Embryo

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george

Mitglied
Embryo

Verkriechen, einfach nur verkriechen
vor der Welt da draußen,
auch vor der, die ich selbst schuf,
verkriechen in mich hinein.

Den Tag nicht sehen wollen und die Nacht,
mich verstecken in mir selbst,
die Rollläden herunter gelassen,
verkrochen ins Bett.

Sie holen mich ein, meine Pläne, eig'ne Gedanken,
Ideen, die ich gebar und aussprach.
Sie laufen da draußen herum, meine Worte,
wie junge Wölfe, hungrig und gierig.

Nur um der Karriere und Eitelkeit willen
verwenden sie meine Sprache, Modelle.
Ohne Moral lächelnd jagend nach Anerkennung,
Wissenschaftssöldner.

Verkriechen, einfach nur verkriechen
vor der Welt da draußen,
vor eigenen Kreaturen, Zöglingen
und Gedankenkindern.

Die Bettdecke über dem Kopf,
am liebsten schlafend mich wärmend,
mich schützend vor Kälte, dem Eis da draußen
der lächelnd-gierig, eitlen Erben von Macht.

Doch ich weiß,
morgen, spätestens übermorgen,
muss, will und werde ich aufstehen, hinaus gehen,
mit ihnen öffentlich streiten, sie bekämpfen.


20.12.2003
 
M

Mara K.

Gast
Hallo george ...

beim Lesen deiner Zeilen hatte ich dieses
Gefühl, welches auch mich manchmal beschleicht ...
einfach einschlafen wollen und wenn es ginge nicht
wieder wach werden.
Man kann versuchen sich zu verkriechen, man wünscht es
manchmal, aber es holt einen alles ein ... selbst hinter
den Rollläden, unter der Bettdecke ...
den Titel Embryo finde ich sehr passend.
Danke sehr und eine gute Zeit wünscht Mara K.
 

silverbird

Mitglied
man kann der Wirklichkeit nicht entfliehen, selbst wenn man sich Berge von Bettdecken über den Kopf zieht. Sie holt einem ein, denn irgendwann muss man ja wieder auftauchen. Und wenn das bei dir der Fall ist, dann wünsch ich dir ganz viel Kraft und Energie, damit du deine Rechte durchsetzen kannst und dein streiten zum Erfolg führt.
LG silver
 

george

Mitglied
Liebe Mara,

einfach mal Auszeit nehmen, sich verkriechen, das ist das Thema. Aber die Flucht ist von endlicher Dauer. Gerade die Kreaturen, die man selbst schuf und erzog, sollte man bremsen ...

Es ging mir um die Moral in der Wissenschaft.

Herzlichen Dank für deinen Kommentar.

Jürgen
 

george

Mitglied
Liebe silverbird,

um meine Rechte mache ich mir keine Sorgen, ich nehme sie mir einfach, wenn's sein muss.
Opportunismus, Eitelkeit, Tricksereien gibt es auch in der Wissenschaft. Warum sollten Wissenschaftler besser sein als Andere? Es macht nur betroffen, bei dem ein oder anderen eigenen "Zögling" zu sehen, wie bestechlich er ist, nachdem er die Karriereleiter ein Stück hochkletterte. Nicht durch Geld, sondern durch Eitelkeit, Titel, Funktionen. Und schließlich besteht dann auch keine Hemmung mehr, mit dem ehemaligen Lehrer und Förderer in den Wettstreit zu treten, sich seine Dinge einfach einzuverleiben Die jahrelange Loyalität und das Fördern ist dann vergessen.

Die Revolution frisst ihre Kinder.
Da muss dann halt gegen gehalten werden.

Grüße
Jürgen
 

Nachtigall

Mitglied
Mit den Wölfen heulen...

Lieber George,

ein sehr anregender Text, der mich direkt anspricht.

Eine "Auszeit" löst das Problem nicht, nur eine wirkliche Veränderung der künftigen Denk-und Handlungsmuster. Dazu ist erst einmal "Loslassen" notwendig und das gerade dort, wo festhalten, verteitigen, durchsetzen, "immer höher und immer weiter" das Alltägliche ausmacht...

Alles Gute fürs neue Jahr und mögen Dir viele Texte aus Deiner "Feder" fließen. Ich zumindest bin Deine eiferige Leserin

Alma Marie
 

george

Mitglied
Danke liebe Nachtigall,

ja, "immer weiter, immer höher", 24 h lang, die Konkurrenz schläft nicht, entweder sie ist in Japan, Australien oder den USA gerade am Werkeln. Auszeiten sind kaum erlaubt. Der Wettbewerb ist gnadenlos, da bleibt die Moral oft auf der Strecke. Auch bei den vermeinlich "Guten", auch in der Wissenschaft, auch bei den Freunden, auch bei den Zöglingen.

Auch ich wünsche dir für das neue Jahr alles Gute. Es freut mich, dass du dich als Fan outest. Zur Zeit muss ich viele andere Dinge tun als Texte zu schreiben, die hier rein passen.

Herzliche Grüße
Jürgen
 



 
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