Eine seltsame Reservierung

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Maribu

Mitglied
Obwohl er spät nach Hause gekommen war, gewöhnlich um diese Zeit zu Bett ging und den Computer links liegen ließ, spürte er den Drang, sich noch seinen Posteingang anzusehen.
Es wurden drei E-Mails angezeigt. Zwei davon waren Spams. Diese Internetadressen kannte er bereits, tauchten sporadisch immer wieder bei ihm auf. Das erste Mal hatte er den Fehler gemacht, sie zu öffnen. Der eine bot ein Mittel gegen Prostata-Beschwerden an, der andere hatte ihm obszöne Angebote unterbreitet. Er löschte sie sofort. Es wurde höchste Zeit, dass er sich einen wirkungsvollen Spamfilter zulegte!
Die dritte wollte er auch nicht öffnen, da ihm der Absender
axl.@aol.com. unbekannt war. Aber bei der Betreff-Zeile stutzte er, nahm seinen Finger von der Löschtaste. Da stand:
NICHT LÖSCHEN! HALLO BODO!
Er tat dem Unbekannten den Gefallen und öffnete die Mail, die um 23:06 gesendet wurde, gerade eine Minute bevor er ins Netzt gegangen war. Ahnte der Absender etwa, dass er so spät noch seinen Eingang kontrollierte oder war das Zufall?
Die Nachricht begann ohne Anrede, die hatte er ja schon ins
"Betreff" gesetzt
...ANKOMME MORGEN ABEND UM 20:34 UHR GLEIS 13. DA WIR UNS NICHT PERSÖNLICH KENNEN, ERWARTEN SIE MICH BITTE OBEN VOR DER ROLLTREPPE. SIE SOLLTEN EINE ZEITUNG, AM
BESTEN "DIE WELT", IN DER HAND HALTEN. ICH FREUE MICH AUF SIE!
EINE GERUHSAME NACHT WÜNSCHT ???
Eine geruhsame Nacht wirkte wie Zynismus! Er kam ins Grübeln.
Wer konnte dahinter stecken? Jemand, der ihn vertraulich mit dem Vornamen anredete, im Text aber siezte und ein persönliches Kennen ausschloss.
Über das Internet schaute er in den Fahrplan der Deutschen Bahn. Hamburg-Hauptbahnhof Ankunft 20:34: Ein ICE aus der Schweiz über Stuttgart, Mannheim, Frankfurt usw. mit Zielbahnhof Kiel. Das brachte ihn auch nicht weiter und er beschloss, sich wunschgemäß auf eine geruhsame Nacht vorzubereiten.
Am nächsten Abend stand er punkt halb neun vor der Rolltreppe am Gleis 13. Die vorher am Kiosk gekaufte Zeitung hielt er zusammengerollt wie ein Stafettenstab in der Hand.
Mit zwei Minuten Verspätung fuhr der Zug in den Bahnhof ein.
Da er von mindestens zwanzig Personen umgeben war, Männer, Frauen, Familien mit Kindern, die die Heraufrollenden beäugten, faltete er seine Zeitung auseinander und hielt das Hauptblatt in Brusthöhe wie ein Transparent. Die meisten hasteten mit dicken Reisetaschen oder rollenden Koffern an ihm vorbei. Einige junge Leute mit wenig Gepäck ignorierten die Rolltreppe und stürmten sportlich die Treppe hinauf.
Einer hielt ihn sogar für einen Händler, wollte ihm die Zeitung abkaufen und war richtig erbost, dass er sie nicht hergab.
Neben ihm gab es immer mehr Umarmungen und Freudenschreie, bis es schließlich still wurde und er allein dastand.
Als er enttäuscht die Zeitung sinken ließ, hörte er eine Stimme hinter sich. "Na Bodo, hast du dir die Welt angesehen?!"
Diese spöttische und doppeldeutige Stimme kannte er. Es war Axel, einer seiner vielen Cousins, der früher in Hamburg gelebt und mit dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte.
Der musste mit seiner Aktentasche an ihm vorbeigeschlichen sein! Bodo gab ihm zögernd die Hand. "Mensch, Axel, hast du das spannend gemacht! Warum musst du ausgerechnet mich zum Narren machen?"
Axel lachte unbekümmert. "Ich kenne mich in Hamburg nicht mehr
aus. Was weiß ich, in welcher Ecke du jetzt wohnst?" Er machte eine Pause und ergänzte dann lächelnd, aber nicht spöttisch: "Unter anderen Umständen hättest du mich bestimmt
nicht vom Bahnhof abgeholt."
Bodo fand das nicht komisch. "Was willst du von mir, nachdem du dich jahrelang nicht gemeldet hast? Und wer hat dir überhaupt meine Mailadresse verraten?"
Axel grinste. "Das darf ich nicht sagen. Vielleicht war es Herr Google!"
Bodo schüttelte den Kopf. "Nun lass deine Späße und komm endlich auf den Punkt!"
"Ich möchte bei dir übernachten!" kam Axels klare Antwort.
Bodo war immer noch verärgert. "Gibt es in Hamburg keine Hotels?"
"Ich muss morgen ein Seminar besuchen. Meine Firma ist dabei, drastisch die Kosten zu senken. Sogar an den Reisekosten spart sie jetzt. Für die Übernachtungspauschale bekomme ich in Hamburg kein Zimmer."
Bodo hatte sich gefasst und antwortete verständnisvoll:
"Ich kann dir aber nur meine Couch anbieten!"
Axel nickte. "Das genügt mir. - Sind dreißig Euro okay?"
Jetzt konnte Bodo lachen. "Ich lege noch etwas dazu. Dann werden wir beide erstmal St.Pauli unsicher machen!"
 

Art.Z.

Mitglied
Hallo Maribu,

dein Text beginnt schwach, wird in der Mitte sehr spannend und baut dann gegen Ende wieder ab.
Nach eine seltsamen Eingebung guckt dein Protagonist seine Emails durch und entdeckt eine unbekannte Mail, die er trotz schlechter Spam-Erfahrungen öffnet.

"dass er so spät noch seinen Eingang kontrollierte oder war das Zufall?" - Eingang ist hier ungeschickt verwendet. Seltsamerweise musste ich zwangsläufig an andere Eingänge denken.

Dann ist auch unglaubwürdig, dass sein Cousin sich darauf verlassen würde, dass eine spät abends geschickte Email am Folgetag dazu führen wird, dass er vom Bahnhof abgeholt werden würde.
Und der Grund der Reise hat ebenfalls nichts mit dem Voranerzählten zu tun.

Deine Geschichte wirkt auf mich wie ein zusammengesetztes Puzzle, das nicht zusammenpassend zusammengequetscht wurde.

So weit mein subjektiver Eindruck.
 
U

USch

Gast
Hallo Maribu,
ich kann mich da Art.Z. mit seiner Analyse nur anschließen. Ich würde straffen und die Unstimmigkeiten, die er benennt, eliminieren. Den Mittelteil finde ich auch o.K.
Liebe Grüße
Uwe
 



 
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