Ein Kurzdialog

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Andakon

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ein sonntagmorgen
zwiesprache.


A = person, ich
B = stimme, ichduersiees


A:[ 4]ein herrlicher morgen!
B:[ 4]das ist das falsche wort.
A:[ 4]ein wunderbarer morgen. ein ekstatischer morgen. das berauschende gefühl aufzustehen, durch die leere wohnung zu gehen, alles ist still, ja beinahe verlassen. – du machst dir eine kanne kaffee und betrittst einen raum, in dem helles licht flutet … der klare himmel im fenster dehnt sich auf möbel und gegenstände aus. ein frischer luftzug, draußen bewegt er die blätter der birken, vermischt sich schon mit dem köstlichen duft des kaffees, und du ahnst den nahenden herbst. der teppich, auf dem du jetzt sitzt, ist voller gelber sonnendreiecke. sie sind überall, beflügeln dich. du spürst dich inmitten all dieser dinge – alle kräfte scheinen geweckt!
B:[ 4]du spuerst das leben wie du es nennst wie lange nicht mehr.
A:[ 4]ich glaube, es ist glück
B:[ 4]ach.
A:[ 4]lust, was ich empfinde. es ist … es ist … ich kann nicht wirklich in worte fassen …
B:[ 4]wie ein morgen am meer?
A:[ 4]ein morgen am meer! alles fließt ineinander über, das licht und die farben am horizont, die blaue luft, die sich mit dem wind vermischt. die möbel sitzen in der sonne wie tiere, die sich aufwärmen. in der Tasse der löffel, blitzt und funkelt wie ein tropfen in der gischt. winzige dinge kommen zum vorschein, die man sonst nicht wahrnimmt. glitzernde fäden hängen in der wärme, und haare schimmern golden auf der haut. nichts regt sich. nichts von menschenhand. es gibt nur die geräusche aus der natur. verhaltene stille – unendlich still. deshalb kann so ein morgen nur ein sonntagmorgen sein, verstehst du?! alles ist möglich, und nichts ist wichtig in diesem moment, außer dass ich fühle, dass ich BIN. es ist, als ob ich selber zu dem würde, was mich umgibt. und das schöne dabei, dass ich das alles hier auf diesem stück teppich erlebe.
B:[ 4]was dich umgibt ist in dir oder bist du in ihm? in all dem was auf dich einwirkt. es ist wie mit deinem zimmer: die sonne dringt herein und scheint alle gegenstaende zu beleben. in wahrheit belebt sie deine verborgenen kraefte die du so selten spuerst. du begreifst dass du ein teil von allem bist. sprich von Natur wenn du willst. – doch warum nennst du sie HERRLICH?
A:[ 4]ich habe nicht wirklich HERRLICH gemeint.
B:[ 4]weshalb sollte die natur auch >herrlich< sein?! vielleicht ist sie >goettlich< – wenn man daran glaubt dass ein gott die welt erschaffen hat … aber wer sagt dir dass gott ein HERR ist? wozu ueberhaupt einen gott benennen. genuegt es nicht zu sagen es sei ein natuerlicher morgen ein morgen so schoen wie ihn die schoepfung will heißen die natur nur hervorzubringen vermag? im wahrsten sinne des wortes ein >schoepferischer morgen<.
A:[ 4]du verdirbst mir die ganze freude.
B:[ 4]aber nein. bedenke doch was du sagst. nenn‘ die dinge beim namen. werde eigentlich. hunderte von woertern vegetieren in deinem sprachgebrauch auf die du zurueckgreifst ohne dir ihrer bedeutung bewusst zu werden. hoer‘ dir zu! du musst versuchen andere zu finden. treffendere.
A:[ 4]jetzt, wo du es sagst …
B:[ 4]auch ein >wunderbarer morgen< hat seine tuecken.
A:[ 4]ein einzigartiger morgen?
B:[ 4]-
A:[ 4]ein sonntagmorgen.
 

Betzebub

Mitglied
Hallo Andakon,

ich tue mich schwer, diesen Dialog zu der Rubrik "Prosa" einzuordnen.

Bei Prosa-Texten passiert etwas, es gibt eine Handlung. Diese gibt es bei Dialogen nicht.
Ich würde es also eher zur Lyrik zählen. Und da auch eher zur Experimentellen Lyrik, mehr als ein Versuch ist es für mich leider nicht.


Jetzt ein paar Worte zum Inhalt:

Während Person A über die Freuden eines Sonntagmorgens sinniert und versucht, jeden Moment in sich aufzusaugen, wirft Person B meist nur sinnfreie und langweilige Sätze ein.
Das macht für mich das Schöne von Person A kaputt.

Hast du schon mal daran gedacht, die Person B komplett zu streichen und Person A sozusagen einen "inneren Monolog" führen zu lassen? Person B bremst die lyrischen Passagen von Person A jedes Mal aus und stört den Redefluss von Person A immens.

Spannung braucht dieser Text keine. Lass den Leser träumen, während er liest. Wie die Sonnenstrahlen auf dem Teppich tanzen, der Duft des Kaffees und der Sommerbrise, die durch das Fenster ins Innere ströhmt, vielleicht die Blumen, die sich freudig in die Sonne drehen oder die Vögel auf den halb kahlen Bäumen ihr Lied singen. Das Laub, dass im Garten tanzt, die Katze die sich auf einem Stein in der Sonne wärmt, die Nachbarskinder, etc.

LG

betze
 



 
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