Ein schwieriges Jahr

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Wünstler

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Ein schwieriges Jahr
(Die Geister, die ich rief.)

Dieses Jahr war wirklich schwierig für mich.

Es fing in der Fastenzeit an.
Jemand - als hätte sich eine meiner Geschichten verselbständigt - hatte vor dem traditionellen Schlachtfest „Kein Fastenbrechen“ auf alle Plakate geschrieben. Später ergänzte er es noch mit „ der X-Städter“ und gar zuletzt setzte er so was wie eine Unterschrift mit „Partei der Christen“. Ich wurde der Urheberschaft verdächtigt, da ich bei allen als fanatisch religiös verschrien bin, nur weil ich freitags kein Fleisch esse und auch in der Fastenzeit auf den Fleischkonsum verzichte, während alle anderen in unserem Ort die Sache etwas anders sehen. Ich versuche es ausweichend immer mit der ökologischen Schiene zu begründen.

Da sahen sie mich schon scheel an - die Nachbarn, Mitglieder der Partei der Christen besonders. Ein paar tuschelten bereits hinter meinem Rücken.

Und es ging weiter.
An einem Sonntagmorgen im Frühjahr ertönte aus mehreren Lautsprechern die Nationalhymne - beinahe so wie in einer meiner Geschichten. Irgend so ein Scherzbold hatte überall Flaggen gehisst. Wegen meines bekannterweise fehlenden Nationalstolzes, schon damals bei der Erreichung des 3. Platzes bei der WM wurde das bemerkt, wurde natürlich sofort ich verdächtigt.
Es sei sozusagen eine Aktion gegen übertriebenen Nationalstolz.

Jetzt mieden mich einige, die mich vorher gegrüßt hatten.

Doch seit dem 13.8. bin ich fast untragbar. Ich hatte mich etwas über den Lärm der Schulkinder während der Pausenzeiten beschwert, aber in Gesprächen immer abgestritten, dass ich eine Schallschutzmauer bauen wollte. Zufällig hatte ich in einer Geschichte eine solche Mauer beschrieben.

Als sie dann da stand, beschuldigten mich einige öffentlich.
Nun wechseln fast alle die Straßenseite, wenn sie mich kommen sehen.
Mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass einige über mich sagen, ich sei ein Fan der Bayern geworden.

Es geht schon der Witz um:
„Was ist ein Wün?“
Das ist die Zeit, die man braucht, um sich die Ohren zuzuhalten, wenn der Wünstler mit seinen Tiraden anfängt.

Später wurde dann auch noch Hua in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verhüllt und „Free Tibet“ darauf geschrieben.
Ich hatte mich immer - auch in einer fiktiven Einweihungsszene - gegen dieses Kunstwerk ausgesprochen, für mich war es zu klein und ich hätte vielleicht lieber ein Kreuz oder Fahnen (da natürlich die von verschiedenen Nationen und die von Europa) gesehen. Schließlich kommen wir alle aus einem christlich-abendländischen Kulturkreis. Was für eine Ahnung habe ich vom Taoismus.

Missgünstige und bösartige Nachbarn behaupten nun, ich würde meinen Müll nicht trennen.
Kinder bespucken mich.

Als in Heppenheim Reifen von Autos zerstochen worden sind, sodass einige nicht an den Fahrzeugkorsos zur Feier über die Siege ihres bedeutendsten Sohnes teilnehmen konnten, war selbstverständlich ich der, den die Polizei als erstes aufsuchte.
Ich beteuerte meine Unschuld und konnte glücklicherweise ein Alibi für die vermeintliche Tatzeit vorweisen.
Zugegeben - ich hatte Motorsport nie als Sport angesehen und höchstens Spott dafür übrig. (Jetzt noch ein Wort zum Motorsport. Ich finde das reicht. Eines meiner Zitate.)

Die Reifen meines Fahrrades wurden darauf mehrmals zerstochen.

Auch der Solidaritätsstreik der Kellner wird mir zur Last gelegt. Seit einer ihrer Kollegen wegen der Weigerung, einen vollen Teller abzuräumen, entlassen wurde, räumen sie keine fast noch vollen Teller mehr ab. Ich würde, da ich sie unterstütze, ein Lebensgefühl zerstören.

Vielleicht sei ich auch dafür verantwortlich, dass an jenem grauen Novembermorgen der Coffee to go unerklärlicherweise überall ausgegangen war.
Hatten sich meine zu Papier gebrachten Gedanken verwirklicht?

Ich bekam Drohanrufe.

Das Worst-Case-Szenario war in der Adventszeit eingetreten.
Weihnachtsbeleuchtungen wurden zerstört. Der Weihnachtsmarkt blieb im Dunkeln. Es soll schemenhaft einer gesehen worden sein, der mit einer Baseballkappe bekleidet Leitungen kappt.
Etwa die fiktive Gestalt des Kappers mit der Baseballkapp‘?

Jetzt fürchte ich um mein Leben und leider auch um meinen Verstand, als mich letztens ein Schneemann mit einem Blumentopf auf dem Kopf wegen seiner Auswanderungswünsche anzusprechen versuchte.
 

Wünstler

Mitglied
Ein schwieriges Jahr
(Die Geister, die ich rief.)

Dieses Jahr war wirklich schwierig für mich. Hier im Ort.

Es fing in der Fastenzeit an.
Jemand hatte vor dem traditionellen Schlachtfest „Kein Fastenbrechen“ auf alle Plakate geschrieben. Später ergänzte er es noch mit „ der X-Städter“ und gar zuletzt setzte er so was wie eine Unterschrift mit „Partei der Christen“. Ich wurde der Urheberschaft verdächtigt, da ich bei allen als fanatisch religiös verschrien bin, nur weil ich freitags kein Fleisch esse und auch in der Fastenzeit auf den Fleischkonsum verzichte, während alle anderen in unserem Ort die Sache etwas anders sehen. Ich versuche es ausweichend immer mit der ökologischen Schiene zu begründen.

Da sahen sie mich schon scheel an - die Nachbarn, Mitglieder der Partei der Christen besonders. Ein paar tuschelten bereits hinter meinem Rücken.

In mir kamen Zweifel auf. Ich erkannte manches aus einer meiner Geschichten wieder, die nur in meiner Phantasie entstanden war.
Bin ich eine gespaltene Persönlichkeit? Weiß ich nicht mehr, was ich tue? (1)

Und es ging leider weiter.
An einem Sonntagmorgen im Frühjahr ertönte aus mehreren Lautsprechern die Nationalhymne. Irgend so ein Scherzbold hatte überall Flaggen gehisst. Wegen meines bekannterweise fehlenden Nationalstolzes, schon damals bei der Erreichung des 3. Platzes bei der WM wurde das bemerkt, wurde sofort ich als einziger verdächtigt.
Es sei sozusagen eine Aktion gegen übertriebenen Nationalstolz.Jetzt mieden mich einige, die mich vorher gegrüßt hatten.

Entwickeln sich aus meinen Geschichten Persönlichkeiten, die mir das Leben in meinem Umfeld erschweren?

Doch seit dem 13.8. bin ich fast untragbar. Ich hatte mich etwas über den Lärm der Schulkinder während der Pausenzeiten beschwert, aber in Gesprächen immer abgestritten, dass ich eine Schallschutzmauer bauen wollte. Zufällig hatte ich in einer Geschichte eine solche Mauer beschrieben.

Als sie dann da stand, beschuldigten mich einige öffentlich.
Nun wechseln fast alle die Straßenseite, wenn sie mich kommen sehen.
Mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass einige über mich sagen, ich sei ein Fan der Bayern geworden.

Es geht schon der Witz um:
„Was ist ein Wün?“ (2)
Das ist die Zeit, die man braucht, um sich die Ohren zuzuhalten, wenn der Wünstler mit seinen Tiraden anfängt.

Später wurde auch noch Hua in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verhüllt und „Free Tibet“ darauf geschrieben.
Ich hatte mich immer - auch in einer fiktiven Einweihungsszene - gegen dieses Kunstwerk ausgesprochen, für mich war es zu klein und ich hätte lieber etwas Billigeres, vielleicht nur ein Kreuz oder Fahnen (da natürlich die von verschiedenen Nationen und die von Europa) gesehen. Schließlich kommen wir alle aus einem christlich-abendländischen Kulturkreis. Was für eine Ahnung habe ich vom Taoismus.

Missgünstige und bösartige Nachbarn behaupten nun, ich würde meinen Müll nicht trennen.
Kinder bespucken mich.

Als in Heppenheim Reifen von Autos zerstochen worden sind, sodass einige nicht an den Fahrzeugkorsos zur Feier über die Siege ihres bedeutendsten Sohnes teilnehmen konnten, war selbstverständlich ich der, den die Polizei als erstes aufsuchte.
Ich beteuerte meine Unschuld und konnte glücklicherweise ein Alibi für die vermeintliche Tatzeit vorweisen.
Zugegeben - ich hatte Motorsport nie als Sport angesehen und höchstens Spott dafür übrig. (Jetzt noch ein Wort zum Motorsport. Ich finde das reicht. Eines meiner Zitate.)

Die Reifen meines Fahrrades wurden mehrmals zerstochen.

Auch der Solidaritätsstreik der Kellner wird mir zur Last gelegt. Seit einer ihrer Kollegen wegen der Weigerung, einen vollen Teller abzuräumen, entlassen wurde, räumen sie keine fast noch vollen Teller mehr ab. Ich würde, da ich sie unterstütze, ein Lebensgefühl zerstören.

Vielleicht sei ich auch dafür verantwortlich, dass an jenem grauen Novembermorgen der Coffee to go unerklärlicherweise überall ausgegangen war.

Ich bekam Drohanrufe.

Das Worst-Case-Szenario war in der Adventszeit eingetreten.
Weihnachtsbeleuchtungen werden zerstört. Der Weihnachtsmarkt blieb im Dunkeln. Es soll schemenhaft einer gesehen worden sein, der mit einer Baseballkappe bekleidet Leitungen kappt.
Etwa die fiktive Gestalt des Kappers mit der Baseballkapp‘?

Jetzt fürchte ich um mein Leben und leider auch um meinen Verstand, als mich letztens ein Schneemann mit einem Blumentopf auf dem Kopf wegen seiner Auswanderungswünsche anzusprechen versuchte.

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Zu 1: Wieso, warum und was ich schreibe, weiß ich sowieso nicht.
Zu 2: Der Witz heißt natürlich „Was ist ein Ulb?“
 



 
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