Ein Verdacht, der sich bestätigte.

pleistoneun

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"Flussabwärts schwimmen Fische schneller", dachte er sich und betrachtete seine frischgekauften Tintenfischringe, als er sich in die Warteschlange an der Kassa einreihen wollte. Er ließ sich Zeit bei der Wahl der Schlange, an die er sich anzustellen gedachte, überlegte lange, wägte ab, beobachtete genau, denn erwusste: bei der falschen Wahl kann man hier viel Zeit liegen lassen. "Viertelstündchen wirds schon dauern", meinte der Vordermann grinsend, und zahlte als dieser an der Reihe war, mit Gutschriften in vielen kleinen, gebrauchten Scheinen. Sehr viel später befand er sich dann doch wieder im Wagen, unterwegs nachhause und abermals stand er vor der vielentscheidenden Frage, welche der drei Fahrspuren er nehmen sollte, denn es herrschte Stau in der Großstadtmetropole. Und er wählte, und es war - wie sollte es anders sein - die langsamste. Quälend schob sich das Auto Zentimeter für Zentimeter nach vorne zur Ausfahrt des Stadtteils Asakusa - Kyushu/Japan, wo er ein Häuschen inmitten eines Zementfabrikviertels besaß. "Ich fürchte, ich komme noch zu spät", besann er sich mit einem kontrollierenden Blick auf seine viel zu große Uhr, die nur geliehen war. Er verspätete sich tatsächlich, da er sich bei zwei Baustellen für einen Umweg entscheiden musste, er wählte jedesmal den weiteren. Er kannte nichts anderes, hatte er sich denn noch nie richtig entschieden, es schien ihm nichts auszumachen, doch wurde in ihm bei der sorgfältigen Beobachtung anderer Leute in denselben Situationen der Gedanke immer deutlicher, dass er etwas falsch machen musste.
Unter durchschnittlichem Zeitdruck kleidete er sich für das monatliche Firmenessen mit Direktoren und hochrangigen Funktionären. Er selbst war Kassier und aushilfsweise Schrankenwart. Das Hemd mit den vielen Knöpfen war nur mit viel Mühe anzulegen, brachte ihn weiter in Zeitnot und sorgte schließlich für die falsche Entscheidung der Wahl seines Schuhwerks, Schlangenlederschuhe.
Und dann ging alles sehr schnell. Zwei bewaffnete Gestalten stürmten ins Haus und zerrten den unter Schock stehenden Mann aus dem Haus. Er fand sind inmitten einer fremden Wüstenlandschaft wieder. "Solche Wüstlinge", fauchte er schwitzend, wusste nicht, wen er beschimpfen sollte, hatte zuerst den Verdacht eines üblen Firmenscherzes, denn schon oft wurden Kollegen einfach in die Wüste geschickt. Nichts als heißer Sand und gleißende Sonne, kein Lüftchen, kein Wölkchen, nur er und diese trockene Hölle. Atemraubend. Und so stapfte ein fernöstlicher Firmenkassier, ohne zu wissen, wer ihm so etwas antun sollte, seit Stunden in die vermutete Richtung Osten. Er kam nicht weit, die Nacht setze ein und zwang ihn ein Plätzchen zu suchen. Noch nie zuvor war er so allein, aber auch noch nie zuvor schlief er so schlecht.
Der nächste Morgen war schrecklich: seine Schuhe waren gestohlen, seine guten Schlangenlederschuhe. Er wusste nicht, dass sich die vitaminstarke Nahrung der dort heimischen Maultierhirsch-Art aus glatten und verkehrten Schlangenlederschuhen zusammensetzt. Der Tag war wieder brennend heiß. "Was Sie sagen, ist nur heiße Luft!", hörte er seinen Chef oft zu ihm sagen. Jetzt spürte er es auch selbst. Das japanische Rechentalent stellte sich kühn auf die Hinterbeine und schnupperte in dieser heißen Luft nach einer Mahlzeit. Er hatte sich an die Umgebung angepasst, wodurch er überleben konnte. Sein Unterkiefer war zu einer mächtigen Schaufel entwickelt, seine Extremitäten waren 4 lange Sinneshaare und Giftwarzen am ganzen Körper schützten ihn vor dem Maultierhirsch. Sand wurde seine Nahrung und die Entfernung von zuhause sein Wasser.
"Anpassung ist alles", sinnierte er und freute sich erstmals darüber, auf dem Mars zu sein.
 



 
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