18. Ein Schultag

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molly

Mitglied
Ein besonderer Schultag

"Guten Morgen, Kinder, heute Nacht hat es geschneit!" so weckte uns Mutter an diesem Tag. Wir waren im Nu aus den Betten, denn schon lange warteten wir auf den ersten Schnee. Beim Frühstück überlegte ich mit meiner Schwester, was wir heute alles tun konnten. Aber ich musste zur Schule und Mutter ließ mir keine Zeit zum Träumen. Sie drängte zum Aufbruch, band mir den Schal fest um den Hals und scheuchte mich mit vielen lieben Worten aus dem Haus. Nur wenig Autos hatten ihre Spuren im Schnee hinterlassen. Ich entdeckte ein paar riesige Fußstapfen. Die gehörten sicher Herrn Müller, der uns in aller Früh die Zeitung brachte. Jetzt tapste ich in den frischen Schnee und betrachtete den Abdruck meiner Stiefel. Neben Herrn Müllers Spur sah meine winzig aus.
„Bummle nicht herum“, rief Mutter mir nach. Nun lief ich los, hielt erst bei Peters Haus wieder an. Peter war mein Freund, er wollte sich im Laden noch eine Brezel kaufen und so strebte ich alleine weiter. Beim Rathaus flogen mir die ersten Schneebälle um die Ohren. Ich suchte schleunigst Deckung hinter dem Rathausbrunnen. Schon donnerten zwei Schneebälle an die Rathauswand, zerbarsten und der Schnee fiel mir ins Gesicht. Reinhard hatte sich versteckt und mich mit den Schneebällen erwartet. Ich konnte gerade einen Treffer auf seinem Rücken landen, als wir von der Schule die Glocke hörten.
In fünf Minuten begann der Unterricht. Aber wir hatten nicht mehr weit. Wir stürmten in unser Klassenzimmer, fanden jedoch nur unsere Lehrerin und einen fremden Herrn vor. Wir begrüßten die beiden mit einem Murmeln und setzten uns auf die Plätze. Frau Albi ging ans Fenster und schaute hinaus. Wir liefen zu ihr und blickten mit ihr in die herrliche Schneelandschaft. Eben schlenderte Jens über den Schulhof. Er stupste vorsichtig mit einem Stöckchen gegen einen Strauch und freute sich über den Schnee, der dabei herunter rieselte. Er ließ noch ein paar Schneeflocken auf die Hand und in den Mund fallen, ehe er zu uns ins Zimmer kam. Der fremde Herr empfing ihn nicht gerade freundlich. „Wo kommst du denn jetzt her, so nass und voller Schnee? brummte er Jens an.
„Ich?“, fragte der erstaunt. „Ja, du", antwortete der Fremde.
„Ich komme von daheim!" sagte Peter und setzte sich auf seinen Platz. Der Mann runzelte die Stirne und schaute auf seine Uhr. „Kommst du immer so spät?" fragte er. „Meinst du mich?" wollte Jens wissen. „Ja, natürlich", antwortete der Fremde. „Ich komme nie zu spät“, beteuerte Jens, „aber du bist zu früh!"
Peter betrat mit einem lauten Hallo das Klassenzimmer.
„Wo kommst du denn her?" wollte der Mann wissen. „Ich"? fragte Peter erstaunt. „Ja, du", sagte der Unbekannte streng. „Ich komme aus dem Laden", erklärte Peter. Der fremde Herr schüttelte den Kopf und Peter setzte sich schleunigst an seinen Platz. Zum Glück war der Schulbus angekommen und unser Klassenzimmer füllte sich.
Der Herr stellte sich vor die Klasse und fragte uns, wer er wohl sei. Ich ahnte, dass dies nicht seine letzte Frage war. Doch wir kannten ihn nicht und blickten hilfesuchend zu Frau Albi. Sie deutete vorsichtig mit einem Finger auf das Lesebuch und nun wussten wir Bescheid. „Du bist der Mann der uns die neuen Schulbücher bringt!" rief Reinhard freudig aus. Frau Albi hatte uns davon erzählt und wir erwarteten die Bücher schon voll Ungeduld.
„Aber nein, Kinder. Ich komme von einem Amt. Wisst ihr jetzt, wer ich bin?" fragte der Mann. Wieder schauten wir uns ratlos an, zuckten mit den Schultern und schüttelten die Köpfe. Jens antwortete für uns alle: „Nein, Herr, wir wissen nicht, wer du bist. Wir gehen auf kein Amt!" Der Fremde holte tief Luft und sagte: „Ich bin der Schulrat. Wer weiß denn, wie die Mehrzahl von Schulrat heißt?"
„Schulräder!" rief Reinhard. „Nein", stöhnte der Schulrat. Peter meldete sich und sagte: „Die Mehrzahl von Schulrat sind Schulratten!" Der Schulrat schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: „Genug!" Dann schaute er uns wieder an und sagte: „Schulrat¬ Schul rä te, so heißt das! Nun möchte ich einmal hören, was ihr bei Frau Albi gelernt habt!"
Das hätte er doch wirklich gleich sagen können! Wir hatten gelernt, wie wichtig die Wimpern für unsere Augen waren und Rein¬hard erzählte das dem Schulrat noch einmal. „Gut, Junge, das reicht", unterbrach der Schulrat Reinhards Bericht. „Weiß einer von euch, was an unserem Körper überflüssig ist?"
„Ich glaube, du meinst das Blut!" antwortete Jens. Der Schulrat schlug sich mit der Hand auf die Stirn und sagte: „Ich meinte doch nicht flüssig, sondern ü- ber- flüs sig, ü-ber-flüs-sig“, betonte er noch einmal, und keiner von uns hat dieses Wort je wieder vergessen.
Nun meldete sich Peter. Der Schulrat lächelte erfreut. „Nun, sag uns, was überflüssig ist!" ermunterte er Peter. „Vielleicht meinst du deinen Bauch?" fragte Peter und deutete mit dem Finger auf den rundlichen Bauch des Schulrats. Der hatte jetzt von uns genug gehört. Hastig verabschiedete er sich von Frau AIbi und richtete seine letzte Frage an uns: „Wisst ihr eigentlich nicht, dass Kinder zu Erwachsenen „Sie" sagen müssen?" Er erwartete von uns jedoch keine Antwort mehr, sondern eilte aus dem Zimmer.
Frau Albi setzte sich an ihren Schreibtisch und ein Beben durchzuckte ihren Körper. Wir waren entsetzt, unsere geliebte Frau Albi musste wegen diesem Schulmann vom Amt weinen! Wir eilten zu ihr, um sie zu trösten. Doch sie weinte gar nicht. Sie lachte so sehr, dass ihr dabei die Tränen übers Gesicht kullerten. Wir stimmten in ihr Lachen ein, bis sie die Tränen mit dem Handrücken weg wischte und die Hand hob. "Seid bitte wieder leise", bat sie uns und Jens ergänzte: "Sonst kommt der Herr Schulrat und fragt, warum wir lachen!"
Frau Albi gab uns an diesem Tag keine Schularbeiten auf. Das war üblich an besonderen Tagen und dazu zählte der erste Schneefall auch. Wir konnten nach dem Mittagessen gleich hinaus in den Schnee gehen.
Ein Jahr später besuchte uns der Schulrat wieder. Zum Glück hatte es nicht geschneit, alle waren pünktlich. Wir erkannten ihn sofort wieder, obwohl er in der Zwischenzeit schlanker geworden war. Wir erwähnten auch seinen Bauch mit keinem Wort. Dieses Mal verschonte er uns mit Fragen. Er schaute sich dafür die Hausaufgaben an. Wir duzten ihn auch nicht mehr und beim Abschied lobte er uns. „Ihr habt wirklich viel gelernt, Kinder, macht weiter so!" Er gab Frau Albi die Hand, nannte sie "Frau Kollegin“ und rauschte aus dem Zimmer. Er war nun kein Fremder mehr. Er gehörte zu unserem Leben und würde wieder kommen, überraschend, wie der erste Schnee.
 

Nosie

Mitglied
Interessante, lustige Geschichte, ausgezeichnet erzählt. Zum Schluss hätte ich noch erwähnt, dass auch der Schulrat was gelernt hat.

Sehr gern gelesen.

Liebe Grüße
Gertraud
 

molly

Mitglied
Hallo Nosie,
danke fürs Lesen und die gute Bewertung. Deine Idee finde ich gut und werde überlegen, wo ich den Satz einbauen kann.

Liebe Grüße
 

molly

Mitglied
Ein besonderer Schultag

"Guten Morgen, Kinder, heute Nacht hat es geschneit!" so weckte uns Mutter an diesem Tag. Wir waren im Nu aus den Betten, denn schon lange warteten wir auf den ersten Schnee. Beim Frühstück überlegte ich mit meiner Schwester, was wir heute alles tun konnten. Aber ich musste zur Schule und Mutter ließ mir keine Zeit zum Träumen. Sie drängte zum Aufbruch, band mir den Schal fest um den Hals und scheuchte mich mit vielen lieben Worten aus dem Haus. Nur wenig Autos hatten ihre Spuren im Schnee hinterlassen. Ich entdeckte ein paar riesige Fußstapfen. Die gehörten sicher Herrn Müller, der uns in aller Früh die Zeitung brachte. Jetzt tapste ich in den frischen Schnee und betrachtete den Abdruck meiner Stiefel. Neben Herrn Müllers Spur sah meine winzig aus.
„Bummle nicht herum“, rief Mutter mir nach. Nun lief ich los, hielt erst bei Peters Haus wieder an. Peter war mein Freund, er wollte sich im Laden noch eine Brezel kaufen und so strebte ich alleine weiter. Beim Rathaus flogen mir die ersten Schneebälle um die Ohren. Ich suchte schleunigst Deckung hinter dem Rathausbrunnen. Schon donnerten zwei Schneebälle an die Rathauswand, zerbarsten und der Schnee fiel mir ins Gesicht. Reinhard hatte sich versteckt und mich mit den Schneebällen erwartet. Ich konnte gerade einen Treffer auf seinem Rücken landen, als wir von der Schule die Glocke hörten.
In fünf Minuten begann der Unterricht. Aber wir hatten nicht mehr weit. Wir stürmten in unser Klassenzimmer, fanden jedoch nur unsere Lehrerin und einen fremden Herrn vor. Wir begrüßten die beiden mit einem Murmeln und setzten uns auf die Plätze. Frau Albi ging ans Fenster und schaute hinaus. Wir liefen zu ihr und blickten mit ihr in die herrliche Schneelandschaft. Eben schlenderte Jens über den Schulhof. Er stupste vorsichtig mit einem Stöckchen gegen einen Strauch und freute sich über den Schnee, der dabei herunter rieselte. Er ließ noch ein paar Schneeflocken auf die Hand und in den Mund fallen, ehe er zu uns ins Zimmer kam. Der fremde Herr empfing ihn nicht gerade freundlich. „Wo kommst du denn jetzt her, so nass und voller Schnee? brummte er Jens an.
„Ich?“, fragte der erstaunt. „Ja, du", antwortete der Fremde.
„Ich komme von daheim!" sagte Jens und setzte sich auf seinen Platz. Der Mann runzelte die Stirne und schaute auf seine Uhr. „Kommst du immer so spät?" fragte er. „Meinst du mich?" wollte Jens wissen. „Ja, natürlich", antwortete der Fremde. „Ich komme nie zu spät“, beteuerte Jens, „aber du bist zu früh!"
Peter betrat mit einem lauten Hallo das Klassenzimmer.
„Wo kommst du denn her?" wollte der Mann wissen. „Ich"? fragte Peter erstaunt. „Ja, du", sagte der Unbekannte streng. „Ich komme aus dem Laden", erklärte Peter. Der fremde Herr schüttelte den Kopf und Peter setzte sich schleunigst an seinen Platz. Zum Glück war der Schulbus angekommen und unser Klassenzimmer füllte sich.
Der Herr stellte sich vor die Klasse und fragte uns, wer er wohl sei. Ich ahnte, dass dies nicht seine letzte Frage war. Doch wir kannten ihn nicht und blickten hilfesuchend zu Frau Albi. Sie deutete vorsichtig mit einem Finger auf das Lesebuch und nun wussten wir Bescheid. „Du bist der Mann der uns die neuen Schulbücher bringt!" rief Reinhard freudig aus. Frau Albi hatte uns davon erzählt und wir erwarteten die Bücher schon voll Ungeduld.
„Aber nein, Kinder. Ich komme von einem Amt. Wisst ihr jetzt, wer ich bin?" fragte der Mann. Wieder schauten wir uns ratlos an, zuckten mit den Schultern und schüttelten die Köpfe. Jens antwortete für uns alle: „Nein, Herr, wir wissen nicht, wer du bist. Wir gehen auf kein Amt!" Der Fremde holte tief Luft und sagte: „Ich bin der Schulrat. Wer weiß denn, wie die Mehrzahl von Schulrat heißt?"
„Schulräder!" rief Reinhard. „Nein", stöhnte der Schulrat. Peter meldete sich und sagte: „Die Mehrzahl von Schulrat sind Schulratten!" Der Schulrat schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: „Genug!" Dann schaute er uns wieder an und sagte: „Schulrat¬ Schul rä te, so heißt das! Nun möchte ich einmal hören, was ihr bei Frau Albi gelernt habt!"
Das hätte er doch wirklich gleich sagen können! Wir hatten gelernt, wie wichtig die Wimpern für unsere Augen waren und Rein¬hard erzählte das dem Schulrat noch einmal. „Gut, Junge, das reicht", unterbrach der Schulrat Reinhards Bericht. „Weiß einer von euch, was an unserem Körper überflüssig ist?"
„Ich glaube, du meinst das Blut!" antwortete Jens. Der Schulrat schlug sich mit der Hand auf die Stirn und sagte: „Ich meinte doch nicht flüssig, sondern ü- ber- flüs sig, ü-ber-flüs-sig“, betonte er noch einmal, und keiner von uns hat dieses Wort je wieder vergessen.
Nun meldete sich Peter. Der Schulrat lächelte erfreut. „Nun, sag uns, was überflüssig ist!" ermunterte er Peter. „Vielleicht meinst du deinen Bauch?" fragte Peter und deutete mit dem Finger auf den rundlichen Bauch des Schulrats. Der hatte jetzt von uns genug gehört. Hastig verabschiedete er sich von Frau AIbi und richtete seine letzte Frage an uns: „Wisst ihr eigentlich nicht, dass Kinder zu Erwachsenen „Sie" sagen müssen?" Er erwartete von uns jedoch keine Antwort mehr, sondern eilte aus dem Zimmer.
Frau Albi setzte sich an ihren Schreibtisch und ein Beben durchzuckte ihren Körper. Wir waren entsetzt, unsere geliebte Frau Albi musste wegen diesem Schulmann vom Amt weinen! Wir eilten zu ihr, um sie zu trösten. Doch sie weinte gar nicht. Sie lachte so sehr, dass ihr dabei die Tränen übers Gesicht kullerten. Wir stimmten in ihr Lachen ein, bis sie die Tränen mit dem Handrücken weg wischte und die Hand hob. "Seid bitte wieder leise", bat sie uns und Jens ergänzte: "Sonst kommt der Herr Schulrat und fragt, warum wir lachen!"
Frau Albi gab uns an diesem Tag keine Schularbeiten auf. Das war üblich an besonderen Tagen und dazu zählte der erste Schneefall auch. Wir konnten nach dem Mittagessen gleich hinaus in den Schnee gehen.
Ein Jahr später besuchte uns der Schulrat wieder. Zum Glück hatte es nicht geschneit, alle waren pünktlich. Wir erkannten ihn sofort wieder, obwohl er in der Zwischenzeit schlanker geworden war. Wir erwähnten auch seinen Bauch mit keinem Wort. Dieses Mal verschonte er uns mit Fragen. Er schaute sich dafür die Hausaufgaben an. Wir duzten ihn auch nicht mehr und beim Abschied lobte er uns. „Ihr habt wirklich viel gelernt, Kinder, macht weiter so!" Er gab Frau Albi die Hand, nannte sie "Frau Kollegin“ und rauschte aus dem Zimmer. Er war nun kein Fremder mehr. Er gehörte zu unserem Leben und würde wieder kommen, überraschend, wie der erste Schnee.
 

molly

Mitglied
Ein besonderer Schultag

"Guten Morgen, Kinder, heute Nacht hat es geschneit!" so weckte uns Mutter an diesem Tag. Wir waren im Nu aus den Betten, denn schon lange warteten wir auf den ersten Schnee. Beim Frühstück überlegte ich mit meiner Schwester, was wir heute alles tun konnten. Aber ich musste zur Schule und Mutter ließ mir keine Zeit zum Träumen. Sie drängte zum Aufbruch, band mir den Schal fest um den Hals und scheuchte mich mit vielen lieben Worten aus dem Haus. Nur wenig Autos hatten ihre Spuren im Schnee hinterlassen. Ich entdeckte ein paar riesige Fußstapfen. Die gehörten sicher Herrn Müller, der uns in aller Früh die Zeitung brachte. Jetzt tapste ich in den frischen Schnee und betrachtete den Abdruck meiner Stiefel. Neben Herrn Müllers Spur sah meine winzig aus.
„Bummle nicht herum“, rief Mutter mir nach. Nun lief ich los, hielt erst bei Peters Haus wieder an. Peter war mein Freund, er wollte sich im Laden noch eine Brezel kaufen und so strebte ich alleine weiter. Beim Rathaus flogen mir die ersten Schneebälle um die Ohren. Ich suchte schleunigst Deckung hinter dem Rathausbrunnen. Schon donnerten zwei Schneebälle an die Rathauswand, zerbarsten und der Schnee fiel mir ins Gesicht. Reinhard hatte sich versteckt und mich mit den Schneebällen erwartet. Ich konnte gerade einen Treffer auf seinem Rücken landen, als wir von der Schule die Glocke hörten.
In fünf Minuten begann der Unterricht. Aber wir hatten nicht mehr weit. Wir stürmten in unser Klassenzimmer, fanden jedoch nur unsere Lehrerin und einen fremden Herrn vor. Wir begrüßten die beiden mit einem Murmeln und setzten uns auf die Plätze. Frau Albi ging ans Fenster und schaute hinaus. Wir liefen zu ihr und blickten mit ihr in die herrliche Schneelandschaft. Eben schlenderte Jens über den Schulhof. Er stupste vorsichtig mit einem Stöckchen gegen einen Strauch und freute sich über den Schnee, der dabei herunter rieselte. Er ließ noch ein paar Schneeflocken auf die Hand und in den Mund fallen, ehe er zu uns ins Zimmer kam. Der fremde Herr empfing ihn nicht gerade freundlich. „Wo kommst du denn jetzt her, so nass und voller Schnee? brummte er Jens an.
„Ich?“, fragte der erstaunt. „Ja, du", antwortete der Fremde.
„Ich komme von daheim!" sagte Jens und setzte sich auf seinen Platz. Der Mann runzelte die Stirne und schaute auf seine Uhr. „Kommst du immer so spät?" fragte er. „Meinst du mich?" wollte Jens wissen. „Ja, natürlich", antwortete der Fremde. „Ich komme nie zu spät“, beteuerte Jens, „aber du bist zu früh!"
Peter betrat mit einem lauten Hallo das Klassenzimmer.
„Wo kommst du denn her?" wollte der Mann wissen. „Ich"? fragte Peter erstaunt. „Ja, du", sagte der Unbekannte streng. „Ich komme aus dem Laden", erklärte Peter. Der fremde Herr schüttelte den Kopf und Peter setzte sich schleunigst an seinen Platz. Zum Glück war der Schulbus angekommen, der ausgerechnet an diesem Morgen etwas Verspätung hatte, und unser Klassenzimmer füllte sich.
Der Herr stellte sich vor die Klasse und fragte uns, wer er wohl sei. Ich ahnte, dass dies nicht seine letzte Frage war. Doch wir kannten ihn nicht und blickten hilfesuchend zu Frau Albi. Sie deutete vorsichtig mit einem Finger auf das Lesebuch und nun wussten wir Bescheid. „Du bist der Mann der uns die neuen Schulbücher bringt!" rief Reinhard freudig aus. Frau Albi hatte uns davon erzählt und wir erwarteten die Bücher schon voll Ungeduld.
„Aber nein, Kinder. Ich komme von einem Amt. Wisst ihr jetzt, wer ich bin?" fragte der Mann. Wieder schauten wir uns ratlos an, zuckten mit den Schultern und schüttelten die Köpfe. Jens antwortete für uns alle: „Nein, Herr, wir wissen nicht, wer du bist. Wir gehen auf kein Amt!" Der Fremde holte tief Luft und sagte: „Ich bin der Schulrat. Wer weiß denn, wie die Mehrzahl von Schulrat heißt?"
„Schulräder!" rief Reinhard. „Nein", stöhnte der Schulrat. Peter meldete sich und sagte: „Die Mehrzahl von Schulrat sind Schulratten!" Der Schulrat schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: „Genug!" Dann schaute er uns wieder an und sagte: „Schulrat¬ Schul rä te, so heißt das! Nun möchte ich einmal hören, was ihr bei Frau Albi gelernt habt!"
Das hätte er doch wirklich gleich sagen können! Wir hatten gelernt, wie wichtig die Wimpern für unsere Augen waren und Rein¬hard erzählte das dem Schulrat noch einmal. „Gut, Junge, das reicht", unterbrach der Schulrat Reinhards Bericht. „Weiß einer von euch, was an unserem Körper überflüssig ist?"
„Ich glaube, du meinst das Blut!" antwortete Jens. Der Schulrat schlug sich mit der Hand auf die Stirn und sagte: „Ich meinte doch nicht flüssig, sondern ü- ber- flüs sig, ü-ber-flüs-sig“, betonte er noch einmal, und keiner von uns hat dieses Wort je wieder vergessen.
Nun meldete sich Peter. Der Schulrat lächelte erfreut. „Nun, sag uns, was überflüssig ist!" ermunterte er Peter. „Vielleicht meinst du deinen Bauch?" fragte Peter und deutete mit dem Finger auf den rundlichen Bauch des Schulrats. Der hatte jetzt von uns genug gehört. Hastig verabschiedete er sich von Frau AIbi und richtete seine letzte Frage an uns: „Wisst ihr eigentlich nicht, dass Kinder zu Erwachsenen „Sie" sagen müssen?" Er erwartete von uns jedoch keine Antwort mehr, sondern eilte aus dem Zimmer.
Frau Albi setzte sich an ihren Schreibtisch und ein Beben durchzuckte ihren Körper. Wir waren entsetzt, unsere geliebte Frau Albi musste wegen diesem Schulmann vom Amt weinen! Wir eilten zu ihr, um sie zu trösten. Doch sie weinte gar nicht. Sie lachte so sehr, dass ihr dabei die Tränen übers Gesicht kullerten. Wir stimmten in ihr Lachen ein, bis sie die Tränen mit dem Handrücken weg wischte und die Hand hob. "Seid bitte wieder leise", bat sie uns und Jens ergänzte: "Sonst kommt der Herr Schulrat und fragt, warum wir lachen!"
Frau Albi gab uns an diesem Tag keine Schularbeiten auf. Das war üblich an besonderen Tagen und dazu zählte der erste Schneefall auch. Wir konnten nach dem Mittagessen gleich hinaus in den Schnee gehen.
Ein Jahr später besuchte uns der Schulrat wieder. Zum Glück hatte es nicht geschneit, alle waren pünktlich. Wir erkannten ihn sofort wieder, obwohl er in der Zwischenzeit schlanker geworden war. Wir erwähnten auch seinen Bauch mit keinem Wort. Dieses Mal verschonte er uns mit Fragen. Er schaute sich dafür die Hausaufgaben an. Wir duzten ihn auch nicht mehr und beim Abschied lobte er uns. „Ihr habt wirklich viel gelernt, Kinder, macht weiter so!" Er gab Frau Albi die Hand, nannte sie "Frau Kollegin“ und rauschte aus dem Zimmer. Er war nun kein Fremder mehr. Er gehörte zu unserem Leben und würde wieder kommen, überraschend, wie der erste Schnee. (c)
 

molly

Mitglied
Ein besonderer Schultag

"Guten Morgen, Kinder, heute Nacht hat es geschneit!" so weckte uns Mutter an diesem Tag. Wir waren im Nu aus den Betten, denn schon lange warteten wir auf den ersten Schnee. Beim Frühstück überlegte ich mit meiner Schwester, was wir heute alles tun konnten. Aber ich musste zur Schule und Mutter ließ mir keine Zeit zum Träumen. Sie drängte zum Aufbruch, band mir den Schal fest um den Hals und scheuchte mich mit vielen lieben Worten aus dem Haus. Nur wenig Autos hatten ihre Spuren im Schnee hinterlassen. Ich entdeckte ein paar riesige Fußstapfen. Die gehörten sicher Herrn Müller, der uns in aller Früh die Zeitung brachte. Jetzt tapste ich in den frischen Schnee und betrachtete den Abdruck meiner Stiefel. Neben Herrn Müllers Spur sah meine winzig aus.
„Bummle nicht herum“, rief Mutter mir nach. Nun lief ich los, hielt erst bei Peters Haus wieder an. Peter war mein Freund, er wollte sich im Laden noch eine Brezel kaufen und so strebte ich alleine weiter. Beim Rathaus flogen mir die ersten Schneebälle um die Ohren. Ich suchte schleunigst Deckung hinter dem Rathausbrunnen. Schon donnerten zwei Schneebälle an die Rathauswand, zerbarsten und der Schnee fiel mir ins Gesicht. Reinhard hatte sich versteckt und mich mit den Schneebällen erwartet. Ich konnte gerade einen Treffer auf seinem Rücken landen, als wir von der Schule die Glocke hörten.
In fünf Minuten begann der Unterricht. Aber wir hatten nicht mehr weit. Wir stürmten in unser Klassenzimmer, fanden jedoch nur unsere Lehrerin und einen fremden Herrn vor. Wir begrüßten die beiden mit einem Murmeln und setzten uns auf die Plätze. Frau Albi ging ans Fenster und schaute hinaus. Wir liefen zu ihr und blickten mit ihr in die herrliche Schneelandschaft. Eben schlenderte Jens über den Schulhof. Er stupste vorsichtig mit einem Stöckchen gegen einen Strauch und freute sich über den Schnee, der dabei herunter rieselte. Er ließ noch ein paar Schneeflocken auf die Hand und in den Mund fallen, ehe er zu uns ins Zimmer kam. Der fremde Herr empfing ihn nicht gerade freundlich. „Wo kommst du denn jetzt her, so nass und voller Schnee? brummte er Jens an.
„Ich?“, fragte der erstaunt. „Ja, du", antwortete der Fremde.
„Ich komme von daheim!" sagte Jens und setzte sich auf seinen Platz. Der Mann runzelte die Stirne und schaute auf seine Uhr. „Kommst du immer so spät?" fragte er. „Meinst du mich?" wollte Jens wissen. „Ja, natürlich", antwortete der Fremde. „Ich komme nie zu spät“, beteuerte Jens, „aber du bist zu früh!"
Peter betrat mit einem lauten Hallo das Klassenzimmer.
„Wo kommst du denn her?" wollte der Mann wissen. „Ich"? fragte Peter erstaunt. „Ja, du", sagte der Unbekannte streng. „Ich komme aus dem Laden", erklärte Peter. Der fremde Herr schüttelte den Kopf und Peter setzte sich schleunigst an seinen Platz. Zum Glück war der Schulbus angekommen, der ausgerechnet an diesem Morgen etwas Verspätung hatte, und unser Klassenzimmer füllte sich.
Der Herr stellte sich vor die Klasse und fragte uns, wer er wohl sei. Ich ahnte, dass dies nicht seine letzte Frage war. Doch wir kannten ihn nicht und blickten hilfesuchend zu Frau Albi. Sie deutete vorsichtig mit einem Finger auf das Lesebuch und nun wussten wir Bescheid. „Du bist der Mann der uns die neuen Schulbücher bringt!" rief Reinhard freudig aus. Frau Albi hatte uns davon erzählt und wir erwarteten die Bücher schon voll Ungeduld.
„Aber nein, Kinder. Ich komme von einem Amt. Wisst ihr jetzt, wer ich bin?" fragte der Mann. Wieder schauten wir uns ratlos an, zuckten mit den Schultern und schüttelten die Köpfe. Jens antwortete für uns alle: „Nein, Herr, wir wissen nicht, wer du bist. Wir gehen auf kein Amt!" Der Fremde holte tief Luft und sagte: „Ich bin der Schulrat. Wer weiß denn, wie die Mehrzahl von Schulrat heißt?"
„Schulräder!" rief Reinhard. „Nein", stöhnte der Schulrat. Peter meldete sich und sagte: „Die Mehrzahl von Schulrat sind Schulratten!" Der Schulrat schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: „Genug!" Dann schaute er uns wieder an und sagte: „Schulrat, Schul-rä-te, so heißt das! Nun möchte ich einmal hören, was ihr bei Frau Albi gelernt habt!"
Das hätte er doch wirklich gleich sagen können! Wir hatten gelernt, wie wichtig die Wimpern für unsere Augen waren und Reinhard erzählte das dem Schulrat noch einmal. „Gut, Junge, das reicht", unterbrach der Schulrat Reinhards Bericht. „Weiß einer von euch, was an unserem Körper überflüssig ist?"
„Ich glaube, du meinst das Blut!" antwortete Jens. Der Schulrat schlug sich mit der Hand auf die Stirn und sagte: „Ich meinte doch nicht flüssig, sondern ü- ber- flüs sig, ü-ber-flüs-sig“, betonte er noch einmal, und keiner von uns hat dieses Wort je wieder vergessen.
Nun meldete sich Peter. Der Schulrat lächelte erfreut. „Nun, sag uns, was überflüssig ist!" ermunterte er Peter. „Vielleicht meinst du deinen Bauch?" fragte Peter und deutete mit dem Finger auf den rundlichen Bauch des Schulrats. Der hatte jetzt von uns genug gehört. Hastig verabschiedete er sich von Frau AIbi und richtete seine letzte Frage an uns: „Wisst ihr eigentlich nicht, dass Kinder zu Erwachsenen „Sie" sagen müssen?" Er erwartete von uns jedoch keine Antwort mehr, sondern eilte aus dem Zimmer.
Frau Albi setzte sich an ihren Schreibtisch und ein Beben durchzuckte ihren Körper. Wir waren entsetzt, unsere geliebte Frau Albi musste wegen diesem Schulmann vom Amt weinen! Wir eilten zu ihr, um sie zu trösten. Doch sie weinte gar nicht. Sie lachte so sehr, dass ihr dabei die Tränen übers Gesicht kullerten. Wir stimmten in ihr Lachen ein, bis sie die Tränen mit dem Handrücken weg wischte und die Hand hob. "Seid bitte wieder leise", bat sie uns und Jens ergänzte: "Sonst kommt der Herr Schulrat und fragt, warum wir lachen!"
Frau Albi gab uns an diesem Tag keine Schularbeiten auf. Das war üblich an besonderen Tagen und dazu zählte der erste Schneefall auch. Wir konnten nach dem Mittagessen gleich hinaus in den Schnee gehen.
Ein Jahr später besuchte uns der Schulrat wieder. Zum Glück hatte es nicht geschneit, alle waren pünktlich. Wir erkannten ihn sofort wieder, obwohl er in der Zwischenzeit schlanker geworden war. Wir erwähnten auch seinen Bauch mit keinem Wort. Dieses Mal verschonte er uns mit Fragen. Er schaute sich dafür die Hausaufgaben an. Wir duzten ihn auch nicht mehr und beim Abschied lobte er uns. „Ihr habt wirklich viel gelernt, Kinder, macht weiter so!" Er gab Frau Albi die Hand, nannte sie "Frau Kollegin“ und rauschte aus dem Zimmer. Er war nun kein Fremder mehr. Er gehörte zu unserem Leben und würde wieder kommen, überraschend, wie der erste Schnee. (c)
 

molly

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Ein besonderer Schultag

Ein besonderer Schultag

Die Mutter weckte Michael und Nele: „Guten Morgen, Kinder, heute Nacht hat es geschneit!“ Im Nu sprangen die Beiden aus den Betten, denn schon lange warteten sie auf den ersten Schnee. Beim Frühstück überlegten sie, was sie heute alles tun konnten. Aber Michael musste zur Schule und die Mutter ließ ihm keine Zeit zum Träumen. Sie drängte zum Aufbruch, band ihm den Schal fest um den Hals und scheuchte ihn mit vielen lieben Worten aus dem Haus. Nur wenig Autos hatten ihre Spuren im Schnee hinterlassen. Er entdeckte ein paar riesige Fußstapfen. Die gehörten sicher Herrn Müller, der in aller Früh die Zeitung brachte. Jetzt tapste Michael in den frischen Schnee und betrachtete den Abdruck seiner Stiefel. Neben Herrn Müllers Spur sah seine winzig aus. Arme Prinzessin! Sie konnte den ersten Schnee nicht genießen, denn sie lag seit einigen Tagen krank im Bett.

„Bummle nicht herum“, rief die Mutter ihm nach. Nun lief Michael los, hielt erst bei Davids Haus wieder an. David wollte sich im Laden noch eine Brezel kaufen und so strebte Michael alleine weiter. Beim Rathaus flogen ihm die ersten Schneebälle um die Ohren. Er suchte schleunigst Deckung hinter dem Rathausbrunnen. Schon donnerten zwei Schneebälle an die Rathauswand, zerbarsten und der Schnee fiel ihm ins Gesicht. Reinhard hatte sich versteckt und ihm mit den Schneebällen aufgelauert. Michael landete gerade einen Treffer auf seinem Rücken, als sie von der Schule die Glocke hörten.
In fünf Minuten begann der Unterricht. Aber sie hatten nicht mehr weit und stürmten in ihr Klassenzimmer. Dort fanden sie nur die Lehrerin und einen fremden Herrn vor. Sie begrüßten die beiden mit einem Murmeln und setzten sich auf die Plätze.
Frau Albi stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Michael lief zu ihr und blickte mit ihr in die herrliche Schneelandschaft. Eben schlenderte Peter über den Schulhof. Er stupste vorsichtig mit einem Stöckchen gegen einen Strauch und lachte, als Schnee dabei herunter rieselte. Er ließ noch ein paar Schneeflocken auf die Hand und in den Mund fallen, ehe er ins Klassenzimmer kam. Der fremde Herr empfing ihn nicht gerade freundlich. „Wo kommst du denn jetzt her, so nass und voller Schnee? brummte er Peter an.
„Ich?“, fragte der erstaunt. „Ja, du", antwortete der Fremde.
„Ich komme von daheim!" sagte Peter und setzte sich auf seinen Platz. Der Mann runzelte die Stirne und schaute auf seine Uhr.
„Bist du immer so spät dran?" fragte er
„Meinst du mich?" erkundigte sich Peter.
„Ja, natürlich", antwortete der Fremde.
„Ich komme nie zu spät“, beteuerte Peter, „du bist zu früh!"
David betrat mit einem lauten Hallo das Klassenzimmer.
„Wo kommst du denn her?" wollte der Mann wissen.
„Ich"? fragte David erstaunt.
„Ja, du", sagte der Unbekannte streng.
„Ich komme aus dem Laden", erklärte David. Der fremde Herr schüttelte den Kopf und David setzte sich schleunigst an seinen Platz. Zum Glück fuhr der Schulbus in den Schulhof, der ausgerechnet an diesem Morgen etwas Verspätung hatte, und das Klassenzimmer füllte sich.

Der Herr stellte sich vor die Klasse und fragte die Kinder, wer er wohl sei. Michael ahnte, dass dies nicht die letzte Frage war. Doch niemand kannten ihn und die Kinder blickten hilfesuchend zu Frau Albi. Sie deutete vorsichtig mit einem Finger auf das Lesebuch und nun wussten sie Bescheid.
„Du bist der Mann der die neuen Schulbücher bringt!" rief Reinhard freudig aus. Frau Albi hatte davon erzählt und sie erwarteten die Bücher schon voll Ungeduld.
„Aber nein, Kinder. Ich komme von einem Amt. Wisst ihr jetzt, wer ich bin?" fragte der Mann. Wieder schauten sich die Kinder ratlos an, zuckten mit den Schultern und schüttelten die Köpfe.
Peter antwortete für alle: „Nein, Herr, wir wissen nicht, wer du bist. Wir gehen auf kein Amt!" Der Fremde holte tief Luft und sagte: „Ich bin der Schulrat. Wer weiß denn, wie die Mehrzahl von Schulrat heißt?"
„Schulräder!" rief Reinhard. „Nein", stöhnte der Schulrat. David meldete sich und sagte: „Die Mehrzahl von Schulrat sind Schulratten!"
Der Schulrat schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: „Genug!" Dann schaute er die Kinder wieder an und sagte: „Schulrat, Schul-rä-te, so heißt das! Nun möchte ich einmal hören, was ihr bei Frau Albi gelernt habt!"
Das hätte er doch wirklich gleich sagen können! Sie hatten gelernt, wie wichtig die Wimpern für ihre Augen waren und Michael erzählte das dem Schulrat noch einmal. „Gut, Junge, das reicht", unterbrach ihn der Schulrat. „Weiß einer von euch, was an unserem Körper überflüssig ist?"
„Ich glaube, du meinst das Blut!" antwortete David. Der Schulrat schlug sich mit der Hand auf die Stirn und sagte: „Ich meinte doch nicht flüssig, sondern ü- ber- flüs sig, ü-ber-flüs-sig“, betonte er noch einmal.
Keines dieser Kinder hat das Wort je wieder vergessen.
Nun meldete sich Peter. Der Schulrat lächelte erfreut. „Nun, sag uns, was überflüssig ist“, ermunterte er Peter. „Vielleicht meinst du deinen Bauch?" fragte Peter und deutete mit dem Finger auf den rundlichen Bauch des Schulrats. Der hatte jetzt genug gehört. Hastig verabschiedete er sich von Frau AIbi und richtete seine letzte Frage an die Kinder: „Wisst ihr eigentlich nicht, dass ihr zu den Erwachsenen „Sie" sagen müsst?" Er erwartete jedoch keine Antwort mehr, sondern eilte aus dem Zimmer.

Frau Albi setzte sich an ihren Schreibtisch und ein Beben durchzuckte ihren Körper. Ihre geliebte Frau Albi musste wegen diesem Schulmann vom Amt weinen, nein, das durfte nicht sein! Die Kinder eilten zu ihr, um sie zu trösten. Doch sie weinte nicht. Sie lachte so sehr, dass ihr dabei die Tränen übers Gesicht kullerten. Alle stimmten in ihr Lachen ein, bis sie die Tränen mit dem Handrücken weg wischte und die Hand hob. „Seid bitte wieder leise", bat sie und Michael ergänzte: „Sonst kommt der Herr Schulrat und fragt, warum wir lachen!"
Frau Albi gab ihnen, wie an allen besonderen Tagen, keine Schularbeiten auf, dazu zählte der erste Schneefall auch. Sie gingen gleich nach dem Mittagessen hinaus in den Schnee.

Ein Jahr später besuchte der Schulrat wieder diese Klasse. Zum Glück hatte es nicht geschneit, alle waren pünktlich. Die Kinder erkannten ihn sofort wieder.
Sie erwähnten auch seinen Bauch mit keinem Wort. Dieses Mal verschonte er sie mit Fragen. Er schaute sich dafür die Hausaufgaben an. Die Kinder duzten ihn auch nicht mehr und beim Abschied lobte er sie: „Ihr habt wirklich viel gelernt, Kinder, macht weiter so!" Er gab Frau Albi die Hand, nannte sie "Frau Kollegin“ und rauschte aus dem Zimmer. Er war nun kein Fremder mehr. Er gehörte zu ihrem Leben und würde wieder kommen, überraschend, wie der erste Schnee.
 

molly

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Ein besonderer Schultag

Die Mutter weckte Michael und Nele: „Guten Morgen, Kinder, heute Nacht hat es geschneit!“ Im Nu sprangen die Beiden aus den Betten, denn schon lange warteten sie auf den ersten Schnee. Beim Frühstück überlegten sie, was sie heute alles tun konnten. Aber Michael musste zur Schule und die Mutter ließ ihm keine Zeit zum Träumen. Sie drängte zum Aufbruch, band ihm den Schal fest um den Hals und scheuchte ihn mit vielen lieben Worten aus dem Haus. Nur wenig Autos hatten ihre Spuren im Schnee hinterlassen. Er entdeckte ein paar riesige Fußstapfen. Die gehörten sicher Herrn Müller, der in aller Früh die Zeitung brachte. Jetzt tapste Michael in den frischen Schnee und betrachtete den Abdruck seiner Stiefel. Neben Herrn Müllers Spur sah seine winzig aus. Arme Prinzessin! Sie konnte den ersten Schnee nicht genießen, denn sie lag seit einigen Tagen krank im Bett.

„Bummle nicht herum“, rief die Mutter ihm nach. Nun lief Michael los, hielt erst bei Davids Haus wieder an. David wollte sich im Laden noch eine Brezel kaufen und so strebte Michael alleine weiter. Beim Rathaus flogen ihm die ersten Schneebälle um die Ohren. Er suchte schleunigst Deckung hinter dem Rathausbrunnen. Schon donnerten zwei Schneebälle an die Rathauswand, zerbarsten und der Schnee fiel ihm ins Gesicht. Reinhard hatte sich versteckt und ihm mit den Schneebällen aufgelauert. Michael landete gerade einen Treffer auf seinem Rücken, als sie von der Schule die Glocke hörten.
In fünf Minuten begann der Unterricht. Aber sie hatten nicht mehr weit und stürmten in ihr Klassenzimmer. Dort fanden sie nur die Lehrerin und einen fremden Herrn vor. Sie begrüßten die beiden mit einem Murmeln und setzten sich auf die Plätze.
Frau Albi stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Michael lief zu ihr und blickte mit ihr in die herrliche Schneelandschaft. Eben schlenderte Peter über den Schulhof. Er stupste vorsichtig mit einem Stöckchen gegen einen Strauch und lachte, als Schnee dabei herunter rieselte. Er ließ noch ein paar Schneeflocken auf die Hand und in den Mund fallen, ehe er ins Klassenzimmer kam. Der fremde Herr empfing ihn nicht gerade freundlich. „Wo kommst du denn jetzt her, so nass und voller Schnee? brummte er Peter an.
„Ich?“, fragte der erstaunt. „Ja, du", antwortete der Fremde.
„Ich komme von daheim!" sagte Peter und setzte sich auf seinen Platz. Der Mann runzelte die Stirne und schaute auf seine Uhr.
„Bist du immer so spät dran?" fragte er
„Meinst du mich?" erkundigte sich Peter.
„Ja, natürlich", antwortete der Fremde.
„Ich komme nie zu spät“, beteuerte Peter, „du bist zu früh!"
David betrat mit einem lauten Hallo das Klassenzimmer.
„Wo kommst du denn her?" wollte der Mann wissen.
„Ich"? fragte David erstaunt.
„Ja, du", sagte der Unbekannte streng.
„Ich komme aus dem Laden", erklärte David. Der fremde Herr schüttelte den Kopf und David setzte sich schleunigst an seinen Platz. Zum Glück fuhr der Schulbus in den Schulhof, der ausgerechnet an diesem Morgen etwas Verspätung hatte, und das Klassenzimmer füllte sich.

Der Herr stellte sich vor die Klasse und fragte die Kinder, wer er wohl sei. Michael ahnte, dass dies nicht die letzte Frage war. Doch niemand kannten ihn und die Kinder blickten hilfesuchend zu Frau Albi. Sie deutete vorsichtig mit einem Finger auf das Lesebuch und nun wussten sie Bescheid.
„Du bist der Mann der die neuen Schulbücher bringt!" rief Reinhard freudig aus. Frau Albi hatte davon erzählt und sie erwarteten die Bücher schon voll Ungeduld.
„Aber nein, Kinder. Ich komme von einem Amt. Wisst ihr jetzt, wer ich bin?" fragte der Mann. Wieder schauten sich die Kinder ratlos an, zuckten mit den Schultern und schüttelten die Köpfe.
Peter antwortete für alle: „Nein, Herr, wir wissen nicht, wer du bist. Wir gehen auf kein Amt!" Der Fremde holte tief Luft und sagte: „Ich bin der Schulrat. Wer weiß denn, wie die Mehrzahl von Schulrat heißt?"
„Schulräder!" rief Reinhard. „Nein", stöhnte der Schulrat. David meldete sich und sagte: „Die Mehrzahl von Schulrat sind Schulratten!"
Der Schulrat schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: „Genug!" Dann schaute er die Kinder wieder an und sagte: „Schulrat, Schul-rä-te, so heißt das! Nun möchte ich einmal hören, was ihr bei Frau Albi gelernt habt!"
Das hätte er doch wirklich gleich sagen können! Sie hatten gelernt, wie wichtig die Wimpern für ihre Augen waren und Michael erzählte das dem Schulrat noch einmal. „Gut, Junge, das reicht", unterbrach ihn der Schulrat. „Weiß einer von euch, was an unserem Körper überflüssig ist?"
„Ich glaube, du meinst das Blut!" antwortete David. Der Schulrat schlug sich mit der Hand auf die Stirn und sagte: „Ich meinte doch nicht flüssig, sondern ü- ber- flüs sig, ü-ber-flüs-sig“, betonte er noch einmal.
Keines dieser Kinder hat das Wort je wieder vergessen.
Nun meldete sich Peter. Der Schulrat lächelte erfreut. „Nun, sag uns, was überflüssig ist“, ermunterte er Peter. „Vielleicht meinst du deinen Bauch?" fragte Peter und deutete mit dem Finger auf den rundlichen Bauch des Schulrats. Der hatte jetzt genug gehört. Hastig verabschiedete er sich von Frau AIbi und richtete seine letzte Frage an die Kinder: „Wisst ihr eigentlich nicht, dass ihr zu den Erwachsenen „Sie" sagen müsst?" Er erwartete jedoch keine Antwort mehr, sondern eilte aus dem Zimmer.

Frau Albi setzte sich an ihren Schreibtisch und ein Beben durchzuckte ihren Körper. Ihre geliebte Frau Albi musste wegen diesem Schulmann vom Amt weinen, nein, das durfte nicht sein! Die Kinder eilten zu ihr, um sie zu trösten. Doch sie weinte nicht. Sie lachte so sehr, dass ihr dabei die Tränen übers Gesicht kullerten. Alle stimmten in ihr Lachen ein, bis sie die Tränen mit dem Handrücken weg wischte und die Hand hob. „Seid bitte wieder leise", bat sie und Michael ergänzte: „Sonst kommt der Herr Schulrat und fragt, warum wir lachen!"
Frau Albi gab ihnen, wie an allen besonderen Tagen, keine Schularbeiten auf, dazu zählte der erste Schneefall auch. Sie gingen gleich nach dem Mittagessen hinaus in den Schnee.

Ein Jahr später besuchte der Schulrat wieder diese Klasse. Zum Glück hatte es nicht geschneit, alle waren pünktlich. Die Kinder erkannten ihn sofort wieder.
Sie erwähnten auch seinen Bauch mit keinem Wort. Dieses Mal verschonte er sie mit Fragen. Er schaute sich dafür die Hausaufgaben an. Die Kinder duzten ihn auch nicht mehr und beim Abschied lobte er sie: „Ihr habt wirklich viel gelernt, Kinder, macht weiter so!" Er gab Frau Albi die Hand, nannte sie "Frau Kollegin“ und rauschte aus dem Zimmer. Er war nun kein Fremder mehr. Er gehörte zu ihrem Leben und würde wieder kommen, überraschend, wie der erste Schnee.
 



 
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