Ein Abend mit B.C.

novembermond

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Der Raum ist in rotes Dämmerlicht getaucht. Schwaden an Zigarettenqualm und der Geruch von Bier erschweren das Atmen ein wenig, trotzdem werde ich verweilen.
Blues nimmt den Raum ein, übertönt die Gespräche der Anwesenden, drängt sich auf und dringt in die gespannten Ohren der Gäste.
Die Stimme des Fijianer kratzt während er allen ein Bula wünscht, seinen Humpen in die Höhe reckt und ein Chor amüsierter Gäste das Bula erwidert. Prost auf fiji.
Ein Basslauf ertönt, quakend setzt ein Saxophon ein, Gitarre und Drum runden die Klanglandschaft ab, und Isaacs Stimme - trotz vom Bier geglättet - kratzt uns entgegen, rau, kantig, scharf.

Das geschieht in einer kleinen Dortmunder Kneipe im Norden der Stadt, doch schon längst habe ich sie mental verlassen, bewege mich durch die Straßen von LA und gelange im strömenden Regen in eine Bar. Dort setzte ich mich an den Tresen, ein beschissen aussehender Kerl kommt sich zu mir, stellt sich mir als B.C vor und beginnt so ein längeres Gespräch mit mir. Über Frauen, Sex, guten und billigen Fusel, Vergewaltigungen. Erst wähne ich mich im falschen Film, versuche dieses menschliche Wrack von meiner Seite zu scheuchen, doch dann gewinne ich Interesse an dem, was er mir zu sagen hat.

Eine Farbige steht drüben beim Klavier und ihre Stimme tönt durch die Rauchschwaden. Er blickt kurz auf, nennt sie ein Miststück, laut, polternd, aber dann interessiert sie ihn schon nicht mehr, vielmehr die Barkeeperin. Ein blondes, dralles Weib.
B.C. ist besoffen, so tierisch, und jedes Mal, wenn er mir ein Stück nahe kommt, weiche ich zurück, so sehr stinkt er nach Alkohol und Erbrochenem. Auch jetzt wieder. Aber seine Worte nehmen mich gefangen, wenngleich ich sie nicht mag. Zu vulgär. Doch kraftvoll.
Der Mann hinter dem Keyboard lebt auf und entlockt seinem Instrument Töne, die ich noch nie gehört habe, diese wabern, kriechen, mal in trötender Weise, mal in sanftem Gesäusel in mein Gehör, krallen sich fest an den Rauchkringeln, die manche ihren Zigaretten entlocken, geifern nach Aufmerksamkeit, versetzen die Anwesenden in eine Art Trance.
B.C. beugt sich also zu mir, widerlich stinkend, und ich weiß ganz genau, was er mir sagen will. Ich verachte ihn dafür, aber aus seinen Augen strahlt mir Güte entgegen. Trotzdem sein Blick getrübt ist, leidend, tot. In seinen Gedanken steht ein billiger Fick geschrieben, mit diesem Prachtweib, wie er sie tonlos nennt, diesem Flittchen, mit allem was geil ist. Dann nickt er ihr zu, sie kommt und er macht sie an. Schon greift er ihr an den Arsch, sie aber scheuert ihm eine und B.C. lächelt. Als sie wieder weg ist, poltert er los, was seine Erfahrung ihn über solche Art Frauen wissen lässt. Dralle Weiber hinter dem Tresen, die hüftschwingend umhertänzeln und den Männern den Kopf verdrehen, Schlampen, die einzig nur dazu geboren sind, die Beine dann doch irgendwann breit zu machen.
Der Kerl kotzt mich an, jedes seiner Worte ist so verachtenswert, voller Ekel höre ich ihm zu. Trotzdem bleibe ich sitzen. Minute um Minute. Dann brüllt er durch den Raum, dass sie ihm endlich einen Wodka bringen soll, einen doppelten, oder besser gleich mehrere. Und er könne zahlen.

Bassläufe, genial gespielte, tönen durch den Raum, dringen in die Ohren, bewegen Unterleiber und Beine, die Kneipe wird zum Floor, zur Tanzfläche einer kochenden Menge an unterschiedlichsten Menschen. Dann, abrupt endet das Instrument und das Saxophon setzt ein, alle klatschen, jubeln. Ein Sax ist ein Sax ist ein Sax ist ein Sax.

Ich stehe in der Menge, meine Lippen spüren weichen Port, lecken ihn, schlürfen ihn und lassen sich von seiner Strenge verwöhnen, von seinem Holz inspirieren.

Ich sitze aber auch, meine Gedanken kreisen um B.C, seine Strenge öffnet neu meinen Geist, sein Gestank inspiriert seltsamer Weise.

Keyboard und Sax frotzeln miteinander, Isaac spricht ein weiteres Mal ein Bula in die Menge, die wiederum johlt und erhebt ihre Humpen. Dann verkündet er einen letzten Song, das Publikum lacht, Isaac ebenso. Weit reiß er seinen Mund auf, die Zähne wirken bei dem roten Licht schmutzig, aber sein Lachen ist echt. Die Band spielt auf, das letzte Lied, und im wabernden Keyboardsound verändert sich die Atmosphäre.

B.C. hat eigentlich nicht viel gesagt. Nun aber steht er auf, wirft etwas Geld auf den Tresen, poltert mir ein War nett mit Dir zu reden, Kumpel entgegen, dann verschwindet er. Keiner dreht sich um, selbst die Barkeeperin nicht, die in unmittelbarer Nähe zu ihm steht.
Als er draußen ist, kommt sie auf mich zu und erzählt mir, er sei immer so. Wenn ich öfters komme, dann werde ich ihn immer wieder so erleben. Ihr mache seine Art nichts aus. Sie habe sich daran gewöhnt. Und außerdem, er schreibe gut. Sie verstünde nicht viel von Literatur, aber seine Texte gefielen ihr. Manchmal habe sie zerknüllte Papiere an seinem Tisch gefunden, und die habe sie alle gesammelt. Notizen, Gedichte. Irgendwie liebe sie ihn sogar.

Der Dicke ist vom Keyboard aufgestanden. Leider. Er bewegt sich zum Tresen, bestellt ein großes Guinness, dann verschwindet er in einen anderen Raum. Derweil johlen die Gäste, rufen Isaac, rufen die Band wieder neu auf die Bühne, und die kommen wieder, fünf Minuten später. Dazwischen ein Sound vom Tape von einer Band, die ein paar Tage später spielen wird. Doch der Keyboarder fehlt. Er wird gerufen, ein zwei drei mal. Dann endlich schlurft latscht er gemütlich vorbei, setzt sich hinter sein Instrument und in die Geräusche der Kneipe windet sich ein weiterer Sound aus deren Repertoire, brüllt schnaubt quäkt über die Barhocker, die Sofas, die Bänke, die Kicker hinweg, bohrt sich in die Köpfe, bewegt die Leiber, berührt andere Welten.
Isaac singt nicht, eine Frau verleiht dem Lied Stimme, maskulin, derb, kräftig und doch voll an weiblicher Kühnheit und Ausstrahlung. Er aber greift zu einem Bier, lässt es in seine Kehle rinnen.
Die Zugabe erfährt ihren Höhepunkt, die Barkeeperin hat mich wieder verlassen, ich muss zum Zug. Bu bu bäää bu bää lälälälä ba speit das Keyboard, Sax bleibt Sax, Bass und Gitarre nehmen an dieser Vereinigung Teil und mir bleibt es nur noch, die Kneipe zu verlassen, um meinen Zug zu erreichen.

Im Zug lasse ich den Abend noch einmal Revue passieren. Die Welt kommt mir plötzlich so klein vor.
Die Nacht erlöst den Tag und mit ihm Menschen, die das Licht nicht ertragen, oder die vom Licht nicht ertragen werden, und als ich aus der Bahn aussteige, muss ich feststellen, B.C. ist mir gefolgt. Ich lächele.
 



 
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