Ein Sonett

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Lyroholiker

Mitglied
Alleine bin ich nie gewesen,
doch einsam bin ich immer schon.
Man kann es auf der Stirn nicht lesen,
doch hört man's oft in meinem Ton.

Wann darf ich denn an ihr genesen,
wann bauen wir uns unsern Thron ?
Du, der Künste liebstes Wesen,
und ich der Muse liebster Sohn.

Wo bist du nur, Seele die mich sucht ?
Wo, die Seele, die ich suche ?
Wo ist bloß der Spiegel meines Seins ?

Bin ich denn zur Einsamkeit verflucht,
wie auf freiem Feld, die Buche,
umwoben vom Licht des Sonnenscheins ?
 

Schakim

Mitglied
Hi, Lyroholiker!

Ständig ist man auf der Suche -
Eine lange Wanderschaft!
Immer wieder schiebt die Buche
neue Blätter, spendet Kraft.

Unter ihrem Schattendach
fühlt man sich geborgen.
Wirkt der Schatten länger, flach,
räuspert sich der Morgen:

Wandersmann, du müder, du!
Ziehe aus den drückend Schuh!
Trete barfuss in das Gras.

Ruhe legt sich auf's Gemüt,
dort, wo Hoffnung wieder blüht
und das Leben macht neu Spass.


Einen schönen Tag!
Schakim
 
J

jester

Gast
hallo lyroholiker,

kein klassisches sonett, sondern eine variante, findet man in deinen zeilen. dafür sprechen sowohl die kreuzreime als auch die männlichen reimendungen, die 4-hebigen jamben und die 8 und 9 silbigen verse.
ok, sonettvarianten gibt es viele und die diskussion, ob nur ein klassisches sonett das "echte" sonett ist, möchte ich nicht hier besprechen.

was allerdings wichtig ist bei einem sonett, ist der inhaltliche aspekt. hierbei geht es um these und antithese in den quartetten und die synthese in den terzetten (oder zumindest ein inhaltlicher bruch/wandel zwischen quartetten und terzetten). das gelingt meiner meinung nach nur bedingt.
im ersten quartett steht die einsamkeit des lyrischen ichs im vordergrund, im zweiten kommt "sie" ins spiel. was oder wer sie ist, wird im ersten terzett aufgelöst (die seele), allerdings könnten die fragen aus strophe 2 meiner meinung nach ebenso gut in den terzetten gestellt werden. im abschlussterzett gibt es keine auflösung. die frage nach dem fluch ist ok, aber ist eine buche auf freiem feld, denn auch per se verflucht???

die terzette holpern vom versmaß sehr. da werden allerlei taktarten vermischt oder gebrochen ("Wo bist du nur, Seele die mich sucht?", "Bin ich denn zur Einsamkeit verflucht,")

inhaltlich scheinen mir diese brüche nicht (vorallem nicht sonettös eingebunden). ich würde versuchen, das versmaß durchzuhalten.

"spiegel meines seins","umwoben vom licht des sonnenscheins" usw. sind nicht gerade metaphern, die ich für originell halte (aber das muss ja auch nicht intention sein und das kann man gerne auf meinen geschmack schieben ;)). mit den reimenden "-esen" und "-on" "-ucht", "-uche" und "-eins" geht es mir ähnlich. "gewesen" und "wesen" sind identische reimendungen.

das thema "der künstler(liebster sohn der muse)/das ich" auf der suche nach der seele/seinem werk (der künste liebstes wesen) ist ein durchaus passendes thema für ein sonett. die umsetzung - wie ausgeführt - reißt mich jedoch nicht vom hocker und erfordert metrisch auf jeden fall (und inhaltlich je nach geschmack) eine überarbeitung!

liebe grüße,
jester
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bei meiner subjektiven textkritik handelt es sich nie um persönliche kritik am autor!
 



 
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