Eine Pennerkarriere

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Wolf-Wolle

Mitglied
Eine Pennerkarriere
(ein Versuch)


Guter Steuermann ist er, auf eigenem Schiff,
steuert sicher und gern, hat das Leben im Griff.
Jede Klippe umschifft, keine Sandbank in Sicht,
alles schön, alles hell, strahlt im freundlichen Licht.
Seine Frau ist zufrieden, der Kinder sind zwei,
ein Häuschen im Grünen und ein Garten dabei.
Die Arbeit macht Freude, könnte besser nicht sein.
Er hat Freunde, Bekannte, ist selten allein.

Es trifft ihn ein Hammer, als erfahren er muss,
sein Betrieb macht Konkurs, und am Ersten ist Schluss.
Er hofft, seine Frau wird die Arbeit behalten,
die Firma hat’s schwer doch sie zählt zu den “Alten”.
Ärmel hoch, frischer Mut, ihm ist nicht sehr bang,
bald wird er was finden, es dauert nicht lang.

Zeit verrinnt, geht ins Land, ein Ordner, ein Zweiter,
sind Absagen drin, und er weiß nicht mehr weiter.
Seine Decke wird dünn, denn der Staat gibt nicht gern,
keine Hoffnung im Sturm, und das Land ist so fern,
denn die Bank will die Raten, da ist sie glashart,
lang schon wurde verzehrt, was sie sich aufgespart,
jetzt das Auto verkauft, seine Sammlung, es muss.
Sehr viel hilft es nicht weiter, und einmal ist Schluss.
Still und traurig der Auszug, das Haus war fast sein.
Die Wohnung dagegen, ist nur hässlich und klein.
Von Möbeln und Sachen sind viel nicht geblieben -
sie haben sich beide und wollen sich lieben.

Die Freunde von früher kennen ihn jetzt nicht mehr.
Er schaut öfter nach Post, doch der Kasten ist leer.
Die Kinder sind schon lange Zeit weggezogen,
fragten sie, wie es geht, so hat er gelogen,
hat begonnen, zu trinken, weiß aus nicht und ein,
sitzt nur vor der Glotze und ist immer allein.
Seine Frau hat noch Arbeit, treibt ihn manchmal und fleht,
er lacht bitter und schlägt sie, nun ist alles zu spät.

Rasche Scheidung, was soll’s, wär’ nicht länger gegangen,
ist zu sehr schon im Strudel des Abstiegs gefangen,
und der dreht sich jetzt schneller, seine Frau klagt ihn raus,
geht mit nichts, wie gekommen, und die Liebe ist aus.
Plötzlich ist ihm passiert, was er niemals geseh’n,
nicht einmal in den Träumen ist’s wirklich gescheh’n.
Er sitzt voll auf der Straße und weiß nicht mehr, wohin,
ist verzweifelt und fragt sich: “Hat das alles noch Sinn?”

Viele Worte, viel Stempel, Berechtigungsscheine,
doch die nützen ihm nichts, Wohnung findet er keine.
Ohne Arbeit nix Wohnung, ohne Wohnung kein’ Job,
klopft an hunderte Türen, es ist immer ein Flop,
schläft im Heim, auf dem Bahnhof und im Park auf der Bank,
muss nur selten noch weinen, doch die Seele bleibt krank.
Was sein war an Sachen, hat man ihm weggenommen,
manchmal fragt er sich stumm, wie das alles gekommen.

Seinen Kumpels geht’s gleich, liegen mit ihm im Dreck,
und wenn einer dann stirbt, ist er einfach nur weg.
Schließlich schämt er sich nicht, wenn ihn jemand erkennt,
und ihm selbst ist sein eigener Name schon fremd.
Einmal Duschen, das ist jetzt schon Monate her,
doch was macht’s, denn das stört ihn schon lange nicht mehr.
Schließlich bettelt und klaut er, trinkt billigen Wein,
hat noch klare Momente, dann möchte er schrei’n.
Kann nicht beten, doch wünschte er sehr, dass er’s brächt’.
“Warum ich, nicht die Ander’n? Bin ich wirklich so schlecht?“

Niemand hilft, hört ihm zu, zeigt den Weg aus der Not,
eines Tags im Dezember sieht der Morgen ihn tot.
Ist erfroren, verhungert, wollte nur von hier fort,
endlich Ruhe und Frieden, einen besseren Ort,
hat die Brücke verlassen, als der Strudel ihn griff,
ist gekentert, gesunken, viel zu morsch war sein Schiff.

Alle hasten vorüber, noch ist’s dunkel und kalt,
keinen Blick für die leblose Jammergestalt.
In der Zeitung steht’s knapp, viele werden’s nicht lesen.
Niemand kannte ihn - Ist nur ein “Penner” gewesen.
 

Wolf-Wolle

Mitglied
zum Gedicht

zugegeben: es ist etwas lang und auch etwas schwer zu lesen - darum: bitte zweimal lesen, ehe der Kommentar abgegeben wird.
Dieses Gedicht entstand als Ergebnis einer Diskussion mit einer Amerikanerin, die sagte, dass wir ja hier in Deutschland ein gutes, soziales Netz haben, das jeden auffängt. Ich habe versucht darzustellen, wie schnell es gehen kann, dass jemand durch das Netz rutscht und ganz, ganz unten landet - es kann jeden treffen

Wolf
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Wolf-Wolle,

aber warum setzt Du Dein Beispiel in Reime?
In seiner jetzigen Form wirkt es auf mich eher hilflos.
Vielleicht wechselst Du lieber in die Ich-Form. Erzähl etwas Neues, mit mehr Biss!

cu
lap
 

Lord-Barde

Mitglied
das ist richtig

Syre Wolf-Wolle,
ich will mich Syre Lapismont anschließen.
Durch die Reimgebung wirkt diese brisante Thematik
einfach nur banal, fast mit einem unterhaltenden Wert.
Dieses ist sicher nicht von Euch beabsichtigt.
Ansonsten; Gut getroffen, so kann die Wirklichkeit
aussehen. Leider!
Bedauernd
der Lord-Barde
 

Wolf-Wolle

Mitglied
antwort

Mag sein, dass ihr recht habt,
es ist ja auch, wie drunter steht, ein Versuch.

Überarbeiten kann ich es nicht, dass mache ich mit keinem meiner gedichte, weil da nie was gescheites bei rauskommt.
Wenn dann kommt was neues.
Ja und die Reimform ist nun halt meine Art mich auszudrücken.
ich schreibe im Stil der klassik und Romantik
der liegt mir eben.
Und wenn dieser stil unterhaltunswert hat,
dann hat es der Taucher ebenso wie die Bürgschaft und der Zauberlehrling

liebe Grüße

wolf
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
M O D E R A T I O N

Hallo Wolf-Wolle,

"Überarbeiten kann ich es nicht, dass mache ich mit keinem meiner gedichte, weil da nie was gescheites bei rauskommt."
Dann ist die Leselupe nicht der rechte Platz.
Hier geht es in erster Linie um Arbeit am Text, nicht um eine Veröffentlichung. Bitte beachte dies.

cu
lap
 
U

Urbinia

Gast
hallöchenWolf,
,ich finde dein Gedicht gut -kannn nicht sehen, warum es in Reimform " banal" wirken soll,aber jeder hat da so seine eigenen Kriterien.Du hast dich an den schwierigen Anapäst gewagt und ihn auch gut bewältigt, manchmal allerdings nicht. Schau nochmal drüber, wenn du deine Meinung änderst und bereit bist,am Gedicht zu arbeiten,dann bin ich gerne bereit,dir die Stellen zu nennen, manchmalfindet mans ie einfach nicht allein..mir gehts auch manchmal so.Ein wichtiges Thema und ein Gedichtwert!TschüssivonUrbinia
 
V

vexierbild

Gast
Sehr gut

Lieber Wolf,
dieses gedicht ist ein Glücksfall für die Leselupe. Womit befassen wir ns denn hier meistens? Mit eigenem Seelenleid, verklärt, abgehoben, vergeistigt.
Und Du hast was geschrieben, was aus dem Leben auf der Straße gegriffen ist, da, wo man nicht so gerne hinschaut.

Es hat mich gerade so ergriffen, weil ich auch so einen "Anblick" kenne. Jeden Morgen liegt ein Penner, der wirklich schon Monate nicht geduscht hat, auf einer Bank wo es zur unterirdischen Straßenbahnhaltestelle geht. Total wirr im Geiste, wenn er wach ist, sehe ich ihn ab und z durch Ludwigshafen torkeln. Zu helfen ist ihm wahrscheinlich wirklich nicht, und man will sich ja auch nicht schmutzig machen. Gerade die tage hatten wir's von ihm, und ich sagte, dass e swohl keiner merkt, wenn er mal morgens tot und nicht schlafend auf der Bank liegt.
Es ist erschreckend, wie man sein gewissen so wegschlaten kann, das man zwar nicht achtlos, aber doch fast ohne hinzuschauen an ihm vorbeigeht.

Ja, so sind wir und so ist unsere Gesellschaft. Und wir stehen erst am Anfang einer noch größeren "Pennerflut". Hartz lässt grüßen.

Ich kann dem gedicht auch bescheinigen, dass die reimform nicht schlecht ist, ja dass sie geradezu zwingen ist für dieses Gedicht. Weil sie eben die Harmlosigkeit des Lebens noch weiterspinnt, wo doch gerade die schreckliche Schicksalsänderung immer mehr Bahn greift. Dies schafft einen geradezu idealen Kontrast..und dazu haben die reieme eine gewisse Monotonie, was dazu führt, dass diese Schickslasbahn so etwas von automatisch unaufhaltsam bekommt.

Ich gebe selten 10 Punkte, aber ich gebe sie hie, weil es gut gedichtet ist und weil es eine Schande ist, wie wenig sozialkritisches hier veröffentlicht wird. Es gibt ja nicht mal ne Rubrik "Politisches Gedicht", und das nicht, weil die Betreiber keins machen wolen, sondern weil sozialkritisch nicht angesagt ist.
Wir werden sehen, wir werden alle noch auf den Hund kommen.

Viel Erfolg weiterhin
Heri
 
U

Urbinia

Gast
vexierbild, ich kann dir nur vollstens zustimmen!! Tschüssi von Urbinia
 

Montgelas

Mitglied
lieber wolf-wolle,

"In seiner jetzigen Form wirkt es auf mich eher hilflos."

schreibt lap. mir geht es ähnlich,
aber ich empfinde gerade die hilflosigkeit
macht die stärke deines textes aus...


dir eine gute zeit

montgelas
 

Wolf-Wolle

Mitglied
antwort

Hallo Heri und Urbinia,

gerne bin ich bereit am text zu arbeiten.
Gerade dieses gedicht liegt mir sehr am herzen (siehe meinen Eingangskommentar dazu).
Es ist, bzw, war auch ein versuch, weil es schon zwei drei jahre alt ist, und ich im Laufe der letzten zeit viel sicherer im Texten geworden bin.
Vielleicht wirkt auch die länge der zeilen, bzw, die große Silbenzahl je Zeile, dass man an einigen Stellen stolpert.
Das Gedicht selbst ist eine Fortsetzung von "Obdachlos".

Erfreulich sind für mich die verschiedenen Sichtweisen zu einzelnen gedichten, die ja die leselupe ausmachen und die mir und anderen weiterhelfen.

Bin gespannt auf deine Vorschläge, Urbinia.

Liebe Grüße, wolf
 



 
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