Eine kleine Gruselgeschichte

5,00 Stern(e) 1 Stimme

Aditu

Mitglied
Alptraum

Ich betrat die Wohnung. Mein zuhause. Ich blickte nach links.In der Küche bereitete meine Mutter das Abendessen vor. Rechts lag das Wohnzimmer. Es war dunkel. Ich konnte die Uhr ticken hören. Meine Mutter fragte ob ich großen Hunger hätte, was ich verneinte. Ich ging den Flur entlang. Vor mir lag mein Zimmer. Ich ging hinein ohne das licht anzumachen und legte meinen Rucksack auf den Boden. Danach schloss ich die Tür wieder und blieb eine weile gedankenverloren im dunklen Flur stehen. Ich lauschte den Geräuschen die aus der Küche zu mir drangen. Meine Mutter schien gerade zwiebeln zu schneiden. Ich fühlte mich eigenartig. In meinen Kopf schwirrten Gedanken, die ich nicht ganz fassen konnte. Immer wenn ich glaubte sie zu verstehen, entglitten sie mir wieder. Mir war als wäre ich nicht ganz da, als würde ich alles, was geschah von außen beobachten. Ich konnte kaum atmen und fühlte mich schwindlig. Also beschloss ich wieder in mein Zimmer zu gehen. Ich legte mich auf mein Bett und starrte an die decke. Ich lies meine Gedanken kreisen und lauschte ihnen in der Hoffnung zu verstehen warum ich mich so eigenartig fühlte, warum ich dauernd an tot und sterben, an Visionen und Prophezeiungen denken musste. Eine weile später rief mich meine Mutter zum essen. Ich verdrängte meine trüben Gedanken vorerst.

Als ich in der Nacht in meinem Bett lag und einzuschlafen versuchte hörte ich es zum ersten mal. Ein schaben , kratzen und schlurfen aus dem Zimmer neben dem meinem. Dem Bad. Ich setze mich auf um besser hören zu können. Es klang als würde etwas großes und schweres mühsam versuchen zu laufen. Als müsste es es erst wieder lernen. Nach einer weile wurden die schlurfenden schritte sicherer. Etwas lief von links nach rechts durchs Badezimmer. Ich wagte nicht mich zu bewegen, geschweige denn zu atmen. Ich hatte furchtbare angst. Als ich glaubte es nicht mehr aushalten zu können verstummten die schritte plötzlich. Ich stieg leise aus dem Bett und schlich zur Wand. Dort legte ich meinen Kopf an die wand, doch ich konnte nichts hören. Nichts außer meinem Herzschlag, der mir dumpf und laut in die Ohren drang, als würde ich in einem Baum sitzen und ein überdimensionaler Specht klopfte ein Loch in denselben.
Ich legte mich wieder hin und zog die decke über den Kopf. So lag ich für den Rest der Nacht ohne zu schlafen oder mich auch nur zu bewegen.

Als es einige stunden nach Sonnenaufgang war, hörte ich wie meine Mutter aufstand und ins Bad und anschließend zur Küche ging. Da beschloss ich aufzustehen. Ich suchte mir etwas zum essen und zog mich an. Auf die Toilette ging ich nicht. Später in der schule dachte ich über mein nächtliches Erlebnis nach. Je länger ich mir darüber den Kopf zerbrach umso abstruser kam es mir vor und schließlich sagte ich mir dass es ein Traum war.
Als ich nach hause kam, war meine Mutter nicht da. Ich ging ins Wohnzimmer um etwas fernzusehen. Gerade hatte ich mich in den Sessel gesetzt, als ich dieselben Geräusche wie ich sie in der Nacht gehört hatte wieder wahrnahm. Auch diesesmal kamen sie aus dem Badezimmer. Ich saß da wie erstarrt. Ich konnte mich nicht rühren. Meine Augen waren weit aufgerissen und meine Finger krallten sich in die Sessellehnen links und rechts von mir. Nach einer Ewigkeit wurden die laute leiser und verklangen dann ganz, aber ich konnte mich noch immer nicht rühren. Meine Mutter fand mich so, als sie ein paar stunden später nach hause kam. Sie fragte was los sei, doch ich brachte keinen Ton heraus. Sie ging in die Küche um abzuspülen. Ich stand im Flur und blickte auf die Badezimmertür. Was mochte wohl dahinter sein? Ich wusste, was auch immer es war, es war etwas böses, schreckliches. Ich ballte die Hände zu Fäusten. Was sollte ich tun? Hineingehen? Noch so eine Nacht würde ich wahrscheinlich nicht überstehen, dachte ich mir. Also legte ich eine Hand auf die Türklinke, wobei mir das Herz bis zum halse klopfte und das Blut in den Ohren rauschte. Ich hörte nichts anderes mehr. Langsam drückte ich die klinke nach unten und ließ die Tür einen Spalt offen stehen. Ich versuchte etwas dahinter zu erkennen, aber es war zu dunkel. Ich musste um die Ecke fassen und nach dem Lichtschalter tasten. Aber das brachte ich nicht über mich. Mit dem Fuß stieß ich die Tür weiter auf, so dass nun das licht vom Flur einen Teil des Zimmers erhellte. Ich bemerkte, dass aus der Badewanne ein gelblich flackernder Schein aufstieg. Wie von einer Kerze. Ich betrat den Raum und betätigte den Lichtschalter. Langsam ging ich auf die Wanne zu. Und dort mochte ich meinen Augen nicht trauen. Die Wanne war voll Wasser und auf dem Grund standen drei umgedrehte Totenschädel.In jedem von ihnen stand eine rote Kerze und (!) brannte. Wie war das möglich? Ich drehte mich um, um nach meiner Mutter zu rufen, aber die Worte blieben mir im halse stecken. In der Tür stand ein Skelett. Es grinste mich mit gelben zähnen an und in seinen leeren Augenhöhlen flackerte ein böses Feuer. Von seinen schmutzigen Knochen hingen fetzen von etwas herab, das wahrscheinlich einmal Kleidung gewesen war. In der Hand hielt es eine rote Kerze. Ich rieb mir die Augen. Ich hoffte so sehr, dass ich träumte. Aber als ich wieder nach oben blickte, stand dieses Scheusal noch immer da. Ich schaute zur Badewanne neben mir. Die Kerzen in den Schädeln waren verschwunden. Stattdessen sah ich, dass in der Mitte nun kleine runde Bilder klebten. Ich wollte mich gerade näher hinabbeugen um zu erkenne, was darauf abgebildet war, als ich aus den Augenwinkeln eine flüchtige Bewegung wahrnahm. Ich drehte mich blitzschnell um und sah dass sich das Skelett auf mich zubewegte. Es grinste teuflisch und hielt seine leere rechte Hand ausgestreckt um mich zu packen. Ich zögerte nicht lange und griff mir das erst beste was mir unter die Finger kam. Ein Föhn. Ich warf ihnauf das Skelett. Und der Wurf war perfekt
Er traf den Kopf des Gerippes und schlug ihn herunter. Das ganze Wesen brach in sich zusammen, bis nur noch ein Knochenhaufen übrig blieb. Die Kerze erlosch mit ihrem Besitzer. Ich starrte noch eine weile auf das, was von dem Skelett übrig war, doch dann besann ich mich und rannte in die Küche. Dort erwartete mich ein noch makaberes Schauspiel.
Meine Mutter führte einen komischen Tanz auf. Sie sah mich mit schreckgeweiteten Augen an. Ihr Gesicht war eine Maske des Grauens. Ihre Arme bewegten sich ruckartig. Es sah so aus, als wollte sie sich an einer Stelle des Rückens kratzen, an die man nicht rankommt, es doch aber immer wieder verzweifelt versucht.
Dann sah ich es. Ich sah, warum ihr Gesicht in schrecken erstarrt war. An den Schultern meiner Mutter klammerte sich ein modrig gelbes Skelett fest. Seine Füße waren um ihre Taille geschlungen. Ein böser Totenschädel grinste mich an. Mir stockte der Atem. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Mittlerweile hatte meine Mutter den ersten Schrecken überwunden. Nun fing sie an zu schreien. Fürchterlich zu schreien. Ich hielt mir die Ohren zu. Dann stürmte ich in die Küche und packte diesen vermoderten Knochenhaufen, der auf dem Rücken meiner Mutter ritt. Ich schlug immer wieder auf ihn ein. Schließlich lockerte sich der Griff dieses Scheusals. Dann fiel es auf den Boden. Inzwischen waren noch mehr Skelette in die Küche gekommen. Ich hielt das nicht mehr aus. Ich kniff die Augen zusammen und stürmte aus dem Zimmer, zur Wohnungstür. Mir war alles egal. Meine Mutter schrie noch immer. Aber langsam wurde sie deutlich leiser. Ich mochte nicht daran denken, woran das wohl lag.
Ich rannte die 64 Stufen in Windeseile herunter. Dann war ich endlich draußen.
Doch wo waren die vertrauten Bäume, Häuser, Wiesen, Straßen? Das Bild, das ich seit Jahren kannte, war nun durch ein neues ersetzt worden. Da waren keine Gebäude mehr, auch keine Menschen. Nur noch tote, hässliche, kahle Bäume waren zu sehen. Nebel wabberte am Boden entlang. Und alles war schrecklich still. Kein Laut war zu hören. Nur mein eigener keuchender Atem. Als ich mich umdrehte war auch das Haus, in dem ich seit 15 Jahren lebte verschwunden.
Ein unbestimmtes bedrohliches Gefühl ergriff Besitz von mir. Scheu blickte ich um mich. Dann lief ich los. Doch die Panik in mir wurde immer größer, je schneller ich rannte.
Plötzlich sah ich einen großen Ast vor mir auf dem Boden. Ich wusste, ich durfte nicht auf ihn treten, weil das Brechen des morschen Holzes, ’Dinge’ welcher Art auch immer, anlocken würde. Aber der Ast zog mich magisch an. Schließlich traf ihn mein rechter Fuß genau in der Mitte. Er schlug ihn entzwei. Das Krachen drang unglaublich laut durch die Stille. Doch jetzt war es nicht mehr still. Ich konnte ’Laute’ hören. Keuschen, stöhnen, Hecheln. Von überall, aus allen Richtungen um mich rum.
Ich drehte mich, wie verrückt im Kreis um etwas zu sehen. Aber da war nichts. Nur diese schrecklichen Laute. Sie waren viel zu nah. Ich >musste< doch etwas erblicken können! Aber nur der tote, kahle Wald, in dem sich nichts regte, war da. Die Geräusche waren inzwischen ohrenbetäubend. Ich kauerte mich auf den Boden. Ich war halb verrückt vor Angst.
Dann zwang mich etwas meinen Blick zu heben. Ich versuchte zu widerstehen, aber es gelang mir nicht. Meine Augen wurden unweigerlich zu ’etwas’ hingezogen. Ich wusste, dass ich nicht mehr allein war im Wald. Etwas stand vor mir und wollte, dass ich es ansah. Von einer fremden Macht gesteuert, glitten meine Augen langsam nach oben. Ich sah einen schwarzen Fuß mit furchtbar langen Krallen und dann........
Das ist das letzte woran ich mich erinnere, denn dann wurde alles schwarz um mich rum.

........
 

Josef

Mitglied
Der Titel der Geschichte paßt wirklich gut. Ein Alptraum, wie man ihn durchaus haben kann. Gut ist, wie das Grauen zunehmend Besitz ergreift und sich steigert.
Eine Geschichte, nicht unbedingt vor dem Zubettgehen zu lesen.
Nebenbei: die arme Mutter.
Viele Grüße von Josef
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

ein ganz furchtbarer albtraum. gut, daß du wieder aufgewacht bist und uns das so packend erzählen konntest. ganz lieb grüßt
 
Kerze

Tolle Geschichte, sehr spannend, man spürt die Angst förmlich.

Nur : Erst verschwinden die Kerzen, dann erlischt sie mit dem Besitzer?
 



 
Oben Unten