Eine kleine Geschichte aus dem Leben einer kleinen Tanne

rabexa

Mitglied
Es war einmal eine kleine Tanne, die in einem riesengroßen Wald stand. Obwohl sie
schon 15 Jahre alt war, war sie noch sehr klein. Neben ihr stand eine Fichte, die
genauso alt war wie sie, aber schon viel, viel größer war. Die Fichte machte sich immer
über die kleinere Tanne lustig und schaute auf sie hochmütig herunter, weil sie dachte,
dass sie etwas besser wäre. Die Tanne war jeden Abend den Tränen nahe, weil sie
sich gegen die Sticheleien der Fichte nicht wehren konnte. So war sie oft die ganze
Nacht wach und tat kein Auge zu, während die anderen alle tief und fest schliefen.
Eines Nachts, als sie gerade mal wieder leise vor sich hinweinte, sah sie einen kleinen
Schatten zwischen den anderen Bäumen hindurchhuschen. Sie wischte sich die
Tränen aus den Augenwinkeln
und beobachtete verängstigt die Gestalt, die langsam näherkam. Dann erkannte sie
plötzlich, dass es ein kleiner Junge war, der sich offensichtlich verirrt hatte. Der Junge
blieb vor der Tanne stehen, und schaute sich um. Die Tanne wagte sich kaum zu
rühren, als sie leise zu dem Jungen ‘Hallo Kleiner’, sagte. Der Junge fuhr herum und
schaute die Tanne an. ”Wer bist du?” wollte er wissen. “Ich bin die Tanne, und wer bist
du?” “Ich bin das Fritzchen und ich habe mich verirrt!” “ Das habe ich mir schon
gedacht, aber wie kommst du so tief in den Wald, hierher ist bis jetzt noch kein Mensch
vorgedrungen!” Da sagte das Fritzchen mit tränenerstickter Stimme: ”Ich wollte wie
jeden Tag zu meinem Kastanienbaum mit den schönen Ästen zum Klettern, aber als ich
dort war, waren da schon die anderen, bösen Jungen aus dem Dorf, und als sie mich
gesehen haben, riefen sie einander zu:” Da ist ja das kleine Fritzchen, na, der soll nur
herkommen, wir werden es ihm gehörig zeigen, dass er auf unserem Baum nichts zu
suchen hat.!” Ich nahm dann meinen ganzen Mut zusammen, und rief.
” Das ist nicht euer Baum, ich habe ihn schon lange vor euch entdeckt, er gehört mir!”
Da fingen sie alle an zu lachen und riefen:” Da, schau mal, was wir jetzt mit deinem
Baum machen!” Sie nahmen ihre Taschenmesser und fingen an, die Rinde zu
entfernen. Da wurde es mir zuviel; ich ging zu ihnen und schlug einem Jungen das
Messer aus der Hand. Die anderen riefen:” Na sieh mal einer an, das Fritzchen hat ja
sogar Mut, na wir wollen mal sehen, ob das noch so bleibt. Und sie kamen langsam mit
gezückten Messern auf mich zu: da bekam ich es doch noch mit der Angst zu tun und
ich lief weg. Sie riefen mir hinterher: ”Feigling, Feigling!” und all die anderen Sprüche,
die ich eigentlich immer auf Lager hatte. Ich schlüpfte schnell in mein Geheimversteck,
ein altes Abflussrohr, das so dreckig war, dass abends meine Hosen, wenn ich auszog,
von alleine stehen konnten. Ich kroch also dort hinein und nach ca.100 Metern kam ich
am anderen Ende wieder hinaus. Von dort lief ich dann so schnell ich konnte zum
Waldrand und weit in den Wald hinein, weil ich dachte, dass sie mich noch immer
verfolgen. Ja, und jetzt bin ich hier und weiß nicht mehr, wie ich zurückkommen soll.
Er fing wieder an zu weinen und und warf sich in die ausgebreiteten Äste der Tanne.
Sie umarmte ihn behutsam, dass sie ihn nicht stach, und sprach beruhigend auf ihn ein.
Dann dachte sie kurz nach, wie sie dem Jungen helfen konnte, und es kam ihr eine
Idee. Sie sagte zum Fritzchen:” Erschrecke nicht, wenn es jetzt etwas laut wird, ich
muss die andern Bäume wecken, dass sie dir den Weg nach Hause zeigen können.”
Sie stieß einen lauten Schrei aus, sodass alle aufwachten. Bevor alle zu murren
anfangen konnten, erklärte sie ihnen mit lauter Stimme: ”Freunde, dieser kleine Junge
hier braucht Hilfe. Er findet nicht mehr zurück. Könnt ihr ihm alle miteinander den Weg
zeigen?” Zustimmendes Gemurmel ertönte. Die Tanne sagte zum Fritzchen: ”Schnell,
lauf nach Hause, die anderen Bäume werden dir helfen. Und so ging der Junge von
Baum zu Baum und ließ sich von jedem Baum den Weg zum nächsten zeigen, der
wiederum den Weg zum nächsten wusste, der den Weg zum Dorf kannte. Als der
Junge aus der Sicht war, schaute die Tanne nachdenklich zur Fichte hinauf. Sie hatte
gar nichts mitbekommen, weil sie so groß war, dass die Stimmen der Bäume nicht sehr
laut zu ihr hinaufdrangen. Da bekam die Tanne Mitleid und dachte, dass die Fichte nie
ein so schönes Erlebnis haben würde, jemandem helfen zu können; das Einzige was
sie machen konnte, war über andere zu lästern, aber jetzt glaubte die Tanne, dass die
Fichte einzig und allein neidisch auf die kleineren Bäume war, und deswegen so böse
war. Und sie beschloß, absofort der Fichte alle bösen Worte zu verzeihen. So lebte die
kleine Tanne noch lange in dem riesengroßen Wald, und ab und zu dachte sie noch an
das kleine Fritzchen, und was aus ihm wohl geworden sein mag.
 

Traumjaeger

Mitglied
Ich werde Deine Geschichte meinen Jungs, 7 u. 5 Jahre, heute abend als Gutenachtgeschichte erzählen. Ich vermute, sie werden es mögen. Nur das "mit dem Messer auf andere Kinder Losgehen" werde ich weglassen.
 

rabexa

Mitglied
Hey Traumjaeger,du hast natürlich vollkommen Recht, das mit dem Messer muss ich wirklich ändern. Danke. Und auch danke, dass dir (bzw. deinen Kindern) die Geschichte gefällt. Es war das erste Mal, dass ich was von mir anderen Leuten zu lesen gegeben habe....
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

rebexa, schreib unbedingt weiter. wenn dabei so schöne sachen rauskommen, die meine sammlung bereichern! ganz lieb grüßt
 

rabexa

Mitglied
Danke!

Hallo flammarion,
ich kann nur sagen: Danke, danke, danke. Du weißt gar nicht, wie mich das freut, dass es dir gefällt!!!Ganz liebe Grüße zurück!
 



 
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