Empfinden

\"Empfinden\"

Grauenerregende Dunkelheit umgab uns. Aileen und mich. Wir waren vollkommen allein, eingeschlossen in tiefer schwarzer Schwärze. Tausend Augen starrend. Stöhnen. Krachen. Ein undurchdringlicher Dschungel. Angst.
Dort waren wir nun, neben dem Hexenhaus welches von solch einer ungewöhnlich bösartige Aura umgeben war.
Die Bäume standen dicht gedrängt, meterhoch. Kein Himmel zu erkennen.
Sie ließ den Korb fallen. Aileen. Ihr Gesicht schmerzhaft verzerrt. Das mühsam gesammelte Moos sprang heraus und verschmolz mit der unaufhörlich härter werdenden Finsternis und ihrer Schatten. Ostern. Nesterbau. Das schien jetzt so unwirklich, fern. Wir würden hier nicht wieder lebend hinauskommen. Da war ich mir sicher.
Ein Schrei. Ich zuckte zusammen und bemerkte erst dann, dass ich es war die geschrien hatte. Aileen stimmte mit ein. Unsere Hilferufe wurden jedoch von der klebrigen Nacht verschluckt, so schien es. Wie sollten unsere Körper es schaffen wenn selbst unsere Stimmen es nicht schafften. Keine Überwindung, keine Bewältigung. Es war ausweglos. Ich war am Ende, angekommen?
Wir gaben auf. Ließen uns, nahezu unnatürlich synchron, ins Moos fallen. Ein weicher Teppich der den starren Boden überzog, als lüde er zum Verweilen ein. Tränen durchnässten die Erde. Den Grund. Der Wind trug uns fort. Unwiederbringlich verloren.
Die Augen zwinkerten uns voller Schadenfreude zu. Geisterhaftes Lachen explodierte über uns, unter uns. In uns. Wir verfielen in eine Art Trance. Würde jemand kommen und uns aufsammeln?


Da war diese Hütte. Zusammengestellte Äste und Mooskugeln formten das spitze, charakteristische Dach. Hier hatten wohl mal Kinder gespielt. Wirklich ein Hexenhaus in Kinderaugen. Ein Hexenhaus inmitten eines verwunschenen Waldes. Ein Lachen entfuhr mir. Ich stand genau an der Stelle, an der ich etliche Jahre zuvor mit Aileen auf den Tod gewartet hatte.
Wie sich die Wahrnehmung verändern kann.
Die meterhohen Bäume gingen mir knapp bis zu den Schulterblättern. Dabei bin ich wohl eher eine Zwerg als ein Goliath. Amüsiert sah ich mich um.
Der Boden war immer noch mit diesem wohlig weichen Moosbett überzogen. Es umschmeichelte meine freien Füße. Ich ließ mich fallen. Wie viele Zeiten auch immer ich so da lag. Im Einklang. Alleine. Zwinkernd ließ ich wieder meinen Blick schweifen. Die Bäume standen so licht, dass ich locker hindurchspazieren konnte. Das düstere Hexenwäldchen war eher ein bezaubernder Märchenwald. Ein Ort, an dem sich Feen und Baumgeister wahrscheinlich wohlgefühlt hätten.
Was mich am meisten faszinierte war, dass unser Ferienhaus, zu dessen Garten der Dschungel gehörte, nur einige Meter weit weg thronte. Als meine Mutter damals im hohen Bogen die nasse Wäsche wegwarf, als sie unsere Schreie deutlich vernahm, muss sie uns schon von Weiten gesehen haben. Doch uns umgab undurchdringliche Schwärze. Es war ein Sonntag, zur Mittagszeit.
 



 
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