Eine kuwaitische Affäre

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habibi

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Eine kuwaitische Affäre

Eigentlich wollte Helmut Kofler etwas ganz anderes in seinem Leben machen. Aber zufällig hatte er in der Zeitung über die Möglichkeit gelesen, in den diplomatischen Dienst aufgenommen zu werden. Zum Spaß hatte er sich beworben, da das Studium der Betriebswirtschaft, das er machen wollte, erst in drei Monaten beginnen sollte. Er war dann unter den zehn Personen, die aus den mehr als vierhundert Bewerbern ausgewählt worden waren. Es war völlig absurd, einer, der diese Ausbildung gar nicht wollte, der wurde genommen. Und solche, die alles gegeben hätten dabei zu sein, die blieben draußen.
Nach Abschluss des vierjährigen Studiums war er als Novize nach Kuwait in die Handelmission geschickt worden. Er war dort nicht viel mehr als ein Volontair, aber immerhin Mitglied der diplomatischen Gemeinschaft. Damit war er auch eingeladen zu den gesellschaftlichen Anlässen, den Parties und Stehempfängen.
Bei einer dieser Veranstaltungen fiel ihm eine ausgesprochen hübsche und weltgewandte junge Dame auf und es gelang ihm auch, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Kurz, die lange Phase des höfischen Zeremoniells endete nach einigen Wochen damit, dass die Beiden ein Paar wurden, er zog bei Amal, so war ihr Name, ein. So weit eine fast alltägliche Geschichte. Nicht so in Kuwait!
Denn, zum Ersten war Amal Jemenitin. Zwar in London aufgewachsen und durchaus den westlichen Lebensgewohnheiten vertraut, aber Moslem.
Zum Zweiten war sie die Nachrichtensprecherin des Kuwaitischen Fernsehens und damit nahezu jedem Kuwaiti bekannt. Kofler wurde wie ein Außerirdischer bestaunt wenn er mit Amal in den Einkaufsmals promenierte oder bei den Parties mit ihr auftauchte. Er war sich der Bewunderung der Gesellschaft sicher. Alles war wunderbar bis – es war etwa sechs Wochen nachdem er in Amals Wohnung gezogen war und damit die Beiden demonstriert hatten, dass sie ein Paar waren, als gegen 22 Uhr ein heftiges Klingeln und Schläge gegen die Türe sie aufschreckte. POLIZEI!
Die Uniformierten zeigten einen Durchsuchungsbefehl und stürmten in die Wohnung. Eigentlich wussten die vier Leute nicht, was sie machen sollten, stöberten in den Zeitungen, die auf dem Tisch lagen, schauten in den Kühlschrank. Amal und Kofler versuchten aufgeregt herauszufinden, was der Grund dieser Aktion war. Die Entspannung kam, als einer des Kommandos mit einer Zimmerpflanze in der Hand zum Leiter der Aktion kam und sie ihm präsentierte. „Das ist Haschisch!“. Es war einfach lächerlich, eine stinknormale Zimmerpflanze wurde zu Kanabis. Die Situation dagegen war keinesfalls lächerlich. Die Beiden wurden abgeführt und in die Polizeiwache gebracht. Anklage: Drogenbesitz.
Wegen seines Diplomatenstatus wurde Kofler nach einem Telefongespräch mit seiner Botschaft mit der Auflage entlassen, sich aus der Affäre zukünftig heraus zu halten. Amal dagegen blieb in Haft.
Die endlosen Bemühungen der folgenden Wochen waren gegen die ganz offensichtlich haltlosen Anschuldigungen völlig sinnlos. Nach etwa vier Tagen bedeutete der zuständige Polizeioffizier Kofler, er müsse einen Anwalt beauftrage der von der Behörde bereits festgelegt war. Der verlangte für seine Bemühungen den Betrag, der das Ersparte Amals und den Wert ihrer Möbel betrug. Ganz offensichtlich gab es kein Bankgeheimnis, der Anwalt wusste auf den Cent genau den Kontostand. Bezüglich der Anklage, die vorläufig auf geringen Drogenbesitz beschränkt war, unterrichtete der Anwalt ohne Vorbehalt, dass diese bei Bedarf auf Kokain und Heroin ausgedehnt werden könne. Das „Beweismaterial“ wäre „verfügbar“, es hänge nur von der Kooperationsbereitschaft Amals ab.
Er erzählte Kofler auch ohne Umstände die Hintergründe der Angelegenheit und hatte keinerlei Angst, dass diese Umstände bekannt würden. Ganz im Gegenteil, er erwartete dies. Ein angesehener verheirateter Kuwaiti, einer der Unzähligen in der Prinzengarde, hatte Amal ein Angebot gemacht, das diese abgelehnt hatte. Bis dahin konnte es noch akzeptiert werden, genügend andere hatten Gleiches versucht. Als sie aber dann die Liaison mit Kofler, einem Ungläubigen, einem Ausländer, begann, hatte der Kuwaiti vor der Gesellschaft eine derartige Schlappe erlitten, dass er dies nicht hinnehmen konnte und beweisen musste, dass er stark genug war, dies zu rächen.
Eine Unterstützung bei seinen Kollegen in der Diplomatie fand Kofler weder in seiner eigen Botschaft, noch bei den Partybekannten. Es war spürbar, dass man ihm diese Niederlage gönnte, Amal war ihnen egal. Was musste ein kleiner Angestellter einen solchen Höhenflug unternehmen? Er war nicht in der richtigen Spielklasse!
Nach drei Monaten kam Amal frei, unter der Bedingung, sofort das Land zu verlassen und nach New York zu angeblichen Verwandten zu ziehen. Man hatte sie einer Gehirnwäsche unterzogen, sie hatte keinen Besuch empfangen dürfen, alle Informationen kamen gefiltert über Dritte nach draußen. Die Androhungen einer zwanzigjährigen Haft, öffentlicher Prügelstrafe, Überlassung der Willkür der Wärter und was sonst noch der kranken Kreativität der anklagenden Experten zur Einschüchterung einfiel, hatten die gewünschte Wirkung. Amal war zu einer strengen Moslima geworden, hatte eingesehen, dass ihr Treiben gegen die Religion verstoßen hatte und bereute zutiefst.
Nach ihrer Abreise versuchte Kofler sofort, ihren neuen Aufenthaltsort heraus zu finden und reiste ihr nach, um sie in New York zu sehen. Er erlebte einen weiteren Schock. Das Treffen war nur in Begleitung eines männlichen Verwandten möglich, wobei er sicher war, dass dies kein Verwandter sonder ein Aufpasser war. Sie war tief verschleiert und bat ihn, sie in Ruhe zu lassen. Sie wäre zu den Wurzeln des Islam zurück gekehrt.
Kofler blieb noch zwei Jahre auf seinem Posten in Kuwait, war weitgehend unbachtet. Seine Geschichte war nicht Thema auf den Empfängen. Es war eher peinlich, wenn jemand die Geschichte berührte. Kommentar des Botschafters: „Es hätte möglicherweise zu politischen Verwicklungen führen können! Es war sehr unsensibel von Herrn Kofler!“
 
R

Rote Socke

Gast
Eine sehr gute Geschichte. Ich habe selbst im Ausland dem diplomatischen Korps des öfteren beiwohnen können. Deine Story enthält die gleichen Elemente wie sie mir auch begegnet sind.
Da ist auch Spannung in der Geschichte vorhanden. Nur fände ich, diese Spannung könnte noch besser ausgearbeitet werden, oder?
Aber gelesen habe ich den Text gerne!

Gruss
Socke
 



 
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