstehen entschlossen hatte. „Hundeschule ohne Abschluss?“

„Ich weiß nicht was dich das angeht“, brummte ich.

„Nun ja, es ist auch nicht wirklich wichtig,“ säuselte die Katze. „Ich werde mir ohnehin mein eigenes Bild von den geistigen Fähigkeiten der Kreaturen meiner Umgebung machen. Es muss wirklich schlimm sein, keine Katze zu sein. Ich fürchte, du kämst nicht einmal auf die Idee, das Klo zu benutzen wenn dein Mensch mal zu lange weg bleibt.“

„In dieser Hinsicht kann ich dich beruhigen“, knurrte ich, trottete zum Katzenklo und hob mein Bein. Als ich das zufriedene Grinsen in dem Katzengesicht sah, ahnte ich schon, dass ich diesem verschlagenen Widerling irgendwie auf den Leim gegangen war.

Edward stolzierte zum Katzenklo, schnupperte und rümpfte die Nase. „Entsetzlich!“ jammerte er. „Ob der Gestank je wieder aus dem Plastik herausgeht? Die Einstreu muss auf jeden Fall komplett gewechselt werden. Bis dahin kann ich dieses Ding auf keinen Fall mehr benutzen.“

Eine Stunde später stand eine beachtliche, streng nach Katze riechende Pfütze auf dem Küchenfußboden, Als mein Mensch zurückkam bekam ich einen Klaps mit einer zusammengerollten Zeitung, und er schimpfte mit mir wie mit einem Welpen. Der Gipfel der Ignoranz war jedoch die ernsthafte Empfehlung, mir eine Scheibe an dem lieben Edward zu abzuschneiden, der so toll sein Klo benutzt!

„Gib mir ein Messer und ich schnitze eine ganze Packung Frolics aus dem Schätzchen“, knurrte ich genauso ernst zurück, aber mein Mensch verstand mich nicht. Er blickte mich nur kummervoll an.

„Ich glaube, ich brauche professionelle Hilfe für dich“, sagte er.

Die hoffte er vom Tierarzt zu erhalten, mit dem er umgehend einen Termin vereinbarte. Ein Tierarzt, das konnte keine angenehme Begegnung werden, dachte ich sorgenvoll. Für einen kranken Hund, der sich nicht wehren kann mag ein Tierarzt akzeptabel sein, aber seit einer kleinen Ohrenentzündung vor ein paar Jahren wollte ich mit Tierärzten nichts zu tun haben.

„Sie schnippeln dir was weg in der Hoffnung dass du artiger wirst,“ bemerkte Edward schadenfroh.

Nachmittags auf der Hundewiese mied ich die Gesellschaft der anderen Hunde, alleine schon weil ich mich wegen der Schlappe mit dem Katzenklo unsäglich schämte.

„Pst, Kumpel“, wisperte jemand hinter mir. Ich erschrak, obwohl mich nur Sir Henry der Jack Russelterrier angrinste. „Ich habe mich bei meiner Katze nach deinem neuen Mitbewohner erkundigt,“ berichtete er. „Edward alias Schnurri, alias Amadeus, alias weiß-der-Kuckuck sonstnochwas, und es ist immer der selbe schäbige grauweiß gescheckte Kater. Offensichtlich hast du wirklich ein Problem mit dieser Katze.“

„Er hat gesessen, dieser Schurke“, sagte ich.

„Mehrmals,“ bestätigte Sir Henry, „und wo immer er auftaucht scheint es Ärger zu geben. In seiner Umgebung verschwinden immer wieder andere Haustiere unter seltsamen Umständen. Dieser Kater ist ein Psychopath...“

„Ich bringe ihn um, dann ist er aus dieser Welt verschwunden,“ knurrte ich.

„Sachte, sachte,“ erwiderte Sir Henry. „Wenn dir der Katzenpelz zufällig zwischen die Zähne rutscht haben die Menschen gleich ein Tatmotiv und dich am Schawittchen. Die ganze Härte der Gesetze und der kommunalen Gefahrenabwehrverordnungen wird mit Wesenstest und allem Pipapo über dich hereinbrechen. Ehe du dich versiehst wirst du als gefährlicher Hund eingestuft und wanderst für den Rest deines Lebens hinter Gitter. Nein, lasse deine Pfoten tunlichst aus dem Spiel.“

Ich schluckte. Mein kleiner Terrierfreund musste es wissen. Er hatte einen Staatsanwalt als Mensch. „Vielleicht ist es im Tierheim gar nicht so schlimm. Ich habe jedenfalls wenig Lust, mich weiter von diesem Katzenvieh beuteln zu lassen,“ sagte ich.

„Lass dich nicht zu Kurzschlusshandlungen hinreißen“, entgegnete Sir Henry. „Kannst Du zahlen?“

„Was?“

„Du brauchst einen Spezialisten,“ entschied Sir Henry, „jemand, der dein Problem routiniert und unauffällig aus der Welt schafft. Der Service kostet allerdings ein paar größere Kauknochen.“

„Kein Problem,“ hechelte ich, „ich lege noch einen neuwertigen Quitscheigel aus Gummi drauf, aber es muss schnell gehen. Ich habe einen Tierarzttermin am Freitag – sehe ich etwa krank aus?“

„Du siehst aus wie ein Hund, der mit den Nerven ziemlich herunter ist. Ich will sehen, was ich tun kann,“ versprach Sir Henry schwanzwedelnd und verabschiedete sich.

Die nächste harte Probe für mein Nervenkostüm wartete schon in Gestalt der beiden Neffen meines Menschen an der Haustür. Sie wollten das Kätzchen sehen, den lieben Edward streicheln, und mit ihm spielen. Dass sie dazu an mein Spielzeug wollten sah ich absolut nicht ein. Ich knurrte, fletschte die Zähne und schnappte einmal zur Warnung ins Leere als die beiden halbstarken Ignoranten meinem Korb zu nahe kamen. Dafür griff mir mein Mensch ganz gemein ins Genick und schalt mich mit Worten, die ich lieber nicht wiederholen möchte.

Immerhin stellte sich der von Sir Henry versprochene Spezialist bereits beim Spätabendspaziergang vor. Aus dem pechschwarzen Nichts des Gesträuchs am Parkrand materialisierte sich ein Deutsch-Drahthaarrüde, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.

„Sir Henry schickt mich. Wo ist das Problem?“ begann er ohne Umschweife. Ich beschrieb ihm die Katze und beobachtete ihn. Ein netter, unauffälliger Kerl, dachte ich zunächst, aber seine kalten, ungewöhnlich ruhigen Augen verrieten einen echten Profi.

„Vier Kauknochen und den Quitscheigel, und alles wird nach einem Jagdunfall aussehen wenn das Kätzchen unten im Stadtwald gefunden wird,“ sprach er ungerührt. „Zwei Kauknochen bei Auftragsannahme, der Rest ist fällig nach der Ausführung.“

„Kann ich keinen Kredit bekommen?“ antwortete ich. „Es ist nämlich dringend.“

„Fünf Kauknochen für einen Eilauftrag“, forderte er. „Die Anzahlung bleibt. Gib mir Bescheid wenn du zahlen kannst.“ Daraufhin verschwand er im Gebüsch ohne sich noch einmal umzuschauen.

„Gib dir keine Mühe,“ sagte mein Mensch als ich wieder zuhause vor dem Schrank mit den Kauknochen stand und betont freundlich mit dem Schwanz wedelte. „Du erwartest doch keine Belohnung für die Heldentat gegenüber den armen Kindern heute, oder?“

Am nächsten Tag setzte mein Mensch den anbiedernd schnurrenden Edward in einen neu gekauften Katzentransportkäfig, und trug ihn übervorsichtig ins Auto auf den Beifahrersitz. Mich schnallte er in bewährter Manier mit dem Hundesicherheitsgut auf der Rückbank fest, dann setzte er sich wild entschlossen hinter das Steuer und fuhr los.

„Ach, je, ist mir schlecht! Warum muss es hier so nach Hund stinken?“ begann Edward zu jammern noch ehe wir das Viertel verlassen hatten. Gerade als mein Mensch auf die Schnellstraße bog, begann Edward zu würgen. Mein Mensch schaute einen Augenblick zu lange auf den Katzenkäfig, dann gelang es ihm gerade noch rechtzeitig auf die Bremse zu steigen ehe das Auto einem langsamen LKW ungesund nahe kam. Die alten Gurte drückten schmerzhaft aber hielten noch. Der Katzenkäfig kullerte in den Fußraum, öffnete sich und heftig fluchend sprang Edward auf den Beifahrersitz. „Hallo, kann mal jemand aufmachen und den Hund rausschmeißen?“ rief er.

Mein Mensch reagierte zunächst nicht, er war zu beschäftigt, das Auto auf der Fahrspur zu halten. Als er dann nach Edward griff, sprang der zuerst vorne vor die Windschutzscheibe. „Ich bin nicht das richtige Tier zum Einfangen“, entschied er als mein Mensch ihn dort zu fassen versuchte, und sprang wieselflink neben mich auf die Rückbank. Eingeengt von dem Gurtzeug kam ich nicht an ihn heran egal wie ich mich wand, aber meine Chance sollte ich bekommen. „Ihr Menschen seit nicht sonderlich originell. Wetten, dass ich hier nur auf ‚Rot’ zu drücken brauche?“ sagte Edward. Schon lagen seine Pfoten auf dem roten Verschluss meines Gurtzeuges, und einen Augenblick war ich frei. Selbstverständlich versuchte ich, diesen widerwärtigen Kater zu fassen. Ich sprang nach vorne, das Auto geriet ins Schlingern, und ein furchterregender Knall markierte das unerwartet frühe Ende der Reise.

Mein Menschen, Edward und ich waren heil bei diesem Unfall, nur das Auto war so gründlich kaputt dass mein Mensch ein neues brauchte. Die Polizisten schimpften arg mit meinem Menschen, sie sagten dass es grob fahrlässig sei, einen so großen Hund wie mich frei im Auto zu transportieren. Einer hielt derweil den verschlagen blinzelnden Edward auf dem Arm und kraulte ausgiebig sein Kinn.

Zwei Tage später brachte mich mein Mensch ins Tierheim. „Ich komme nicht mehr mit ihm zurecht“, sagte der Verräter, und erzählte von den Ereignissen der vergangenen Tage ohne auf die Rolle einer gewissen grauweißen Katze angemessen einzugehen.

„Ein Rottweilerrüde, nicht mehr ganz jung und vor allem nicht verträglich mit Kindern oder wenigstens mit anderen Haustieren, das wird schwierig,“ sinnierte die Frau, die mich in meinen Zwinger führte.

Seither sitze ich also hinter Gittern. Das Leben hier ist nicht angenehm, es ist in erster Linie so eintönig wie das Futter, aber ganz schlimm ist es auch nicht. Wenn ich Glück habe kommen Leute, die mich ein bisschen länger als gewöhnlich ausführen, aber das Wichtigste ist: Es gibt keine Katzen im Hundehaus.
 
S

Sanne Benz

Gast
Liebe Antaris,
eine tolle Idee..und dann so traurig..
(blöde Katze)
erinnerte mich an Susi und Strolch..bissl..
Hast Du klasse erzählt..
(ich kann Katzen nicht leiden..und auch da hast Du..nein,er..mir manchmal aus der Seele gesprochen..:))
lG
Sanne
 

Antaris

Mitglied
Böse Katze

Liebe Sanne,

danke für Deine Rückmeldung. Ehrlich gesagt, ich mag Katzen, wie ich die meisten Tiere mag, aber es gibt schon blöde Katzen. Diese Katzengeschichte werde ich demnächst noch ein bischen überarbeiten und die Katze noch bösartiger machen. Bin mal gespannt, was Du sagst...

Liebe Grüße

Antaris
 
S

Sanne Benz

Gast
Liebe Antaris,
genau..mach sie noch böser..
ansonsten..
ich habe Katzenallergie..und unsere beiden Ratten..die würden sich über eine Katze auch nicht so freuen..:)
lG
Sanne
(PS: schreib mir ne mail,wenn du es überarbeitet hast)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo

antaris, wenn du die katze noch bösartiger machst, fände ich die geschichte weniger amüsant. sie ist köstlich, so wie sie ist und kommt in meine sammlung. die geschichte natürlich. ich hab auch ne katzenallergie, kann mich aber nur sehr mühsam davon abhalten, diese entzückenden tierchen zu streicheln. ganz lieb grüßt
 

Antaris

Mitglied
Neue Version

Hallo Ihr Lieben,

da ich anderweitig schon viel über liebe, charakterstarke, heldenhafte Katzen geschrieben habe, denke ich, kann ich mir eine böse Katze leisten und habe noch ein bisschen an der Stoy herumgefeilt. Wie gefällt Euch das Ergebnis?

Edward der Schreckliche

Ich habe nie viel von Katzen gehalten. Einige meiner Freunde sind mit Vertretern dieser Spezies aufgewachsen, oder leben heute noch mit ihnen zusammen und erzählen von Zeit zu Zeit von den freundschaftlichen Beziehungen, die sie zu Katzen pflegen. Ich weiß, dass die Samtpfoten es nur gut meinen, wenn sie um einen herum schnurren, und dass sie es weniger gut meinen, wenn sie anfangen, mit dem Schwanz zu schlagen. Trotzdem hielt ich es für eine Schnapsidee, eine Katze anzuschaffen, und das Katzentier, welches eines Nachmittags unsicher durch unsere Wohnung tappte war mir von Anfang an suspekt.

„Nun reg dich mal wieder ab“, beschwichtigte mein Mensch und strich mir über den Rücken. „Das ist ein ganz liebes kleines Kätzchen, schau nur!“

Für Katzen habe ich mich auch nie interessiert, sonst wäre mir vermutlich gleich aufgefallen, dass mit dem Burschen etwas nicht stimmt. So hielt ihn nur für einen arroganten Schleimer. Der Neuankömmling tat so, als sei ich gar nicht da, strich aber immer wieder meinem Menschen um die Beine und schnurrte anbiedernd. In den Ohren entdeckte ich eine verräterische Tätowierung. Das heißt, er hat gesessen, folgerte ich. Das muss nichts bedeuten. Alle Tiere, die je in ein Tierheim geraten schwören, dass sie unschuldig hinter Gittern sitzen, und auf einige Kandidaten mag das zutreffen.

Unwillkürlich sträubte sich mein Nackenfell. „Na, na, Alter, meinst du nicht dass du jetzt übertreibst?“ Jovial tätschelte mir mein Mensch die Kruppe, aber dass er mich ‚Alter’ nannte, trug nicht gerade zur Aufhellung meiner Stimmung bei. Schließlich war er der Beamte im Vorruhestandsprogramm, nicht ich. Um des lieben Friedens willen gab ich aber klein bei und verzog mich in meinen Korb.

Von dort aus beobachte ich die Katze genauer. Mit ihrem adrett gezeichneten grauweißen Fell verfügte sie über ein gefälliges Äußeres, welches den Menschen sicher besonders gut gefiel. Für mein Empfinden bewegte sie sich allerdings ein bisschen zu forsch und zu lässig in der fremden Wohnung. Da sprang sie doch tatsächlich auf das Sofa und ließ ihren glattgeleckten Wollpopo in die Lieblingssitzkuhle meines Menschen plumpsen!

Ich sprang auf. „Tiere gehören nicht auf die Polstergarnitur“, knurrte ich direkt vor ihrer Nase, „also sieh schleunigst zu, dass du da runter kommst.“

Die Katze gähnte demonstrativ und fixierte mich mit ihren halb geöffneten grünen Augen. „Am besten sage ich gleich wie die Dinge für dich stehen und da ich wenig Lust habe mich zu wiederholen höre lieber gut zu,“ sprach sie herablassend. „Dies ist bis auf weiteres mein Zuhause, und ich lege wenig Wert darauf, es mit einem Hund zu teilen. Sollte deine Anwesenheit hier unabdingbar sein empfehle ich dir meine Gegenwart zu meiden.“ Daraufhin kehrte sie mir den Rücken zu und rollte sich zusammen.

Gerade wollte ich sie mit einem Nasenstüber daran erinnern, dass ich meine eigene Meinung zu ihrem Einzug hatte, da spürte ich die Hand meines Menschen an meinem Halsband. „Jetzt reicht es aber“, schimpfte er. „Den armen Edward lässt du jetzt in Ruhe damit er sich eingewöhnen kann. Am besten gehen wir für eine Weile nach draußen.“

Er zerrte mich in den Flur, schnappte sich die Leine und ehe ich mich versah hatten wir das Haus verlassen. Ich wunderte mich nicht nur über die körperlichen Kräfte, die wütende Menschen entwickeln können, sondern auch über den plötzlichen Drang meines Menschen nach draußen. Normalerweise muss ich mich dreimal täglich etwa eine halbe Stunde vor der Zeit zur Garderobe begeben, erwartungsfroh die Leine, die dort hängt, anschauen und mit dem Schwanz wedeln. Wenn sich mein Mensch am anderen Ende der Leine festhält zerre ich ihn nach draußen und schleife ihn quer durch den Park bis zur Hundewiese. Das ist vor allem an heißen Sommertagen eine unselige Plackerei, aber ich muss sie aus Verantwortungsbewusstsein auf mich nehmen, denn wenn ich ihn in Ruhe lasse wird er sich irgendwann überhaupt nicht mehr bewegen. Vielleicht wächst er dann vor dem Fernseher fest.
Aus reinem Pflichtgefühl trabe ich auch den angefaulten Holzstücken hinterher, die er quer über die Hundewiese schmeißt, und bringe sie zu ihm zurück. Diese unbedarfte Welpenspiel ist sehr wichtig für Menschen, es hält sie fit und beweglich.

Als ich an jenem Nachmittag auf der Hundewiese ankam gehörte die Gymnastizierung meines Menschen nicht zu meinen Prioritäten. Zuerst erzählte ich den anderen Hunden von dem Schicksal, welches mir diesen fragwürdigen Hausgenossen beschert hatte.

„Nun übertreib mal nicht“, wiegelte Einstein, der Golden Retriever ab. „so ein kleines Tier kann keine ernsten Schwierigkeiten machen.“

„Nur an der Vorderpfoten sind scharfe Krallen“, berichtete die Pudeldame Lissy. „Der Rest ist ungefährlich, wenn nicht sogar ausgesprochen weich und freundlich. Ich hätte auch so gerne ein Kätzchen, welches meinen Schlafplatz warm hält wenn ich nicht da bin,“ meinte sie verzückt.

„Das Katzenvieh ist rotzfrech“, hechelte ich entnervt. „Es macht sich gleich auf dem Sofa breit und meint, ich hätte zu kuschen.“

„Bestimmt machst du dir nur unnötig Sorgen“, sprach Sir Henry, ein Jack Russelterrier aus der Oberstadt. „Die meisten Stubentiger sind ganz in Ordnung. Wenn bei schlechtem Wetter mein Mensch nicht so lange Spaziergänge machen will wüsste ich nicht, was ich den ganzen Tag zuhause ohne meine Katze täte.“

Von der Doggen-Dortje bis zum Pekinesen-Bobo erklärte mir ein Hund nach dem anderen, wie unproblematisch Hunde und Katzen neben- und miteinander leben können. „Hält denn niemand etwas von der Idee, Katzen einfach den nächstbesten Baum heraufzujagen?“ jaulte ich schließlich mitten auf der Wiese.

Entgeistert starrten mich die übrigen Hunde an. „Ich darf doch bitten,“ meldete sich Rocco erbost. „Wir sind alle kluge, zivilisierte Hunde und keine ungehobelten Bauerntölen. Über solche primitiven Aktionen sollten wir nicht einmal nachdenken,“ sprach er mit einem auffallend pastoralen Unterton in seiner tiefen Stimme. Ich konnte den eingebildeten Dobermann aus der Eden-Bar nie leiden.

Resigniert zog ich meinen Menschen nach Hause. Zu meinem Entsetzen hatte sich die Katze inzwischen über meinen alten Tennisball hergemacht und ihn mit ihren Krallen stark aus der Form gebracht. Ich suchte mein Spielzeug zusammen, legte es in meinen Korb und mich darauf. Wenn ein Zwei- oder Vierbeiner nun meinem Korb zu nahe kam knurrte ich rein präventiv.

Dass Drohungen nicht viel nützen würden hatte ich mir schon am Nachmittag gedacht, als ich entdeckte, dass sogar mein Korb bereits nach Katze roch. Tatsächlich fehlte mein frisch angenagter Kauknochen als ich spätabends vom letzten Rundgang mit meinem Menschen zurückkam, und nach dem Morgenspaziergang am folgenden Tag entdeckte ich, dass jemand versucht hatte, seine Krallen an meiner altersschwachen Beißwurst zu schärfen. Natürlich tat das Katzentier so, als habe es überhaupt nichts zu tun mit meinen Sorgen. Gleichgültig blickten die grünen Augen durch mich hindurch, dann ging die Katze in die Küche und begann lustlos ihr Futter zu fressen. Dabei bekam sie viel besseres Futter als ich, das wusste ich, seit ich zum ersten Mal die Katzenschüssel blank schlecken durfte, und überhaupt hieß es ständig Edward hier, Edward da!

Auch die Sache mit dem Sonntagskuchen geht auf Edwards Konto. Mein Mensch pflegt nämlich, nach unserem Sonntagmorgenspaziergang ein oder zwei Stücke feinem Sahnekuchen in der Konditorei zu holen. Kaum stand der Kuchen auf dem frisch gedeckten Tisch da klingelte das Telefon, und während mein Mensch dem Anrufer lang und breit von dem neuen Haustier erzählte, sprang dieses auf den Tisch und beroch das Schwarzwälder Kirschtortenstück.

„Nicht schlecht“, meinte Edward und machte sich über das üppige Sahnetürmchen am breiten Rand her.

„Tiere gehören auch nicht auf den Tisch,“ knurrte ich, „erst recht nicht mit allen vier Pfoten.“

„Ich bin gleich fertig.“ Edward blinzelte verschlagen. Immer dünner wurden die Sahneverzierungen unter der erstaunlich flinken Katzenzunge. „Wenn du nicht heraufkommen willst gebe ich dir den Rest eben herunter,“ meinte er, und schob energisch seinen Katerschädel unter den Teller. Mit einem widerwärtigen Klirren zerplatzte der auf dem Fußboden, der Kuchen krümelte und spritzte bis auf den antiken Perserteppich. Im anderen Zimmer schepperte der Telefonhörer auf der Gabel aber bis mein Mensch endlich im Zimmer stand hatte sich Edward längst unter das Sofa verzogen.

„Und nun rate mal, wen dieser Trottelmensch dafür nach Strich und Faden ausgeschimpft hat,“ brummte ich als ich danach Sir Henry von den Ereignissen erzählte.

Nachdenklich legte er seinen kleinen, bunten Kopf auf die Seite. „Das ist meisten so, dass Katzen besseres Futter als Hunde bekommen,“ meinte er dann. „Wenn sich Dein Mensch erst mal an die Katze gewöhnt hat wird er vernünftig und die Tüddelei lässt nach. Die Sache mit dem Tennisball macht mir allerdings Sorgen. Katzenkrallen können normalerweise keinem Tennisball etwas anhaben.“

„Dies war ein ganz besonderer Tennisball,“ bestätigte ich, „alt und mit einer schönen Patina, ein unersetzliches Unikat. Meine Beißwurst zieht auch schon Fäden vom Krallenwetzen. So etwas bekomme ich bestimmt nicht wieder weil mein Mensch nicht mehr auf den Hundeplatz will. Ich glaube, er wird zu alt für solche Späße.“

„Einen Kratzbaum habt ihr nicht?“ unterbrach mich Sir Henry,

„Einen kleinen in der Küche und einen großen im Wohnzimmer, alles nigelnagelneu,“ bestätigte ich. Mein Mensch hatte einen halben Tag gebraucht um das sperrige Gerümpel zusammen zu schrauben.

„Merkwürdig“, meinte Sir Henry.

Als mein Mensch abends zuhause die Blumen gießen wollte zog er die aufgelösten Reste meines Kauknochens aus der Kanne. Die Katze war verschwunden. Mein Mensch hatte eine Katzenklappe in die Haustüre gebaut. Natürlich wusste ich, dass Katzen in einem Haus fast jederzeit kommen und gehen dürfen, und kein Mensch von ihnen erwartet, dass sie irgendwelche Verantwortung übernehmen. Mich wurmte es sehr, dass der Herr Kater erst im Morgengrauen wieder zurückkam. Er rollte sich auf dem Sofa zusammen und schlief bis kurz vor Mittag.

„Stimmt es was von dir erzählt wird“, sprach Edward mit scheinheiliger Freundlichkeit nachdem sie sich zum Aufstehen entschlossen hatte. „Hundeschule ohne Abschluss?“

„Ich weiß nicht was dich das angeht“, brummte ich.

„Nun ja, es ist auch nicht so wichtig,“ säuselte die Katze. „Ich werde mir ohnehin mein eigenes Bild von den geistigen Fähigkeiten der Kreaturen meiner Umgebung machen. Es muss wirklich schlimm sein, keine Katze zu sein. Ich fürchte, du kämst nicht einmal auf die Idee, das Klo zu benutzen wenn dein Mensch mal zu lange weg bleibt.“

„In dieser Hinsicht kann ich dich beruhigen“, knurrte ich, trottete zum Katzenklo und hob mein Bein. Als ich das zufriedene Grinsen in Edwards Gesicht sah, ahnte ich schon, dass ich diesem verschlagenen Widerling irgendwie auf den Leim gegangen war.

Edward stolzierte zum Katzenklo, schnupperte und rümpfte die Nase. „Entsetzlich!“ jammerte er. „Ob der Gestank je wieder aus dem Plastik herausgeht? Die Einstreu muss auf jeden Fall komplett gewechselt werden. Bis dahin kann ich dieses Ding nicht mehr benutzen.“

Eine Stunde später stand eine beachtliche, streng nach Katze riechende Pfütze auf dem Küchenfußboden. Als mein Mensch zurückkam bekam ich einen Klaps mit einer zusammengerollten Zeitung, und er schimpfte mit mir wie mit einem Welpen. Der Gipfel der Ignoranz war jedoch die ernsthafte Empfehlung, mir eine Scheibe an dem lieben Edward abzuschneiden, der so toll sein Klo benutzt!

„Gib mir ein Messer und ich schnitze eine ganze Packung Frolics aus dem Schätzchen“, knurrte ich genauso ernst zurück, aber mein Mensch verstand mich nicht. Er blickte mich nur kummervoll an.

„Ich glaube, ich brauche professionelle Hilfe für dich“, sagte er.

Die hoffte er vom Tierarzt zu erhalten, mit dem er umgehend einen Termin vereinbarte. Ein Tierarzt, das konnte keine angenehme Begegnung werden, dachte ich sorgenvoll. Für einen kranken Hund, der sich nicht wehren kann mag ein Tierarzt akzeptabel sein, aber seit einer kleinen Ohrenentzündung vor ein paar Jahren wollte ich mit Tierärzten nichts zu tun haben.

„Sie schnippeln dir was weg in der Hoffnung dass du artiger wirst,“ bemerkte Edward schadenfroh.

Nachmittags auf der Hundewiese mied ich die Gesellschaft der anderen Hunde, alleine schon weil ich mich wegen der Schlappe mit dem Katzenklo unsäglich schämte.

„Pst, Kumpel“, wisperte jemand hinter mir. Ich erschrak, obwohl mich nur Sir Henry angrinste. „Ich habe mich bei meiner Katze nach deinem neuen Mitbewohner erkundigt,“ berichtete er. „Edward alias Schnurri, alias Amadeus, alias weiß-der-Kuckuck-sonst-noch-wer es ist immer der selbe schäbige grauweiß gescheckte Kater. Offensichtlich hast du wirklich ein Problem mit dieser Katze.“

„Er hat gesessen, dieser Schurke“, sagte ich.

„Mehrmals,“ bestätigte Sir Henry, „und wo immer er auftaucht scheint es Ärger zu geben. In seiner Umgebung verschwinden immer wieder andere Haustiere unter seltsamen Umständen. Dieser Kater ist ein Psychopath...“

„Ich bringe ihn um, dann ist er aus dieser Welt verschwunden,“ knurrte ich.

„Sachte, sachte,“ erwiderte Sir Henry. „Wenn dir der Katzenpelz zufällig zwischen die Zähne rutscht haben die Menschen gleich ein Tatmotiv und dich am Kanthaken. Die ganze Härte der Gesetze und der kommunalen Gefahrenabwehrverordnungen wird mit Wesenstest und allem Pipapo über dich hereinbrechen. Ehe du dich versiehst wirst du als gefährlicher Hund eingestuft und wanderst für den Rest deines Lebens hinter Gitter. Nein, lasse deine Pfoten tunlichst aus dem Spiel.“

Ich schluckte. Mein kleiner Terrierfreund musste es wissen. Er hatte einen Staatsanwalt als Mensch. „Vielleicht ist es im Tierheim gar nicht so schlimm. Ich habe jedenfalls wenig Lust, mich weiter von diesem Katzenvieh beuteln zu lassen,“ sagte ich.

„Lass dich nicht zu Kurzschlusshandlungen hinreißen“, entgegnete Sir Henry. „Kannst Du zahlen?“

„Was?“

„Du brauchst einen Spezialisten,“ entschied Sir Henry, „jemand, der dein Problem routiniert und unauffällig aus der Welt schafft. Der Service kostet allerdings ein paar größere Kauknochen.“

„Kein Problem,“ hechelte ich, „ich lege noch einen neuwertigen Quitscheigel aus Gummi drauf, aber es muss schnell gehen. Ich habe einen Tierarzttermin am Freitag – sehe ich etwa krank aus?“

„Du siehst aus wie ein Hund, der mit den Nerven ziemlich herunter ist. Ich will sehen, was ich tun kann,“ versprach Sir Henry schwanzwedelnd und verabschiedete sich.

Die nächste harte Probe für mein Nervenkostüm wartete schon in Gestalt der beiden Neffen meines Menschen an der Haustür. Sie wollten das Kätzchen sehen, den lieben Edward streicheln, und mit ihm spielen. Dass sie dazu an mein Spielzeug wollten sah ich absolut nicht ein. Ich knurrte, fletschte die Zähne und schnappte einmal zur Warnung ins Leere als die beiden halbstarken Ignoranten meinem Korb zu nahe kamen. Dafür griff mir mein Mensch ganz gemein ins Genick und schalt mich mit Worten, die ich lieber nicht wiederholen möchte.

Immerhin stellte sich der von Sir Henry versprochene Spezialist bereits beim Spätabendspaziergang vor. Aus dem pechschwarzen Nichts des Gesträuchs am Parkrand materialisierte sich ein Deutsch-Drahthaarrüde, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.

„Wo ist das Problem welches ich beseitigen soll?“ begann er ohne Umschweife. Ich beschrieb ihm die Katze und beobachtete ihn aufmerksam. Ein netter, unauffälliger Kerl, dachte ich zunächst, aber seine kalten, ungewöhnlich ruhigen Augen verrieten einen echten Profi.

„Vier Kauknochen und den Quitscheigel, und alles wird nach einem Jagdunfall aussehen wenn das Kätzchen unten im Stadtwald gefunden wird,“ sprach er ungerührt. „Zwei Kauknochen bei Auftragsannahme, der Rest ist fällig nach der Ausführung.“

„Muss ich sofort zahlen? Ich habe gerade keinen Kauknochen bei mir, kann ich keinen Kredit bekommen? Die Sache ist nämlich dringend,“ antwortete ich.

„Fünf Kauknochen für einen Eilauftrag“, forderte er. „Die Anzahlung bleibt. Gib mir Bescheid wenn du zahlen kannst.“ Daraufhin verschwand er im Gebüsch ohne sich noch einmal umzuschauen.

„Gib dir keine Mühe,“ sagte mein Mensch als ich wieder zuhause vor dem Schrank mit den Kauknochen stand und betont freundlich mit dem Schwanz wedelte. „Du erwartest doch keine Belohnung für die Heldentat gegenüber den armen Kindern heute, oder?“

Am nächsten Tag setzte mein Mensch den anbiedernd schnurrenden Edward in einen neu gekauften Katzentransportkäfig, und trug ihn übervorsichtig ins Auto auf den Beifahrersitz. Mich schnallte er in bewährter Manier mit dem Hundesicherheitsgut auf der Rückbank fest, dann setzte er sich wild entschlossen hinter das Steuer und fuhr los.

„Ach, je, ist mir schlecht! Warum muss es hier so nach Hund stinken?“ begann Edward zu jammern noch ehe wir das Viertel verlassen hatten. Gerade als das Auto auf die Schnellstraße bog begann Edward zu würgen. Mein Mensch schaute einen Augenblick zu lange auf den Katzenkäfig, dann gelang es ihm gerade noch rechtzeitig auf die Bremse zu steigen ehe das Auto einem langsamen LKW ungesund nahe kam. Die alten Gurte drückten schmerzhaft aber hielten noch. Der Katzenkäfig kullerte in den Fußraum, öffnete sich und heftig fluchend sprang Edward auf den Beifahrersitz. „Hallo, kann mal jemand aufmachen und den Hund rausschmeißen?“ rief er.

Mein Mensch reagierte zunächst nicht, er war zu beschäftigt, das Auto auf der Fahrspur zu halten. Als er dann nach Edward griff, sprang der zuerst vorne vor die Windschutzscheibe. „Ich bin nicht das richtige Tier zum Einfangen“, entschied er als mein Mensch ihn dort zu fassen versuchte. Wieselflink sprang das Katzentier neben mich auf die Rückbank.

Eingeengt von dem Gurtzeug kam ich nicht an ihn heran egal wie ich mich wand, aber meine Chance sollte ich bekommen. „Ihr Menschen seit nicht sonderlich originell. Wetten, dass ich hier nur auf ‚Rot’ zu drücken brauche?“ sagte Edward. Schon lagen seine Pfoten auf dem Verschluss meines Gurtzeuges, und ich war frei. Selbstverständlich versuchte ich, diesen widerwärtigen Kater zu fassen. Ich sprang nach vorne, das Auto geriet ins Schlingern, und ein furchterregender Knall markierte das unerwartet frühe Ende der Reise.

Mein Mensch, ich und der Kater blieben heil bei diesem Unfall, nur das Auto sah nicht mehr gut aus. Die Polizisten schimpften arg mit meinem Menschen und sagten dass es grob fahrlässig sei, einen so großen Hund wie mich frei im Auto zu transportieren. Einer hielt derweil den überlegen grinsenden Edward auf dem Arm und kraulte ausgiebig sein Kinn.

Dieser verflixte Kater plant wieder irgendetwas Übles, schoss mir spontan durch den Kopf.

Schließlich transportierte der Pannendienst das Autowrack ab. Wortlos zog mein Mensch mir den Maulkorb an, der für den Tierarztbesuch gedacht war, setzte Edward in den Transportkorb und wir machten uns auf den Weg zur nächsten Straßenbahnstation.

„Steht dir gut, der Nasenschoner. Du solltest ihn öfter tragen, wenigstens solange du dich noch in der zivilisierten Welt bewegst.“ Edward lächelte süffisant als mir zuhause mein Mensch den Maulkorb abnahm.

Ich stellte mich taub, trottete schnurstracks zu meinem Korb und rollte mich zusammen. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Edward, der auf das Sofa sprang, und sich selbstverständlich auf dem schönsten Brokatkissen niederließ. Dass er mich gut im Blick hatte war bestimmt kein Zufall.

Was für eine Gemeinheit heckte dieser Kater als nächstes aus? Zu behaupten, dass mich die halb geschlossenen, kalten Katzenaugen beunruhigten, wäre eine starke Untertreibung gewesen. Eine unangenehme Eigenschaft an Katzen ist, dass niemand sie kommen hört wenn sie es nicht wollen. Normalerweise ist auf meine Nase Verlass, aber weil bereits die ganze Wohnung nach Katzenklo muffelte, würde mir die verstärkte Witterung nicht sofort auffallen, wenn die Katze plötzlich an meinem Korb stand.

Ich musste dieses heimtückische Katzentier im Auge behalten. Das war schwierig, ich war sehr müde, und meine Augenlider wurden immer schwerer. Irgendwann würde mein Mensch ohnehin den Fernseher und das Licht ausknipsen, um zu Bett zu gehen. Dann war ich mit dem Kater alleine. Im Dunklen konnte er sich heranschleichen, und seine unheilvollen Pläne an mir vollenden. War nicht Edwards Verhalten im Auto Beweiß genug, dass er sich nicht scheute, sein Leben und das meines Menschen zu riskieren um mir zu schaden?

Dieses ach so niedliche Kätzchen ging über Leichen, und ich konnte es nicht aufhalten. Die Lichter des altmodischen Kronleuchters verschwammen, das Wohnzimmer schien sich von den Rändern her aufzulösen und im finsteren Schlund der Nacht zu versinken. Edwards Konturen wuchsen vor der untergehenden Gemütlichkeit. Lässigen Schrittes kam er näher, aber ich konnte nicht aufspringen, geschweige den davonlaufen. Eine gespenstische Macht hielt mich reglos in meinem Korb. Voller Entsetzen blickte ich in sein hochmütig grinsendes Katergesicht als er groß wie ein Zirkuslöwe direkt vor mir stand. „Schluss mit lustig,“ verkündete er, „Entweder du oder ich, und wenn Du nicht unnötig herumhampelst wird es schnell gehen für dich.“

Ich konnte nicht einmal bellen! Mit ungeahnten Kräften lagen Edwards übelriechende Pranken an meinem Hals und raubten mir den Atem. Ich wand mich, spürte die Krallen in meinem Körper, schnappte vergebens nach der Katze – bis meine Zähne etwas Lebendiges zu fassen bekamen.

Mein Mensch schrie und fluchte entsetzlich. Ich öffnete meine Augen und sah seinen weichen Unterarm unter dem zerfetzten Flanellärmel in allen ungesunden Farben schillern, und dann bemerkte ich Edward. Er saß hinter meinem Nacken in meinem Korb und leckte sich ganz unbeteiligt die Innenseiten seiner Vorderpfoten.

Ich rieb mit den Vorderpfoten meine Augen und blinzelte. Das alles sollte nur ein gewöhnlicher Hundealptraum gewesen sein? Die Überlegung war müßig, denn gleich am nächsten Morgen brachte mich mein Mensch ins Tierheim. „Ich komme nicht mehr mit ihm zurecht“, sagte der Verräter, und erzählte von den Ereignissen der vergangenen Tage ohne auf die Rolle einer gewissen grauweißen Katze angemessen einzugehen.

„Ein Rottweilerrüde, nicht mehr ganz jung und vor allem nicht verträglich mit Kindern oder wenigstens mit anderen Haustieren, das wird schwierig,“ sinnierte die Frau, die mich in meinen Zwinger führte.

Seither sitze ich also hinter Gittern. Das Leben hier ist nicht gerade angenehm, es ist so eintönig wie das Futter, aber richtig schlimm ist es auch nicht. Wenn ich Glück habe kommen Leute, die mich ein bisschen länger als gewöhnlich ausführen, aber das Wichtigste ist: Es gibt keine Katzen im Hundehaus.


„Katzen sind sehr eigen,“ näselte Rocco, der Dobermann aus der Eden Bar herablassend. „Wenn du dich erst an ihre Art gewöhnt hast wirst du besser mit der Katze klar kommen.“
 
G

G.Knöll

Gast
Hallo,
tolle Geschichte!

"..beschwichtigte MICH mein Mensch(Herrchen)"

Diese Geschichte hast Du wirklich SEHR gut beschrieben,was sicher nicht ganz einfach war? :)

Von mir, für die Überarbeitung ein: pefekt!

mfG
 



 
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