Einer wird der Letzte sein

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Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
„Bitte, tu’ es nicht!“ Sie kniete vor dem Sessel und ihre verquollenen Augen flehten zu ihm hoch.

„Hör’ auf, es hat doch keinen Zweck.“ Er hatte genug von dieser quälenden Diskussion.

„Ich brauche dich“, flüsterte sie, viel zu oft hatte sie diese Worte in den vergangenen Wochen geschrieen.

Er lachte bitter. „Wofür? Als Erinnerungsstück? Für dein persönliches Museum?“ Sanft befreite er seine Beine aus ihrer Umklammerung und stand auf.

„Nie wieder werde ich jemanden wie dich finden!“

Er ging zum Fenster und sah durch sie hindurch, hinaus in die glitzernde Dunkelheit der Stadt. „Natürlich nicht, ich bin der Letzte. Ein Relikt.“

Er sagte nicht mehr, wie sehr er es hasste, nicht wie die Anderen zu sein. Wie einsam, unendlich einsam er war. Dass er doch sie habe, würde sie antworten, und sie zusammen gehörten. Ihr Spiegelbild erhob sich vom Boden und er schloss die Augen. Das ist nicht das Gleiche, hatte er versucht zu erklären. Du bist nicht wie ich. Niemand ist wie ich. Nicht mehr.

Geschichte.
Seine Art war Geschichte.
Ihr Schicksal war bereits besiegelt gewesen, als sie, noch in ihrer Unbesiegbarkeit schwelgend, sich mit Eifer die Erde untertan machten. Jahrtausende hatten sie die Geschicke der Menschheit bestimmt. Sie waren die Herren über Krieg und Frieden gewesen, hatten das Recht geschaffen und die Urteile gesprochen, im Namen des Fortschritts das Leben erforscht und Tode erfunden. Die Gründe gleich dazu. Nichts und Niemand war ihnen gewachsen gewesen, nicht einmal sie selbst. Sie hatten die Welt gezähmt.

Ihr Atem kitzelte seinen Nacken, als sie sich an ihn drängte. „Schlaf mit mir. Ein letztes Mal.“ Ihre Hände schlichen an seinen Schritt heran und ein kleines feuchtes Tier kroch hinter sein Ohr.

„Lass das.“ Leise und gleichmütig kamen die Worte. Das Tier zuckte vor ihrer Endgültigkeit zurück.

Was hätte es für einen Sinn? Er war der Letzte und wollte es bleiben. Anfangs hatten sie es versucht, als ihre Leidenschaft sein Widerstreben noch besiegen konnte. Aber im Laufe der Zeit war ihr Verlangen verzweifelter geworden und sein Widerwille wuchs daran zur Gewissheit, es dem Ungezeugten schuldig zu sein. Wie oft hatte er seinen Vater verflucht! Seine arrogante Überheblichkeit, die ihn zu dieser sinnlosen Existenz in einer Welt verurteilt hatte, die seinesgleichen nicht mehr brauchte.

Sie war an ihm herunter geglitten und stieß ihre Schluchzer in seine Kniekehlen. Sie konnte seinen Entschluss nicht erschüttern, diesmal würde er ihren egoistischen kleinen Schmerz aushalten.
Meine Liebe ist groß genug, um dem Hass und Neid der Anderen zu widerstehen und du willst einfach aufgeben, was wir haben, hatte sie ihm vorgeworfen. Was sie hatte: Seine Einzigartigkeit. Schließlich hatte er es verstanden.

Es war still geworden hinter ihm und er drehte sich um. Erschöpft von ihrem aussichtslosem Kampf lag sie in sich zusammen gerollt auf dem Teppich.
„Ich kann nach der Transplantation wieder kommen“, sagte er leise und ohne Hoffnung. Sie rührte sich nicht. Ihr leerer Blick in eine Zukunft ohne ihn krampfte sich um seine Eingeweide. Willst du mich dann quälen, hatte sie gefragt, indem du mich ständig erinnerst, was ich verloren habe? Du wirst nicht mehr der Mann sein, den ich liebe.

Er würde sie nicht wieder sehen, das war der Preis der Befreiung von seiner Einsamkeit. Vielleicht hatte sie sogar recht und er wird es nicht einmal mehr wollen. Nur jetzt tat es weh und machte seine Stimme rau. „Ihr kommt sehr gut ohne uns aus.“

Bei der Suche nach dem Geheimnis des Lebens hatten die Gensequenzierer irgendwann das Menetekel offenbart und es gab kokettes Weltuntergangsgeflüster in den Feuilletons der Sonntagszeitungen. Aber niemand nahm es ernst. Dann ließ die Fruchtbarkeit nach, zu viele Hormone in der Landwirtschaft, hieß es. Den wirklichen Grund hatten sie verdrängt, stattdessen künstliche Methoden gefunden. Eine unwesentliche Verzögerung des Millionen Jahre alten Spielplans. Ihre Rolle war zu Ende und morgen würde er den Schlusssatz sprechen. Wer brauchte noch Männer.
 
A

Amos

Gast
Hallo Rumpelsstilzchen!

Es ist mir schon des öfteren aufgefallen, daß du eine besondere Vorliebe dafür zu haben scheinst, griffige Pointen auf einen letzten Satz zu legen, was dir auch dieses Mal wieder sehr gut gelungen ist. Man möchte ggf. versucht sein zu spötteln, daß eine derartige Überschätzung des männlichen Geschlechts hinsichtlich seiner Bedeutung für den "Zivilisationsprozeß" nur aus der Sichtweise eines seiner Angehörigen nachvollziehbar ist - aber lassen wir das.

Beim Lesen bin ich lediglich beim Übergang zum letzten Absatz ein wenig gestolpert, er schien mir etwas "aufgesetzt"; persönlich hätte es mir besser gefallen, wenn du den Übergang fließender gestaltet hättest. Man könnte vielleicht auch den Frust etwas deutlicher machen, wie man(n) sich fühlen muß als letzter seiner Art, belagert von den Medien, knapp dem Versuch entkommen, von der Kulturanthropologischen Stiftung zwangsweise in ein Museum eingewiesen zu werden... Nur um die Sache vielleicht etwas dramatischer zu gestalten.

Unklar bleibt mir allerdings die Sache mit der Transplantation; natürlich gibt es eine naheliegende Lösung, allerdings finde ich sie ein wenig - nun ja, unpassend. Schließlich wäre das nur die äußerliche Angleichung, die m.E. unweigerlich in einem Disaster resultieren müßte. Es sei denn, du denkst an etwas anderes als an eine Geschlechtsumwandlung.

Wie dem auch sei, die Lektüre hat Spaß gemacht und zum Grübeln angeregt, und zudem liest sich die Geschichte als interessantes Pendant zu "Auch eine Möglichkeit".

Mit besten Grüßen,

Asmo
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
da

bleibt noch die frage: wie schaffte er es, sich vor den anderen frauen zu verbergen und nur bei der einen zu leben? ich kann mir vorstellen, dass die weiber sich gnadenlos um den kerl zerfetzt hätten.
ansonsten: gut erzählt.
lg
 

xrotbartx

Mitglied
Autsch

„Bitte, tu’ es nicht!“ Sie kniete vor dem Sessel [red]und[/red] [blue]Du vermengst hier zwei Infos, die nichts miteinander zu tun haben. Mach lieber zwei Hauptsätze daraus.[/blue] ihre verquollenen Augen flehten zu ihm hoch.

„Hör’ auf, es hat doch keinen Zweck.“ Er hatte genug von dieser [strike]quälenden[/strike] Diskussion.

„Ich brauche dich“, flüsterte sie, viel zu oft hatte sie diese Worte in den vergangenen Wochen geschrieen.
[blue]Du springst hier mit der Perspektive hin und her, wie es dir gerade passt. Vielleicht kann man das noch umformulieren.[/blue]

Er lachte bitter. „Wofür? Als Erinnerungsstück? Für dein persönliches Museum?“ Sanft befreite er seine Beine aus ihrer Umklammerung und stand auf.

„Nie wieder werde ich jemanden wie dich finden!“ [blue]Wer sagt das?[/blue]

Er ging zum Fenster und sah durch [red]sie[/red] [blue]Durch die Frau? Das Fenster ist Einzahl.[/blue] hindurch, hinaus in die glitzernde Dunkelheit der Stadt. „Natürlich nicht, ich bin der Letzte. Ein Relikt.“

Er sagte nicht mehr, wie sehr er es hasste, nicht wie die [strike]A[/strike][blue]a[/blue]nderen zu sein. Wie einsam, unendlich einsam er war. Dass er doch sie habe, würde sie antworten, und sie zusammen gehörten. Ihr Spiegelbild erhob sich vom Boden [red]und[/red] [blue]Siehe ganz oben.[/blue] er schloss die Augen. Das ist nicht das Gleiche, hatte er versucht zu erklären. Du bist nicht wie ich. Niemand ist wie ich. Nicht mehr.

[red]Geschichte.
Seine Art war Geschichte.
Ihr Schicksal war bereits besiegelt gewesen, als sie, noch in ihrer Unbesiegbarkeit schwelgend, sich mit Eifer die Erde untertan machten. Jahrtausende hatten sie die Geschicke der Menschheit bestimmt. Sie waren die Herren über Krieg und Frieden gewesen, hatten das Recht geschaffen und die Urteile gesprochen, im Namen des Fortschritts das Leben erforscht und Tode erfunden. Die Gründe gleich dazu. Nichts und Niemand war ihnen gewachsen gewesen, nicht einmal sie selbst. Sie hatten die Welt gezähmt.[/red] [blue]Sorry, aber wen meinst du?[/blue]

Ihr Atem kitzelte seinen Nacken, als sie sich an ihn drängte. „Schlaf mit mir. Ein letztes Mal.“ Ihre Hände schlichen an seinen Schritt heran und ein kleines feuchtes Tier kroch hinter sein Ohr.

„Lass das.“ Leise und gleichmütig kamen die Worte. Das Tier zuckte vor ihrer Endgültigkeit zurück.

Was hätte es für einen Sinn? Er war der Letzte und wollte es bleiben. Anfangs hatten sie es versucht, als ihre Leidenschaft sein Widerstreben noch besiegen konnte. Aber im Laufe der Zeit war ihr Verlangen verzweifelter geworden und sein Widerwille wuchs daran zur Gewissheit, es dem Ungezeugten schuldig zu sein. Wie oft hatte er seinen Vater verflucht! Seine arrogante Überheblichkeit, die ihn zu dieser sinnlosen Existenz in einer Welt verurteilt hatte, die seinesgleichen nicht mehr brauchte.

Sie war an ihm herunter geglitten und stieß ihre Schluchzer in seine Kniekehlen. Sie konnte seinen Entschluss nicht erschüttern, diesmal würde er ihren egoistischen kleinen Schmerz aushalten.
Meine Liebe ist groß genug, um dem Hass und Neid der [strike]A[/strike][blue]a[/blue]nderen zu widerstehen [red]und[/red] [blue]Siehe wieder gaaaanz oben.[/blue] du willst einfach aufgeben, was wir haben, hatte sie ihm vorgeworfen. Was sie hatte: Seine Einzigartigkeit. Schließlich hatte er es verstanden.

Es war still geworden hinter ihm und er drehte sich um. Erschöpft von ihrem aussichtslosem Kampf lag sie in sich zusammen gerollt auf dem Teppich.
„Ich kann nach der Transplantation wieder kommen“, sagte er leise und ohne Hoffnung. Sie rührte sich nicht. Ihr leerer Blick in eine Zukunft ohne ihn krampfte sich um seine Eingeweide. Willst du mich dann quälen, [red]hatte sie gefragt[/red] [blue]Warum fragt sie es nicht jetzt?[/blue] , indem du mich ständig erinnerst, was ich verloren habe? Du wirst nicht mehr der Mann sein, den ich liebe.

Er würde sie nicht wieder sehen, das war der Preis der Befreiung von seiner Einsamkeit. Vielleicht hatte sie sogar recht und er wird es nicht einmal mehr wollen. Nur jetzt tat es weh und machte seine Stimme rau. „Ihr kommt sehr gut ohne uns aus.“

Bei der Suche nach dem Geheimnis des Lebens hatten die Gensequenzierer irgendwann das Menetekel offenbart und es gab kokettes Weltuntergangsgeflüster in den Feuilletons der Sonntagszeitungen. Aber niemand nahm es ernst. Dann ließ die Fruchtbarkeit nach, zu viele Hormone in der Landwirtschaft, hieß es. Den wirklichen Grund hatten sie verdrängt, stattdessen künstliche Methoden gefunden. Eine unwesentliche Verzögerung des Millionen Jahre alten Spielplans. Ihre Rolle war zu Ende und morgen würde er den Schlusssatz sprechen. Wer brauchte noch Männer[red].[/red][blue]?[/blue]

Ich hoffe, es hilft auch dir.
 
A

Amos

Gast
@xrotbartx: Deine Korrekturen mögen aus der subjektiven Perspektive eine Verbesserung darstellen, eine Notwendigkeit hierfür scheint mir aber nicht gegeben, da sie am Verständnis des Textes kaum etwas ändern.

Die Streichung der Konjunktionen, die schließlich dazu dienen, zwei (Teil-)Sätze miteinander zu verbinden, macht das Beschriebene nicht besser verständlich. Man/frau kann durchaus gleichzeitig knien und flehen; diese Verknüpfung scheint mir schon fast archetypisch - warum in zwei Sätze zerlegen?

Den willkürlichen Perspektivwechsel kann ich auch nicht erkennen. Mal spricht er, mal sie.

Seine Art war Geschichte.
Ihr Schicksal war bereits besiegelt [schnipp] Sie hatten die Welt gezähmt. [blue]Sorry, aber wen meinst du?[/blue]
Wenn der Autor die Frage an dieser Stelle beantworten würde, wäre die Pointe überflüssig. Darf man dem Leser nicht zumuten, auf die Auflösung zu warten?

Wie gesagt, man diese Korrekturen anmerken, aber ich zweifle, daß sie den Text wesentlich verbessern.

--Amos
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Man könnte vielleicht auch den Frust etwas deutlicher machen, wie man(n) sich fühlen muß als letzter seiner Art, belagert von den Medien, knapp dem Versuch entkommen, von der Kulturanthropologischen Stiftung zwangsweise in ein Museum eingewiesen zu werden... Nur um die Sache vielleicht etwas dramatischer zu gestalten.
Mit solchen Sensationen wäre es große Oper. Mir genügte das Kammerspiel; das Drama ist immer ein persönliches.
Schließlich wäre das nur die äußerliche Angleichung, die m.E. unweigerlich in einem Disaster resultieren müßte.
Das ist ja das Drama.
bleibt noch die frage: wie schaffte er es, sich vor den anderen frauen zu verbergen und nur bei der einen zu leben? ich kann mir vorstellen, dass die weiber sich gnadenlos um den kerl zerfetzt hätten.
Vielleicht hätten sie sich gefetzt. Einige sogar bestimmt. Tja, sie gewann. Ein Alphaweibchen eben.

Nun zu deinem Geschichtspeeling, mein lieber xrotbartx :)):
Einen dicken Pickel hast du tatsächlich gefunden: den Perspektivwechsel. Muss noch ein bisschen reifen, dann drücke ich ihn aus.
Der Rest sind Schönheitsflecken, alle mit Sorgfalt appliziert.
Hier zum Beispiel:
Er ging zum Fenster und sah durch sie hindurch, hinaus in die glitzernde Dunkelheit der Stadt.
Das ist eine Katapher (Vorwärtsverweis) auf
Ihr Spiegelbild erhob sich vom Boden ...
Frisch gepudert und perückt, ist er abgerückt
 

xrotbartx

Mitglied
Das ist eine Katapher (Vorwärtsverweis) auf

quote:
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Ihr Spiegelbild erhob sich vom Boden ...
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Richtig deutlich wird das aber nicht.
Die "und" sind wirklich Schönheitsfehler, die ich leider nie bei mir finde, obwohl ich sie auch mache. *g* Aber dafür seid ihr ja da.
 
I

inken

Gast
Deine Geschichte vom Schlusssatz her interpretierend frage ich mich das angesichts mancher selbstherrlicher Exemplare dieser Gattung allerdings auch. Mir gefällts nicht. Inken

Ps. Das Thema der devoten Dame ist geschickt verpackt,
wen wundert da noch die Threadverschiebung :D
 



 
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