EinBlick in zwei Menschen

LaNoir

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Aus ihrem Mund tropfen Entschuldigungen, fließen in dunkelstem Grün über die pinken Lippen, tropfen auf den Asphalt und verdampfen. Ihr nasser Blick brennt Löcher in meine Seele. Scharfe Worte zerschneiden mein Herz. Sie ist unter meiner Haut und vergiftet jede Faser meines verätzten Körpers. In meinen Augen bilden sich Tränen. Das Wasser steigt und fließt nicht ab. Druckabfall in meinem Hirn. Durch den Tränenschleier sehe ich verschwommen, dass ihr Mund sich immernoch bewegt. Sie hört nicht auf zu reden. Wieso hört sie denn nicht auf? Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Ich verkrampfe die Hand um das Feuerzeug in meiner Jackentasche, bemüht sie an Ort und Stelle zu lassen, und sie nicht mit voller Wucht in ihre labernde Fresse zu schleudern. Ich möchte meine Energie in ihr Leid investieren. Sie bei lebendigem Leibe brennen sehen, ihre Schreie hören. Die Vernichtung ihrer wertlosen Existenz. Meine Augen schließen sich für eine Milisekunde und Tränen rennen über meine Wange, kühlen das brennende Blut in meinem Hals und verschleiern meine vor Hass übersprudelnden Poren, aus denen Gift und Galle zu spritzen drohen. Es fällt mir schwer ihr nicht ins Gesicht zu spucken. Bevor ich mich rühren kann, wird sie von mir weggezogen. Und ich stehe da. Spüre den einsetzenden Regen und fühle mich wie in der traurigsten Szene eines Hollywood-Films, lächerliche und übertriebene Dramatik in einem Moment wie jedem anderen auch. Es fehlt die Musik. Und das hier ist kein Filmset. Das ist ein einfacher Mensch vor der hässlichen Kulisse des wahren Lebens. Eine vor Realität strotzende Sequenz, nackt und widerlich, nichts weiter als eine gewöhnliche Minute an irgendeinem Ort, zu irgendeiner Zeit, aus irgendeinem Grund. Als sie ins Auto steigt, der Motor aufheult und die Reifen quietschen, als der Auspuff mir eine giftige Wolke grauen Rauches ins Gesicht pustet und sich die verrostete Karre immer weiter von mir entfernt, spüre ich eine Erlösung. Stille. Befriedigung. Die Zeit steht still, ein Vakuum bildet sich um mich herum, welches sich dann schlagartig auflöst und mich wieder in das Hier und Jetzt befördert, mich ausspuckt wie ein altes Kaugummi, und der Lärm und das Getöse der Straßen mich wieder durchdringen, der Regen mich benetzt wie eine falsch platzierte Statue und der Moment mit voller Wucht auf meinen zitternden Körper eintritt.


Ich versuche ihm zu sagen, dass es mir Leid tut. Verkrampfe meine Stimmbänder um Töne durch meine Kehle zu pressen, die hoffentlich auf irgendeine Art und Weise seine Ohren erreichen. Ich will, dass er mich hört. Schreie ihn an, ertrage seine Blicke, die durch meine Augen in mein Inneres starren, als würde er sich erhoffen etwas darin zu finden. Eine kalte Hand greift meine Schulter und zieht mich weg von dem Ort, an dem ich etwas wie den Tod empfinde. Sie zieht mit einem solchen Druck, mit einer solchen Gewalt, dass meine Schulter wie ein kleiner Ast knackt. Noch immer versuche ich ihm meine Entschuldigung entgegenzuschmettern, ihn mit aller Gewalt darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht meine Schuld ist. Ihm Rollen Tränen die Wange hinunter, vorbei an den zuckenden Mundwinkeln, zu der pochenden Hauptschlagader an seinem angespannten Hals. Je weiter die unendliche Kraft dieses schmächtigen Beamten mich in die falsche Richtung schleift,desto lauter werde ich. Die ganze Stadt wird mich hören können. Doch es geht mir nicht um die Stadt. Es geht um ihn. Er, wie er ganz allein und verlassen neben der roten Telefonzelle steht, mir dabei zusieht, wie ich unter seinen brennend-hassenden Blicken vergehe, ohne eine einzige Bewegung, ohne eine einzige Regung. Mein kochendes Hirn drückt gegen die Innenwand meines Schädels. Als ich mich in das Auto setze droht es zu zerplatzen. Mir wird gesagt ich sei in Sicherheit. Mir wird gesagt ich solle mich beruhigen. Ich scheiße auf das, was mir gesagt wird, hämmere gegen die Fensterscheibe und versuche die Tür zu öffnen. Es geht nicht. Er muss es wissen. Er muss mir zuhören. Doch mein flehender Körper wird durch Motorkraft in Bewegung gesetzt. Die Entfernung nimmt unsagbar schmerzhafte Ausmaße an. Um mich herum wird eine meterdicke Mauer gebaut, die Luft wird fließend, kochend, brodelnd, und dann ersticke ich an den Worten, die sich wolkenartig in meinem Brustkorb aufbäumen und wie tosende Wellen an Klippen zerbrechen. Majestätische Dunkelheit verschleiert den inneren Zerfall meines Königreichs, die Kerker voller ungesagter Worte brennen.
 



 
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