Einfach

tinchen

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Einfach


Es soll das Gefühl sein, das alle am Leben erhält. Ohne das ein Mensch nicht leben kann.
Es ist das Gefühl, das alles kaputt machen kann. Das, das Leben sinnlos erscheinen lässt.
Aber es ist das selbe Gefühl, es ist die selbe Macht.
Es ist die Liebe.


Ich liege im Krankenhausbett. Allein, nur meine Gedanken, meine Schmerzen, ich. Mir gegenüber liegt eine Frau. Seit fast zwei Tagen liegt sie dort, blass, sprachlos, gefühllos? Was wird sie denken? Wird sie ein Gefühl der Liebe in sich haben, wenn sich ihre Tochter zu ihr setzt, unfähig die Schmerzen der Mutter zu lindern?
Und was ist mit ihrer Liebe zu ihrem Körper, nachdem ihr ihre Weiblichkeit genommen wurde?
Wenn ich nach draußen schaue, sehe ich die ersten Frühlingssonnenstrahlen. Vögel, die sich den Wolken entgegenbewegen, aber auch wieder zurückkehren, als wollten sie sagen: "Schaut euch das an, was hier vor sich geht. Das Leben lacht euch zu, egal wo ihr seit, wer ihr seit, was euch gerade bewegt."
Dieses Frühlingserwachen, auch wenn mein Verstand weiß, das es in ein paar Minuten wieder anfangen kann zu regnen, macht mir soviel Mut. Ich sitze hier auf meinem Krankenhausbett, weiß nicht, wann ich wieder in die "normale" Welt entlassen werde, sehe diese kranke Frau vor mir, aber ich lächle. Wünsche mir und auch den anderen, das man sich diesen kurzen Augenblick einfängt. Ihn sich vor die Augen hält, wenn es wieder trüber wird.
Doch selbst mir fällt es so oft schwer, während ich gerade Lieder höre, die mich an eine Zeit erinnern, in der ich diese Sonnenstrahlen nicht wahrgenommen habe. In der ich sie ignoriert habe.


Ja! Ich darf, wenn die Untersuchungen am Dienstag gut verlaufen, spätestens am Donnerstag das Krankenhaus verlassen. Von Außen sieht die Wunde gut aus. Ich könnte strahlen, muss mir aber gerade die Tränen verkneifen.
Warum? Es gibt Tage, da sind so viele unterschiedliche Gedanken in einem. Es staut sich im Moment soviel: Angst, Versuch des Vertrauens, Misstrauen, Glück oder doch Unglück?
Wie soll ich es sehen, annehmen?
Jetzt renne ich erst mal vor den Gefühlen weg, dränge sie zur Seite..


Ich werde böse auf mich selbst, wenn ich an die Zeit denke, die ich mit dem Begriff Liebe verbunden habe. Mit der Liebe nicht zu Eltern, Geschwistern, Freunden, sondern Liebe zu einem Mann. An Tagen wie heute, frage ich mich, ob es Liebe war?
Natürlich war ich am Anfang verknallt, schwärmte für Mark mehr als für jeden anderen Mann.
Auch bin ich mir sicher, das diese Schwärmerei wuchs, ich verliebt war.
Ich bin mir aber auch sicher, das es am Ende alles war, aber keine Liebe.
Aber was war es dazwischen?
Kann man mit achtzehn überhaupt von Liebe reden?
Was ist überhaupt von Nöten, damit man von Liebe sprechen kann?
Gibt es eine Checkliste für Liebe?
Wie einfach erscheint es im Rückblick als Kind seine Eltern, seine Geschwister, seine Großeltern bedingungslos zu lieben. Das Urvertrauen, das uns gegeben ist, lässt uns nicht darüber nachdenken, warum uns diese Menschen wichtig sind. Es ist nicht ihre Art, es ist nicht unbedingt ihr Charakter. Wir lieben sie einfach!
Es ist kein unkontrolliertes Gefühl. Es gibt uns Sicherheit. Wir werden zurückgeliebt. Ich habe einmal das Sprichwort gelesen, das Liebe erst dann Liebe ist, wenn sie keine Gegenliebe erwartet.
Mir sträuben sich die Nackenhaare, ich bekomme unbändige Angst.
Ich will zurückgeliebt werden.
Nein, zwischen mir und Mark war es schon lange keine Liebe mehr. Es war für mich ein Kampf, ein einseitiger Kampf, bei dem es von vornherein klar war, das ich ihn verlieren würde. Das es gut war, das ich ihn verlieren würde.
Aber das weiß ich auch erst jetzt.


Mann, hatte es mich erwischt, als ich ihn an diesem Abend gesehen hatte - ich wollte ihn nur küssen, nichts anderes.
Ich habe ihn gesehen und irgendwas war in mir passiert. Und wie selbstverständlich war es, das er mich auch mochte, das auch er mich wollte. Nicht nur für einen Abend. Es war sofort klar, wir würden uns wiedersehen. Wir wollten noch viel mehr von dem anderen, als nur diesen Abend.
Mittlerweile kann ich sagen, das es ein sehr schönes Gefühl war, das zwischen mir und Mark war. Auch wenn es sich am Ende sehr gewandelt hat, dieses Gefühl. Und leider nicht in Sympathie. Wie oft hatte ich zu Mark gesagt, als die Zeit, die wir zusammenverbrachten länger wurde, wir uns immer mehr mochten, dass ich mir wünschen würde, das wir immer ehrlich, fair miteinander umgehen würden, eben weil wir soviel Zeit, so viele Dinge gemeinsam erlebt hatten.
Ich erinnere mich nicht mehr daran, was er darauf gesagt hat. Ich weiß wirklich nicht mehr, ob er mir je eine Antwort darauf gegeben hat.
Das tut mir jetzt weh. Ist es normal, das Liebe auf einmal aufhört?
Kann sich Liebe so wandeln?
Kann ein Mensch, den man irgendwann geliebt hat, einem irgendwann egal sein?
Soll das Liebe sein, oder was ist es dann?


Es ist schwer einzusehen, warum alle Menschen so versessen sind, verliebt zu sein, die Liebe zu erleben, wenn sie so schmerzhaft enden kann.
Ich glaube, wenn schon alleine Gefühle wie Trauer, Sehnsucht, Angst schwer in Worte zu fassen sind, ist es mit der Liebe um so schwerer.
Mark hat mich mit einer kleinen Berührung, einem Blick, einem Kuss, allein mit seinem Dasein glücklich gemacht.
Vielleicht heißt lieben, den anderen glücklich machen zu wollen. Oder lieben heißt, glücklich zu sein, den anderen zu berühren, ihn zu sehen.
Denn wenn es heißt, den anderen glücklich machen zu wollen, dann hat Mark schon lange bevor er es, aber auch ich es wahrhaben wollte, aufgehört mich zu lieben.
Fast 2 1/2 Jahre hatten wir uns immer mehr aneinander angenähert.
Bis er mich betrog.
Zur Checkliste gehört Vertrauen.
Das wird jeder Mensch sagen, der anfängt, dabei ist oder aufgegeben hat zu lieben.
Ich schmunzle ironisch bei diesem Gedanken. Könnte mir auch nur einer dieser Menschen sagen, wie man es schafft zu einem Menschen Vertrauen aufzubauen?
Wenn man jemanden liebt, jemanden besonders mag, passiert es einfach - sehe ich den Menschen um mich ins Gesicht geschrieben, wenn ich ihnen diese "blöde" Frage stellen würde.
Natürlich habe ich Mark vertraut. Warum sollte er mir weh tun, mich unfair behandeln? Er liebte mich doch!
Es ist Samstag abend, kurz nach22 Uhr. Ich bin eine unternehmungslustige 21-jährige und liege nach einer für mein Alter viel zu frühen gynäkologischen Operation mit Schmerzen im Krankenhausbett. Auf dem Zimmer liege ich mittlerweile mit drei fremdländischen Frauen, mit denen ich mich vielleicht gerade übers Wetter unterhalten könnte. Meine Laune war heute beschissen!
Ich würde mehrere von diesen Tagen wie heute vorziehen, wenn ich nie wieder das Gefühl erleben müsste, wie es ist, wenn dein Vertrauen von einer Person, von der du denkst, das sie dich genauso liebt, wie du diese Person liebst, so enttäuscht wird.
Ich weiß natürlich, dass so was alltäglich ist. Das wahrscheinlich in dieser Minute gerade einige von so einem Vertrauensbruch erfahren.
Was ist also dran an der Liebe, das wir so einen Schmerz aushalten?
Strebt der Mensch ein Leben lang nach einer Liebe, die nicht weh tut? Die nur glücklich macht?
Gibt es sie überhaupt? Oder nur für einige? Muss man sich das Recht zu lieben, geliebt zu werden erst verdienen? Wer bestimmt darüber?


Vielleicht ist Liebe auch nur "einfach", wenn es die richtige Person und der richtige Zeitpunkt ist. Vielleicht ist es dann einfacher Vertrauen aufzubauen, sich auf den anderen Menschen einzulassen. Vielleicht ist es ein Zeichen dafür, das es nicht passt, das es nicht gut gehen kann, wenn es anstrengend wird in der Liebe.
Anstrengend, weil man sich nach 2 Jahren langweilt, sich nach anderen Leuten umschaut, weil man sich aufraffen muss, wenn man den Partner küsst, ihm zeigen will, das man ihn doch eigentlich immer noch liebt.
Ich wünsche mir, das die eigentliche Liebe, eine Liebe ist, die glücklich macht. Die nicht anstrengend wird. Bei der es selbstverständlich ist, dem anderen Menschen die Liebe zu zeigen. Das es so was wie Kompromisse bei der echten Liebe nicht geben muss, weil man zum Beispiel einfach Interesse für die Sachen, die dem Partner wichtig sind, zeigt.
Das man nicht um Aufmerksamkeit, um Zärtlichkeiten betteln muss.
Ich wünsche mir, das man den anderen einfach liebt!
 



 
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