Ein Disput über die Lüge

Fellmuthow

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Ein Disput über die Lüge
Von Fellmuthow – 2003

A: „Was ist das, eine Lüge?“
B: „Na, das ist doch klar: Eine Lüge ist das Gegenteil von Wahrheit.“
A: „Ach ja? Und was ist Wahrheit?“
B: „Eine Wahrheit? Na - die ist eben wahr, weil sie wahr ist. Dass die Sonne scheint, dass das Wasser nass ist, das die Blumen bunt sind; das ist wahr.“
A: „Und wenn ich das Gegenteil behaupte, das ist dann keine Wahrheit, sondern eine Lüge?“
B: „Genau! Das ist dann eine Lüge.“
A: „Hm.... Wenn nun jemand der farbenblind ist und behauptet, dass alle Blumen grau sind. Lügt der dann?“
B: „Na ja, eigentlich nicht. Er weiß es ja nicht besser.“
A: „Man lügt also nur, wenn man weiß dass man lügt?“
B: „Genau!“
A: „Ich habe einen Wecker, der sagt mir auf Knopfdruck die Zeit an. Wenn der nicht richtig geht, mir trotzdem die Zeit ansagt, lügt der dann?“
B: „Quatsch! Eine Maschine kann überhaupt nicht lügen. Sie kann nicht denken, weiß also auch nicht was wahr ist.“
A: „Dann ist also das Wissen um die Wahrheit Voraussetzung für eine Lüge.?“
B: „So ist es. Wer die Wahrheit nicht kennt kann auch nicht lügen. Wenn ich dich nach der Zeit frage, du schaust auf deine Uhr die falsch geht was du aber nicht weißt, sagst mir deshalb eine falsche Zeit, dann ist das was du sagst nicht wahr, trotzdem hast du nicht gelogen?“
A: „Verstehe! Ich habe es ja nicht besser gewusst, genauso wie der Farbenblinde. Wenn ich aber weiß dass die Uhr falsch geht, dir trotzdem und absichtlich die falsche Zeit sage, dann ist das gelogen!“
B: „Etwas bewusst verschweigen ist ein Weg zur Lüge?“
A: „Aber kein zwingender! Die Absicht zu lügen ist entscheidend. Wenn ich weiß, dass meine Uhr zehn Minuten nachgeht, es bei meiner Zeitansage berücksichtige, dann kann ich durchaus verschweigen dass sie falsch geht ohne die Unwahrheit zu sagen.“
B: „Also ist böse Absicht die Mutter der Lüge“.
A: „Eine Lüge ist wie eine Tarnkappe, die über die Wahrheit gestülpt wird.
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B: „Warum wird eigentlich so oft gelogen? Lügen begegnen uns überall und es ist so leicht zu lügen.“
A: Lügen wird nur leicht, wenn derjenige der belogen werden soll die Wahrheit nicht kennt.“
B: „Wer weiß schon immer was wahr ist?“
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A: „Ist Lügen eigentlich in jedem Fall verwerflich?“
B „Nein! Es gibt viele Gründe für eine Lüge und nicht alle Lügen sind schlecht – glaube ich... Wenn ein Arzt weiß, dass sein Patient an einer tödlichen Krankheit leitet, ihm das verschweigt, so lügt er zwar, doch das tut er um den Patienten zu schützen. Ist das schlecht?“
A: „Nein! Es geschieht in guter Absicht. Manche Lügen sind notwendig.“
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B: „Du schreibst Geschichten, die du dir ausdenkst.“
A: „Oft denke ich sie mir aus, da hast du recht.“
B „Dann sind sie also nicht wahr.“
A: „Aha! Und du meinst, da sie nicht wahr sind, sind sie gelogen?“
B: „Etwa nicht?“
A: „Nein!“
B: „Und warum nicht?“
A: „Eine solche Geschichte ist zwar frei erfunden und doch nicht gelogen“
B: „Sie ist nicht wahr!“
A: „Könnte aber wahr sein – und, mit meinen Geschichten schade will ich niemanden, im Gegenteil.“
B: „Du meinst, solange sie wahr sein könnte und sie niemanden schadet, ist sie keine Lügengeschichte?“
A: „Ja! Sie ist nicht unwahr. Sie ist nur noch nicht passiert. Sie ist auch nicht in böser Absicht geschrieben. Ihr fehlen alle Voraussetzungen für eine Lüge.“
B: „Wenn das, was erzählt wird aber gar nicht wahr sein kann, so wie die Geschichten von Münchhausen, dann sind es Lügengeschichten.“
A: „Auch nicht; ihnen fehlt ja die böse Absicht. Es sind Phantasien.“
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A: „Was sind denn dann Lügengeschichten?“
B: „Politiker und die Medien produzieren sie täglich. Politiker vor der Wahl oder - vor einem Krieg? Sie schaden uns damit.“
A: „Uns schaden sie damit, anderen nützen sie.“
B: „Das würde bedeuten, dass Lügen nicht für alle Menschen Lügen sind.“
A: „Du hast recht, Lügen sind nur für diejenigen Lügen, denen sie Schaden zufügen.“
A: „Gut das wir oft die Wahrheit kennen.“
B: „So ist es! Nur denjenigen der die Wahrheit kennt, den kann man nicht mehr belügen.“
 



 
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