Eine Schneeflocke geht auf die Reise

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LUPESIWA

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Am blauen Himmel bewegt sich eine dicke weiße Wolke träge hin und her.In ihrem Bauch aber geht es wild zu. Tausende kleine Schneeflocken schubsen und drängeln sich zum Wolkentor und warten sehnsüchtig darauf, dass es sich öffnet. Sie sind sehr aufgeregt und freuen sich, dass sie auf die Erde hinunter schweben dürfen. Auf dem langen Weg nach unten lassen sie sich gern auf mächtigen alten Bäumen nieder. Kleine Hänge, Wiesen und Wege hüllen sie samtig weiß ein und verwandeln die Sträucher und Bäume in hell glitzernde Märchengestalten.
Endlich ist es soweit. Die Wolke zieht ihre Schutzhülle auseinander und gibt den Weg frei. Wie ein riesengroßer Schneeball fallen die Flocken heraus, wirbeln lustig kreuz und quer, tanzen auf und nieder und schweben in alle Richtungen davon.
Über der Wolke sitzt der Bruder Wind. Er bläst seine Backen auf, pustet die Schneeflocken wieder zusammen und schickt sie ein weites Stück in Richtung Osten.
Ganz hinten in der Wolke hockt noch eine Schneeflocke und träumt vor sich hin. Sie träumt immer wieder, einmal die ganze Welt zu sehen. Aber sie weiß auch, dass es Fleckchen auf der Erde gibt, wo keine Schneeflocke hinkommt.
"Eh, du Schlafmütze. Willst du auch nach unten? Dann beeile dich, ich schließe gleich meine Tür", ruft die Wolke ungeduldig.
"Klar will ich nach unten. Wo sind denn alle hin", fragt die kleine Schneeflocke erstaunt.
"Schon lange auf dem Weg, du Traumsuse", antwortet die Wolke lachend und gibt ihr einen Schubs.
Vor der verschlossenen Wolkentür dreht sich die Schneeflocke um sich selbst und trudelt los. Aus der Ferne hört sie noch leises Säuseln von den anderen Schneeflocken. Aber es ist zu spät.
Bruder Wind hat sich wieder zur Ruhe gelegt und pfeift leise vor sich hin. Es weht kein Lüftchen. Die Schneeflocke ist ein wenig traurig. Richtig Spass macht es nur mit allen zusammen. Am liebsten tummeln sich die Schneeflocken zwischen den Kindern. Beim Schlitten fahren, Schneemann bauen oder Schneeball werfen können sie sich mit austoben und sich auf die dicken Mützen, Schals oder auf die kalten Nasen der Kinder setzen.
Plötzlich wird es ganz dunkel.Ein großer Schwarm Kraniche zieht über sie hinweg. "Hallo kleine Schneeflocke. Deine Freunde sind uns gerade begegnet. Sie tanzen nach Osten. Hast du sie verpasst?", fragt einer mitleidig. "Leider können wir dich nicht mitnehmen. Wir fliegen in den warmen Süden der Sonne entgegen!"
Weg sind sie und die kleine Schneeflocke wird immer trauriger. Sanft trudelt sie tiefer und tiefer. Da schießt ein heller Strahl auf sie zu und sie bleibt daran kleben. Es wird ihr richtig warm und ihre Kristalle schmelzen dahin. Die Schneeflocke wird kleiner und kleiner. Auf einmal bekommt sie einen derben Stoß und drei große Schneeflocken ziehen sie in ihre Mitte.
"Was machst du da? Du sitzt auf einem Sonnenstrahl. Ruck zuck gibt es dich nicht mehr!", ruft eine vorwurfsvoll. Dann pusten alle drei einige Kristalle auf die kleine Schneeflocke.
Die erzählt ihre Geschichte und alle vier schweben und turdeln der Erde entgegen. Die Dämmerung senkt sich herab. Im Zwielicht entdecken sie einen großen Schneemann mit Wollmütze und lustiger Möhrennase. Sie lassen sich auf seinem breiten Rücken nieder und sind sehr zufrieden mit ihrem kurzen Schneeflockenleben.
 



 
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