Ein Mann und eine Frau

4,30 Stern(e) 6 Bewertungen

gareth

Mitglied
Da sitzt mir gegenüber eine Dame
in strengem Kleid mit schimmernd schönen Haaren
es fehlt zu deren Braun mir der Vergleich
auch für die Art wie es geordnet liegt

Ich wage nicht sie einfach anzusehen
so wie es sonst bei Frauen meine Art
das liegt an ihrer Haltung und am Blick
mit dem der meine kühl zurückgewiesen
nein, willentlich nicht wahrgenommen war
als rasch ich sie erkundet kurz zuvor

Ein Luxusweib denk ich, gediegen, einfach
dem Anschein nach, doch anspruchsvoll und teuer
das scheint gewiss nach dem was man so hört

Schon wie ihr Haar kunstvoll gelegt, verwoben,
mit kleinen Kämmen dort wo sie vonnöten,
ein edles weiches Fließen, Gold und Braun
umweben sie die hohe, blasse Stirn

Die Beine hält sie eng und fest geschlossen
die Hände ruh´n feingliedrig still im Schoß
ein makelloses Antlitz blickt nach vorne
mag sein an manchen Stellen sanft getönt

und regelmäßig schließen schwere Lider
für einen Wink die klaren, grauen Augen
die manchmal auch ins stählern Blaue spielen
wenn nur das Sonnenlicht im rechten Winkel fällt
und dann harmonisch jenen Stoff ergänzen
der ihren schlanken Körper eng umgibt

Das lässt sie gelten, scheint´s, dass ihre Knie
vom Stoff des engen Rockes nicht bedeckt
ein wenig Freiheit geben, Raum für die Gedanken
die Männer gerne schönen Frauen widmen

So denk´ ich denn, was ist, wenn sie sich öffnen?
Und wem? und wann? und nicht zuletzt wie weit?
Und was gilt es zu tun, dies zu bewirken?
Ist Zärtlichkeit der Schlüssel, ist es Härte?
Lässt Reichtum oder Sprache sie willfahren?
Was öffnet ihre Beine? Was ihr Herz?

Wie sieht sie aus, wenn feuchte Strähnen haften
an ihrer Stirn und ihre Wangen glühen?
Und was wird sie ihm sagen, flüstern, schreien?
Und was dem tu´n, die Hände die da liegen?
Was mit den blassen exquisiten Lippen
dem, der den Weg zu ihren Sinnen kennt?

So fahren still wir hin zu unser´n Zielen
nichts lässt an ihr erkennen was sie denkt
wir seh´n an uns vorbei wie all´ die vielen
die mit uns fahren, nun den Blick gesenkt

Nie werd´ ich von ihr wissen Stand noch Name
für einen Augenblick wünscht´ ich es sehr

Sie sitzt mir gegenüber, eine Dame
ich sitz ihr gegenüber als ein Herr
 

Inu

Mitglied
Hallo gareth

ein schönes Gedicht, irgendwie "old fashioned", als sei es in alter Zeit geschrieben... dennoch auf seltsame Art erotisch...

Schon wie ihr Haar kunstvoll gelegt, verwoben,
mit kleinen Kämmen dort wo sie vonnöten,
ein edles weiches Fließen, Gold und Braun
umweben sie die hohe, blasse Stirn

Die Beine hält sie eng und fest geschlossen
die Hände ruh´n feingliedrig still im Schoß
ein makelloses Antlitz blickt nach vorne
mag sein an manchen Stellen sanft getönt
Das klingt mir nach Nostalgie pur.

Sie sitzt mir gegenüber, eine Dame
ich sitz ihr gegenüber als ein Herr
Doch, der Text hat etwas, was mir gefällt.

Anmerkung: Ich hab Dir dieses mickrige Bewertungsbälkchen nicht gegeben, das hat das Gedicht meiner Meinung nach auch nicht verdient.
 

gareth

Mitglied
Schön, dass Du Dich so ausführlich mit dem Text beschäftigst hast, Inu und natürlich danke, dass Du das nicht warst, mit dem kleinen Balken :eek:)
 

Venus

Mitglied
Lieber Gareth,

dieses Werk hat gewaltig viel synästhetisches!
Erst recht nach wiederholtem Lesen leben sie förmlich, die "Dame und der Herr".

Die "sachliche Unnahbarkeit" und der "Gedankenkampf" in prickelndem Gegensatz.
Beides ist absolut fühl- und lebensnah. Beinahe bin ich versetzt in diesen Zug, Bus, Straßen- oder UBahn.

Die bewusst gewählte Sprache, die Worte, die die sanfte Eleganz unterstreichen und damit den beiden Figuren ihre wirkliche Glaubhaftigkeit schenkt. Das ist die hohe Kunst!

Du bist ein wahrhafter Zauberer, Gareth!

Durch deine Kraft in Buchstaben erfahren wir die spürbare Definition einer Dame und die, eines Herren.

- und die Gedanken sind frei...

Ein sehr, sehr gelungenes Werk!

Herzliche Grüße,
Venus
 
L

Lotte Werther

Gast
An Gareth

Manche Dinge brauchen länger, um entdeckt zu werden.
So hab ich heute erst dieses Gedicht hier gelesen.

Es zeugt von deiner Vorliebe, so scheint es mir, Erotik auf der Fantasieebene abspielen zu lassen. Die Unbekannte oder der Unbekannte, der gegenübersitzt, fasziniert und doch unnahbar und unerreicht bleibt.

Was die Ausführung angeht, hast du die richtige Art des Ausdrucks gefunden.
Eine kleine Geschichte erzählt in ungereimten Zeilen und doch so bildhaft stark.

Mich hast du für einige Augenblicke entführt in meine Fantasie, wo ich dem Herrn und der Dame begegnet bin. Aber mit genüßlichem Grinsen stelle ich fest, dass du ein wenig doch geflunkert hast, gesteh es lieber gleich. Zuerst hast nicht gewagt, sie einfach so anzusehen, dann aber kennst du selbst das Farbenspiel ihrer Augenfarbe von Grau ins stählerne Blau.

Lotte Werther
 

gareth

Mitglied
Liebe Lotte Werther,

danke für´s Aufspüren und Deine positive Einschätzung.
Zu Deiner Analyse ist Folgendes zu sagen:

1. nie hab ich gesagt, dass ich das war :eek:)
2. man kann sehr viel sehen, wenn man will, in sehr kurzer
Zeit :eek:)
3. nie hab ich gesagt, dass der "Protagonist" sie nicht
heimlich die ganze Zeit weiter beobachtet hat :eek:)

Liebe Grüße, gareth
 
M

Minouche

Gast
Das ist einfach nur Poesie.

Hallo Gareth.

Zu dir gekommen bin ich durch deinen Text "Schuld und Sühne". Du hast mich neugierig gemacht auf mehr.

Ich wurde nicht enttäuscht.

Denn das hier ist wieder ganz anders. Wunderschön. Du hast soviel Gefühl herübergebracht in deinen Versen, ich kannte vieles wieder. Ein wunderbar gefühliges Reimen, sozusagen.

Dankeschön, ein wunderbares Gedicht, ich mag es sehr.

Liebe Grüße
Minouche
 



 
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