Eine Mutter leidet stumm

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Eine Mutter leidet stumm!

Es hat Zeiten gegeben, wo ich mich voller Selbstmitleid und Verzweiflung gefragt habe: Warum muss ich mir von morgens bis abends den Hals wundschreien und es hört trotzdem keiner auf mich? Jedenfalls nicht in dem Irrenhaus, wo ich als Mutter tätig bin.
Es hat Zeiten gegeben, da war ich abends dankbar, dass meine Halsschlagader auch diesen Tag wieder überlebt hat, ohne zu platzen.
Es hat Zeiten gegeben, wo mein Grundnahrungsmittel aus Eukalyptusbonbons bestand und ich nicht mal mehr um Hilfe hätte schreien können, wenn die Bude abgefackelt wäre.

Dem Himmel sei Dank, diese Zeiten sind vorbei, seit ich die Idee mit den vielen, kleinen Zettelchen hatte.
Auf dem Kühlschrank klebt seither ein Schreiben folgenden Inhalts:
1) Der Kühlschrank wird nicht voller, je länger man hinein-
schaut.
2) Leere Eierkartons und leere Limoflaschen füllen sich
nicht von alleine auf, wenn sie im Kühlschrank stehen
bleiben.
3) Butter, Wurst und Käse haben keine Beine und keine
Flügel,sie müssen infolgedessen vom Benutzer wieder
zurückgestellet werden.
Über der Waschmaschine hängt ein Plakat , 2m x 2m groß, auf dem zu lesen ist:
1) Socken, in denen man die Zehen nicht mehr bewegen
kann,gehören in die Schmutzwäsche.
2) Die einzige Bodendekoration in diesem Raum sind
Badematten.Nasse Handtücher und schmutzige Unterwäsche
taugen nicht als Verschönerungsmaßnahme.
3) Falls die Hosen, die ihr auszieht von alleine stehen
bleiben,stellt sie bitte ganz vorsichtig an die
Wand. Nicht wieder anziehen!!!!!

Was soll ich sagen? Es funktioniert. Nicht immer, aber immer öfter.
Mein Ältester (22) zeigte zwar leichte Zeichen von Unmut, als er aus der Schule kam und sah, was ich in großen Druckbuchstaben mit Filzstift über seinem Bett auf die Tapete gemalt hatte:
1) Essensreste, die länger als 2 Wochen an der gleichen
Stelle stehen , warten nicht auf den Friseur, sie
müssen entsorgt werden.
2) Die Kleider unter deinem Bett, in denen Gr. 104 steht,
passen dir seit 18 Jahren nicht mehr.
3) Bevor die leeren Hamburger-Verpackungen eine feste
Verbindung mit deinem Teppich eingehen, wirf sie lieber
weg.
Das konnte ich so gerade noch wieder hinbiegen, aber das Problem an der Sache ist, ich kann nicht mehr damit aufhören, Zettel zu schreiben.
Ernste Bedenken kamen mir, als ich am Aquarium neulich folgendes Briefchen entdeckte, zweifellos in meiner Handschrift:
1) Euer Futter steht im Küchenschrank über der Spüle.
2) Bitte zweimal die Woche frisches Wasser nehmen.
Ihr seid jetzt genug dazu.
Gott sei Dank kam ich zur Besinnung, bevor die armen Fische mit dem Bauch nach oben schwammen.

Neulich abends, ich war gerade dabei ein Schreiben in Herzform am Baby-Bett zu befestigen
" Alle Kinder schlafen nachts,versuch du es doch auch mal!",
schaute mein Mann mich nachdenklich an und sagte:" Ich glaube, wir müssen einen Facharzt aufsuchen. Dieser irrwitzige Drang Zettelchen zu schreiben, nimmt langsam Formen an, die psychotisch sind."
Sprach`s und entsorgte alles, was auch nur im Entferntesten an Kulis, Bleistifte, Filzstifte, Papier, Blöcke, Hefte oder sonstige Schreibunterlagen erinnerte. Nachts trafen mich die ersten Entzugserscheinungen bereits mit voller Wucht. Meine Hände fingen an zu zittern, um meinen Mund nahm ich unkontrollierbare Zuckungen wahr und mein Herz schlug so wild und laut, dass ich Angst hatte, alle Haustiere im Umkreis von 18 km aufzuwecken.Ich nahm mir fest vor, morgen zu den "anonymen Schreiberinnen" zu gehen.Alleine kam ich von dieser Sucht nicht mahr los. Ich musste mir ein anderes Hobby suchen.
Vielleicht fange ich ab morgen mit dem Trinken an.
 

blaustrumpf

Mitglied
wie wäre es damit?

Hallo, Gerda Haeusler

Versuch' es doch mit einem Töpferkurs in der Toscana?

Das ist so out, dass man fast schon wieder hin kann. Und außerdem bist du dann weit weg von der ganzen "Baggasch".

Schöne Grüße von blaustrumpf,
die sich sehr über deinen Text amüsiert hat
 
Hi blaustrumpf!

Meinst du, ich kann in der Toscana auch heimlich saufen?
Oder von Teit zu Zeit in unbeobachteten Momenten mit dem Kopf an die Wand schlagen?
Ich bin ein Genuss-und Suchtmensch, so schnell kann ich mich jetzt nicht entwöhnen, um was Neues anzufangen.
Aber danke für deinen Vorschlag.Ich werde diese Nacht, wenn ich wieder 36mal zum Kinderbettchen renne, drüber nachdenken.

Ganz liebe Grüße

Gerda
 



 
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