solowasser
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Ein Berg. Nicht senkrecht vor dir, aber steil genug, um deinen Atem stocken zu lassen. Du kneifst deine Augen zusammen und legst deinen Kopf in den Nacken. Ein Berg. Ein schöner, grüner – du legst deinen Kopf noch etwas mehr in den Nacken – ein brauner, ein grauer Berg. Die Sonne blendet dich, dein Kopf kehrt in die Waagrechte zurück, du siehst kurze Zeit schwarzes Flimmern. Dann mich. Du kommst sehr nah an mich heran und flüsterst:
„Wenn du es nicht weitersagst, zeig ich dir was.“
Dein feuchter Atem löst ein Prickeln in meinem Körper aus. Unwillkürlich zucke ich zusammen und rücke etwas näher an dich ran, um mehr von dem Prickeln abzubekommen. Kurz will ich dir in die Augen schauen, aber sehe nur Berge von Haaren. Sie funkeln in der Abendsonne wie Getreidehalme. Kurz sehe ich deine Zähne, sie sind gelblich-weiß vom Rauchen und der gewissenhaften Pflege. Waren deine Haare dunkelblond, hellbraun, schwarz?
„Was denn?“, antworte ich verstockt und schüchtern. Ich traue mich nicht mehr, dir in die Augen zu schauen, aus Angst vor deinen Haaren, die eine solche Intimität verhindern würden.
Ich sehe kurz dein Lächeln, es ist ein trauriges, ja wehmütiges Lächeln, das ich von dir noch nie gesehen habe. Dabei kenne ich dich mein ganzes Leben lang. Ein ganzes Leben habe ich zu dir aufgeschaut, ein ganzes Leben hat sich an Deines geklammert voller Verzweiflung und endloser Zuneigung.
„Siehst du das?“ Du hebst dein T-Shirt hoch und zeigst mir deinen weißen Bauch, der mit kleinen Härchen besetzt ist. „Meinst du die Beule?“, frage ich naiv und mache große Augen. Lange schaust du mich an, ohne etwas zu sagen. Ich schlucke und schaue. Ich schlucke und vergesse dabei zu schauen. Oder war es anders herum? Meine Augen kneifen sich zusammen, so als würde die Sonne höchstpersönlich sie zudrücken. Dabei weiß ich, dass nicht die Sonne der Grund dafür ist, sondern deine Beule.
„Hör mal“, sagst du zitternd, „ich muss diesen Berg rauf.“ Sofort nehme ich deine Hand und marschiere los. Ab und zu lässt du meine Hand los, um deine Beule zu betasten. Es ist eine kleine Beule, aber die Art, wie du sie anfasst, macht mir klar, dass es eine wichtige ist. Eine Beule, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Eine Beule, die den Berg bezwingen muss.
Die Sonne wird immer röter und wir machen kurz Halt, um einen Schluck Wasser zu trinken. Ich trinke und drehe dir kurz den Rücken zu. Als ich mich wieder umdrehe, sehe ich, dass du Tränen in den Augen hast. Du hast dein T-Shirt ausgezogen und deine ganze Handfläche bedeckt deine Beule, die mir jetzt im späten Abendlicht größer vorkommt als zuvor im Tal. „Weißt du“, sagst du schluchzend, „die Beule wächst und wächst, je weiter ich nach oben gehe. Du musst für mich den Berg hinaufgehen und dem Gipfel sagen, dass du angekommen bist und mich mitgenommen hast. Ich ruhe mich derweil auf dem Stein aus.“ Mein Mund kommt mit all den Sätzen nicht hinterher, die er herunterschlucken muss und hustet stattdessen. Dein Blick ist flehend, so wie ich ihn noch nie zuvor gesehen habe. Deine Haare sind inzwischen keine Getreidehalme mehr, sondern dicke Flechten, die plump herunterhängen. Etwas in deinem Blick, etwas in deiner Beule sagt mir, dass ich auf dich hören sollte.
Je weiter ich von dir weggehe, desto nebliger wird es. Ich strecke meine Hand aus und kann meine Finger nur noch schemenhaft erkennen. Ich begreife nicht, wo dieser Weg hinführt. Ich vermisse deine Getreidehalme und deinen feuchten Atem, der in meiner Erinnerung umso trockener wird, je stärker sich der Nebel verdichtet.
Irgendwann beginnt der Nebel sich zu lichten und die Beule sich aufzulösen, als ob ein Chemiker eine ätzende Substanz darüber geschüttet hätte. Ich strecke meine Hand aus und sehe meinen kleinen Finger, der ganz schrumpelig ist vom Nebel, der ihn die ganze Zeit hinweg fest umschlossen hielt. Ich sehe auch meinen Ringfinger und meinen Mittelfinger. Nach einiger Zeit erkenne ich Daumen und Zeigefinger. Ich muss schlucken, als ich sehe, dass ich einen Getreidehalm in der Hand halte. Ich befühle ihn mit meiner anderen Hand und erschrecke. Er ist trocken. Ich warte, bis der Chemiker sein Werk verrichtet hat und löse die winzige Spannung, die den Halm zwischen meinen Fingern hält.
„Wenn du es nicht weitersagst, zeig ich dir was.“
Dein feuchter Atem löst ein Prickeln in meinem Körper aus. Unwillkürlich zucke ich zusammen und rücke etwas näher an dich ran, um mehr von dem Prickeln abzubekommen. Kurz will ich dir in die Augen schauen, aber sehe nur Berge von Haaren. Sie funkeln in der Abendsonne wie Getreidehalme. Kurz sehe ich deine Zähne, sie sind gelblich-weiß vom Rauchen und der gewissenhaften Pflege. Waren deine Haare dunkelblond, hellbraun, schwarz?
„Was denn?“, antworte ich verstockt und schüchtern. Ich traue mich nicht mehr, dir in die Augen zu schauen, aus Angst vor deinen Haaren, die eine solche Intimität verhindern würden.
Ich sehe kurz dein Lächeln, es ist ein trauriges, ja wehmütiges Lächeln, das ich von dir noch nie gesehen habe. Dabei kenne ich dich mein ganzes Leben lang. Ein ganzes Leben habe ich zu dir aufgeschaut, ein ganzes Leben hat sich an Deines geklammert voller Verzweiflung und endloser Zuneigung.
„Siehst du das?“ Du hebst dein T-Shirt hoch und zeigst mir deinen weißen Bauch, der mit kleinen Härchen besetzt ist. „Meinst du die Beule?“, frage ich naiv und mache große Augen. Lange schaust du mich an, ohne etwas zu sagen. Ich schlucke und schaue. Ich schlucke und vergesse dabei zu schauen. Oder war es anders herum? Meine Augen kneifen sich zusammen, so als würde die Sonne höchstpersönlich sie zudrücken. Dabei weiß ich, dass nicht die Sonne der Grund dafür ist, sondern deine Beule.
„Hör mal“, sagst du zitternd, „ich muss diesen Berg rauf.“ Sofort nehme ich deine Hand und marschiere los. Ab und zu lässt du meine Hand los, um deine Beule zu betasten. Es ist eine kleine Beule, aber die Art, wie du sie anfasst, macht mir klar, dass es eine wichtige ist. Eine Beule, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Eine Beule, die den Berg bezwingen muss.
Die Sonne wird immer röter und wir machen kurz Halt, um einen Schluck Wasser zu trinken. Ich trinke und drehe dir kurz den Rücken zu. Als ich mich wieder umdrehe, sehe ich, dass du Tränen in den Augen hast. Du hast dein T-Shirt ausgezogen und deine ganze Handfläche bedeckt deine Beule, die mir jetzt im späten Abendlicht größer vorkommt als zuvor im Tal. „Weißt du“, sagst du schluchzend, „die Beule wächst und wächst, je weiter ich nach oben gehe. Du musst für mich den Berg hinaufgehen und dem Gipfel sagen, dass du angekommen bist und mich mitgenommen hast. Ich ruhe mich derweil auf dem Stein aus.“ Mein Mund kommt mit all den Sätzen nicht hinterher, die er herunterschlucken muss und hustet stattdessen. Dein Blick ist flehend, so wie ich ihn noch nie zuvor gesehen habe. Deine Haare sind inzwischen keine Getreidehalme mehr, sondern dicke Flechten, die plump herunterhängen. Etwas in deinem Blick, etwas in deiner Beule sagt mir, dass ich auf dich hören sollte.
Je weiter ich von dir weggehe, desto nebliger wird es. Ich strecke meine Hand aus und kann meine Finger nur noch schemenhaft erkennen. Ich begreife nicht, wo dieser Weg hinführt. Ich vermisse deine Getreidehalme und deinen feuchten Atem, der in meiner Erinnerung umso trockener wird, je stärker sich der Nebel verdichtet.
Irgendwann beginnt der Nebel sich zu lichten und die Beule sich aufzulösen, als ob ein Chemiker eine ätzende Substanz darüber geschüttet hätte. Ich strecke meine Hand aus und sehe meinen kleinen Finger, der ganz schrumpelig ist vom Nebel, der ihn die ganze Zeit hinweg fest umschlossen hielt. Ich sehe auch meinen Ringfinger und meinen Mittelfinger. Nach einiger Zeit erkenne ich Daumen und Zeigefinger. Ich muss schlucken, als ich sehe, dass ich einen Getreidehalm in der Hand halte. Ich befühle ihn mit meiner anderen Hand und erschrecke. Er ist trocken. Ich warte, bis der Chemiker sein Werk verrichtet hat und löse die winzige Spannung, die den Halm zwischen meinen Fingern hält.