Ein neues Leben

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Bramfelder

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Ein neues Leben


Die Karte fiel und somit auch seine Stimmung.
Jahrelang hing sie dort und hatte allem standgehalten.
An diesem Morgen jedoch, fiel sie ihm einfach so ... direkt vor die Füße.

Er achtete schon immer auf die Zeichen, die ihm das Leben brachte. Doch dieses war gewiss kein Gutes.
-Was hat das zu bedeuten?-, fragte er sich und versuchte die Karte wieder an ihren Platz zu hängen. Doch wie durch eine unsichtbare Kraft, fiel sie immer wieder herunter.

-Der Tag fängt ja gut an. Was kommt als nächstes?-, fragte er sich, legte die Karte auf den Nachttisch und trottete mit einem mulmigen Gefühl im Magen zur Küche, in der seine Frau schon dabei war Kaffee zu machen.
"Guten Morgen", sagte er verstimmt und sah sie an.
Ein knappes "Morgen" kam ... mehr nicht.

Er nahm seinen Kaffee und erzählte ihr von der Karte.
"Du weißt, dass ich die Zeichen sehe. Sag mir, was los ist. Muss ich mir Sorgen machen?"
"Ich weiß nicht", antwortete sie und zuckte mit den Schultern. Dann drehte sie sich um, im Begriff die Küche zu verlassen. Er stellte sich vor sie, um ihr einen "Probekuss" zu geben, doch sie wich zurück.
"Hey ... was soll das?", fragte er. "Liebst Du mich nicht mehr?".
Die Antwort wusste er schon längst, aber er brauchte Gewissheit.
Er sah sie an .... sie ihn nicht. Scham glitt über ihr Gesicht und dann brach sie in Tränen aus.
-Soll ich diesen Tränen glauben?-, fragte er sich und spürte auf einmal diese unendliche Leere in seinem Herzen.
"Ich kann nichts dafür, ich bin einfach so da hineingerutscht", schluchzte sie.
"Man rutscht nicht so einfach da hinein", erwiderte er ruhig.
"Entweder lässt man es zu oder nicht. Und Du ... hast es zugelassen".
Er wunderte sich über sich selbst, darüber dass er so ruhig blieb. Jeder andere wäre total ausgerastet. Er war die Ruhe selbst.
Wer es ist, wollte er von ihr wissen, doch sie gab: "Ist doch egal", als Antwort.
Es war egal ob sie es sagte oder nicht. Denn seine innere Stimme hatte ihn noch nie betrogen. Er kannte die Antwort, obwohl es nie äußere Anzeichen gab.
"Dann hast Du ja jetzt Deinen privaten Lebenscoach, den Du immer wolltest".
Irritiert sah sie ihn an. "Wen meinst Du?"
Doch er gab nur ein "Ist doch egal", zurück. "Es hat sich hiermit sowieso erledigt".
Sie kannte seinen Standpunkt. Ein Zurück gab es für sie nun nicht mehr. Denn Vertrauensbruch war Hochverrat für ihn. Und es gab nichts, was er mehr verachtete.

Er war maßlos enttäuscht von ihr, dass sie einfach so ... alles über den Haufen warf. Einfach so ... ohne Rücksicht auf Verluste, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie er sich dabei fühlte und welchen Schmerz sie ihm zufügte.

Und dann verließ er das Haus. Er musste raus. Er brauchte frische Luft zum Atmen, musste seine Gedanken sammeln, bevor er anfing durchzudrehen.
Wie benebelt fuhr er zur Arbeit und entging nur knapp einem Crash, so sehr war er mit seinen Gedanken unterwegs.
Er stellte sich immer wieder die Frage, was passiert sei.
Und während der Arbeit, war er völlig neben sich, denn in Gedanken war er ganz woanders.

Als er am Nachmittag nach Hause kam, fand er dass Carport leer vor.
"Sie ist bei ihm", schoss es ihm durch den Kopf.
Und so richtete er sich gedanklich schon mal darauf ein, das Wochenende allein zu verbringen.
"Rumjammern bringt mich jetzt nicht weiter", gestand er sich ein.
Also brauchte er etwas, das ihm die Kraft gab, dies alles gut zu überstehen.
-Genau ... , das ist es-, sagte er sich nach einer Weile des Grübelns und er beschloss, sich nur die positiven Dinge aus dieser Angelegenheit herauszuziehen. Denn Schmollen würde ihn nur weiter vom Weg abbringen. Er musste jetzt einen klaren Kopf behalten, damit er ungehindert in seine Zukunft blicken konnte.
Er stellte sich immer wieder die Frage: -Welchen Vorteil habe ich davon, dass ... -.
Und so fand er immer mehr Antworten, die ihn zufrieden stellten.
Er fing an, Pläne zu schmieden und sich seine Zukunft auszumalen. Und allmählich fand er Gefallen daran.
-Ich bin frei-, freute er sich. -Von heute an, bin ich wieder mein eigener Herr, bin niemandem mehr Rechenschaft schuldig, außer mir selbst-.
Und ihm wurde bewusst, dass ihm in den letzten Jahren einiges gefehlt hatte, das er bereitwillig und unbewusst zurückgesteckt hatte. Seine Ruhe ... seine Gedanken ... seine ganz persönlichen Träume.
Sich einfach mal "Langweilen", ohne dabei gestört zu werden.
Das Leben hatte ihn wieder, so wie er es schon immer gern gelebt hatte.
 



 
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