Ralf Langer
Mitglied
Wie ich meine Unschuld verlor
Die alte Zabka lehnte wie immer auf einem Kissen im Fenstersims und schaute uns Kindern beim spielen zu. Da war ein kleiner Rasen vor ihrer Küche, dahinter ein Sandkasten mit einer großzügigen Fläche aus roter Asche. Dort spielten wir „ Deutschland erklärt den Krieg“.
Die alte Zabka schaute zu, stundenlang, ohne ein Wort zu sagen.
Meine Mama sagte die Zabka sei etwas sonderlich und das läge daran, das ihr Mann in Russland geblieben wäre.
Manchmal schüttelte sie mit dem Kopf und murmelte von Dingen die wir nicht verstanden.
Ein Nachbarsjunge spielte immer als Russland. Warum wussten wir nicht. Meine Mama sagte, der Vater von ihm hätte eine Wolgadeutsche geheiratet, und so wären die Dinge nun einmal.
Wir wollten immer Deutschland sein. Was aber nicht ging.
Wir liebten dieses Spiel. Bei Wind und Wetter waren wir auf dem Hof und riefen mit unseren Unschuldsstimmchen: „Deutschland erklärt den Krieg an....“ - große Spannung - „Russland“ oder „Frankreich“ oder „Italien“, und warfen danach unsere Stöckchen.
Wenn Russland verlor, nickte die alte Zabka stumm, lies uns unter ihrem Küchenfenster antreten, und gab jedem von uns einen Fuchs.
„ Holt euch Klümpchen an der Bude“, sagte sie dann und schloss das Fenster.
In der nächsten Zeit hustete die alte Zabka viel und hielt sich immer ein Taschentuch vor dem Mund. Ab und zu ließ sie es mit zittrigen Händen fallen und es war voller Blut.
Dann war sie weg vom Fenster.
Meine Mama sagte, da wo sie jetzt hingekommen sei, sei sie endlich mit ihrem Mann zusammen, und wir sollten uns für sie freuen.
Wir waren aber doch eher geknickt, jetzt so ganz ohne Fuchs und Klümpchen nach dem Spiel.
Ein neuer Nachbar zog ein, und der rief immer wir sollten uns was schämen. Er sprach von Gräuel und Stalingrad und den Juden und anderen Dingen.
Wir standen alle stramm, ließen uns die Leviten lesen, und wussten nicht worum es ging.
„ Es ist doch nur ein Spiel“, sagte ich manchmal zaghaft.
Da wurde er noch zorniger, und ich hielt die Klappe.
Meine Mama erklärte, es sei wohl besser damit aufzuhören. Schließlich käme wir alle im Sommer in die Schule, und im Grunde wäre es wohl besser wenn ich in einen Fußballverein ginge.
Die alte Zabka lehnte wie immer auf einem Kissen im Fenstersims und schaute uns Kindern beim spielen zu. Da war ein kleiner Rasen vor ihrer Küche, dahinter ein Sandkasten mit einer großzügigen Fläche aus roter Asche. Dort spielten wir „ Deutschland erklärt den Krieg“.
Die alte Zabka schaute zu, stundenlang, ohne ein Wort zu sagen.
Meine Mama sagte die Zabka sei etwas sonderlich und das läge daran, das ihr Mann in Russland geblieben wäre.
Manchmal schüttelte sie mit dem Kopf und murmelte von Dingen die wir nicht verstanden.
Ein Nachbarsjunge spielte immer als Russland. Warum wussten wir nicht. Meine Mama sagte, der Vater von ihm hätte eine Wolgadeutsche geheiratet, und so wären die Dinge nun einmal.
Wir wollten immer Deutschland sein. Was aber nicht ging.
Wir liebten dieses Spiel. Bei Wind und Wetter waren wir auf dem Hof und riefen mit unseren Unschuldsstimmchen: „Deutschland erklärt den Krieg an....“ - große Spannung - „Russland“ oder „Frankreich“ oder „Italien“, und warfen danach unsere Stöckchen.
Wenn Russland verlor, nickte die alte Zabka stumm, lies uns unter ihrem Küchenfenster antreten, und gab jedem von uns einen Fuchs.
„ Holt euch Klümpchen an der Bude“, sagte sie dann und schloss das Fenster.
In der nächsten Zeit hustete die alte Zabka viel und hielt sich immer ein Taschentuch vor dem Mund. Ab und zu ließ sie es mit zittrigen Händen fallen und es war voller Blut.
Dann war sie weg vom Fenster.
Meine Mama sagte, da wo sie jetzt hingekommen sei, sei sie endlich mit ihrem Mann zusammen, und wir sollten uns für sie freuen.
Wir waren aber doch eher geknickt, jetzt so ganz ohne Fuchs und Klümpchen nach dem Spiel.
Ein neuer Nachbar zog ein, und der rief immer wir sollten uns was schämen. Er sprach von Gräuel und Stalingrad und den Juden und anderen Dingen.
Wir standen alle stramm, ließen uns die Leviten lesen, und wussten nicht worum es ging.
„ Es ist doch nur ein Spiel“, sagte ich manchmal zaghaft.
Da wurde er noch zorniger, und ich hielt die Klappe.
Meine Mama erklärte, es sei wohl besser damit aufzuhören. Schließlich käme wir alle im Sommer in die Schule, und im Grunde wäre es wohl besser wenn ich in einen Fußballverein ginge.