Ein blutiger Job

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Ein blutiger Job

Die erdrückende Dunkelheit der Nacht bedeckte ein weites Feld, welches vollständig von dunklen Wäldern umgeben wurde. Es wurde nur von ein paar kleinen Flecken warmes Licht durchbrochen, die aus einigen Fenstern eines einsam stehendes Häuschens fielen. Langsam schob sich ein dünner, immer länger werdender Schatten vor die Lichtflecken.
Einer stark gekrümmten Klinge, die sanft durch Fleisch fuhr und zarte Haut spaltete folgte ein purpurroter Rinnsal frischen Blutes.
Durch die offenstehende Haustür heulte kalter Wind und vertrieb die heitere Wärme eines Vorraums. Eine schwarz behandschuhte Hand legte sich um den offenen Türrahmen.
Der Rinnsal Blut floss gemächlich einen schlanken langen Arm herunter, bis er eine zierliche Hand erreichte. Hier sammelte er sich zwischen langen, gepflegten Fingernägeln, bevor er weiter tropfte.
Es wurde bitterkalt, als eine schmächtige Gestalt ins Haus eintrat. Leise schlich sie sich durch den Eingangsbereich zu einer weiteren Tür. Der folgende Raum schien wesentlich einladender als die erbarmungslose Kälte der Natur, die der Gestalt durch die Räume folgte. An einer Wand flackerte friedlich ein Kaminfeuer und wärmte den Raum auf.
Das Blut bahnte sich seinen Weg die weibliche Hand herunter. Langsam floss es die Fingernägel herab und erreichte zögerlich tropfend den warmen Parkettboden.

Daniel betrat vorsichtig das Wohnzimmer des fremden Hauses, wohlwissend was ihm bevorstand. Bei dem blossen Gedanke an den Grund, der ihn hier hin verschlug, lief es ihm kalt den Rücken herunter. Zitternd schlich er an staubigen, stark verzierten Holzmöbeln vorbei, die wohl schon seit Jahren nicht mehr benutzt wurden.
Wie eine Schlange kroch das Blut über die Holzdielen und hinterließ einen glänzenden roten Streifen.
Leise verließ der schmächtige Junge das Wohnzimmer und blickte sich um. Ein Hoffnungsschimmer regte sich in Daniel: Das Haus schien verlassen. Dann stieg er mit schell vorsichtig ein Treppenhaus hinauf. Als die hölzernen Stufen unter seinen Füßen plötzlich laut knarzten, zuckte er zusammen. Sein Herz begann zu rasen und er erstarrte. Am oberen Ende der Treppe stand eine alte Holztür einen schmalen Spalt weit offen. Dahinter ertönten ein fröhliches Summen und leise Schritte. Daniels Magen verkrampfte sich. Das Haus war doch nicht verlassen.
Unaufhaltsam floss der Blut-Rinnsal durch das Pakett-Holz, wobei er immer wilder und breiter wurde.
Der Junge lehnte sich an die Wand und lugte durch den offenen Türspalt. Er erblickte genau das, was er erwartet hatte. Inständig hatte er gehofft, es hier nicht antreffen zu müssen. Schnell beugte er sich zurück und atmete frustriert auf. Seine letzte Hoffnung war erloschen. Jetzt musste er es wirklich durchziehen. Keine Weg führte mehr daran vorbei. Keine Ausrede stand ihm noch zur Verfügung.
Vor einer Türschwelle sammelte sich der purpurrote Streifen kurz und schwoll zu einer Pfütze an, bevor er entschlossen unter diesem hindurch weiter in den nächsten Raum floss.
Auf der anderen Seite der Tür pfiff eine junge Dame weiter fröhlich vor sich hin. Daniel lugte wieder durch die Tür und beobachtete sie besorgt.
So ein schönes Geschöpf: Sie war sicherlich kaum älter als er selbst. Ihr braunes Haar hing offen bis an ihr Hüfte herunter. Ein langes grünes Seidenkleid fiel an ihrem Körper herab und betonte die zierlich-schlanke Gestalt. Um ihren Hals funkelte ein Rubin-Anhänger an einer goldenen Kette. Ihre makellose Haut glänzte im Licht des prunkvollen Kronleuchters, der an der Decke über ihr hing. Durch sein Glitzern tauchte er den ganzen Raum in ein außergewöhnliches Lichtspiel tauchte.
Das Blut bildete unter seinem Quellort eine immer weiter wachsende Lache. Das Lichtspiel des Kronleuchters wurde in dieser reflektiert und tauchte den Raum in ein romantisch-rötliches Licht.
Daniel griff in seine Jackentasche und legte seine Finger krampfhaft um einen Griff. Er seufzte. Gab es wirklich keinen anderen Weg?
Dann riss er sich zusammen und betrat den Raum. Als er eintrat stand die junge Frau gerade mit dem Rücken zu ihm vor einem großen Spiegelschrank und zog sich einen goldenen Ohrring in Ginkgoblatt-Form an. Ihre Blicke trafen sich durch den Spiegel und das Lächeln erstarb abrupt aus dem Gesicht der Dame. Als Daniels Blick sich auf ihren Anhänger richtete, legte sie schützend eine Hand um den Stein und löste die Goldkette mit der Anderen von ihrem Hals.
“Ich kann sie dir auch so geben, dann lassen wir den Rest.”
Ihre Stimme klang hoffnungsvoll.
“Du weißt, dass es nicht nur darum geht.”
Es gab kein zurück mehr, das wurde ihm schmerzhaft bewusst. Er nahm die verkrampften Hände aus der Tasche und zog einen stark gekrümmten Dolch aus der Hand.
“Er möchte dein Blut sehen.”
Während die Blutlache weiter zu einer kleinen Pfütze heranwuchs umschwemmte sie einen goldenen Ginkgoblatt-förmigen Ohrring und tauchte ihn in dunkles Rot.
Daniel schritt zur jungen Dame heran und legte ihr den Dolch um den Hals.
“Ich wollte es ginge anders, aber du weißt was passiert, wenn wir das jetzt nicht machen.”
Sie wehrte sich garnicht erst und schloss die Augen.
“Bring es hinter dich.”
Sie zitterte und eine Träne floss aus ihrem geschlossenen Augenwinkeln.
“Du wirst niemals damit Leben können”.
Daniel atmete tief ein, dann zog er die Klinge über ihre Kehle und hielt ihr gleichzeitig den Mund zu. Nur für einen kurzen Moment kam in ihm wieder dieses beängstigende Gefühl auf: Das angenehme Gefühl von Macht, die in ihm eine sättigende Befriedigung und Selbstgefälligkeit auslöste.
Durch seinem schwarzen Handschuhe ertönte ein erstickter Schmerzensschrei, der Daniel wieder in die Realität seines Gewissens zurück holte. Entsetzt beobachtete er den Rinnsal Blut, der ihrer Kehle entwich. Dann ließ er sie los und die junge Frau sank auf einen neben ihr stehenden Stuhl zusammen. Verzweifelt beobachtete der Junge wie die Frau dalag, als ob sie so eben friedlich eingeschlafen wäre. Gerührt hockte sich Daniel zu ihr hin, sein Herz drohte in seiner Brust zu zerspringen. Zutiefst wünschte er sich sie wäre weggelaufen oder wäre erst gar nicht im Haus gewesen.
Er wusste genau dass dann zumindest jemand anderes die Jagd nach ihr übernommen hätte. Doch trotzdem würde er wie ein Versager behandelt werden, für sein Scheitern gepeinigt werden und seine Familie hingerichtet werden. Diesen Antrieb zu töten, über die letzten Wochen, hatte er sich stets aus den Kopf geschlagen. Zu hoch wäre der Druck gewesen. So hätte er sich niemals an seine Arbeit gewöhnen können.
So schade um so eine schöne junge Frau, dachte er sich während er ihr die Halskette abnahm und in ihr Blut tauchte, bevor er sie zusammen mit der Klinge zurück in seine Jackentasche steckte. Das Blut der jungen Frau verbreitete sich auf dem Parkettboden des Raums.
Daniel hasste seinen Job, doch es wäre nicht auszumalen, was ihm drohe, wenn er sich seinen Befehlen widersetzen könnte. Einen letzten Blick auf die Frau werfend verließ er das Haus, wieder hinaus in die trostlose Dunkelheit.
Das Blut verteilte seinen Duft durch die offenen Fenster wieder hinaus in die dunkle Kälte der stürmenden Winde über den Feldern bis in die Tiefen der Wälder.
 



 
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