Einsamkeit in Gegenwart

Dirk

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Sie saßen beide in dem italienischen Eiscafé. Die zwei leeren Eisbecher schauten erschöpft vom Tisch auf sie hinauf. Er steckte sich eine Zigarette an. Lange Zeit wechselten sie kein Wort. Zwei junge Pärchen, Anfang 20, betraten fröhlich das Café. Es war ein sonniger Samstagnachmittag. Die vier Gäste setzten sich an den Tisch gegenüber. Die Männer stänkerten mit ihrer Freundin - Gelächter brach bei den Vieren aus - dann küßten die Pärchen einander. Er war für einen kurzen Moment auf dieses heitere Schauspiel fixiert - blickte jedoch schnell wieder in ihre Augen. Es war ihr erstes gemeinsames Wochenende. Sie hatten sich zufällig auf der Straße kennengelernt. Am Anfang hatte er Hoffnung - Hoffnung daß diese Beziehung eine Chance hat. Seit ihrer gemeinsamen Zeit jedoch dachte er sie würde sich von ihm abkapseln. Aus ihrem Gesicht trat eine Kühle wie aus dem Eis, was sie zuvor aßen und nun der Kellner den zwei Pärchen gegenüber servierte. Er suchte nach Worte - Worte die das Eis brechen sollten. Er blickte weiter umher. Eine glückliche Familie mit zwei Kindern waren zu ihrer linken. Junge Menschen trafen sich hier zum Tratsch. Küßchen wurden ausgeteilt wenn sich Bekannte trafen. Er fühlte sich allein, verlassen in ihrer Gegenwart - allein zwischen den vielen Menschen. Der Kellner brachte die Rechnung. Beide zahlten ihren Anteil getrennt. Dann verließen sie das Café und schlenderten weiter die Einkaufspassage entlang. Er sah wieder lauter glückliche Pärchen, die Händchen haltend an ihnen vorbei zogen. Er wollte ihre Hand in seine rechte nehmen, sie wies jedoch diese Geste ab. Als sie an ihrer Wohnung ankamen blickte sie zermürbt wie ein getretener Hund in seine Augen. "Es tut mir leid.", sagte sie gepreßt, "Es würde nicht funktionieren - wir können ja Freunde bleiben." "Sicher.", sagte er und nickte. Sie legte ihren Kopf zu in hinüber und preßte ihre Lippen auf seine. Der Kuß schmeckte ihm merkwürdig. Er war kalt - ohne Gefühl - ohne Hoffnung - er wirkte gekünstelt - nicht ehrlich genug. Er versuchte zu lächeln, dann lief er die Hauptstraße hinunter und schlenderte zu seiner Wohnung.

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G

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Gast
Hallo Dirk,

eine Situation, die wohl jeder kennen dürfte, hast Du super dargestellt. Gut finde ich auch, dass Du hier keine Namen in Deine Szene bringst. Das macht die Sache so deutlich kühl, obwohl der Protagonist die wärmsten Sehnsüchte in seiner fast schon zerrissenen Seele trägt. Du schilderst eine alltägliche Situation, empfunden von Milliarden Menschen, resultierend daraus eine gewisse Resignation des Fühlenden. Die so gefühlshungrigen Blicke nach den Paaren, die scheinbar das vorleben, was der Protagonist selbst zu leben wünscht. Und am Ende bleibt die weitere Suche.
Gut gemacht!
Gruß
GUIDO
 



 
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