Eines Tages

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Ji Rina

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Eines Tages verlor er seine Arbeit. Man teilte es ihm in einem Brief mit, in zwei, drei knappen Sätzen, die er zuerst nicht begreifen wollte: Die Firma sei pleite und sie könne sich kein Personal mehr leisten, es täte ihnen unendlich leid, aber er müsse Verständnis haben. Fassungslos saß er am Tisch und starrte an die Wand.

Als er es an diesem Abend seiner Freundin erzählte, reagierte sie zunächst besser, als er erwartet hätte. Sie las den Brief langsam durch und sagte ihm, er solle sich nicht sorgen. Irgendwas Neues würde sich schon noch finden. Sie habe ja ihre Arbeit und verdiene genug, davon könnten sie beide erst mal leben. Im Laufe des Abends nahm sie ihn in die Arme und sagte: »Wir sind doch ein Paar! Wir halten zusammen.«

Es folgten einige unruhige Tage, an denen er nicht so recht wusste, was er tun sollte. Er war mit dem Auto mehrmals in die Stadt gefahren, hatte stundenlang in Cafés gesessen, die Menschen beobachtet und vor sich hin gegrübelt. Zunächst genoss er diese neue Freiheit, doch sehr bald schon blieb er zu Hause. Er sah sich langweilige Sendungen im Fernsehen an, ordnete die Anzüge in seinem Schrank und hoffte auf eine neue Arbeit. Er tat einige der Dinge, für die er sonst nie Zeit fand, und wartete abends auf seine Freundin.

Die ersten Tage gingen sie mehrmals aus. Sie besuchten Kinos und gingen einmal ins Theater, zweimal noch gingen sie in ein gutes Restaurant, doch dann beschlossen sie, nicht mehr auszugehen und lieber zu Hause zu bleiben, auch um ein wenig zu sparen. Jeden Morgen kaufte er die Zeitung, nahm sich einen Bleistift und machte kleine Kreuzchen bei den Anzeigen, die für ihn infrage kamen. Er schrieb ordentliche Bewerbungen, ließ ein gutes Foto von sich machen, klebte es hinein und ging damit zur Post. Irgendwas würde sich schon noch finden, da hatte seine Freundin recht, und auch er fühlte sich eigentlich recht zuversichtlich. Morgens um sieben ging er runter in den kleinen Lebensmittelladen, wo Frau Martinez die Kunden bediente. Sie war eine große, kräftige und sehr selbstsichere Frau.
Jeden Morgen reichte sie ihm seine Tüte Brötchen und fragte:
»Schon was gefunden?«
Er verneinte die Frage mit einem hoffnungsvollen Lächeln und erklärte, dass er mehrere Bewerbungen abgeschickt habe und jetzt nur noch auf die Antworten warte. Er sagte: »Irgendwas wird sich schon noch finden. Ich mache mir da keine Sorgen.«

Aber es schien sich nichts zu finden. Zwei Monate waren jetzt vergangen, und niemand meldete sich. Bewarb er sich per Telefon, sagte man ihm, die Stelle sei schon vergeben. Andere sagten ihm, er sei zu alt oder er wohne zu weit weg oder sei nicht geeignet – oder sie sagten gar nichts, nahmen seine Daten auf, meldeten sich aber nicht zurück. Hatte er am Anfang noch die Firmen angeschrieben, die seinem wirklichen Beruf entsprachen (Angestellter einer großen Trockenreinigung), so bewarb er sich jetzt für alles Mögliche: zuerst als Portier für ein kleines Hotel, dann als Chauffeur, schließlich als Telefonist, dann als Taxifahrer und Gärtner und zum Schluss als Tellerwäscher in einem griechischen Restaurant.
Doch nichts geschah. Man brauchte ihn nicht. Anscheinend wollte man nichts von ihm wissen, auch nicht als Gärtner oder Tellerwäscher.
Seine Freundin besuchte ihn meistens abends, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war. Schon an der Haustür, wenn er jetzt etwas steif und abweisend vor ihr stand, strich sie ihm über das Haar, gab ihm einen Kuss und redete ihm gut zu, er solle nicht aufgeben, es würde sich schon noch was finden, früher oder später, sagte sie, müsse es ja passieren.
Dazu sagte er nichts. Jetzt nämlich bezahlte sie schon seine Miete, aber auch ihr Geld wurde knapper. Er merkte es an kurzen Worten und an kleinen Bemerkungen, die sie hier und da fallen ließ: Lass uns heute lieber zu Hause bleiben, Liebling, und nicht ins Kino gehen, wir können ja auch fernsehen. Oder: Ich habe Milch statt Sahne mitgebracht, ist ein bisschen billiger … Ist das okay? Oder: Lass uns doch mit dem Bus fahren, der Sprit ist gerade so teuer.

Mit der Zeit wurde er noch steifer und noch abweisender, er wurde verschlossener. Die wenigen Freunde, die er hatte, erkannten ihn kaum wieder. Sie sagten, er sei nicht mehr der Gleiche, irgendetwas habe sich an ihm verändert; letztendlich wichen sie ihm aus. Rechnungen häuften sich auf seinem Schreibtisch. Mahnungen trafen ein; Zahlungsaufforderungen des Kreditinstituts für die Wohnung, seinen Wagen, den Kühlschrank und den neuen Fernseher ....Briefe, die er ungelesen in eine Ecke warf. Er begann morgens länger im Bett zu bleiben, dann auch mittags und schließlich auch abends, wenn seine Freundin kam. Doch auch sie hatte sich inzwischen verändert. Ihre Augen waren jetzt matter, Lockerheit und Fröhlichkeit waren aus ihrem Gesicht gewichen. Sie wurde ernster und lachte nur noch selten, und die Spontaneität, die er so sehr an ihr bewunderte, blieb plötzlich aus. Sie hatten sich nicht mehr viel zu sagen, saßen nur noch steif und stumm in der Wohnung. Kleinere Diskussionen gehörten plötzlich zum Alltag, und schließlich gerieten sie in einen Streit, bei dem sie ihm erklärte, dass es so nicht weiterginge, dass sie nun alles in einem anderen Licht sähe. So genau, sagte sie, wüsste sie auch nicht, was los sei, aber die Lage habe sich verändert. Und zwei Tage später steigerte sie sich in etwas hinein, wobei sie immer lauter wurde und dann auch wütend. Schließlich wurde sie persönlich und sagte, er würde sich kaum noch duschen; er würde sich nicht mehr rasieren und seine Haare nicht mehr schneiden lassen. Er sei nicht mehr der Mann, in den sie sich einst verliebt hätte, und dann sagte sie, dass sie Zeit brauche, Zeit würde alles entscheiden. Sie wolle sich erst mal ein wenig distanzieren, sich zurückziehen, um zu versuchen, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Doch dann, drei Wochen später, meldete sie sich am Telefon, und sagte, sie glaube ihn nicht mehr zu lieben, so genau wüsste sie es auch nicht, aber eine Trennung, sei wohl erst mal das Beste. Es täte ihr alles so leid, aber er könne trotzdem jederzeit zu ihr kommen, denn – das müsse er wissen – es wäre schön, so sagte sie, wenn sie wenigstens noch Freunde blieben.

Jetzt war er ein gebrochener Mann.

Zweimal noch ging er morgens in den Laden, um sich Brötchen zu holen. Er hoffte, dass Frau Martinez beschäftigt sei und ihn nicht sähe, doch da irrte er sich. Frau Martinez, die sich auf ihren schwarzen, schweren Dutt täglich eine rote Blume steckte, strahlte ihn in ihrem makellosen, schneeweißen Kittel schon von der Kasse aus an, und noch bevor er irgendwas sagen konnte, fragte sie über aller Köpfe hinweg:
»Na? Schon was gefunden?«
Nein, sagte er zerknirscht, nein, das habe er noch nicht, aber es würde sich schon noch was finden. Manche Dinge, so sagte er ihr, bräuchten nun mal ihre Zeit.

Im Herbst verschlechterte sich seine Lage um einiges. Die Zusage auf Arbeitslosengeld ließ auf sich warten. Gas, Strom und Telefon waren längst abgestellt, und auf dem Tisch lag die Räumungsklage. Auch die Wohnung selbst war nur noch ein Durcheinander von herumliegender Wäsche, schmutzigem Geschirr, alten Zeitungen und Aschenbechern voller Kippen.
Er aß nichts mehr, rauchte und trank billigen Wein. Er war blass und krank und stark abgemagert und trug jetzt einen langen Bart. Seine Haare standen ihm wie Drähte vom Kopf und sein Blick war wirr. Nachbarn tuschelten morgens im Treppenhaus und machten Witze. Wenn er die Treppe herunterkam, wichen sie ihm aus. Sie sagten, er sähe wie Robinson Crusoe aus. Die Anzeigen las er nur noch im Schein einer Kerze, die Kreuzchen machte er nur noch im Liegen, denn selbst dafür war er schon zu schwach.

Eines Abends, lag er im Bett und starrte gedankenlos an die Decke. Mit einem Lächeln auf den Lippen wurde ihm jetzt sein ganzes Schicksal bewusst: Er hatte einen Beruf gehabt, und man hatte ihn ihm genommen. Er hatte eine Freundin gehabt, und man hatte sie ihm genommen, er hatte eine Wohnung, und auch diese würde man ihm jetzt nehmen, Gas und Strom, Auto und Telefon, Tag für Tag, jedes Mal ein bisschen und schließlich alles auf einmal, nahm man ihm jetzt weg. Er hatte nichts. Nichts war alles, was er noch besaß. Und dann begann er auch darüber nachzudenken: Was, wenn er auch dieses „Nichts“ verlieren sollte? Denn man würde ihm auch das wegnehmen wollen. Und plötzlich sah er dieses Stück Nichts vor sich im Dunklen an der Decke seines Zimmers hängen. Es hing da, wie ein vertrockneter Pfannkuchen über dem Fenster. Er steckte sich eine Kippe zwischen die Lippen, verschränkte die Arme unter dem Nacken und betrachtete es. Und kam dann zu dem Entschluss, dass er sich von diesem Stück Nichts besser noch eine kleine Scheibe abschneiden sollte, als Vorsichtsmaßnahme sozusagen, nur zur Sicherheit. Vielleicht könnte er es dann noch durch drei teilen, oder in mehrere kleine Stückchen. Er könnte versuchen, das letzte Fitzelchen Nichts zu verstecken und solange wie möglich bei sich zu halten. Aber irgendwann müsste er auch dieses hergeben! Nun, wenn es so weit wäre, könnte er sich ganz heimlich ein provisorisches Nichts zulegen. Dieses dann mit ein paar Hoffnungen und Illusionen ein wenig aufpeppen, ein wenig schmücken, bis irgendjemand auch an diesem provisorischen Nichts zerren würde. Denn daran hatte er keine Zweifel, sie würden so lange daran rütteln und reißen und ziehen, bis er es hergeben müsste, oder bis es letztendlich kaputt wäre, eins von beidem. Er müsste also die Zähne fletschen, genau wie ein bissiger Hund über seinem Knochen, es mit Zähnen und Krallen verteidigen als handele es sich um sein Leben. Aber auch dieses, da war er sich inzwischen sicher, würde man ihm irgendwann nehmen. Und dann?
Mit flackernden Augenlidern und zutiefst besorgt schlief er an diesem Abend ein.

Drei Tage später entdeckte er zufällig im Inneren seiner Jackentasche eine Münze. Er überlegte lange, was er damit noch kaufen könnte, dann ging er runter in den Laden, um sich das allerletzte Mal ein Brötchen zu holen. Frau Martinez stand ganz hinten in einer Ecke und unterhielt sich gerade mit einer Kundin, aber als sie ihn sah, ließ sie die Kundin stehen und kam auf ihn zu.
Sie nahm sich die Brille ab und musterte ihn ein wenig besorgt, jedoch auch amüsiert und sagte: »Na, jetzt haben wir uns aber lange nicht gesehen!« Er beobachtete, wie sich ihre Gesichtszüge ganz langsam in ein breites Grinsen verwandelten, als sie fragte: »Schon was gefunden?«
Er wich ihrem Blick aus, legte seine Münze neben die Kasse und klemmte sich die Tüte mit dem Brötchen unter den Arm. Er wollte einfach hinausgehen, doch Frau Martinez stand dort, noch immer auf eine Antwort wartend, und er wollte nicht unhöflich wirken. Nein, sagte er sehr leise, fast flüsternd, er habe noch nichts gefunden. Na ja, es würde sich schon noch was finden, sagte sie, wär doch ’n Witz, wenn er nichts mehr finden sollte. Er blieb stehen und sah sie aus rot entzündeten Augen an. Nein, das glaube er nicht, sagte er, er glaube nicht, jemals noch etwas zu finden. Er sagte dies sehr trocken und verbittert.

Daraufhin verließ er den Laden und wunderte sich über diese neue Situation: Er stand da, mitten auf der Straße und war noch immer am Leben, und um ihn herum war immer noch das Nichts.
Und dieses Nichts, völlig ruhig und gelassen, lächelte ihm jetzt sogar freundlich zu.
Es folgte ihm durch die Straße – und begleitete ihn zurück in die Wohnung.
 

ThomasQu

Mitglied
Servus Jirina,

in allen Einzelheiten beschreibst du den Abstieg und Verfall deines Protagonisten - und das richtig toll, so, dass es dem Leser wehtut! (Erinnert ein bisschen an Knut Hamsuns Roman Hunger).

Am besten gefällt mir der Schluss, in dem der Protagonist abdriftet. Man kann sich voll in ihn hineinfühlen. Interessant hast du die Nebenfigur Kioskverkäuferin beschrieben, die sich über ihn lustig macht.

Möglicherweise zeigt der Text auch ein Stück Spanien/Griechenland der heutigen Zeit.

Grüße, Thomas
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Thomas!

Das ist wohl wahr: Ein Hauch Spanien nach der Krise.
Knut Hamsuns kenne ich nicht...(hoffentlich ist das nicht schlimm) :)
Vielen Dank fürs Lesen und die (grosszügige) Bewertung!
Ji
 

rothsten

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Moin Ji Rina,

Dein Text ist von meinem Vorredner ja schon als beinahe perfekt eingestuft worden. Beschäftigt man sich jedoch mal genauer mit dem Text, fallen doch erhebliche Schwächen auf.

Vorweg: Ich sage gleich, dass es hart werden wird, Du wirst Dich vielleicht zu Unrecht kritisiert fühlen, denn schließlich suggeriert man Dir ja, alles sei toll, alles sei beinahe perfekt. So kann man sich aber nicht entwickeln. Die alles entscheidende Frage ist: Läd man hier Texte hoch, nur um gesalbt zu werden? Oder läd man hier Texte hoch, um an ehrlicher Kritik zu wachsen? Ich bin nur für den zweiten Teil zu haben, das gegenseitige, meist ungerechtfertigte Hochjubeln halte ich nicht nur für lächerlich, sondern für hochgradig schädlich!

Die Story hat durchaus Potenzial - der Werdegang eines Langzeitarbeitslosen. Dein Stil ist auch flüssig und lässt sich gut lesen. Soweit das Positive.

Mein Essig in Deinen Wein und meine Erklärungen, warum Du weit weg bist von einer "fast perfekten" Autorin:

es täte ihnen unendlich leid,
So schreibt kein Arbeitgeber in einer Kündigung. Offensichtlich hat man Dir noch nie gekündigt. Das ist schön, und das macht Dein Unwissen verzeihlich, aber wenn ein Arbeitgeber sich knapp halten will ("zwei, drei Sätze"), schreibt er "aus betriebsbedingten Gründen". Dann noch ein guter Wunsch für die Zukunft - that´s it.

So mag man eine Mitgliedschaft in einer sozial-pädagogischen Häkel- und Teerunde kündigen, nicht jedoch ein Arbeitsverhältnis in der realen Welt.

[red]Im Laufe des Abends[/red] nahm sie ihn in die Arme und sagte: »Wir sind doch ein Paar! Wir halten zusammen.«
Dieser Handlungsablauf macht keinen Sinn. Er eröffnet ihr die Kündigung, und "im Laufe des Abends" nimmt sie ihn spontan an ihre Brust? Das wäre doch die unmittelbare Reaktion gewesen.

so bewarb er sich jetzt für alles Mögliche: zuerst als Portier für ein kleines Hotel, dann als Chauffeur, schließlich als Telefonist, dann als Taxifahrer und Gärtner und zum Schluss als Tellerwäscher in einem griechischen Restaurant.
Doch nichts geschah. Man brauchte ihn nicht.
Das ist zu wenig erklärt. Wir gehen davon aus, dass jemand, der willig, fähig und sogar bereit ist, sich als Tellerwäscher zu verdingen, schon irgendwo unterkommen dürfte. Arbeit gibt es in Deutschland genug - nur über die Bedingungen (Stichwort "prekäre Beschäftigung" etc.) müssten wir reden. Es gibt eine hocheffiziente Industrie, die Menschen in Arbeit vermittelt (Arbeitsagentur, Jobcenter, Zeitarbeitsfirmen etc.). Jemand, der arbeiten darf (rechtliche Erwerbsfähigkeit), arbeiten kann (tatsächliche Erwerbsfähigkeit) und arbeiten will (Eigenantrieb), der wird in diesem Land auch Arbeit finden - es sei denn, er hat ein ernstes Problem (Gesundheit etc.). Davon sehe ich aber nichts, daher klafft hier eine große Lücke in der Glaubwürdigkeit.

Ich kaufe Deiner Geschichte dieses Schicksal eines werdenden Langzeitarbeitslosen nicht ab, nicht dem von Dir als zuverlässig, fähig und willig geschilderten Prot! Da dieses Thema aber das Hauptscharnier Deiner Story ist, hat selbige ein großes Problem!

-> Klassischer Recherchefehler!

Jetzt nämlich bezahlte sie schon seine Miete, aber auch ihr Geld wurde knapper.
Auch das hält einer Prüfung durch die reale Welt nicht stand. Dem Kontext ist zu entnehmen, dass er lange berufstätig war - damit hat er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, Bezugsdauer grundsätzlich 12 Monate, Höhe mindestens 60 % vom Brutto. Das sollte reichen, um zumindest anteilig Miete zahlen zu können. Die Lebenssituation ist übertrieben dargestellt und damit leidet wiederum die Glaubwürdigkeit.

Du siehst, es reicht nicht aus, nur sein Halbwissen zu bemühen.

-> Klassischer Recherchefehler!

Oder: Ich habe Milch statt Sahne mitgebracht, ist ein bisschen billiger … Ist das okay? Oder: Lass uns doch mit dem Bus fahren, der Sprit ist gerade so teuer.
Sorry, aber jetzt wird es albern! Dieses auf den Cent achten kaufe ich vielleicht einer alleinerziehnden Mutter von 4 Kindern ab, die ihr halbes Hartz IV für die Miete zusteuert, damit ihre Kinder nicht im Ghetto aufwachsen müssen. Aber bei einem vollen Lohn und ALG I ...

Du schreibst einen sozialkritischen Text, ohne Dich ernsthaft mit den Sozialleistungen in diesem Land auseinandergesetzt zu haben. Jeder halbwegs an den wahren Lebensumständen interessierte Bürger glaubt Dir spätestens an dieser Stelle kein Wort mehr!

die Spontaneität, die er so sehr an ihr bewunderte, blieb [red]plötzlich[/red] aus
Nein, nicht plötzlich! Das führt Deinen Erzählstrang ad absurdum! Du willst doch eben diesen schleichenden Verfall beschreiben!

Kleinere Diskussionen gehörten plötzlich zum Alltag, und schließlich gerieten sie in einen Streit, bei dem sie ihm erklärte, dass es so nicht weiterginge, dass sie nun alles in einem anderen Licht sähe. So genau, sagte sie, wüsste sie auch nicht, was los sei, aber die Lage habe sich verändert. Und zwei Tage später steigerte sie sich in etwas hinein, wobei sie immer lauter wurde und dann auch wütend.
Eine gute Geschichte hätte hier nicht nur die Ergebnisse des schleichenden Verfalls zusammengefasst und aufgelistet, sondern erzählt! Und eine "fast perfekte" (Note 9) Erzählung hätte den Leser hierdurch soweit mitgenommen, dass er meint, er säße mit im Wohnzimmer und könne das Paar anfassen.

Mach doch Handlungen daraus, lass sie miteinander reden. Bring Leben in die Bude! Willst Du erzählen oder nur berichten? Schreibst Du Literatur oder für eine Zeitung?


Jetzt war er ein gebrochener Mann.
Man kann darüber streiten, aber ich finde solche Sätze fatal. Wenn ich schreibe, will ich dem Leser sowas nicht vorsetzen, ich will ihn höchstens hinführen.

Zweimal noch ging er morgens in den Laden, um sich Brötchen zu holen.
Sprachirrtum: Du schreibst, er ging am selben Morgen zweimal Brötchen holen.

Im Herbst verschlechterte sich seine Lage um einiges. Die Zusage auf Arbeitslosengeld ließ auf sich warten.
Hä? Wieso beantragt er das denn jetzt erst? Das ist doch lebensfremd!

Er überlegte lange, was er damit noch kaufen könnte, dann ging er runter in den Laden, um sich das allerletzte Mal ein Brötchen zu holen.
Ich weiß nicht, in welchem Land Du lebst, aber lass Dir gesagt sein, dass in Deutschland niemand freiwillig Hunger leiden muss. Sorry, aber das ist viel zu pathetisch.

Deine Kenntnis unseres Sozialstaates ist nicht ausreichend, um einen solchen Text glaubhaft zu schildern.

Das war hart, das war aber vor allem ehrlich. Nimm die 9 Deiner Claqueure und wähne Dich im Äther einer Könnerschaft, oder nimm meine Kritik, setz Dich damit an den Schreibtisch und versuch, eine bessere Autorin zu werden. Die Entscheidung liegt bei Dir.

Lieben Gruß,
rothsten
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo rothsten!

Offensichtlich ist, dass deine Kritik mindestens zur Hälfte mir und meiner Benotung gilt. Normalerweise müsste ich mich nicht dafür rechtfertigen, ich versuche es trotzdem mal.
Die Frage ist: Nach welchen Kriterien darf/soll/kann man Texte bewerten?

Jirinas Geschichten haben für mich etwas Besonderes, einen gewissen Zauber, der wohl verloren ginge, wenn sie zum Beispiel dieses Kündigungsschreiben so wiedergeben würde, wie es der Arbeitgeber wortwörtlich geschrieben hat. Jirina beschreibt stattdessen, wie es bei dem Protagonisten ankommt.

Ich glaube herausgespürt zu haben, dass die Geschichte nicht in Deutschland spielt und man deswegen auch nicht zwingend das deutsche soziale Absicherungsnetz voraussetzen sollte.
Den Protagonisten sehe ich eher als phlegmatischen Menschen.

“Seine Freundin besuchte ihn meistens abends, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war“.
So steht es wörtlich im Text. Aus diesem Satz geht klar hervor, dass der Prot. nicht mit seiner Freundin zusammenwohnt, dass er sich somit die Miete von ihr zahlen lassen muss, wenn es kein Wohngeld oder ähnliches gibt.

Aber, ich finde, darauf kommt es hier doch gar nicht an.
Du analysierst und untersuchst den Text auf Logikfehler, Satz für Satz, als wäre es ein Krimi, für mich ist aber die Stimmung entscheidend, die die Geschichte in mir erzeugt und wenn der Text dann nur zu fünfundneunzig Prozent stringent sein sollte, dann passt das doch auch.

Natürlich respektiere ich deine Sichtweise, aber bitte, respektiere auch meine.

Viele Grüße,

Thomas
 

PEEB

Mitglied
@ Tom Q hat hier völlig Recht. Man sollte nicht zu stupide und unbedacht propagieren @ Rothsten. Deine Kritik ist für mich, nicht nur "nicht" hinnehmbar sondern sie beruht einzig auf eine für Dich geltende Norm. Wenn man eine solche Geschichte liest und versucht, die Vorgänge in sich logisch zu verstehen, muss man sich aus seiner kleinen Welt entfernen. So was nennt man "seinen Horizont erweitern.

Was ich an vielen Texten bemängele, ist, dass unpassende Worte den Lesefluss unterbrechen, weil sie nicht zum Verlauf, "der Stimmung" passen.

Ich weiß, dass gerade ich, genau dies nicht ansprechen sollte.

Ihr habt alle schon von mir gelesen und die Hände überm Kopf Kopf zusammengeschlagen (so, oder wie der Spruch richtig geht):D
 

PEEB

Mitglied
So schreibt kein Arbeitgeber in einer Kündigung. Offensichtlich hat man Dir noch nie gekündigt. Das ist schön, und das macht Dein Unwissen verzeihlich, aber wenn ein Arbeitgeber sich knapp halten will ("zwei, drei Sätze"), schreibt er "aus betriebsbedingten Gründen". Dann noch ein guter Wunsch für die Zukunft - that´s it.

So mag man eine Mitgliedschaft in einer sozial-pädagogischen Häkel- und Teerunde kündigen, nicht jedoch ein Arbeitsverhältnis in der realen Welt.

quote:Im Laufe des Abends nahm sie ihn in die Arme und sagte: »Wir sind doch ein Paar! Wir halten zusammen.«


Dieser Handlungsablauf macht keinen Sinn. Er eröffnet ihr die Kündigung, und "im Laufe des Abends" nimmt sie ihn spontan an ihre Brust? Das wäre doch die unmittelbare Reaktion gewesen.
Ich finde es hochgradig ungestüm und erschwerend, so zu argumentieren wie Rothsten, sorry.

Der erste Absatz begründet wieder den Erzählcharakter dieser Kurzgeschichte, das sollte man als kritisierender Autor wissen/bedenken!!!

Warum nicht im Laufe des Abends???
Manchmal werden Gefühle erst später sichtbar, sodass erst später darauf reagiert werden kann. Man soll einem Autor schon seine Vorstellung lassen und nicht auf Normen beharren.
 

rothsten

Mitglied
Was Du, Thomas, immer noch nicht begriffen hast, ist, dass Erzählungen wie diese ´nur funktionieren, wenn die darin enthaltenen Figuren zu Leben erweckt werden. Damit sie das tun, müssen sie plausibel konstruiert sein, sollten ein klares Ziel haben und alles, wirklich alles im Plot sollte darauf ausgerichtet sein. Ein Kinderschänder zB wird dem Leser nur dann erfahrbar, wenn man die Hintergründe kennt, die ihn so haben werden lassen, zB: er wurde schwer gedemütigt, woraus sein krankhaftes Verhältnis zu Macht entstanden ist.

Gute Erzähler verstehen es, eine wirklich plausible Figur zu erzeugen, und sie verstehen es, die Handlung entsprechend darum zu weben.

Du findest den Prot phlegmatisch - das ist er offensichtlich nicht! Er bewirbt sich fleißig, hat einen geordneten Tagesablauf, eine stabile Beziehung ... das ist das Gegenteil von Phlegma! Anderenfalls wäre die Geschichte völlig sinnfrei, denn sie will ja gerade den Verfall, das Krankwerden durch Langzeitarbeitslosigkeit darlegen. Ein Phlegmatiker kann sich hierin aber nicht entwickeln. Lerne das Figurenhandwerk! Dein Einwurf geht ins Aus!

Es ist naheliegend, die Geschichte zunächst in Deutschland zu vermuten. Ansonsten hätte ja eine winzige Andeutung gereicht, um sie anders zu verorten, zB "er kaufte den Madrilener Morgenkurier". Man kauft übrigens Brötchen, und das deutet klar auf Deutschland hin. Wessen Schuld ist diese erzählerische Ungenauigkeit, meine?

Was Du versuchst, ist klar: Du biegst Dir die Geschichte solange zurecht, bis sie zu dem von Dir gewünschten Ergebnis passt. Das ist aber albern! Ich erinnere mich sehr gut an Deine Fantasygeschichte, die ich Dir zigfach um die Ohren gehauen habe, vor allem der vielen Logikfehler und anderen handwerklichen Missgriffe wegen. Du hast Dich aufrichtig dafür bedankt und anerkannt, dass es zwar schmerzt und es eine mühselige Plackerei ist, aber der einzig brauchbare Weg sein kann, sich wirklich zu verbessern. Du hast ehrlich daran gearbeitet, und das war für uns beide ein Gewinn!

Also komm mir nicht damit, dass auf einmal andere Regeln gelten!

Es ist nicht meine Schuld, dass ihr es angenehmer findet, auch gegenseitig zu huldigen, euch gegenseitig Seifenblasen aufzupusten aber ganz schnell wegguckt, wenn sie platzen. Ich lege die Finger in die Wunden Eurer Texte, ich lege sie aber auch in die Wunden solcher Kommentare!

Lernt Schreiben oder lasst es und lebt weiter in Euren Traumwelten, aber bitte hört auf, mich dafür an den Pranger zu stellen, dass ich ehrliche und handwerklich fundierte Textkritik mache.

Und angeblich muss man Dinge nicht logisch verstehen, man müsse ja nur seinen "Horizont erweitern" ... wenn ich so einen Schwachsinn schon höre! Muss man sowas noch ernsthaft kommentieren? Bin ich hier im Zoo?

Sorry, aber das sind typische und leider auch billigste Ausreden, um sich vor der wahren Arbeit an einem Text zu drücken. Ja, Schreiben und Kritisieren machen Maloche, jedenfalls dann, wenn man es mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betreibt. Insofern sind solche Kritiken wie meine weitaus bedeutsamer als jede noch so gut gemeinte Bewertung in Zahlen und/oder oberflächlicher Bauchpinselei.

Nun ja, ich sehe mich eher bestätigt, denn widerlegt. Und Ja, Ji Rina, gerne geschehen. Das meine ich ernst, denn meine Kritik ist ernst gemeint und trägt die Hoffnung, dass sie wirke. Das mal vorweg Deiner möglichen Antwort, damit wir uns nicht missverstehen.

Lieben Gruß
 

PEEB

Mitglied
Und angeblich muss man Dinge nicht logisch verstehen, man müsse ja nur seinen "Horizont erweitern" ... wenn ich so einen Schwachsinn schon höre! Muss man sowas noch ernsthaft kommentieren? Bin ich hier im Zoo?
Leber Rothsten, man muss auch nicht auf ungelegten Eiern pochen. Natürlich habe ich Dich auch bestätigt, da man in eine Kurzgeschichte die wörtliche Rede auch in eine Art von Norm einfügen müsste, deshalb auch meine Kritik an Dich. Du hättest JI klipp und klar sagen müssen, dass in Kurzgeschichten kein reiner Erzählcharakter liegt, und die wörtliche Rede authentisch angebracht werden sollte. Diese Tatsache hatte sie mE vergessen. Entweder besteht da seitens des Kritikers ein Defizit, das kurz widergeben zu können, was er eigentlich meint oder der Kritiker sieht nicht genau, was er eigentlich will.So möcht ich das momentan sehen und ja, Textarbeit bezgl. Kritik ist heftig schwierig, da hast Du vollkommen Recht. Deshalb zieh ich den Hut vor @ Ralph Ronneberger. Seine Kritik und seine Hilfe beruht nicht auf destruktives anzeigen, hervorheben von Fehlern oder einer überheblichen, über alle anderen Meinungen hinwegsetzenden Suppaman Kritik. Warum hast Du keine Vorschläge erbracht? Versuchst Du Dich mit Kritiken zu profilieren?
Die mindestbewertung für JIs Text ist 6, kann aber durchaus höher bewertet werden, wenn man nach den Angaben auf der Skala geht. Meine Bewertung besagte,:der Text ist ok. Konntest Du oder wolltest Du mich nicht kommentieren?
Zu einer konstruktiven Zusammenarbeit in einem Forum, sollte schon auf Gegenseitigkeit geachtet werden.
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo rothsten,

es freut mich, dass wir uns hier mal austauschen können.
Ja, ich denke noch oft daran zurück und ich bin dir sehr dankbar dafür! Bis heute!

Ob Jirinas Protagonist phlegmatisch ist, oder nicht, das lassen wir mal außen vor, für mich ist er das.
Dein Problem ist, dass es dir Schwierigkeiten bereitet, andere Meinungen zu akzeptieren. Du weißt genau, worauf ich anspiele! Ganz genau!

Trotzdem, trotz allem, würde ich dir gerne wieder die Hand reichen.
Schlag ein, oder lass es!

Grüße,

Thomas
 

rothsten

Mitglied
Thomas, ich nehme Deine Hand an. ;)

Natürlich weiß ich, worauf Du anspielst, aber das kann ich in dem Zusammenhang hier natürlich nicht so stehen lassen. Ich lasse jedem seine Meinung, so man denn eine hätte. Die meisten gönnen sich nämlich gar nicht den Luxus einer solchen. Was Du meinst, nennt man überzeugen. Und zum Text: I am not convinced!

Das gehört hier aber nicht rein. Bei Bedarf schreib mir lieber eine PN.

@PEEB
Was fällt Dir ein, mich überheblich zu nennen?
Übrigens habe ich Deinen "weisen" Rat, konkrete Vorschläge zu machen, bereits in meinem ersten Beitrag befolgt, Satz für Satz an den Stellen, die es bedürfen. Dass ich da nicht haarkleine Vorschläge mache liegt daran, dass es die Autorin nicht braucht. Es reicht ihr, wenn man es andeutet. Den Rest kann sie selbst, dafür ist sie erfahren genug.

Ich schaue mir vielleicht gleich mal einen Deiner Texte an. Dass Ralph dort so ins Detail gehen muss, lässt mich einiges erahnen ...
 

Vagant

Mitglied
Hallo Ji.

Wie ist das, wenn dein Leben von heute auf morgen zum nichtendenwollenden Countrysong geworden ist: erst der Job weg, dann das Geld und am Ende noch die Frau? Wie ist das, wenn du auf all das, worüber du dich bis heute definiert hast, auf einmal nicht mehr zählen kannst? Und – die Frage taucht früher oder später mit Sicherheit auf –, sind die Dinge die dein bisheriges Leben ausgemacht haben, denn nun wirklich die Dinge, für die es sich lohnen würde, weiterhin durchs Hamsterrad zu hetzen? Und – nächste Frage – besteht denn irgendwie die Aussicht, dass es mit den Jahren noch irgendwie besser werden wird? Ist es denn irgendwann schon mal bei irgendjemanden irgendwie besser geworden? Gut, es mag Jobs, Branchen und Gewerbe geben, in denen man auch schon mal ein paar Sprossen nach Oben fallen kann, aber als Angestellter einer Reinigungsfirma, knapp unter Mindestlohn, denk ich mal, ausrangiert, verbraucht, verzichtbar; nein, wie willste denn da nach Oben fallen? Im günstigstem Falle hälts du da gerade mal irgendwie das Level, und im Normalfall ist an diesem Punkt für dich Schicht im Schacht, und da ist es völlig belanglos, ob du flexibel und leistungsbereit bist oder dein Phlegma dir den Arsch an‘s Sofa pappt.
Und so kommt es, wie es kommen muss: Der Antiheld wird zum Helden; nicht, weil er sich nach seiner Entlassung zum nächsten miesbezahlten Hilfsjob hangelt – und zum nächsten und zum nächsten und zum nächsten –, nein, weil der Trend gegen ihn spricht, und weil ihm nach Wochen des Versuchens und des Hoffens und des Verzweifelns nun vollends klar geworden ist, dass die Rettung des Status quos das einzige ist, was nun noch in seiner Macht steht. Rette dieses Nichts, denn mehr gibt‘s für dich hier ohnehin nicht mehr!
Nun kann man solche Geschichten auf vielerlei Arten erzählen. Man hätte hier die Positiion des marktliberal-Überlegenen einnehmen können, und sagen: Komm, Junge, lass dich nicht so hängen, einen mieseren Job wird sich immer noch für dich finden lassen!
Man hätte die Erzählposition des moralinsauren Zeigefingerschwenkers einnehmen können, der mit Nachdruck darauf hinweist, dass es nicht angehen kann, dass sich diese kleine Rädchen nun aus dem gut geschmierten Zusammenspiel des Räderwerks verabschiedet; ja, man hätte dieses, man hätte jenes... aber zum Glück bist du dem nicht auf dem Leim gegangen, und hast aus einer, wie ich finde, gut gewählten, distanzierten, aber doch mitmenschlichen Perspektive erzählt. Ich möchte fast meinen, da ein bisschen Sympathie für diesen Loser herausgelesen zu haben.

Ji, vor der Textkritik drücke ich mich heute mal. Hier tobt ja gerade schon ein kleiner Kritikerkrieg, und da gerät man ungern zwischen die Fronten;-)
Aber du weißt ja, dass mich ja eigentlich der auktoriale Erzähler zu Tode langweilt, und dass man es mir ja eigentlich ‚showen‘ muss, nicht ‚tellen‘, und dass mir eigentlich immer irgendwo ein Erzählereinwurf zu viel ist, und dass ich mir vielleicht etwas mehr von dieser spröden Nüchternheit des ersten Satzes gewünscht hätte, und und und...
... und dann auch wieder alles Quatsch,
... denn am Ende kann ich sagen: Der auktoriale Erzähler hat mich hier gut und sicher durch die Geschichte manövriert, und die viele indirekte Rede hat gar nicht weh getan. Ich hab‘s gern gelesen.

Vagant.
 

Ji Rina

Mitglied
Lieber Rothsten,
Zunächst erstmal vielen Dank, dass Du Dir diese ganze Mühe gemacht hast, diesen Text so intensiv zu besprechen! Ja, selbstverständlich möchte ich lernen eine bessere Autorin zu werden und Deine Ratschläge annehmen; “Schwarzer Asphalt” hab ich noch gut in Erinnerung. Was mich besonders freut ist, dass hier ein wieder zueinanderfinden zwischen Dir und Thomas stattgefunden hat; das allein wars mir schon wert.;)

Zu Deinen Anmerkungen:
Rothsten:
Arbeit gibt es in Deutschland genug - nur über die Bedingungen (Stichwort "prekäre Beschäftigung" etc.) müssten wir reden. Es gibt eine hocheffiziente Industrie, die Menschen in Arbeit vermittelt (Arbeitsagentur, Jobcenter, Zeitarbeitsfirmen etc.). Jemand, der arbeiten darf (rechtliche Erwerbsfähigkeit), arbeiten kann (tatsächliche Erwerbsfähigkeit) und arbeiten will (Eigenantrieb), der wird in diesem Land auch Arbeit finden - es sei denn, er hat ein ernstes Problem (Gesundheit etc.). Davon sehe ich aber nichts, daher klafft hier eine große Lücke in der Glaubwürdigkeit.

-> Klassischer Recherchefehler!........damit hat er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, Bezugsdauer grundsätzlich 12 Monate, Höhe mindestens 60 % vom Brutto. Das sollte reichen, um zumindest anteilig Miete zahlen zu können. Die Lebenssituation ist übertrieben dargestellt und damit leidet wiederum die Glaubwürdigkeit.

Du siehst, es reicht nicht aus, nur sein Halbwissen zu bemühen……Klassischer Recherchefehler!........ Aber bei einem vollen Lohn und ALG I ...

Du schreibst einen sozialkritischen Text, ohne Dich ernsthaft mit den Sozialleistungen in diesem Land auseinandergesetzt zu haben. Jeder halbwegs an den wahren Lebensumständen interessierte Bürger glaubt Dir spätestens an dieser Stelle kein Wort mehr! …….. Ich weiß nicht, in welchem Land Du lebst, aber lass Dir gesagt sein, dass in Deutschland niemand freiwillig Hunger leiden muss. Sorry, aber das ist viel zu pathetisch. ………….Deine Kenntnis unseres Sozialstaates ist nicht ausreichend, um einen solchen Text glaubhaft zu schildern.
-> Klassischer Recherchefehler!
Der Text spielt in Spanien.

Ich dachte, der Name Martinez (eine Frau mit einem Dutt und einer roten Blume) würde dies verständlich machen. Aber das war ein Fehler. Es hat bereits bei einigen meiner Texte zu dieser Art Missverständnissen geführt; so habe ich aus diesem Grund damals über “Der Ausländer” “Spanien, 1983” geschrieben, bis mir ein Moderator sagte, dies zu entfernen.

Ja schade, wenn Dir der Text so garnicht gefällt. Aber warum habe ich ihn so und nicht anders geschrieben?
Es ging mir nicht um das (persönliche Leben im Detail) dieses Prot oder das seiner Freundin. Es ist ein Text der Andeutungen: Verlierst du Job-verlierst du alles. Von heute auf morgen. Deine Freundin sucht das Weite; Deine Nachbarn machen einen Bogen; es gibt Menschen, die deinen Niedergang sogar geniessen (wie die Frau im Supermarkt; die Ironie dieser Frau der wenigen Worte ist Absicht). Am Ende musst du dich mit dem Nichts anfreunden; denn das ist alles was du noch hast. Stop.

Mein Fehler war, nicht einkalkuliert zu haben, dass Deutsche Leser diesen Text garnicht nachvollziehen können, da Deutschland ein Land ist, in dem du für alles was du benötigst Hilfe bekommst. Leider nicht hier. Seit der Krise ist es hier ziemlich bergab gegangen – etwas, worüber Du in den deutschen TV Nachrichten wahrscheinlich nichts erfahren wirst. Es gibt hier so gut wie keine Hilfen und bis vor kurzem hatte man ohne Job auch keine Krankenversicherung.
Wärend der Krise haben Leute von einem Tag zum nächsten ihren Job verloren und sahen sich vor einem Berg Schulden für alles was sie auf Kredit besassen. Die Banken forderten nicht nur ihre Wohnungen zurück (sondern auch das Geld) Für Deutschland unvorstellbar. Wenn der Gerichtsvollzieher dann vor der Tür stand, haben die Leute nicht lange diskutiert: sondern sind einfach aus dem Fesnter gesprungen (weil sie verstanden hatten, dass sie niemals mehr in ihrem Leben aus diesem Tunnel herausfinden würden).
https://deutsche-wirtschafts-nachri...krise-treibt-junge-spanier-in-den-selbstmord/
Dies war die Treibkraft dieser kleinen Geschichte.

Rothsten:
So schreibt kein Arbeitgeber in einer Kündigung. Offensichtlich hat man Dir noch nie gekündigt. Das ist schön, und das macht Dein Unwissen verzeihlich, aber wenn ein Arbeitgeber sich knapp halten will ("zwei, drei Sätze"), schreibt er "aus betriebsbedingten Gründen". Dann noch ein guter Wunsch für die Zukunft - that´s it.
Da hast Du recht. So schreibt so manch spanischer Arbeitgeber:
“Es tut uns sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen…..”
That´s it.

Rothsten:
Im Laufe des Abends nahm sie ihn in die Arme und sagte: »Wir sind doch ein Paar! Wir halten zusammen.«
Dieser Handlungsablauf macht keinen Sinn. Er eröffnet ihr die Kündigung, und "im Laufe des Abends" nimmt sie ihn spontan an ihre Brust? Das wäre doch die unmittelbare Reaktion gewesen.
Im Text:
Als er es an diesem Abend seiner Freundin erzählte, reagierte sie zunächst besser, als er erwartet hätte. Sie las den Brief langsam durch und sagte ihm, er solle sich nicht sorgen. Irgendwas Neues würde sich schon noch finden. Sie habe ja ihre Arbeit und verdiene genug, davon könnten sie beide erst mal leben. Im Laufe des Abends nahm sie ihn in die Arme und sagte: »Wir sind doch ein Paar! Wir halten zusammen.«

Die unmittelbare Reaktion dieser Frau war eine andere. Irgendwann im Laufe des Abends, nahm sie ihn dann doch noch in die Arme.

Rothsten:
Eine gute Geschichte hätte hier nicht nur die Ergebnisse des schleichenden Verfalls zusammengefasst und aufgelistet, sondern erzählt! Und eine "fast perfekte" (Note 9) Erzählung hätte den Leser hierdurch soweit mitgenommen, dass er meint, er säße mit im Wohnzimmer und könne das Paar anfassen. Mach doch Handlungen daraus, lass sie miteinander reden. Bring Leben in die Bude! Willst Du erzählen oder nur berichten? Schreibst Du Literatur oder für eine Zeitung?
Nun, ich entscheide mich immer vor dem Schreiben eines Textes wieviel Handliung, wieviel Leben ich mit einfliessen lassen möchte oder eben auch nicht. Ich liebe Texte, die nicht jedes kinkerlitzchen erklären, sondern den Kopf des Lesers arbeiten lassen. Es gibt jedoch Geschichten, wo es sehr wohl darauf ankommt zu zeigen/und nicht zu erzählen (ein Beispiel dafür: Bleibtreustr. 12)

Rothsten:
Zweimal noch ging er morgens in den Laden, um sich Brötchen zu holen.
Sprachirrtum: Du schreibst, er ging am selben Morgen zweimal Brötchen holen.
Ja, da hast Du wohl recht.

Rothsten:
Im Herbst verschlechterte sich seine Lage um einiges. Die Zusage auf Arbeitslosengeld ließ auf sich warten.
Hä? Wieso beantragt er das denn jetzt erst? Das ist doch lebensfremd!
Ich bin davon ausgegangen, dass der Leser mit diesem Satz von sich aus versteht, dass das Arbeitslosengeld längst beantragt sei, ohne diese Szene beschreiben zu müssen.

Rothsten:
Man kauft übrigens Brötchen, und das deutet klar auf Deutschland hin.
Auch in Spanien kauft man Brötchen.

https://www.google.es/search?q=pana...lY7TAhVIxxQKHdryBn4Q_AUIBigB&biw=1088&bih=733

Rothsten:
Die alles entscheidende Frage ist: Läd man hier Texte hoch, nur um gesalbt zu werden? Oder läd man hier Texte hoch, um an ehrlicher Kritik zu wachsen? Ich bin nur für den zweiten Teil zu haben, das gegenseitige, meist ungerechtfertigte Hochjubeln halte ich nicht nur für lächerlich, sondern für hochgradig schädlich!Nimm die 9 Deiner Claqueure und wähne Dich im Äther einer Könnerschaft, oder nimm meine Kritik, setz Dich damit an den Schreibtisch und versuch, eine bessere Autorin zu werden.
Solche Bemerkungen gehören meiner Meinung in keine Rezension. Ein Leser, in diesem Fall Thomas, hat hier seinen Leseeindruck vermittelt und ich habe mich höflich bedankt. Was soll das: “wähne Dich im Äther einer Könnerschaft”? Was soll ich denn auf Thomas Kommentar Deiner Meinung nach antworten? “Vielen Dank, aber der Text ist totale Scheisse, und du bist zu blöd um das zu merken?”

Ich bin sehr für Meinungsfreiheit: Es gibt viele Texte mit denen ich rein garnichts anfangen kann, respektiere jedoch die Meinung derer, die mit demselben Text doch etwas anfangen können. Mich gegen diese Leser zu richten, ist ein Eingriff in ihre persönliche Meinung.

Zu Deinen Bemerkungen: Wie hart Deine Kritik für mich ist und wie schwer es mich treffen wird....
Wenn man kein absoluter Beginner in den Foren ist (ich bin seit 2008 dabei), sollte man wissen, was einen bei Veröffentlichungen erwartet.


Rothsten:
Ich weiß nicht, in welchem Land Du lebst….
Das steht seit 2 Jahren auf meiner Profilseite.

Rothsten:
Dein Stil ist auch flüssig und lässt sich gut lesen. Soweit das Positive.
Na, das ist doch schon mal schön und freut mich, da Deutsch nicht meine Muttersprache ist.

Auf jedenfall hast Du mir die Augen dafür geöffnet, dass es keinen Sinn macht, gewisse Geschichten, von einem Land ins andere zu transportieren und hier zu veröffentlichen. Da muss man umdenken.
Vielen Dank dafür!
Lieben Gruß,
Ji


Hallo Peeb!
Was ich an vielen Texten bemängele, ist, dass unpassende Worte den Lesefluss unterbrechen, weil sie nicht zum Verlauf, "der Stimmung" passen.
Ich weiß, dass gerade ich, genau dies nicht ansprechen sollte.
Ja, das ist allerdings witzig.
Aber die “unpassenden Worte” hátten mich sehr interessiert.
Vielen Dank für Deinen Eindruck!
Mit Gruss!
Ji

Hola Vagant!
Ji, vor der Textkritik drücke ich mich heute mal.
Ich hoffe, Du weisst, wie sehr mich das ärgert....
Schade….Da lädt man mal was hoch und bekommt das als Antwort...:)

Aber Danke für Deine Worten, denn so, mehr oder weniger, war diese Story auch in meinem Sinn.
Ji
 

PEEB

Mitglied
Eines Tages verlor er seine Arbeit. Man teilte es ihm in einem Brief mit, in zwei, drei knappen Sätzen, die er zuerst nicht begreifen wollte: Die Firma sei pleite und sie könne sich kein Personal mehr leisten, es täte ihnen unendlich[red] l[/red][blue]L[/blue]eid, aber er müsse Verständnis haben. Fassungslos saß er am Tisch und starrte an die Wand.

Als er an diesem Abend seiner Freundin davon erzählte, reagierte sie zunächst [red]besser[/red][blue]positiver[/blue], als er [blue]es jemals[/blue] erwartet hätte. Sie verinnerlichte den Inhalt der Schrift, die ihren Freund so aus der Bahn schmiss[red] Sie las den Brief langsam durch und sagte ihm, er solle sich nicht sorgen.[/red][red] Irgendwas Neues würde sich schon noch finden[/red]. Sie habe ja ihre Arbeit und verdiene genug, davon könnten sie beide erst mal leben. [red]Im Laufe des Abends nahm sie ihn in die Arme und sagte:[/red] »Wir sind [red]doch [/red]ein Paar![red] Wir halten zusammen[/red].« [blue]Behutsam streichelte ihr Zuspruch seine geplagte Seele. "Ich bin für Dich da und wir schaffen das zusammen!" Ihre positive Art suggerierte ihm, dass er bestimmt einen Job finden werde, gleichwohl ihr selber diese Bestimmtheit an den Haaren herbeigezogen schien, aber das war vorerst nicht von Interesse.[/blue]

[blue]Liebe JI, die roten Worte sind für meinen Geschmack dem Erzählcharakter nicht zuträglich. Blau sind Vorschläge, die nach meinem Empfinden besser zur Stimmung passen und sich leserlicher einfügen.[/blue] Wie ich auch schon @Rothsten erklären wollte, gehen die meisten Kritiker so an einen Text, dass sie wirklich nur ihren Standpunkt erlauben, eine rein objektive Kritik gibt es bezüglich Textarbeit wohl eh nicht. Natürlich bist Du erfahrener als ich aber ich glaube, dass auch bei mir die schulische Kompetenz wieder ihren Weg in die Gedanken findet, war lange vergessen, wurde aber hier wieder hervorgeholt :) Ich bin mir sicher, dass Du es auch ohne fremde Hilfe schaffst, die richtigen Worte einzusetzen.
 

rothsten

Mitglied
Hallo Ji Rina,

versteht man Deine Texte nur, wenn man vorher auf Deinem Profil war? Der Text sollte sich selbst erklären.

Mir ist durchaus bekannt, dass der Arbeitsmarkt in Spanien katastrophal ausschaut. Und mir ist bekannt, dass "arm sein" in Spanien der wahren Bedeutung des Wortes gleichkommt. Wir mögen in Deutschland in einem Land leben, in dem Milch und Honig fließen; das heißt aber nicht, dass es ein Elfenbeinturm ist.

Wenn Deutsch wirklich nicht Deine Muttersprache ist, wiederhole und bestätige ich mein Kompliment für Deinen Stil!

Ji Rina, ich gehe jetzt nicht mehr auf alles ein. Mein Beitrag hat dazu geführt, dass Du selbst Deinen Text kritisch rekapituliert hast. Das steht für sich.

Ich möchte mich auf einen Punkt beschränken. Ich glaube, dieser Punkt bringt Dich weiter.

Du schreibst:

Nun, ich entscheide mich immer vor dem Schreiben eines Textes wieviel Handliung, wieviel Leben ich mit einfliessen lassen möchte oder eben auch nicht. Ich liebe Texte, die nicht jedes kinkerlitzchen erklären, sondern den Kopf des Lesers arbeiten lassen.
Die passende Textstelle dazu:

[blue]Mit der Zeit wurde er noch steifer (1)[/blue] und noch abweisender, er wurde verschlossener. Die wenigen Freunde, die er hatte, erkannten ihn kaum wieder. Sie sagten, er sei nicht mehr der Gleiche, irgendetwas habe sich an ihm verändert; letztendlich wichen sie ihm aus. [blue]Rechnungen häuften sich auf seinem Schreibtisch. Mahnungen trafen ein; Zahlungsaufforderungen des Kreditinstituts für die Wohnung, seinen Wagen, den Kühlschrank und den neuen Fernseher ....Briefe, die er ungelesen in eine Ecke warf (2)[/blue]. Er begann morgens länger im Bett zu bleiben, dann auch mittags und schließlich auch abends, wenn seine Freundin kam. [blue]Doch auch sie hatte sich inzwischen verändert. (3)[/blue] Ihre Augen waren jetzt matter, Lockerheit und Fröhlichkeit waren aus ihrem Gesicht gewichen ...
Zu (1)
Es geht vor allem darum, was Vagant trefflich als "mehr showen, weniger tellen" bezeichnet hat. "Mit der Zeit wurde er noch steifer" ist ein Ergebnis, das heißt, der Leser weiß, dass alles, was jetzt kommt, nur die Bestätigung dessen ist.

Du hättest auch schreiben können, dass er inzwischen "noch steifer" geworden ist, weil

- bla
- blub
- XY

Das Ganze hat reinen Aufzählungscharakter, und wenn Du, Ji Rina, meinen Kopf arbeiten lassen möchtest, dann gib ihm gefälligst den nötigen Raum dazu. Dein Wunsch und die Wirklichkeit im Text klaffen hier bereits unversöhnlich auseinander. So ein Beginn, solch ein paar Wörtchen wirken harmlos, sie sind aber der Insolvenzvollstrecker eines jeden Kopfkinos!

Zu (2)
Das Gleiche, siehe oben. Was Du schilderst, ist zwar der richtige Werdegang, aber was Du schreiben wolltest, soll mir ja Raum im Kopf lassen. Wie soll das bei solchen Zeilen gehen?

Vorschlag, wie ich es vielleicht schreiben würde:
"Er ging zum Briefkasten, steckte den Schlüssel rein und drehte, obwohl er eigentlich nicht sehen wollte, was darin war. Es war ein Brief, nur ein Brief. XY Inkasso GmbH, schon wieder. Er nahm den Brief, stapfte nach oben, schloss die Tür auf und legte ihn zu den anderen Briefen. Sie waren allesamt noch verschlossen."

Merkst Du den Unterschied?

Zu (3)
Die Freundin hat sich verändert, dann folgt die Erklärung/Aufzählung, wieso, weshalb, warum. Das ist wieder ein vorangestelltes Ergebnis, und alles, was folgt, soll dem Leser erklären, wie genau er sich diese Veränderung vorzustellen hat.

Du siehst, ich musste in dem Absatz nicht weit lesen, und schon habe ich zig Punkte entdeckt, in denen Du den Leser keinen Raum mehr lässt.

-> Wenn Du dem Leser Raum lassen willst, dann musst Du anders schreiben! ;)

Und das ist genau der Punkt, der mich hier so aufgeregt hat, das ist genau der Punkt, warum ich mal so richtig Lust verspürt habe, auch Deinem Adlatus auf den Kopf zu hauen. In meinen Augen begeht Ihr einen kapitalen Fehler! Ihr gebt Euch die Neun, heftet noch ein paar warme Worte dran und freut Euch, welch Glanzleistung Ihr doch abgeliefert habt.
ABER: Schaut man auch nur ein einziges Mal genauer hin, dann fallen einem sofort die Dellen im Text auf.

Ihr suggeriert Euch mit Euren oberflächlichen, viel zu gut gemeinten Bewertungen/ warmen Worten eine Könnerschaft, die Ihr definitiv nicht innehabt, Beleg siehe oben. Ein solcher Umgang mag einen vielleicht freuen, er VERHINDERT aber, dass Ihr Euch entwickelt!

Es war mir ein Anliegen, Euch das mal in aller Klarheit vor Augen zu führen, denn ich finde es schade, dass zwei Mitglieder, die so viel Zeit mit Schreiben/Lesen/Kommentieren verbringen, sich gegenseitig auf den Holzweg bringen.

Welcher Kommentar bringt die Autorin hier nun weiter, Ji Rina und Thomas? Die Neun samt warmer Worte oder vielleicht doch eher rothstens pöhse, pöhse Worte? ;)

Lieben Gruß
 

Ji Rina

Mitglied
versteht man Deine Texte nur, wenn man vorher auf Deinem Profil war?
Das ist manchmal ratsam: Wenn man auf die Rückseite des Buches eiens ausländischen Autors schaut und merkt: aha, der kommt aus Kolumbien, versteht man einiges besser. Wenn man zum Beispiel einige Texte von Barroso oder Verissimo liest, weiss man erst garnicht wo man steht – erst das begreifen, dass sich die Geschichte in Südamerika abspielt, zündet einem ein Lichtchen.
Das Ganze hat reinen Aufzählungscharakter,
Genau das ist es, was ich in dieser Geschichte auch wollte.
Deshalb schrieb ich:

Es ging mir nicht um das (persönliche Leben im Detail) dieses Prot oder das seiner Freundin. Es ist ein Text der Andeutungen: Verlierst du Job-verlierst du alles. Von heute auf morgen. Deine Freundin sucht das Weite; Deine Nachbarn machen einen Bogen; es gibt Menschen, die deinen Niedergang sogar geniessen (wie die Frau im Supermarkt; die Ironie dieser Frau der wenigen Worte ist Absicht). Am Ende musst du dich mit dem Nichts anfreunden; denn das ist alles was du noch hast. Stop.

Eine Art Countdown sozusagen.

Aber schaumal Rothsten: Ich habe ab heute abend Ferien und somit sehr viel Zeit. Wir machen ein tolles Experiment: Ich verdamme die erhaltene 9, sowie all diejenigen die diesen Text in den vergangenen acht Jahren gern gelesen haben; ich ignoriere Vagant, der schrieb, dass ihn der Prot angenehm durch den Text geführt habe und nehme nun Deine Ratschläge an, um von Dir zu lernen: Falls Du Lust an der Textarbeit hast (wir können den Text auch in die Klinik verschieben) kannst Du Wort für Wort, Zeile für Zeile die Kurzgeschichte so kommentieren, wie sie richtig geschrieben wäre – am liebsten mit konkreten Beispielen, und das werde ich dann umsetzen.
Abgemacht?
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo rothsten,

Deine Kritik, die sich anfangs auf den ganzen Text bezogen hat, hat sich inzwischen auf eine einzige Stelle reduziert. Das stimmt, diese Stelle könnte Jirina überdenken.

Was allerdings auch stimmt: Geschichtenschreiben ist nicht Mathematik, in der es nur Richtig und Falsch gibt. Es ist keine Wissenschaft, die Dogmen unterliegt, sondern, ich schreibe es extra in Anführungszeichen, “Kunst“! Wie in der Malerei und in der Musik kann sich jeder Leser/Betrachter/Hörer seine eigene Meinung dazu bilden. Dieses Recht möchte ich auch für mich einfordern.
Klar, “show don´t tell“ sagst du, stimmt natürlich. Im Gegensatz zu dir hat mir zum Beispiel der Name Martinez und die Beschreibung der Person genügt, um die Handlung in Spanien zu verorten. Aber ein wenig “tell“ gehört meines Erachtens manchmal auch mit dazu. Es liegt eben alles im Sinne des Betrachters und die Grenzen sind fließend.

Ich werde mich jetzt nicht mehr dazu äußern.

Viele Grüße,

Thomas
 
E

eisblume

Gast
Hallo Ji Rina,

ich habe deine Geschichte auch in Deutschland angesiedelt.
Ich sehe es auch keineswegs so, dass man einen Text, Buch, was auch immer lokal erst einordnen kann, wenn man sich mit dem Profil des Autors auseinandergesetzt hat. Es ist doch nicht so, dass automatisch jeder spanische Autor seine Geschichte in Spanien, jeder Deutsche in Deutschland, usw. verortet hat. Die alleinige Nennung von Frau Martinez samt Dutt und Blume ist auch nicht wegweisend, denn ich wage zu behaupten, dass man so eine Dame durchaus auch in München oder Berlin finden könnte. Ich meine, das hättest du schon deutlicher herausstellen müssen.

herzlichst
eisblume
 

rothsten

Mitglied
Ji Rina,

Genau das [blue](Anm.: Aufzählcharakter[/blue]) ist es, was ich in dieser Geschichte auch wollte.
Nein, das glaube ich Dir nicht und es widerspricht auch Deiner Aussage, dass Du möchtest, dass es im Kopf des Lesers arbeitet. Ebenfalls DEINE Worte! Was denn nun, entscheide Dich mal!
Ich glaube, ich habe das ausreichend dargelegt, wie man erreicht, dass das Kopfkino losgeht. Du verteidigst Dein Werk, das steht Dir zu. Einerseits willst Du aufzählend berichten (Zeitung), andererseits willst Du dem Leser eine Geschichte erzählen (Prosa). Wie Du mir aber diesen Widerspruch erklären willst, wird Dein exklusives Geheimnis bleiben.

Und, ganz ehrlich, ich schreibe Deine Geschichte nicht, das musst Du selbst tun. Ich finde es auch unredlich, mich zu stark einzumischen. Aber: Ich habe Dir ja ein konkretes Beispiel geliefert, was mich stört und wie ich diese Passage geschrieben hätte. The rest is up to you! Es ist und bleibt Dein Text! Und ich kann Dir auch nicht sagen, wie man diese Geschichte "richtig" schreibt! Ich kann Dir aber sagen, wie man sie nicht schreiben "sollte.

Gerne aber schaue ich mir Deine Änderungen an, so Du denn welche vornimmst. Du kannst den Text auch lassen, wie er ist. Deine Entscheidung. Ich bin ja nur eine Stimme im großen LL-Chor, aber wenn ich den Bewertungen traue, nimmt man Deinen Text inzwischen differenzierter wahr als zu Beginn. Im Übrigen, ich habe nicht bewertet, aber falls es Dich interessiert: ich hätte bis hierhin eine 6 vergeben, denn da geht noch was, noch so einiges! ;)

Vagant schrieb zwar, dass er sich gut hindurchgeführt gefühlt hat. Er schrieb aber auch, dass ihm grundsätzlich zuviel erklärt wird, dass ihn der auktoriale Erzähler "zu Tode langweilt". Vielleicht ist er einfach nur höflicher als ich und schwächte es daher ab. "Eigentlich" meinte er es wohl so, wie er es "eigentlich" gesagt hatte. Er möge sich selbst dazu äußern.


Thomas,

Du reitest immernoch darauf rum, dass ich gefälligst andere Meinungen gelten lassen soll. Schreiben mag keine Mathematik, keine Wissenschaft sein, dennoch unterliegt es handwerklichen Regeln. Wenn man zB -wie Ji Rina hier- behauptet, des Lesers Kopfkino befeuern zu wollen, ihm dann aber per Aufzählung quasi alles vorkaut, dann klaffen Absicht und Umsetzung meilenweit auseinander, und das ist handwerklich klar zu bezeichnen - und einfach schlecht! Sorry, aber über sowas lässt sich eben nicht streiten.

Und nein, ich moniere nicht nur diese eine Stelle, sie diente als Exempel, sie schien mir die geeignetste zu sein. Es gäbe noch sehr viel mehr zu kritteln: der überspitze Mitleids-Pathos ... Aber da ja bereits bei den offensichtlich Schwierigkeiten im Text die Selbstrechtfertigungsmaschine auf Hochtouren geheizt wird, sollten wir step by step vorgehen.

So ihr beiden, genug geweint? Dann können wir ja mit der Textarbeit beginnen. ;)

Lieben Gruß
 



 
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