Eisblumen

3,00 Stern(e) 1 Stimme

krokotraene

Mitglied
Während die Kirchenglocken das Ende des sonntäglichen Frühgottesdiensts ankündigten, kämpfte sich Margit durch das Schneegestöber. Kopfüber war sie aus dem Haus gestürmt.
Schemenhaft sah sie Figuren aus der Kirche in das kleine Dorfwirtshaus wandern. Margits Puls raste. Sie kniff die Augen zusammen. Sie wünschte ihrem Mann den Teufel an den Hals, wenn er jetzt wirklich den Mut hätte das Wirtshaus zu betreten. Heute, an ihrem fünfzigsten Geburtstag. Wie lange hatte sie sich schon auf diesen Tag gefreut. Freunde wollte sie einladen, nächtelang hatte sie an dem Geburtstagsessen gefeilt. An ihrem Geburtstagsessen. Ihren Mann schien das alles nicht zu interessieren.

Dann eröffnete ihre beste Freundin, dass sie gerade an diesem Tag auf Skiurlaub fahren würde. Sie hatte die Reise gewonnen. Margit war auf tausend, hatte sie doch noch beim Lösen des Rätsels geholfen. Für zwei Personen war die Reise. Margit wollte mitfahren. Einfach einmal raus aus ihren vier Wänden, aus dem kleinen Dorf, in die weite Welt. Tagelang grübelte sie, wer der ominöse Begleiter sein sollte, der ihre Single-Freundin begleiten würde.

„Das wäre aber eine nette Idee, wenn ich mitfahren würde!“, hörte sie ihren Mann begeistert sagen. Ihre Freundin zwinkerte ihm geheimnisvoll zu. Margit stoppte ihren Schritt. Hatte er nicht erst vorgestern nach seinem schönsten Hemd gefragt? Margit stöberte in ihrer Erinnerung. Komisch, wollte er nicht letztens den Keller zusammenräumen? Dort lag auch irgendwo der alte Koffer!
Margits Puls raste, ihr Herz schlug bis zum Hals. Der Schnee wurde immer stärker und trotz ihrer leichten Bekleidung schien es ihr, als wäre Hochsommer. Was, wenn er gerade mit ihrer Freundin den letzten Jagatee vor der Abfahrt trank?

Ihre Gedanken wurden durcheinander gewirbelt. Hell erleuchtet waren die letzten Tage, seit ihre Freundin mit dem angeblichen Gewinn geprahlt hatte. Waren da nicht komische Blicke zwischen ihrem Mann und ihrer Freundin? Letztens hatten sie sich doch so geheimnisvoll tief in die Augen geschaut! War ihr Ehemann der Hausfrau leid und freute er sich schon auf die amourösen Abenteuer mit der jungen Blondine. Um wie viele Jahre war sie eigentlich jünger? Die junge Schlampe! Margit reichte es, eine Freundin weniger, na und?
Sie wollte doch nur noch einmal feiern, so richtig aufkochen für ihre Familie, ihre Freunde. Einmal noch die restlichen Weinflaschen im Keller leeren, ehe das Alter sie fest im Griff hatte.

Familie? Margit stiegen Tränen in die Augen. War es vor Wut? War es ob des Betruges ihres Mannes, den sie schon länger geahnt, aber nie geglaubt hatte? Oder war es die Sehnsucht nach Mama?

Hektisch suchte sie nach einem Taschentuch. „Mama“, schoss es ihr durch den Kopf. Ihr größtes Geschenk wäre gewesen, ihre Mutter für diesen Tag aus dem weit entfernten Pflegeheim nachhause holen zu können.

Ihre Mama, die geistig auf ihrer eigenen Welle schwebte und nur noch in kurzen, klaren Momenten ihre Tochter erkannte. Lange wurde mit der Heimleitung gesprochen, aber die blieben stur. Es gäbe kein Personal für einen Ausflug. Ihre Mama bräuchte mindestens zwei Pfleger und eine Krankenschwester. Und was wäre schon ein fünfzigster Geburtstag im Vergleich zu den Gefahren die verwirrte Frau aus der fürsorglichen Obhut des Heimes zu entlassen?
Sie stand vor dem Dorfgasthaus. Eisblumen verhinderten den freien Blick auf den Stammtisch. Sollte sie ihren Mann in flagranti mit ihrer jungen Freundin erwischen oder vergnügten sich die beiden schon auf der Skipiste? War die dunkle Gestalt, die dem Fenster den Rücken gekehrt hatte, ihr Mann? Und wo war ihre Freundin? War sie doch nicht da? Und wer um alles in der Welt saß noch an diesem Tisch? Kein Mann der Welt hätte so schmale Schultern. Und das geblümte Kopftuch!

Das war die Witwe vom anderen Dorfende, schoss es Margit durch den Kopf, denn sie war ihr am letzten Wochenmarkt begegnet. Sofort stach ihr das geblümtes Kopftuch ins Auge, da sie kürzlich ihrer Mutter genau dasselbe geschenkt hatte. Vergangenes Jahr hatte die ganze Dorfgemeinschaft das verfallene Haus der einstigen Krankenschwester wieder bewohnbar gemacht. Natürlich war ihr Mann der Vorarbeiter. Sowie in seinem Beruf tagtäglich kommandierte er die freiwilligen Arbeiter. Warum dachte Margit nicht gleich daran? Wie oft hatte ihr Mann von der über siebzigjährigen Dame geschwärmt? Wie gut sie für ihr Alter ausschauen würde! Wie schön ihre weiße Haarpracht in der Sonne glänzte! Und vor allem die schöne, glatte Haut! Und wie agil sie noch war! Zugepackt am Bau habe sie. Verdammt! Margit hatte sich nie Gedanken gemacht, warum ihr Mann auch nach Renovierungsende noch so oft das Haus betrat. Kleine Nacharbeiten hatte er es genannt!

Trotz des eisigen Wintertages, fühlte sich Margit wie beim dritten Sauna-Aufguss. Wild entschlossen würde sie ihrem Mann eine Szene machen! Hier im Dorfwirtshaus! Alle würden noch lange über sie reden! Oder sollte sie heulen? Als betrogene Ehefrau auf das Mitleid der Saufkumpanen hoffen?

Mit hochrotem Kopf und der Hand zur Faust geballt, eiste sie sich vom Fenster los und schoss um die Ecke. Da prallte sie zurück. Unter einer feinen Schneehaube stand der rote Flitzer, wohl zur Abfahrt bereit. Zu allem entschlossen drückte sie die Klinke.

Die Wärme des Gastraumes schlug ihr mitten ins Gesicht. Ihre Brille war im Nu beschlagen. Gelächter drang an ihr Ohr, darunter das glockenhelle Lachen ihres Mannes. Es klang herzhaft. Kaum überrascht, und schon gar nicht überführt.

Endlich hatte sie sich an die Umgebung gewöhnt. Da stand wahrhaftig die alte Krankenschwester, neben ihrem Mann. Irritiert starrte Margit in die blauen Augen ihrer Freundin, die ihr fröhlich zuzwinkerten. Margits Wut steigerte sich, hatte das Flittchen doch die Frechheit auch noch …

Margits Ehemann nahm sie wortlos in den Arm. Ganz fest drückte er sie. Sie spürte Wärme und Geborgenheit. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie kalt es draußen war. „Überraschung geglückt“, hörte sie ihren Mann flüstern.

Margit blickte gedankenverloren auf das geblümte Kopftuch. Irgendjemand nahm ihre Hand. Ganz sanft. So vertraut. Sowie damals bei Muttern, als sie wieder einmal Trost suchte. Dann hörte sie eine leise Stimme wie aus einer fernen Welt an die Erde andocken.

„Kind, ist leicht schon Sommer?“
 

RicoCosta

Mitglied
Hallo krokotraene,

eine gefühlvolle, gut lesbare Geschichte, die man noch ausbauen und verfeinern könnte.

Ein paar sprachliche Anmerkungen, Kleinigkeiten meist:

„Sie wünschte ihrem Mann den Teufel an den Hals, wenn er jetzt wirklich den Mut hätte das Wirtshaus zu betreten.“

„Mut“ finde ich hier unpassend, denn Mut ist ja eigentlich etwas Positives, wofür man jemanden normalerweise nicht den Teufel an den Hals wünscht. Vielleicht besser „ die Unverfrorenheit hätte,“ oder „die Frechheit besaß,“

„Freunde wollte sie einladen“

Sie wollte es wohl nicht nur, sondern sie hatte es, oder?

„Dann eröffnete ihre beste Freundin, dass“

Dann eröffnete ihre beste Freundin ihr, dass

„auf Skiurlaub“

in den

„Margit war auf tausend“

auf hundertachtzig meinst du?

„Der Schnee wurde immer stärker und trotz ihrer leichten Bekleidung schien es ihr, als wäre Hochsommer.“

Das ist nicht so glaubhaft. Man kann zwar auch im tiefen Winter schwitzen, aber es fühlt sich noch lange nicht wie Hochsommer an, es sei denn, man ist in der Sauna oder in den Backofen gefallen.

„War ihr Ehemann der Hausfrau leid…“

..die Hausfrau leid

„War es ob des Betruges ihres Mannes, den sie schon länger geahnt, aber nie geglaubt hatte“

an den sie aber nie geglaubt hatte

„…mit der jungen Blondine. Um wie viele Jahre war sie eigentlich jünger? Die junge Schlampe!“

Dreimal „jung“ hintereinander, das klingt nicht so gut. Kleiner Tipp, nutze woxikon oder ein anderes Synonym-Wörterbuch und suche immer nach anderen Worten. Die Beleidigung wirkt auch stärker, wenn da kein Adjektiv davorsteht. „Die Schlampe!“ ist aussagekräftiger.

„Ihre Mama, die geistig auf ihrer eigenen Welle schwebte“

Irgendwie schief. Besser z.B. „die in ihrer eigenen Welt lebte“

„Lange wurde mit der Heimleitung gesprochen, aber die blieben stur“

die blieb stur.

„Sowie in seinem Beruf tagtäglich kommandierte er die freiwilligen Arbeiter.“

Wie in seinem Beruf … kommandierte er …. herum.

„Kind, ist leicht schon Sommer?“

vielleicht wolltest du sagen, oder?


Lieben Gruß

RicoCosta
 



 
Oben Unten