Ehe

Anonym

Gast
Ihre Ehe hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Diese immer wiederkehrenden Rückenschmerzen erklärt sie stets mit den zwei Geburten der gemeinsamen Kinder. Doch es ist die Last, die seit langem auf ihr liegt. Die Last einer Ehe, in der der Prinz schon bei der Hochzeit keiner war. Nach der Geburt der Kinder verblasste die Robe immer mehr. Wärme und Zärtlichkeit wurden für ihn zum langatmigen Ballast und hielten ihn unnötig auf, schnell und ohne Umschweife zum „Ziel“ zu kommen.
So sei nun mal die Ehe. Sie verändere sich mit der Zeit, die Familie gewinne einen größeren Stellenwert als die Liebe und das sei ja auch gut so, schon alleine wegen der Kinder.
Doch das leere Päckchen an Wärme, Güte, Freundschaft und Zärtlichkeit wog immer schwerer auf ihrem Rücken. Wen, außer ihrem Mann, wundert es da, dass sie sich schließlich eine erholsame Badewanne voll dieser Dinge einlaufen ließ. Sie nahm sich den Luxus, ohne die Haushaltskasse auch nur um einen Pfennig zu überziehen. Das wohltuende Bad mit dem Badezusatz aus Zärtlichkeit und Wärme, aus Armen, in denen sie von besseren Zeiten, ihren Zeiten, träumen konnte, ließ sie vergessen. Die kurze Wirklichkeit ihrer Phantasie wiegte mehr als die harten Faustschläge ihres Mannes, diese Ohrfeigen für eigenes Denken und Fühlen, weit ab von seinem Verständnis.
Noch einmal stand sie auf, als sie ihrem Mann sagte, dass sie sich von ihm trennen wolle. Ihr Kopf wohnte schon lange nicht mehr bei ihm.
Für einen kurzen Moment stellte sich ihr die Frage, warum sie sich schlagen ließe, die Frage einer Chance, endlich ihr Leben umzukrempeln und den ihr ebenbürtigen Weg einzuschlagen.
Aber als sie den Schrank ihrer Altlasten öffnete, suchte sie Schutz bei dem neuen Mann, ließ die unbearbeiteten Dinge liegen und flüchtete in neue Arme, in ein neues Leben, einen neuen Halt, ohne die Füße auch nur einmal selbständig auf den Boden gesetzt zu haben.
Diese Verantwortung wolle er nicht tragen, der Neue. Er wolle keine Frau, die in ihm einen Zufluchtsort sah. Er wolle eine Frau, die auch gegangen wäre, wenn es ihn nicht geben würde. Damit wäre sein Schuldgefühl ein wenig kleiner. Schließlich wolle er sich nichts nehmen, was ihm nicht zustehe.
So hatte er Angst, das Leid der vergangenen Jahr auskurieren zu müssen. Denn er wolle neu anfangen, mit einer Frau, die sich für ihn und nicht nur gegen ihren Mann entschieden hatte. Ihm fehlte in dem ganzen Hin und Her eine Ordnung, die ihm eine Richtung hätte zeigen können, einen Lebensweg, den er irgendwann mit ihr zusammen gehen könnte. Er sei doch kein Austauschmodell für den Anderen.
Aber wer war sie? Der Abglanz einer Ehe? Der Rest einer schon lange vergessenen Leidenschaft? Wo war ihr neuer Weg? Wo war sie?

So beendete er diese Beziehung. Er sprach sein deutliches Nein aus. Ein Nein, dass sie nicht verstand. Hatte sie sich nicht von ihrem Mann, räumlich gesehen, getrennt? Na ja, das eine Mal im Familienurlaub, als sie wegen der Kinder eingewilligt hatte, als er noch einmal die Bestätigung haben wollte, dass er es immer noch schafft bei ihr. Es sei nur reine Lust gewesen, keine Liebe. Vielleicht war es ja wirklich nur der Aufschrei einer in Trümmern liegenden Liebe einer schon vergessenen Ehe. Wie oft kam das noch vor?

Er ist schließlich gegangen. Der Vater ihrer Kinder ist wieder eingezogen. Sie machen erneut auf Familie. Es ist alles beim Alten.
Sie hat ein wenig geträumt, hat sich ihren Kleiderschrank aufgeräumt vorgestellt und ihn neu sortiert. Aber es herrscht nach wie vor Chaos darin und die Türen sind mit einem zusätzlichen Riegel verschlossen. Denn die Last, die nun darin liegt, die Last eines nicht gelebten Traumes vom eigenen Leben wiegt nun am schwersten auf ihrem Rücken.
 
R

Rote Socke

Gast
Sehr sehr nachvollziehbar. Das ist eine schwierige Situation, die ich oft in meinem Umfeld so gesehen habe.

Aber auch dieses:
"Er wolle keine Frau, die in ihm einen Zufluchtsort sah. Er wolle eine Frau, die auch gegangen wäre, wenn es ihn nicht geben würde."
Ist verständlich und nachvollziehbar.

In der knappen Form sind alle wesentlichen Bestandteile der Problematik vorhanden.

Das Leiden geht weiter ...

Gruss
Socke
 

Anonym

Gast
Danke, Rote Socke,

das ist die Geschichte, die ich für einen Bekannten aufgeschrieben habe, auch deshalb anonym (aber mit seiner Erlaubnis). Freue mich, dass ich es so geschrieben habe, dass es andere nachvollziehen können.
Aber wie bearbeite ich den Text nun und was bearbeite ich?
Freue mich über weitere Anregungen.

schreibteufelinchen
 

Anonym

Gast
Danke liebe rote Socke fürs Lesen und für die Vielfalt an Anregungen.
schreibteufelinchen
 



 
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