Eine runde Sache

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majissa

Mitglied
Eine runde Sache

Johanna fischte den Zettel aus ihrer Handtasche und reichte ihn hinüber zu Mark. HUREN HABEN KEINE ZWEITE CHANCE stand auf dem Papier. Mark verzog das Gesicht.
„Wo hast du ihn gefunden?“
„Unter dem Türschlitz. Wie beim letzten Mal.“ Johanna klang nervös. Sie drückte sich tiefer in den Autositz.
„Typisch Christian“, sagte Mark nach einer Weile. „Er hätte gleich mit seinem Namen unterschreiben können.“
„Du bist dir also sicher?“
„Hundertprozentig. Er stand schon früher auf solche Spielchen. Aber wie sollst du das wissen? Ich kenne ihn viel länger als du.“ Er warf einen raschen Seitenblick auf seine Frau. „Wenn auch auf andere Weise.“ Johanna zuckte zusammen. Gleich würde sie erröten, in ihr langes schwarzes Haar greifen und es im Nacken zu einem Knoten drehen, wie sie es immer machte, wenn sie verlegen war.

Unter normalen Umständen fand er das hinreißend. Wie vor fünf Jahren, als er ihr auf dem Turm im Wald beiläufig vorgeschlagen hatte, die nächsten vierzig Jahre zusammen zu frühstücken und sie minutenlang zu perplex für ein „Ja“ gewesen war. Sie hatte geschwiegen, mit ihrem Haar gespielt und alles betrachtet:
Den festlich gedeckten Tisch auf der Aussichtsplattform, die drachenförmigen Lampions rund um das Geländer und ihn, Mark, dem die perfekte Überraschung gelungen war. Erst nachdem sie sich mit Champagner und Fruchtcarpaccio unter das safranfarbene Schirmdach zurückgezogen hatten, war sie mit der Forderung nach Vier-Minuten-Eiern herausgerückt.

Aber das hier war kein normaler Umstand. Von nun an würde er jeden verlegenen Haarknoten mit Christian verbinden, seinem alten Schulfreund, dem unsichtbaren Dritten am ehelichen Frühstückstisch.
„Du glaubst mir doch, dass es endgültig vorbei ist“, durchbrach Johanna die angespannte Stille.
„Dir schon, ihm nicht“, befand Mark und lenkte den Wagen auf einen von Bäumen umsäumten Parkplatz. Er blickte auf die Uhr. Bis zum Turm war es noch eine gute Stunde zu Fuß. Zeit genug, Johanna auf das vorzubereiten, was zwischen den Zeilen der anonymen Schmierereien stand.
Unwillkürlich erinnerte er sich an das Mädchen im See. An die zusammengeschnürten Füße, das hektische Paddeln und den entsetzten Gesichtsausdruck, als es die Steinschleuder sah. Mark fröstelte. Er ging um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür.

Draußen nahm Johanna seine Hand.
„Es ist gut, dass wir endlich darüber reden“, sagte sie.
„Ich will dir alles erklären.“
Mark lächelte und zog sie auf den schmalen Waldweg.
„Was gibt es da noch zu erklären? Du hast dich für mich entschieden, richtig?“ Sie nickte. „Na also!“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Alles andere zählt nicht. Aber wenn du unseren Neuanfang partout mit unerfreulichen Details bereichern willst - bitte!“ Er ging schneller.

Es war frisch. Die Luft roch erdig. Schnecken krochen über den feuchten Boden, der bereits mit goldrotem Herbstlaub bedeckt war. Das Sonnenlicht fiel spärlich auf die Erde. Irgendwo im Wald knackte ein Ast. Johanna schrak zusammen. „Ich verstehe nicht ganz“, nahm sie den Faden wieder auf. „Du selbst hast dir ein klärendes Gespräch gewünscht. Deshalb sind wir doch hierher gekommen, oder?“
Mark blieb stehen, ergriff ihre Hände und zog sie näher zu sich heran. „Was ich dir zu sagen habe, betrifft nicht euer Verhältnis oder die Frage, wie ich damit zurechtkomme.“
Johanna wich seinem Blick aus.
„Es geht um Christian und diese Zettel. Es geht darum, wie er als kleiner Junge war und was …“ Mark hob sanft ihr Kinn an „… was von diesem Jungen noch in ihm ist!“
„Wie meinst du das?“ Sie gingen weiter. Der Pfad stieg langsam an. „Er war gefährlich“, drehte er sich von ihr weg und dem See zu. Ein paar Enten schwammen neugierig in Ufernähe und zogen dort ungeduldige Kreise.
Sie betrachtete ihn von der Seite. Da war nichts Markantes. Sein faltenloses Gesicht war weich, nahezu konturlos; er sah aus wie ein Kind, dem man Brille und Bart aufs Gesicht geklebt und vorzeitig mit einem freundlichen Klaps in die große weite Welt entlassen hatte. Ein hübsches Kind, zweifelsohne; mit fein geschwungenem Mund und grünen Augen, die immer ein wenig erstaunt blickten. Obwohl sie sechs Jahre jünger war, fühlte sie sich neben ihm alt und über ihm wie eine Kinderschänderin. Es war ihr zunehmend schwerer gefallen, seine Berührungen zu genießen. Irgendwann hatte sie angefangen, ihm auszuweichen. Dann war Christian in ihr Leben getreten und mit ihm eine Art von Sex, der sich frei und aufregend anfühlte.

„Hast du mich verstanden?“, fragte Mark und sah zu, wie sie sich eine Fluse vom Rollkragenpullover zupfte. Laub raschelte unter seinen Schuhen. Er wandte den Blick ab.
„Du machst mir Angst“, brach es aus ihr heraus. „Glaubst du, dass er uns verfolgt? Diese Zettel …“ passen nicht zu ihm, hätte sie am liebsten komplettiert, schwieg aber, weil die Situation zu grotesk war. Wie konnte sie ihre Ängste loswerden, ohne sich gleichzeitig zu schämen? Es war da kein Platz für Worte wie „passen“ oder „nicht passen“, Behauptungen, die Mark nur an die über jedes gewöhnliche
Maß hinausgehende Vertrautheit zwischen ihr und Christian erinnert hätten.
„Er schrieb sie schon in der Schule“, erklärte Mark. „Anfangs waren es harmlose Beleidigungen, die kaum jemand ernst nahm. Wir hatten Spaß daran und ergötzten uns an den empörten Gesichtern. Manchmal dachte ich mir selbst einen Text aus, den Christian gleich niederschrieb und
abschickte. Irgendwann aber änderten sich die Inhalte. Sie wurden obszön, hasserfüllt und galten ein und derselben Person.“
„Wem?“, fragte Johanna.
„Einem Mädchen. Sie hieß Charlotte und ging in die gleiche Klasse.“
„Was hatte sie verbrochen?“
„Ihn abgelehnt!“
Johanna schauderte. „Wie ging es weiter?“
„Er lauerte ihr an einem See auf. Sie war gern allein dort, um in Ruhe zu lesen. Der Angriff kam so plötzlich, dass sie kaum reagieren konnte. Er überwältigte sie und verschnürte ihre Füße. Dann warf er sie ins Wasser. Nein … " Marks Stimme klang brüchig: „ … genau genommen trat er ihr kräftig in den Rücken.“
„Was?!“ Johanna blieb stehen. „Und du hast mitgemacht? Das kann ich nicht glauben.“
„Du verstehst nicht! Wir sind zusammen aufgewachsen. Was sollte ich schon machen? Er war mein einziger Freund. Bis zu jenem Tag. Ich ahnte nicht, was er mit Charlotte vorhatte. Bis er sie in den See warf, die Steinschleuder hervorholte damit begann, die Sache rund zu machen, wie er sich auszudrücken pflegte, wenn er stinksauer war. Da erst begriff ich, wie krank er sein musste.“
„Er traktierte sie mit einer Steinschleuder, während sie sich mühsam über Wasser hielt? Und das alles, weil sie ihn ablehnte?“ Johannas Stimme überschlug sich.
„Wer ihn abwies, hatte ausgespielt. Vielleicht blieb ich deshalb so lange mit ihm befreundet. Die Vorstellung, ihn zum Feind zu haben, beunruhigte mich weit mehr als seine Schrullen.“
„Kein Wunder.“
„Charlotte hielt sich lange über Wasser. Aber er war ein guter Schütze. Sie blutete im ganzen Gesicht. Irgendwie schaffte sie es bis zur Mitte. Da traf sie ein Stein an der Schläfe.“
„Und?“
„Er triumphierte, als er sie sinken sah, riss beide Fäuste in die Luft und rannte johlend am Ufer auf und ab. Ich stieß ihn beiseite und sprang ins Wasser, überhörte seine Flüche und schwamm bis zur Seemitte. Bis heute weiß ich nicht, wie ich es geschafft habe, Charlotte zu finden und an die Oberfläche zu bringen. Geschweige denn, den Steinen auszuweichen, die Christian pausenlos auf uns abschoss.“
Johanna zog Mark an sich. „Hat sie überlebt?“
„Ja. Als die Geschichte publik wurde, verwies man ihn der Schule. Seine Familie zog in eine andere Stadt, und ich habe nie wieder von ihm gehört. Bis vor zwei Wochen, als du mir alles gestanden und seinen Namen offenbart hast. Das soll kein Vorwurf sein, Johanna. Mir ist nur wichtig, dass du weißt, mit wem du es zu tun hast. Wir müssen auf der Hut sein.“
„Was sollen wir tun?“
„Was wir schon längst hätten machen müssen: die Polizei einschalten.“
„Ach, es tut mir so Leid“, flüsterte Johanna.
„Ich weiß!“ Mark zog sie am Ärmel. „Komm jetzt, es wird schon dunkel. Ich habe etwas vorbereitet. Das wird uns eine Weile von dem Spinner ablenken.“

Sie folgten dem gewundenen Pfad bis zu einer von Pappeln umstandenen Hügelkuppe, über der sich ein dreißig Meter hoher Turm erhob. Eichenstufen führten im Zickzack zur obersten Plattform. Johanna stieß einen kleinen Schrei aus: Rund um den Turm leuchteten Lampions. Da man in der Dunkelheit nicht ausmachen konnte, woran sie befestigt waren, wirkten sie wie kleine goldene Drachen, die frei in der Luft schwebten.
„Oh, Mark, das ist grandios“, rief sie und trat näher. „Lass uns hinaufsteigen.“ Sie stürmte los.
Mark folgte in einigem Abstand. „Sei vorsichtig!“, rief er ihr nach. Obwohl die Treppe in halbwegs gutem Zustand war, ging er langsam, die Hand am Geländer, den Blick nach unten gerichtet.

Je höher sie stiegen, desto enger schienen sich die halboffenen Wände um sie herum zu schließen. Die Stufen knarrten. Auf der mittleren Plattform beschlichen ihn Zweifel. Er wagte einen Blick nach unten durch das dunkle Gebälk und erwartete fast, einen heimlichen Verfolger zu entdecken. Nichts. Mit jedem weiteren Schritt wuchs sein Unbehagen, und plötzlich fragte er sich, ob es eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen. Er lief schneller, wollte Johanna einholen und sie wieder nach unten bringen. „Warte!“, rief er und nahm zwei Stufen auf einmal. „Ich bin schon fast da!“, kam es dumpf zurück. Mark seufzte. Er stieg die letzte Treppe hoch und trat auf die Aussichtsplattform. Johanna stand mit dem Rücken zu ihm vor einem festlich gedeckten Tisch.
„Es ist nicht besonders originell, aber ich wollte es wie früher haben“, kam er näher. Johanna drehte sich glücklich zu ihm um. „Es ist perfekt.“ Sie wies auf eine eingerollte Plane, die unterhalb des Daches befestigt war. „Was hat es damit auf sich?“
Mark winkte ab. „Das wird noch nicht verraten. Jetzt setz dich erstmal hin. Ich habe ausgezeichneten Champagner hier.“ Er zog eine Flasche unter dem Tisch hervor.
„Gleich, ich will mir erst die Lampions aus der Nähe ansehen.“
„Es wäre mir lieber, du betrachtest sie von hier aus. Die Einzäunung ist nicht besonders stabil.“
Johanna winkte ab. „Du hast sie angebracht und lebst noch, oder?“
Mark runzelte die Stirn. Er stellte die Flasche ab und folgte ihr. „Komm bitte da weg!“ Er ergriff ihre Hand. Sie stand mit dem Rücken zum Geländer und machte keine Anstalten, seiner Bitte Folge zu leisten. Stattdessen zog sie ihn an sich.
„Mark, womit habe ich das hier verdient?“
Er gab ihr einen Kuss. „Du übertreibst. Es ist für uns. Nach allem, was geschehen ist, haben wir beide etwas Zerstreuung nötig.“
Johanna lächelte, griff in ihr Haar und begann es zu einem Knoten zu drehen.
Mark versetzte ihr einen so heftigen Stoß, dass sie den Halt verlor und rücklings gegen die Balustrade krachte. Erschrocken riss sie die Augen auf. Ihr Mund formte ein stummes „O“. Dann barst das Gelände, knickte ein wie ein Streichholz und zog Johanna in einem Splitterregen mit sich. Mark hielt erwartungsvoll die Luft an. Er hatte die Balustrade so präpariert, dass sie bei einem Aufprall nur langsam weg brechen und Johanna ermöglichen würde, sich irgendwo festzuhalten. Erst befürchtete er, sie würde stürzen, aber dann gelang es ihr, sich mit den Händen an den Rand der Plattform zu klammern. Perfekt! Zufrieden betrachtete er ihre zappelnde Gestalt. Seine Zweifel verschwanden. Johanna versuchte verzweifelt, sich hochzuziehen. Ihre zierlichen Finger waren ganz weiß vor Anstrengung. Er trat ihr auf die rechte Hand. Sie heulte auf.
„Nicht weglaufen!“, hob er mahnend den Zeigefinger und ging zurück zum Tisch. „Leider war es zu groß für den Türschlitz, Liebes“, sagte er, stieg auf einen Stuhl und entrollte die Plane. HUREN HABEN KEINE ZWEITE CHANCE prangte die Botschaft in großen schwarzen Lettern.
„Aber hier passt es ganz gut. Was meinst du?“
Johanna stöhnte und versuchte, sich an der Plattform entlang zu hangeln. „Mark!“, schluchzte sie. „Mark, bitte, zieh mich hoch! Ich kann mich nicht mehr halten.“
Er beugte sich nach vorn und betrachtete seine Frau.
„Du hast also genug?“
„Ja“, entgegnete sie schwach.
Mark lächelte, trat ein paar Schritte zurück und zog eine alte, abgenutzte Steinschleuder aus der Jacke hervor.
„Dann machen wir die Sache doch rund!“
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo majissa,

eine absolut runde Sache, ja! :) Wunderbar geschrieben und sehr unterhaltsam.

Einzig folgender Absatz erscheint mir logisch falsch:
Bis zum Turm war es noch eine gute Stunde zu Fuß. Zeit genug, Johanna auf das vorzubereiten, was er wirklich zwischen den Zeilen der anonymen Schmierereien vermutete.
Mark muss nichts vermuten, oder?

Lieben Gruß von Hannah
 

majissa

Mitglied
Oh, klasse Hannah! Das ist wirklich etwas unlogisch. Dabei dachte ich, die unlogischen Stellen alle schon eliminiert zu haben. Er braucht es nicht zu vermuten, richtig. Ich denke mir eine Alternative aus. Vielen Dank für den wertvollen Tipp und dein Lob. Freut mich sehr.

LG
Majissa
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo majissa,

freut mich sehr, dass dir meine Anmerkung weiterhilft.

Weil der Text mir so gut gefällt, konnte ich es einfach nicht lassen, noch ein bisschen rumzukritteln. Vielleicht ist ja noch die eine oder andere Sache dabei, mit der du etwas anfangen kannst.

Liebe Grüße,
Hannah

Johanna fischte den Zettel aus ihrer Handtasche und reichte ihn hinüber zu Mark. HUREN HABEN KEINE ZWEITE CHANCE stand in [red]schwarzen Lettern[/red] [blue]Das finde ich ein wenig abgedroschen. Brauchst du die Beschreibung überhaupt? [/blue]auf dem Papier. Mark verzog das Gesicht.
„Wo hast du ihn gefunden?“
„Unter dem Türschlitz. Wie beim letzten Mal.“ Johanna klang nervös. Sie drückte sich tiefer in den Autositz.
„Typisch Christian“, sagte Mark nach einer Weile. „Er hätte gleich mit seinem Namen unterschreiben können.“
„Du bist dir also sicher?“
„Hundertprozentig. Er stand schon früher auf solche Spielchen. Aber wie soll[red]te[/red]st du das wissen? Ich kenne ihn viel länger als du.“ Er warf einen raschen Seitenblick auf seine Frau. „Wenn auch auf andere Weise.“ Johanna zuckte zusammen. Gleich würde sie erröten, in ihr langes schwarzes Haar greifen und es im Nacken zu einem Knoten drehen, wie sie es immer machte, wenn sie verlegen war.

Unter normalen Umständen fand er das hinreißend. Wie vor fünf Jahren, als er ihr auf dem Turm im Wald beiläufig vorgeschlagen hatte, die nächsten vierzig Jahre zusammen zu frühstücken und sie minutenlang zu perplex für ein „Ja“ gewesen war. Sie hatte geschwiegen, mit ihrem Haar gespielt und alles betrachtet:
Den festlich gedeckten Tisch auf der Aussichtsplattform, die drachenförmigen Lampions rund um das Geländer und ihn, Mark, dem die perfekte Überraschung gelungen war. Erst nachdem sie sich mit Champagner und Fruchtcarpaccio unter das safranfarbene Schirmdach zurückgezogen hatten, war sie mit der Forderung nach Vier-Minuten-Eiern herausgerückt.

Aber das hier war kein normaler Umstand. Von nun an würde er jeden verlegenen Haarknoten mit Christian verbinden, seinem alten Schulfreund, dem unsichtbaren Dritten am ehelichen Frühstückstisch.
„Du glaubst mir doch, dass es endgültig vorbei ist“, durchbrach Johanna die angespannte Stille.
„Dir schon, ihm nicht“, befand Mark und lenkte den Wagen auf einen von Bäumen umsäumten Parkplatz. Er blickte auf die Uhr. Bis zum Turm war es noch eine gute Stunde zu Fuß. Zeit genug, Johanna auf das vorzubereiten, was er wirklich zwischen den Zeilen der anonymen Schmierereien vermutete.
Unwillkürlich erinnerte er sich an das Mädchen im See. An die zusammengeschnürten Füße, das hektische Paddeln und den entsetzten Gesichtsausdruck, als es die Steinschleuder sah. [red]Mark fröstelte.[/red] [blue]Warum? Er ist doch eigentlich nicht der Typ, der bei dieser Erinnerung fröstelt, oder?[/blue] Er ging um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür.

Draußen nahm Johanna seine Hand.
„Es ist gut, dass wir endlich darüber reden“, sagte sie.
„Ich will dir alles erklären.“
Mark lächelte und zog sie auf den schmalen Waldweg.
„Was gibt es da noch zu erklären? Du hast dich für mich entschieden, richtig?“ Sie nickte. „Na also!“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Alles andere zählt nicht. [red]Aber wenn du unseren Neuanfang partout mit unerfreulichen Details bereichern willst - bitte!“ [/red] [blue]Das scheint mir nicht so ganz zur Stimmung zu passen. Warum zickt er?[/blue] Er ging schneller.

Es war frisch. Die Luft roch erdig. Schnecken krochen über den feuchten Boden, der bereits mit [red][strike]goldrotem[/strike][/red] [blue]Meine Abneigung gegen blumige Adjektive.[/blue] Herbstlaub bedeckt war. Das Sonnenlicht fiel spärlich auf die Erde. Irgendwo im Wald knackte ein Ast. Johanna schrak zusammen. „Ich verstehe nicht ganz“, nahm sie den Faden wieder auf. „Du selbst hast dir ein klärendes Gespräch gewünscht. Deshalb sind wir doch hierher gekommen, oder?“
Mark blieb stehen, ergriff ihre Hände und zog sie näher zu sich heran. „Was ich dir zu sagen habe, betrifft nicht euer Verhältnis oder die Frage, wie ich damit zurechtkomme.“
Johanna wich seinem Blick aus.
„Es geht um Christian und diese Zettel. Es geht darum, wie er als kleiner Junge war und was …“ Mark hob sanft ihr Kinn an „… was von diesem Jungen noch in ihm ist!“
„Wie meinst du das?“ Sie gingen weiter. Der Pfad stieg langsam an. „Er war gefährlich“, drehte er sich von ihr weg und dem See zu. Ein paar Enten schwammen neugierig in Ufernähe und zogen dort ungeduldige Kreise.
Sie betrachtete ihn von der Seite. Da war nichts Markantes. Sein faltenloses Gesicht war weich, nahezu konturlos; er sah aus wie ein Kind, dem man Brille und Bart aufs Gesicht geklebt und vorzeitig mit einem freundlichen Klaps in die große weite Welt entlassen hatte. Ein hübsches Kind, zweifelsohne; mit fein geschwungenem Mund und grünen Augen, die immer ein wenig erstaunt blickten. Obwohl sie sechs Jahre jünger war, fühlte sie sich neben ihm alt und über ihm wie eine Kinderschänderin. Es war ihr zunehmend schwerer gefallen, seine Berührungen zu genießen. Irgendwann hatte sie angefangen, ihm auszuweichen. Dann war Christian in ihr Leben getreten und mit ihm eine Art von Sex, der sich frei und aufregend anfühlte.

„Hast du mich verstanden?“, fragte Mark und sah zu, wie sie sich eine Fluse vom Rollkragenpullover zupfte. Laub raschelte unter seinen Schuhen. Er wandte den Blick ab.
„Du machst mir Angst“, brach es aus ihr heraus. „Glaubst du, dass er uns verfolgt? Diese Zettel …“ [red]"... [/red]passen nicht zu ihm", hätte sie am liebsten komplettiert, schwieg aber, weil die Situation zu grotesk war. Wie konnte sie ihre Ängste loswerden, ohne sich gleichzeitig zu schämen? Es war da kein Platz für Worte wie „passen“ oder „nicht passen“, Behauptungen, [red]die Mark nur an die über jedes gewöhnliche
Maß hinausgehende Vertraulichkeit zwischen ihr und Christian erinnert hätten. [/red] [blue]Hier stolpere ich. Weiß Mark von der über jedes gewöhnliche Maß hinausgehende Vertraulichkeit oder ist das nicht eher ihr Empfinden?[/blue] „Er schrieb sie schon in der Schule“, erklärte Mark. „Anfangs waren es harmlose Beleidigungen, die kaum jemand ernst nahm. Wir hatten Spaß daran und ergötzten uns an den empörten Gesichtern. Manchmal dachte ich mir selbst einen Text aus, den Christian gleich niederschrieb und
abschickte. Irgendwann aber änderten sich die Inhalte. Sie wurden obszön, hasserfüllt und galten ein und derselben Person.“
„Wem?“, fragte Johanna.
„Einem Mädchen. Sie hieß Charlotte und ging in die gleiche Klasse.“
„Was hatte sie verbrochen?“
„Ihn abgelehnt!“
Johanna schauderte. „Wie ging es weiter?“
„Er lauerte ihr an einem See auf. Sie war gern allein dort, um in Ruhe zu lesen. Der Angriff kam so plötzlich, dass sie kaum reagieren konnte. Er überwältigte sie und verschnürte ihre Füße. Dann warf er sie ins Wasser. Nein …[red]"[/red] Marks Stimme klang brüchig: [red]„[/red]… genau genommen trat er ihr kräftig in den Rücken.“
„Was?!“ Johanna blieb stehen. „Und du hast mitgemacht? Das kann ich nicht glauben.“
„Du verstehst nicht! Wir sind zusammen aufgewachsen. Was sollte ich schon machen? Er war mein einziger Freund. Bis zu jenem Tag. Ich ahnte nicht, was er mit Charlotte vorhatte. Bis er sie in den See warf, die Steinschleuder hervorholte damit begann, die Sache rund zu machen, wie er sich auszudrücken pflegte, wenn er stinksauer war. Da erst begriff ich, wie krank er sein musste.“
„Er traktierte sie mit einer Steinschleuder, während sie sich mühsam über Wasser hielt? Und das alles, weil sie ihn ablehnte?“ Johannas Stimme überschlug sich.
„Wer ihn abwies, hatte ausgespielt. Vielleicht blieb ich deshalb so lange mit ihm befreundet. Die Vorstellung, ihn zum Feind zu haben, beunruhigte mich weit mehr als seine Schrullen.“
„Kein Wunder.“
„Charlotte hielt sich lange über Wasser. Aber er war ein guter Schütze. Sie blutete im ganzen Gesicht. Irgendwie schaffte sie es bis zur Mitte. Da traf sie ein Stein an der Schläfe.“
„Und?“
„Er triumphierte, als er sie sinken sah, riss beide Fäuste in die Luft und rannte johlend am Ufer auf und ab. Ich stieß ihn beiseite und sprang ins Wasser, überhörte seine Flüche und schwamm bis zur Seemitte. Bis heute weiß ich nicht, wie ich es geschafft habe, Charlotte zu finden und an die Oberfläche zu bringen. Geschweige denn, den Steinen auszuweichen, die Christian pausenlos auf uns abschoss.“
Johanna zog Mark an sich. „Hat sie überlebt?“
„Ja. Als die Geschichte publik wurde, verwies man ihn der Schule. Seine Familie zog in eine andere Stadt[red][strike],[/strike][/red] und ich habe nie wieder von ihm gehört. Bis vor zwei Wochen, als du mir [red][strike]endlich[/strike][/red] alles gestanden und seinen Namen offenbart hast. Das soll kein Vorwurf sein, Johanna. Mir ist nur wichtig, dass du weißt, mit wem du es zu tun hast. Wir müssen auf der Hut sein.“
„Was sollen wir tun?“
„Was wir schon längst hätten machen müssen: die Polizei einschalten.“
„Ach, es tut mir so [red]l[/red][blue]L[/blue]eid“, flüsterte Johanna.
„Ich weiß!“ Mark zog sie am Ärmel. „Komm jetzt, es wird schon dunkel. Ich habe etwas vorbereitet. Das wird uns eine Weile von dem Spinner ablenken.“

Sie folgten dem gewundenen Pfad bis zu einer von Pappeln umstandene[red]n[/red] Hügelkuppe, [red]über[/red] [blue]auf?[/blue] der sich ein dreißig Meter hoher Turm erhob. Eichenstufen führten im Zickzack zur obersten Plattform. Johanna stieß einen kleinen Schrei aus: Rund um den Turm leuchteten Lampions. Da man in der Dunkelheit nicht ausmachen konnte, woran sie befestigt waren, wirkten sie wie kleine goldene Drachen, die frei in der Luft schwebten.
„Oh, Mark, das ist grandios“, rief sie und trat näher. [blue]Hier habe ich überlegt, ob man so reagieren würde, wenn man das Ganze schon einmal gesehen hat.[/blue] „Lass uns hinaufsteigen.“ Sie stürmte los.
Mark folgte in einigem Abstand. „Sei vorsichtig!“, rief er ihr nach. Obwohl die Treppe in halbwegs gutem Zustand war, ging er langsam, die Hand am Geländer, den Blick nach unten gerichtet.

Je höher sie stiegen, desto enger schienen sich die halboffenen Wände um sie herum zu schließen. Die Stufen knarrten. Auf der mittleren Plattform beschlichen ihn Zweifel. [blue]Hier frage ich mich: Warum und woran zweifelt er? An seiner Versöhnungsidee? Und warum schaut er dann nach einen Verfolger? Vielleicht eher Angst o.Ä.? Das würde sowohl zum jetzigen Stand als auch zum Ende passen. [/blue] Er wagte einen Blick nach unten durch das dunkle Gebälk und erwartete fast, einen heimlichen Verfolger zu entdecken. Nichts. Mit jedem weiteren Schritt wuchs sein Unbehagen, und plötzlich fragte er sich, ob es eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen. Er lief schneller, wollte Johanna einholen und sie wieder nach unten bringen. „Warte!“, rief er und nahm zwei Stufen auf einmal. „Ich bin schon fast da!“, kam es dumpf zurück. Mark seufzte. Er stieg die letzte Treppe hoch und trat auf die Aussichtsplattform. Johanna stand mit dem Rücken zu ihm vor einem festlich gedeckten Tisch.
„Es ist nicht besonders originell, aber ich wollte es wie früher haben“, kam er näher. Johanna drehte sich glücklich zu ihm um. „Es ist perfekt.“ Sie wies auf eine eingerollte Plane, die unterhalb des Daches befestigt war. „Was hat es damit auf sich?“
Mark winkte ab. „Das wird noch nicht verraten. Jetzt setz dich erstmal hin. Ich habe ausgezeichneten Champagner hier.“ Er zog eine Flasche unter dem Tisch hervor.
„Gleich, ich will mir erst die Lampions aus der Nähe ansehen.“
„Es wäre mir lieber, du betrachtest sie von hier aus. Die Einzäunung ist nicht besonders stabil.“
Johanna winkte ab. „Du hast sie angebracht und lebst noch, oder?“
Mark runzelte die Stirn. Er stellte die Flasche ab und folgte ihr. „Komm bitte da weg!“ Er ergriff ihre Hand. Sie stand mit dem Rücken zum Geländer und machte keine Anstalten, seiner Bitte Folge zu leisten. Stattdessen zog sie ihn an sich.
„Mark, womit habe ich das hier verdient?“
Er gab ihr einen Kuss. „Du übertreibst. Es ist für uns. Nach allem, was geschehen ist, haben wir beide etwas Zerstreuung nötig.“
Johanna lächelte, griff in ihr Haar und begann es zu einem Knoten zu drehen.
Mark versetzte ihr einen so heftigen Stoß, dass sie den Halt verlor und rücklings gegen die Balustrade krachte. Erschrocken riss sie die Augen auf. Ihr Mund formte ein stummes „O“. Dann barst das Gelände, knickte ein wie ein Streichholz und zog Johanna in einem Splitterregen mit sich. Mark hielt erwartungsvoll die Luft an. Er hatte die Balustrade so präpariert, dass sie bei einem Aufprall nur langsam [red]wegbrechen[/red] und [red]Johanna ermöglichen würde[/red] [blue]Die Balustrade ermöglicht es Johanna nicht.[/blue], sich irgendwo festzuhalten. Erst befürchtete er, sie würde stürzen, aber dann gelang es ihr, sich mit den Händen an den Rand der Plattform zu klammern. Perfekt! Zufrieden betrachtete er ihre zappelnde Gestalt. Seine Zweifel [red][strike]ver[/strike][/red]schwanden. Johanna versuchte verzweifelt, sich hochzuziehen. Ihre zierlichen Finger waren ganz weiß vor Anstrengung. Er trat ihr auf die rechte Hand. Sie heulte auf.
„Nicht weglaufen!“, hob er mahnend den Zeigefinger und ging zurück zum Tisch. „Leider war es zu groß für den Türschlitz, Liebes“, sagte er, stieg auf einen Stuhl und entrollte die Plane. HUREN HABEN KEINE ZWEITE CHANCE prangte die Botschaft in großen [red]schwarzen Lettern[/red] [blue]s.o.[/blue]
„Aber hier passt es ganz gut. Was meinst du?“
Johanna stöhnte und versuchte, sich an der Plattform entlang zu hangeln. „Mark!“, schluchzte sie. „Mark, bitte, zieh mich hoch! Ich kann mich nicht mehr halten.“
Er beugte sich nach vorn und betrachtete seine Frau.
„Du hast also genug?“
„Ja“, entgegnete sie schwach.
Mark lächelte, trat ein paar Schritte zurück und zog eine alte[red][strike], [/strike][/red]abgenutzte Steinschleuder aus der Jacke hervor.
„Dann machen wir die Sache doch rund!“
 

majissa

Mitglied
Wow! Ich bin begeistert, Hannah. Von deinen Anmerkungen kann ich einiges gebrauchen. Man ist ja immer noch so betriebsblind, wenn’s um die eigenen Texte geht. Noch mal im Einzelnen zu deinen Vorschlägen:

Die schwarzen Lettern können weg. Du hast völlig recht. Unnütz!

Bei „aber wie sollst du das wissen?“ bin ich noch unschlüssig. Einerseits wäre es grammatikalisch korrekt „solltest“ zu verwenden, andererseits reden Leute so. Mal sehen.

„Mark fröstelte“ sollte Irreführung sein. Vielleicht ist ihm einfach kalt auf diesem Parkplatz. Wenn man aber nun die ganze Story kennt, liest es sich wiederum unlogisch. Da lasse ich mir noch was einfallen.

Er bockt, weil es seine Art ist. Das lass ich einfach mal so stehen.

Das goldrote Herbstlaub finde ich herrlich. Ich streiche ja eh schon jede Menge Adjektive. Aber an diesem hänge ich (noch).

Hm, die Sache mit dem „passen“ oder „nicht passen“ kommt nicht so rüber, wie ich es mir gedacht hatte. Es ist ja so, dass man mit einem Menschen schon ziemlich vertraut sein muss, um behaupten zu können, ob etwas zu ihm passt oder nicht. Johanna will Mark gegenüber nicht zugeben, dass dieses "besondere" Vertrauen schon existent war. Der Satz an sich ist etwas kompliziert. Ich denke darüber nach.

Die Anführungszeichen! Mist. Sie hullern einfach unten herum, obwohl sie oben stehen müssten. Wird gleich verbessert.

„Endlich“ fliegt auch raus.

Tja, offenbar sie findet alles grandios, solange er ihr nur weiterhin verzeiht. Auch die abgelutschten Lampions. Vermutlich hätte Christian sich was anderes einfallen lassen. Es passt aber zu Mark, dass er zu Traditionen neigt. Siehe Steinschleuder.

Beim Aufstieg überkommen ihn Zweifel hinsichtlich seiner sorgfältigen Vorbereitungen. Wird das ganze klappen? Kippt die Balustrade so weg, dass sie sich festhalten und er seine alte Zwille endlich mal wieder benutzen kann? Das erwähne ich aber auch noch mal am Ende. Dass seine Zweifel schwinden. Vielleicht kommt das nicht richtig rüber? Hast du einen Vorschlag?

Tausend Dank für dein Argusauge und die Mühe, Hannah

LG
Majissa
 
E

Edgar Wibeau

Gast
Das goldrote Herbstlaub finde ich herrlich.
Ich auch! Blumig wie das Bouquet eines Pinot Grigio, dieses Adjektiv. Ich hätte graue Tränen vergossen, wäre es unter metzelndem Strich verendet. Nein, gerade dieses Goldrot untersteicht nicht nur die Dramatik der Handlung, gleichzeitig gelingt dir hier auf eindrucksvolle Weise eine Anspielung auf Büchners Farbensymbolik im "Woyzek". Königlich!

GLG
E
 

majissa

Mitglied
Man unterstellt ihm auch einen zarten nussigen Nachhall, dem Pinot Grigio. Wenn ich da an den knarzigen Abgang dieser unsäglichen Tetrapackplörren denke, wird mir ganz anders. Beim "goldrot" hatte ich übrigens weniger Büchners "Woyzek" als vielmehr Trakls Mondsymbolik und die übersteigerte Affinität zur Schwester im Sinn, Edgar. Das Goldrot steht hier für den Blutmond, in dessen trügerischem Glanz die verrücktesten Dinge geschehen.

GLGAD

J
 
E

Edgar Wibeau

Gast
Trakl, dass ich nicht gleich darauf kam! Blutmond, Märzblut, Machtgier und Mordlust, Brudermord im Altwasser, Majissa, wie es dir immer wieder gelingt, Wahn und Weltliteratur zu einer belletristischen Legierung zu verschmelzen, wie du es verstehst, dieser deinen unvergleichlichen Schliff zu verleihen, so dass dein Werk in seiner Perfektion einem Samuraischwert gleichkommt... Göttlich!

GGGSLG

E
 

F Fuller

Mitglied
HI,

ich kann nicht sagen sagen warum, aber den Anfang der Geschichte finde ich etwas verwirrend. Spätestens ab dem 3. Viertel des Textes ist klar, was passieren wird, so dass das Ende nicht überraschend ist.

Aber es gibt einige gute Ansätze.

Gruss
F.
 

majissa

Mitglied
Du hast eine ganze Assoziationskette losgetreten, Ed. Ich sah mich selbst an meinem Krimi schreiben. Bäuchlings, mit Räucherstäbchen zwischen den Zehen und das Samuraischwert auf dem Kopf balancierend. Im Hintergrund Wagner: Schmiede, mein Hammer, ein hartes Schwert! Hoho! Hahei!

GLGLEAADUESA

J.

Hallo Fuller,

danke fürs Lesen und Reagieren. An welcher Stelle genau wird dir denn klar, was passieren wird? Ich würd dich auch gern fragen, was so verwirrend am Anfang ist, aber du weißt es ja selbst nicht.

LG
Majissa
 

F Fuller

Mitglied
HI,

Verwirrend wird es an dieser Stelle: "Unwillkürlich erinnerte er sich an das Mädchen im See. An die zusammengeschnürten Füße, das hektische Paddeln und den entsetzten Gesichtsausdruck, als es die Steinschleuder sah..."

Kurz vorher denkt er an Johanna, dann kommt dieser Einschub, und als Leser weiss man überhaupt nicht, was das soll. Entweder nimmt man diesen einschub raus, oder man schreibt ihn so um, dass auch der Unwissende Marks Gedankengang nachvollziehen kann (z.B: in dem man in diesem Zusammenhang erwähnt.) Vielleicht reicht es auch, diese "Erinnerung" an anderer Stelle zu setzen.

Was dann später passiert, war mir klar, als Mark seinen Bericht über Christian am See liefert und Johanna dann drängt, weiter zu gehen. Ab diesem Moment wußte ich, dass ihr ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie damals Charlotte.

Geheimnis bei der Story (nach nochmaligem Durchlesen, um Textstelen zu finden): Sagt Mark die Wahrheit als er behauptet, Christian habe damals Charlotte so grausam gequält?

Gruss
F.
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mark versetzte ihr einen so heftigen Stoß, dass sie den Halt verlor und rücklings gegen die Balustrade krachte. Erschrocken riss sie die Augen auf. Ihr Mund formte ein stummes „O“. Dann barst das Gelände, knickte ein wie ein Streichholz und zog Johanna in einem Splitterregen mit sich. Mark hielt erwartungsvoll die Luft an. Er hatte die Balustrade so präpariert, dass sie bei einem Aufprall nur langsam weg brechen und Johanna ermöglichen würde, sich irgendwo festzuhalten.
Nee.
Brechen tun so Dinger immer schnell,nur die erforderliche Bruchlast ändert sich. Auch wenn sich Mark vorher einen Wolf rechnet (Masse mal Beschleunigung, welchen Fuß hat sie hinten, wie weit ist sie entfernt, verdammt, was wiegt das Mädel eigentlich?), das kann man nicht planen.
Überhaupt:
Die Szene nehme ich dir nicht ab. Rücklings durch die Balustrade und dann soll sie sich am Plattformboden festhalten können? Stell dir das mal vor!

Von der Logik gefangen, hat er am Haken gehangen
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
post scriptum:
Ein senkrechter Abgang würde das Opfer übrigens problemlos nach Plan abführen können.

Hat so unsäglich gewettert, wäre lieber bodenlos nach unten gebrettert
 

majissa

Mitglied
Hallo Fuller,

danke fürs Konkretisieren. Eben las ich mir den Text nochmal auf deine Anmerkungen hin durch und meine, man könnte ihn rein theoretisch durch geringfügige Änderungen an besagten Stellen weniger "verräterisch" respektive weniger verwirrend gestalten. Obwohl mir immer noch nicht ganz klar ist, was so irritierend an dieser kurzen Erinnerung sein soll, dass sie es nicht verdient hätte, als sagen wir mal "Spannungserzeuger" für kurze Zeit anspielend im Raum zu stehen, um ein Minütchen später vollkommen vor Johanna ausgebreitet zu werden. Es bleibt ja nicht ungeklärt. Aber gut, ich will da nicht länger drauf rumreiten. Da mir bisher noch keiner der anderen Leser sagte, er hätte das Ende vorausgesehen, werde ich mit Änderungen erst mal abwarten.

Wer fällt heutzutage schon senkrecht, Rumpelsstilzchen? Das ist in etwa so abgeschmackt wie die Wettervorhersage eines Ben Wettervogels (ZDF Morgenmagazin - der Mann ist überhaupt nicht geerdet). Und nimm's mir ab oder nicht: Ich sah schon Arbeiter mit der Biegsamkeit einer Stehlampe horizontal vom Dach fallen und sich im letzten Moment in der Luft aufrichten, um mit der rechten Hand den rettenden Rand zu erreichen, die Bierflasche in der linken. Also da muss ich dir vehement widersprechen. Not macht biegsam. Aber dank dir für deine Resonanz.

Hats vernommen, wär fast dabei umgekommen oder so ...

Nun ja.

LG
Majissa
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Und wahrscheinlich hat er nicht einen Tropfen verschüttet.

Klar, das gibt's.
Aber nur spontan, nicht nach Plan.
Oder ist das untreue Luder beim Zirkus Krone?
Allez hopp!

Schwang sich gebogen und ist trotzdem nach unten geflogen
 

F Fuller

Mitglied
Hm...

was den Abgang betrifft - ich denke da an Lara Croft. Und wer's zum ersten Mal spielt weiss, wie schwer es ist, sich in letzter Minute am rettenden Rand festzuhalten ;)

F.
 
Q

Quidam

Gast
Liebe majissa,

schöner Text!

Allerdings gibts einige Kritikpunkte:
Die Beschreibungen der Umgebung und der Figuren sind allesamt etwas Standart, auch wertest du mir ein wenig zuviel.
Ich fädel es auf, gleich mit den ersten Sätzen:
Mark verzog das Gesicht
Ich hab sein Gesicht nicht vor mir.
Johanna klang nervös <- wertend.
Sie drückte sich tiefer in den Autositz <- Standart.

Und das zieht sich durch den ganzen Text.

Was mich noch störte, war, dass ich nicht wußte, wohin die Reise führt. Da könntest du zu Beginn anmerken, dass sie dabei sind, den Ort aufzusuchen, an dem er ihr vor fünf Jahren das mit dem Frühstücken eröffnete.


Dass er sie umbringen wird, war klar. Aber so, wie er sie tötet, ist das wirklich originell! Vorher die Details gesät und dann geernet. Bravo.

Grüße
Quidam
 

majissa

Mitglied
Lieber Quidam,

danke für dein Lob und die Beschäftigung mit dem Text. Die Vorausschaubarkeit des Mordes habe ich nun öfter vernommen. Sobald ich etwas mehr Abstand zum Text habe, wird daran gefeilt. Vielleicht setze ich das Ziel der Reise auch etwas mehr nach vorn.

Mit dem "Werten" hast du es ja ... ;)

Auf Anhieb fällt mir kein Text/Buch ein, in dem nicht auch nach Herzenslust gewertet wird. Würde es nicht jeglichen Rahmen sprengen, beschriebe man alles en detail, auf dass der Leser selbst zum beabsichtigten Schluss kommt?

Bei "Mark verzog das Gesicht" siehst du sein Gesicht nicht vor dir. Klar. Ich liefere die Beschreibung nicht gleich mit, was an dieser Stelle des Tempoaufbaus auch eher hinderlich wäre. Dafür folgt sie etwas später und - wie ich meine - ausführlich geug. Bei einem Satz wie "Sie rieb sich die Hände" sehe ich die Hände auch nicht vor mir, habe aber die Geste vor Augen. Das reicht mir meist.

Was dich am "Sie drückte sich tiefer in den Autositz" stört, ist mir nicht klar. Wohin soll sie sich sonst hineindrücken, wenn nicht in den Autositz? Da bleibt in der gegebenen Situation kaum eine Alternative. Zu abgedroschen? Sie könnte sich natürlich auch ängstlich ans Amaturenbrett pressen, was aber im höchsten Maße albern aussähe.

LG und sorry für die verspätete Reaktion
Majissa
 

GabiSils

Mitglied
Hallo majissa,

ich dachte bei "Typisch Christian" gleich, daß in Wirklichkeit Mark der Schreiber ist. Wahrscheinlich, weil es diesen Plot doch schon ein paarmal gibt. Das tut der Geschichte aber keinen Abbruch.
Natürlich war auch Mark derjenige, der schon in der Schule die Zettel schrieb usw., oder?

Die "Vertraulichkeit" zwischen Johanna nund Christian würde ich in "Vertrautheit" ändern.

Gruß,
Gabi
 

majissa

Mitglied
Hallo Gabi,

Mark schrieb die Zettel; du vermutest richtg. Vertrautheit klingt tatsächlich besser. Das wird gleich geändert. Und was die Vorhersehbarkeit angeht, gehört der Text nochmals überarbeitet.

Danke fürs Kommentieren.

LG
Majissa
 



 
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