Ein einzigartiges Model

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gerian

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"Guten Morgen, Charlotte."
"Tee oder Kaffee, Alex?"
"Wie immer..."
"Also Tee."
"Kaffee..., hast du meine Zeitung...?"
"Links von dir..."
"Wo?"
"Auf dem Stuhl."
"Danke, Charlotte."
"Gestern wieder spät geworden, Aléx."

Schweigen.

"Ich wollte aber ein Fünf-Minuten..."
"Was, Alex?"
"Ei..., das hier ist zu hart."


"Ich sagte, es ist gestern spät geworden, Alex."

Schweigen.

"Ja, hier auf Seite drei..., die Frühjahrsmesse in Mailand wird..."

"Das geht jetzt seit Wochen so..."

Schweigen.

"Noch ein Toast bitte."
"Alexander, du arbeitest zu viel."
"Ach Charlotte, du weißt doch, die neue Kollektion."
"Sie schadet deiner Gesundheit, Alex."
"Was?"
"Die neue Kollektion!"
"Charlotte?"
"Ja?"
"Stimmt was nicht?"
"Wie meinst du das?"
"Du bist so komisch."
"Ich?"
"Ja!"
"Hast du an heute Abend gedacht?"
"Nein, die neue Kollektion..."
"Die kann warten."
"Warum?"
"Müller-Senftleben..."
"Was ist mit denen?"
"Du hast sie zu uns eingeladen."
"Ich, ach ja..., wann kommen die denn?"
"Heute Abend..."
"Mist, das hab ich ganz vergessen, Charlotte, hast du alles...?"
"...vorbereitet..., wolltest du sagen, ja ich habe, wie immer!"
"Ach Charlöttchen, ohne dich wäre ich nichts..., der Müller-Senftleben vom Betty-Verlag kommt mir jetzt zur Messe gerade recht, ich brauch den Art-Director für die neue..."
"Kollektion, ich weiß mein Lieber, sei pünktlich heute Abend... und nenn mich nicht´Charlöttchen´."

Es hatte an der Haustür geklingelt.

"Ich gehe schon, Charlotte, es wird Albert sein, mein Chaffeur, bis heute Abend, meine Liebe."

Später entdeckte sie das Handy ihres Mannes auf dem Küchentisch. Sie läuft zur Tür, öffnet und schaut hinaus. Der Wagen ist fort.
´Auf dem Wohnzimmerbüfett wir er es nicht übersehen, wenn er es sucht.`

Sie ging noch einmal den Einkaufszettel durch, rief den Party-Service an und gab die Bestllung auf.
Als sie aufgelegt hatte, klingelte es im Wohnzimmer. Sie eilte hinüber.
Es war das Handy ihres Mannes.

"Ja bitte?"
"Signore..., hallo Signore Alessandro?"
"Falsch verbunden, Signora..."
"Ich nicht verstehen, Signora."
"Hier nix Alessandro!"
"Wie bitte?"
"No Alessandro."
"Ma la mia..., äh, doch Signora..., ich Alessandro kennen..."
"Mag sein, doch hier wohnt niemand namens Alessendro."
"Confidenziale.. vertraulich..."
"Wer sind Sie, was wollen Sie?"
"Ich heißen Gina Galanti, wohnen in Mailand. Mia figlia Camilla, meine Tochter..."
"Signora Galanti, was ist mit Ihrer Tochter?"
"Camilla.., Tochter..., auch Alessandro."

Schweigen.

Charlotte ahnt. Sie wehrt sich gegen das, was in ihr hochkommt.

"Signora verstehen Sie nicht...? Sie sind falsch verbunden!"
"Si, Signora, es ist mir peinlich, entschuldigen Sie bitte."

Charlotte war, als entglitt ihr der Boden unter den Füßen. Sie griff nach einem Halt, sank in den nahen Sessel hinein. Im Kopf drehte ihr ein Karussel.

Als sie endlich aufblickte, sah sie in das Gesicht eines Mannes, der ihr gegenüber im Sessel saß.
Er kam ihr bekannt vor. Dann begriff sie. Es war ihr Mann. Sie hatte ihn nicht kommen hören.

"Du? Ich denk, du bist bei deiner Kollektion."
"Charlotte?"
"Ja?"
"Stimmt was nicht?"
"Wie meinst du das?"
"Du siehst so schlecht aus."
"Warum bist du so früh gekommen, Alex"
"Ich hab mein Handy vergessen, mit dem du eben telefoniertest. Wer war es?"
"Unbedeutend, es hatte sich jemand verwählt."

"Ich erwarte noch einen wichtigen Anruf, deswegen bin ich so früh schon gekommen."
"Aus Mailand?"

Schweigen.

"Wie kommst du darauf?"
"Nun wegen der Messe..., du musst doch da bald wieder hin."
"Ja, das weißt du doch..., unsere neue Kollektion, alles Unikate."
"Ja Alex, das sind wir alle, einzigartig, nicht wahr?"
"Charlotte?"
"Ja?"
"Du bist so komisch."
"Nein, du!"
"Ich, wie kommst du darauf?"
"Lügner! Schuft! All die Jahre angelogen, angelogen hast du mich. Immer wenn du in Mailand warst, ficktest du eine andere!"
"Charlotte, bist du noch bei Sinnen?"
"Hast du eine Geliebte in Mailand, ja oder nein?"
"Aber Charlöttchen, das hab ich dir doch vor über zwanzig Jahren längst gestanden. Seitdem hab ich keine dort."
"Du sollst mich nicht immer ´Charlöttchen´nennen , wenn du verlegen bist."
"Aber Charlö..., Chalotte..."
"und hier... in Berlin, wer ist denn hier deine neue Kollektion. Ich meine, wer ist sie?"
"Unser neues Model?"
"Hast du was mit ihr?"
"Bist du total übergeschnappt, sie könnte meine Tochter sein."
"Schwamm drüber, Alex, komm in die Küche, wir haben noch Vorbereitungen zu treffen, die Müller-Senftleben kommen bald."

Der Himmel wölbte Pastelrot über den Garten. Von irgendwo rief ein Kauz in die Dämmerung hinein.

Müller-Senftleben fragte: " Ach eh ich es vergesse, lieber Alexander, auf der nächsten Titelseite präsentieren wir natürlich Ihr neues Model, wie heißt sie noch?"
"Camilla Galanti."
 

Wipfel

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mir gefällt das theaterstück - sehr fein. aufpassen: die handyerkennungstrennung hat sich nun schon öfter wiederholt...

grüße von wipfel
 

IDee

Mitglied
Auch mir gefällt das Stück sehr gut. Auch wenn mal wieder jemand ertappt worden ist, so ist das Leben eben.
Super finde ich wie sie ihm immer die Sätze abnimmt.
Allerdings hätte die Reichtschreibprüfung nochmal drüberlaufen sollen :))
LG
IDee
 



 
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