Eine kurzweilig sterile Liebe

AndiDLX

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Sie sah starr in meinen Blick und ihre bleichen Wangen flimmerten im grellen Scheinwerferlich. Wie ein schwankender Baum stand ich auf dem überputzten Boden und in Zeitlupe umschlängelten mich die hastigen Menschenrudel, die sich in die verwinkelten Ecken des großen Raumes versträumten. Kahlheit umgab ihre tiefen Augen, die helle Haut funkelnde rotlichtig und warf einen leichten Schatten in die Ferne. Niemand sah sie an, niemand blieb stehen, niemand nahm sie wahr. Nur ein Slip und ein BH aus weißem Nylon verdeckte sie, ihre Nacktheit. Keine Schahm entsah man ihr, nur der dumpfe Blick in eine uninterssierte Fremde. Woher kam sie? Sie hatte weder Gepäck, noch Kleidung. Ihr rotblasser Mund spreizte sich lächelnd für die Öffentlichkeit und ihre Hand Griff öffnend nach Halt. Irgendeine magische Kraft zog mich an sie. Vielleicht war es ihre unterschwellige Scheue, die ich erst nach langem Hinblicken vernahm, die Weicheit ihrer Geste, die Suche nach jemanden, der sie aus ihrer Zurschaustellung befreien könnte, der ihr ein Lichtblick gäbe, sie liebte. Ihre Augen trafen mich unentwegt, ließen mich nicht los, wie ihre Hand, die nach mir zu greifen versuchte, wie ein Kind, das feucht das Mutterleib verließ. Normalerweise verdrehten sich nach einem Blickkontakt die Augen der Menschen, krümmten sich, brachen und flohen. Ich sah weiter in ihren Kern und sie ebenso. Der Wind des Momentes bliess über uns hinweg, pfiff die aufkeimende Glut in meinem Herzen an, schenkte eine dünne Träne des Leidens.
Warum stellte sie sich hier zur Schau? Sie wollte mir bestimmt nur Gefallen, nur ein Spiel, dass sie hier vollzog. Für die Menschen schien es normal zu sein, dass man sich auszog und sich bloßstellte. Sie liefen in ihre Richtungen, keiner blickte sich an, alle nach ihrer Routine, ihrer Gewohnheit, so als ob sie ihre Zähne putzten, ihre Schuhe bindeten oder sich mit ihrem Klopapier das Hinterteil abwischten. Alte und junge Menschen liefen an mir vorbei, keiner grüßte mich, keiner grüßte irgend jemanden, niemand blieb stehen und doch liefen sie alle im Kreis. Nur dieser bis auf die Haut entkleidete Mensch sah mich. Was wollte sie von mir? Warum konnte sie nicht einfach wegschauen, sich jemanden anderen für ihr Spiel aussuchen? Ihre lackierten Füße rührten sich nicht, sie blieb immer nur stehen und sah mir zu, wie ich fröstelte. Meine Augen umkreisten mich, wie Planeten am Himmel, meine Füße bewegten sich aufeinander, nur um keinen Schritt zu wagen, der vielleicht in die Tiefe führte. Wie hieß sie? Sie hatte sicherlich einen weichen Namen, so weich wie ihr Mund, der sich öffnen wollte, der mir ihren Namen zuflüstern wollte.
Die Uhren liefen weiter, die Menschen liefen weiter, nur wir beide blieben stehen und sahen in der Zeitlupe der Ewigkeit die Erlösung. Wahrscheinlich sah nur ich sie, nur ein Bild in meiner eigenen Illusion, das mir einen kleinen Tropf der Hoffnung zugab und mich zu nähren versuchte. „Fremde, sag mir wer du bist“, „Fremde, sag mir wie du heist“, doch sie blieb mir fremd und in der Nähe so fern. Der Strudel der Zeit packte mich wieder, entwurzelte mich dieser Liebe und ließ mich abwenden. Sie konnte nicht echt sein, nur ein Luftschloss, eine unwirtliche Wüste. Ich werde morgen wieder aufwachen und mich nach meiner Schaufensterpuppe sehnen.
 



 
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