Ent-Wicklung

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Svalin

Mitglied
Komm zu mir am Abend,
mit allem was vom Tage
an dir haften blieb
und schäme dich nicht.

Wir sind doch Spindeln nur,
die durch Flimmerstaub rotieren
und Leben nennen müssen,
was sich in Fasern um uns legt.

Deshalb - schäme dich nicht!
Für Graues nicht und Schwarzes.
Nicht für Verschlissenes und
was dir kratzig scheinen mag.

Braucht uns nicht kümmern,
ist ein Kokon aus Lebenswolle nur
für einen träumenden Planeten,
der im kalten Universum friert.

Komm, leg dich zu mir.
Die Nacht wird uns entkleiden,
wenn sie durch die Plantagen
erntend geht und an uns zerrt.

Ich möchte neben dir erwachen
und sehen wie schön du wirklich bist:
Ein wenig hölzern vielleicht
und spindeldürr, atemlos und nackt.

___________________
Anm.: kursiv - nachträgliche Veränderungen
weitere Versionen im Thread vorhanden
 
S

Sandra

Gast
Hallo Svalin,

dein Gedicht driftet mir in den Bildern zu weit auseinander. Das Bild der Spindel ist das eine, doch die träumenden Planeten im kalten Universum ein doch sehr anderes. Dann ein Bild von erntenden Plantagen, wieder die Spindeln. Die einzelnen Bilder sind nicht schlecht, auch in ihrer Aussage gut, aber wo ist das Ganze? Die Einheit fehlt mir hier und somit auch das Gefühl.

Lieben Gruß
Sandra
 

Svalin

Mitglied
Hallo Sandra,

Vielen Dank für deinen Kommentar.

> Die Einheit fehlt mir hier und somit auch das Gefühl.

Ja, das kann ich gut verstehen ;) Ich sitze irgendwie schon seit Monaten vor einzelnen Gedankenfragmenten und kann sie nicht zu einer Szene zusammenfügen. Vielleicht wird sie mit einigen Ergänzungen und Änderungen (kursiv) ein wenig deutlicher?
Ent-Wicklung

Komm zu mir am Abend,
mit allem was vom Tage
an dir haften blieb
und schäme dich nicht.

Wir sind doch Spindeln nur,
die durch Flimmerstaub rotieren
und Leben nennen müssen,
was sich in Fasern um uns legt.

Deshalb - schäme dich nicht!
Für Graues nicht und Schwarzes.
Nicht für Verschlissenes und
was dir kratzig scheinen mag.

Niemand weiß, wozu dieser Planet
mit jeder Drehung weiter
millionenfach die Lebensfäden
von uns nimmt und um sich wickelt:

Wird‘s ein Kokon,
was schläft darin?
Und wenn es Zuckerwatte ist,
wer wird sie essen?

Vielleicht ein Knotenteppich,
den einmal jemand lesen wird?
Oder ein gewebtes Sternenhemd
aus einem Knäuel Lebenswolle?

Nicht wir, die sich betten.
Nicht wir, die er nährt.
Nicht wir, die verstehen.
Nicht wir, die er wärmt.


Deshalb – leg dich zu mir!
Die Nacht wird uns entwickeln,
wenn sie durch die Plantagen
erntend geht und an uns zerrt.

Ich möchte neben dir erwachen
und sehen wie schön du wirklich bist:
Ein wenig hölzern vielleicht
und spindeldürr, atemlos und nackt.
Viele Grüße
Martin
 
S

Sandra

Gast
Martin!! Wieso hast du es denn nicht so gelassen, wie in dieser zweiten (oder eher ersten) Version. Auf mich wirkt es nun so, wie es da steht wesentlich runder. Das Bild des Planeten passt nun perfekt in das Gedicht. Die Fragen, die du stellst, die intensiven Wiederholungen "nicht wir ..." - ein gut gewähltes Stilmittel - prägen sich ein, manifestieren sich und ziehen einen Spannungsbogen, der mir vorher in deinem Gedicht gefehlt hat. Ich will nicht sagen, dass es ein völlig neues Gedicht ist, aber durch die Ergänzungen und auch durch das erweiterte Sprachbild wirkt es auf mich viel intensiver. Vielleicht hast du zu lange an diesem Gedicht gesessen. Manchmal ergeht es mir so, dass ich Gesagtes dann wieder und wieder überdenke und es irgendwann für mich an Wichtigkeit verliert, obwohl der Leser diese Schwerpunkte braucht und sie dem Text auch seine ganz spezielle Note geben.

Bitte, ändere es in die erweiterte Version, dann ist es in meinen Augen absolut gelungen. Ich werte in diesem Sinne. ;)

Gute Nacht
Sandra
 

Jongleur

Mitglied
zwei Gedichte?

Hallo Martin,

es ist mir ein wenig opulent, es steckt so viel drin - es ist so viel entwickelt an Bildern, an Ideen, an Modellen - dass es mich verwirrt.
Einmal das Bild, was mir sehr gut gefällt, weil es einmal nicht mit dem spielt, was man beim Leben, beim tagtäglichen Kampf "lässt", was abgenutzt, verbraucht wird: Wir gehen durch den Tag, und etwas bleibt an uns haften. Das kann Belastung sein, Ärger, Kummer usw., das könnte auch eine Freude, ein Erfolg, eine Erkenntnis sein. Dein Bild: es haftet dem Du an, legt sich auf oder über sein Wesen, seinen Kern.
Dann erklärst Du, schaffst ein Modell, in der zweiten Strophe:
Wir sind wie Spindeln [wozu das "nur"?], / die durch Flimmerstaub rotieren

und Leben nennen müssen,
was sich in Fasern um uns legt.

Dies Erklärungsmodell für "Leben" scheint mir nicht einleuchtend und einseitig. Zum Leben gehört doch allemal mehr als eine Außenbestimmung (legt sich in Fasern um uns - das hat nur noch Negativanmutung, man fühlt sich gefesselt, blockiert, erwürgt regelrecht), da ist doch auch ein Umgang mit den Dingen des Lebens, ein Agieren und ein Re-agieren. Selbst "stillhalten" ist eine Reaktion.

...

Dann kommt das Denkmodell, die interessante und bildhafte Darstellung, das alles, was sich an "Leben" um den Menschen wickelt - nun wiederum vom Planeten Erde zurückgeholt wird, beinah physikalisch, es geht keine Energie verloren ...

Wenn ich versuche, was bei mir als Hauptanliegen, Aussage des Gedichtes ankommt, dann ist es dies:

Da ist einer, ein Ich - das möchte mit einem Du zusammenliegen und in der Nacht ehrlich sein miteinander und den Menschen unter der Hülle entdecken.
- Ein Du möge seine Scheu ablegen und sich trauen, sich ehrlich und nackt im Sinne "ohne Maske" (?) zu zeigen - mit allem, womit es beladen ist oder entkräftet, erschöpft. Das Ich ermutigt, komm, leg dich zu mir, ist verständnisvoll, zugewandt auch dem, was der/die andere verbergen, nicht zeigen möchte. Es gibt ein Versprechen, dass die Nacht, das Beieinanderliegen, das Verstehen (das Lieben?) die beiden Menschen ehrlich werden lassen wird. Das L. Ich weiß wahre menschliche "Schönheit" zu schätzen und die Eigenheiten eines Menschen zu respektieren, den er auch "hölzern" und "dürr" lieben wird. Ja, er wird dies ehrlich Hölzerne, dies offengelegte Dürre sogar, weil authentisch, als die wirkliche Schönheit der Person empfinden.

Zwei Menschen - ein Wunsch - eine Nacht - ein Liebesgedicht?

Auf jeden Fall lenkt mich die übergeordnete Idee des "ent-wickelnden" Planeten ab, führt mich weg vom Thema, macht es mir kompliziert.

Ob der Text mit seinen verschiedenen, interessanten Schwerpunkten nicht Stoff für *zwei* Gedichte ist?

Grüße vom Jongleur
 

Svalin

Mitglied
Hallo ihr!

@ Sandra
Martin!! Wieso hast du es denn nicht so gelassen, wie in dieser zweiten (oder eher ersten) Version.
Es gab ja nie wirklich eine fertige Version ;) Nur viele lose Blätter mit einer stets weiter ausufernden Metaphernsammlung, die mit jedem Versuch sie zu ordnen oder aufzugreifen, immer ein wenig abstrakter und umfangreicher wurde. In dieser zweiten Version ist tatsächlich alles Essentielle zusammengedrängt. Vielleicht mehr eine Verzweiflungstat, wenn man eine Sache unbedingt zum Abschluss bringen will ;) Dass ein zu langes Sitzen an Texten denen nicht unbedingt gut tut, darin stimme ich völlig mit dir überein. Sie wirken dann oft zu durchdacht, zu überlegt und konstruiert. Diesen Vorwurf müssen sich wahrscheinlich beide Versionen gefallen lassen.

@ Jongleur
es ist mir ein wenig opulent, es steckt so viel drin - es ist so viel entwickelt an Bildern, an Ideen, an Modellen - dass es mich verwirrt.
Ja, mich auch ;) Wie ich gerade Sandra schrieb: hier haben sich im Laufe der Zeit zwar viele schöne Bilder, interessante Aspekte und Entwicklungsrichtungen versammelt, aber letztlich habe ich aus den Augen verloren, was ich eigentlich ursprünglich einmal sagen wollte. Deine Vermutung "Zwei Menschen - ein Wunsch - eine Nacht - ein Liebesgedicht?" kommt dem sehr nahe. Hier eine Art von Rückbesinnung:

Entwicklung

Komm zu mir am Abend,
mit allem, was vom Tage
an dir haften blieb
und leg dich zu mir.

Ich möchte sehen,
was dich heut umfing
und was bedrängte,
es entknoten, von dir lösen.

Sind wir nicht Spindeln gleich,
die durch Flimmerstaub rotieren
und Erleben nennen müssen,
was sich in Fasern um uns hüllt?

Es ist nicht wichtig,
ob es bunt war oder weich,
wir legen es einfach
der Nacht vor die Füße.

Ich möchte sehen
wie schön du wirklich bist:
Nackt, ein wenig hölzern
vielleicht und spindeldürr.

Dies Erklärungsmodell für "Leben" scheint mir nicht einleuchtend und einseitig. Zum Leben gehört doch allemal mehr als eine Außenbestimmung (legt sich in Fasern um uns - das hat nur noch Negativanmutung, man fühlt sich gefesselt, blockiert, erwürgt regelrecht), da ist doch auch ein Umgang mit den Dingen des Lebens, ein Agieren und ein Re-agieren. Selbst "stillhalten" ist eine Reaktion.
Ja, dem kann ich nur zustimmen. Die ersten Versionen sind maßlos überzeichnet und ertrinken mehr oder weniger in einer Art von "romantischem Nihilismus", der nicht ohne Universum und absolute Determination auskommen mag ;) Aber soweit man das auch zurückschraubt, das zugrundegelegte Spindel-Motiv erlaubt nach meinem Empfinden in sich keine umfassende (realistische) Bestimmung oder Abbildung von Dasein. Es bleibt bei einem passiven Empfangen.

Ich hoffe, dass du dich mit der 3. Version mehr anfreunden kannst ;) Darin sind sehr viele deiner Denkanstöße mit eingeflossen, ohne dass ich das jetzt im Einzelnen zerpflücken möchte. Deine wirklich gute und umfassende Einschätzung war ungemein hilfreich und inspirierend für mich, Jongleur. Vielen Dank!

Viele Grüße
Martin
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Martin,

die Verbindung von Lebenswolle, träumenden Planeten im kalten Universum und einer Liebe, stellten in mir die Verbindung zu "Die Haarteppichknüpfer" von Andreas Eschbach her.
Insofern kann ich den Sprung in den Weltraum verstehen.
So sehr man sich einer grenzenlosen Verbindung mit der Geliebten klar wird, um so näher rückt man an das Universum heran. Dessen Unendlichkeit wird endlich, wenn man in die wahre Endlosigkeit ihrer Augen versinkt.
Die Enge und Vertautheit der dritten Fassung werden zwar deutlich, aber Romantik hat auch etwas für sich.

In der zweiten Fassung beschäftigst Du Dich so deutlich mit dem Planeten, dass das Paar zu verblassen droht.

Mir gefällt tatsächlich die erste Version am besten!

cu
lap
 

Svalin

Mitglied
Hallo ihr!

@ lapismont

> Mir gefällt tatsächlich die erste Version am besten!

Soetwas hatte ich befürchtet ;) Aber im Ernst: Dank deiner und auch der anderen Erklärungen ahne ich nun zumindestens, dass hier wahrscheinlich kein Kompromiss zu erzielen sein wird, da Fokus und Schwerpunkt der verschiedenen Fassungen offenbar zu weit auseinander liegen. Auch gut, habe ich eben 3 Texte statt einem ;)

@ Montgelas

> "deshalb" begründet,
> Komm fordert direkt auf

Das ist ein guter Hinweis. Ich habe deinen Vorschlag für die ursprüngliche Version übernommen. Dort fehlte es tatsächlich an einem kausalen Zusammenhang, der ein "deshalb" sinnvoll gemacht hätte. Was mich noch brennend interessiert, ist, welche der 3 Fassungen du bevorzugen würdest. Falls keine, wäre ich sehr für Hinweise dankbar, wie ich vielleicht eine 4. gestalten könnte ;)

Viele Grüße
Martin
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

ich weiß, was jongleur mit "oppulent" meint. Aber für mich ist das nicht ein oppulentes Mahl, das mir den Magen verkorkst.*smile*
Es gibt ein Eingangsbild, schlicht und Endbild, schlicht. Dazwischen sehe ich diese Bilder wie Kunstwerke von Malern, die "oppulent" malen.
Die Idee der Spindeln finde ich sehr schön.
Es wird umwickelt, dann ab-gewickelt.

Der Übergang von der dritten zur vierten ist ein wneig fern?
Unten mal nur was an Gedanken dazu.

Sonst aber finde ich es sehr gelungen.
lG
Stoffel

Ent-wicklung

Komm zu mir mit allem
am Abend, was vom Tage
an dir haften blieb
und schäme dich nicht.

Wir sind alle Spindeln nur,
die durch Momentestaub rotieren
und Leben nennen müssen,
was sich in Fasern um uns legt.

Deshalb - schäme dich nicht!
Für Graues nicht und Schwarzes.
Nicht für Verschlissenes und
was dir kratzig scheinen mag.

Braucht uns nicht kümmern,
ist ein Kokon aus Lebenswolle nur
für einen träumenden Planeten,
der im kalten Universum friert.

Komm, leg dich zu mir.
Die Nacht wird uns entkleiden,
wenn sie durch die Plantagen
erntend geht und an uns zerrt.

Ich möchte neben dir erwachen
und sehen wie schön du wirklich bist:
Ein wenig hölzern vielleicht
und spindeldürr, atemlos und nackt.
 

Montgelas

Mitglied
lieber svalin,

ich habe mir gestern nochmal
deine verschiedenen varianten
deines textes angeschaut.
für mich ist die 3. die schönste.
die verse :

[blue]Niemand weiß, wozu dieser Planet
mit jeder Drehung weiter
millionenfach die Lebensfäden
von uns nimmt und um sich wickelt:

[blue]Wird‘s ein Kokon,
was schläft darin?
Und wenn es Zuckerwatte ist,
wer wird sie essen?

Vielleicht ein Knotenteppich,
den einmal jemand lesen wird?
Oder ein gewebtes Sternenhemd
aus einem Knäuel Lebenswolle?

Nicht wir, die sich betten.
Nicht wir, die er nährt.
Nicht wir, die verstehen.
Nicht wir, die er wärmt.[/blue][/blue]

lese ich eigenständig und sind sicher
nicht verloren, wenn sie als eigener text
für sich stehen,
denn der kosmische bezug bleibt ja auch
in der 3. variante erhalten.

die scheue, aber direkte
liebesaufforderung
in deinen zeilen finde ich wundervoll.

dir eine gute zeit

montgelas
 

Svalin

Mitglied
Hallo ihr!

@ Stoffel

> Der Übergang von der dritten zur vierten ist ein wenig fern?

Ja, dieser Perspektivenwechsel vom Ich zum Weltraum ist ziemlich unvermittelt, übergangslos. Ich hoffe dennoch, dass man ihm folgen kann. Ich wüsste nämlich nicht, wie man hier überleiten sollte. Dazwischen ist ja tatsächlich nichts.

> die durch Momentestaub rotieren

Ja, an dieser Stelle hab ich auch lange gegrübelt. Sie sagt ja etwas über den vom lyrischen Ich wahrgenommenen Zustand der Welt aus. Momentestaub ist da von dir sehr neutral formuliert und überlässt es gewissermaßen dem Leser, sie mit eigenen Gedanken und Empfindungen zu füllen. Vorteil wäre, dass damit vielleicht der von Jongleur angesprochenen negativen Sichtweise des Textes ein wenig entgegengewirkt werden könnte. So man denn möchte ;) Flimmerstaub ist hier sicher nicht das optimale Bild, enthält aber nach meinem Empfinden Assoziationspunkte, die ich sehr schön finde: Hektik und Licht-Schatten-Spiel.

@ Montgelas

Vielen Dank für deine Einschätzung. Ich denke, ich werde das Planeten-Motiv tatsächlich noch einmal in einem gesonderten Text aufgreifen und in den nächsten Tagen hier nachreichen ;)

Viele Grüße
Martin
 

presque_rien

Mitglied
Hallo Martin,

also ich muss mich lapismont anschließen: die erste Version deines Gedichtes hat mich sofort sehr für sich eingenommen.

Es mag sein, dass Joker Recht hat, dass dies eine zu einseitige, deterministische Sichtweise ist, die vermittelt wird - aber ein Gedicht beanspruch meiner Meinung nach sowieso nicht, die absolute, runde Wahrheit auszusprechen, sondern gibt einen Fetzen, ein Gefühl wieder, eine Sekunde. Und es geht dem Menschen so oft so, dass er sich fühlt, als wäre er ausgeliefert, der Welt mit ihrem scheinbar zufälligen Alltag, den vorbeiziehenden Ereignissen, die alle unweigerlich ihre oft "verschleissenden" Spuren hinterlassen... Und das wunderschönste ist es, dann festzustellen, dass man zum Geliebten kommen kann, der all das begreift, der einem nicht Übel nimmt, was der Alltag aus einem macht und am Morgen den "Kern" erkennt...

Das alles steckt für mich in der ersten Fassung, und ich finde die Bilder überhaupt nicht auseinanderdriftend, ich würde höchstens an einigen Formulierungen feilen.

und Leben nennen müssen
hier gefällt mir das "Erleben" aus Version drei mehr.

Für Graues nicht und Schwarzes.
Keine Ahnung, warum, aber dieses Bild mit seiner Farbmetaphorik passt für mich nicht wirklich "ins Schema"... ein Bild aus dem "Fäden-Wortfeld" fände ich besser.

Braucht uns nicht kümmern
Warum ein so schroffer Einstieg? Warum nicht "[blue]Es[/blue] braucht uns nicht zu kümmern"?

der [red]im kalten[/red] Universum friert
Ein bisschen dick aufgetragen für die ansonsten so sanften Verse ;-).

Komm, leg dich zu mir.
wenn sie durch die Plantagen
Auch Betonung per Kursivschreibung finde ich zu bemüht. Das Gedicht ist auch so schon eindringlich genug. Unde eine mögliche Bedeutungsverschiebung erkenne ich nicht direkt.

Aber ansonsten kann ich an dieser Stelle leider keine konstruktive Kritik loswerden ;-)! Die erste Version hat etwas sehr geheimnisvolles, sie hat mich in ihrem Zauber an eines meiner Lieblingsgedichte erinnert, von Celan (s.u.), obwohl die beiden Werke thematisch kaum etwas miteinander zu tun haben... seltsam ;-)...
Die zweite Version ist mir viel zu erklärend und nachbohrend. Irgendwie wird es in ihr richtig deutlich, dass du eine große Anzahl an wirklich wunderbaren Bildern angesammelt hast und dich von keinem trennen möchtest - ich finde es im Gegensatz zu Sandra gut, dass du dich dann doch getrennt hast :). Und die dritte Version... mit dem Aktivwerden des lyr. Ichs verfliegt für mich leider der besondere Zauber der Verse...

Insgesamt ein tiefgehendes Werk...

Lieben Gruß,
Julia

Anhang:

SO schlafe, und mein Aug wird offen bleiben.
Der Regen füllt' den Krug, wir leerten ihn.
Es wird die Nacht ein Herz, das Herz ein Hälmlein treiben –
Doch ists zu spät zum Mähen, Schnitterin.

So schneeig weiß sind, Nachtwind, deine Haare!
Weiß, was mir bleibt, und weiß, was ich verlier!
Sie zählt die Stunden, und ich zähl die Jahre.
Wir tranken Regen. Regen tranken wir.

Paul Celan
 

Svalin

Mitglied
Hallo Julia,

Vielen Dank für deine intensive Beschäftigung mit dem Text und die vielfältigen Anregungen. Ich habe einmal versucht, sie aufzugreifen und umzusetzen:

Komm zu mir am Abend,
mit allem was vom Tage
an dir haften blieb
und schäme dich nicht.

Wir sind doch Spindeln nur,
die durch Flimmerstaub rotieren
und Erleben nennen müssen,
was sich in Fasern um uns legt.

Deshalb - schäme dich nicht!
Nicht für Verschlissenes
und was in deinen Händen
dir unansehnlich scheinen mag.


Was an uns wächst, webt sich zu Größ'rem:
ist ein Kokon aus Lebenswolle nur
für diese Erde, die wie wir
allein in Kälte kreist und friert.


Komm, leg dich zu mir.
Die Nacht wird uns entkleiden,
wenn sie durch die Plantagen
erntend geht und an uns zerrt.

Ich möchte neben dir erwachen
und sehen wie schön du wirklich bist:
Ein wenig hölzern vielleicht
und spindeldürr, atemlos und nackt.

Was hältst du davon? Über's Ziel hinausgeschossen? Bestimmt ;)

Auch Betonung per Kursivschreibung finde ich zu bemüht. Das Gedicht ist auch so schon eindringlich genug. Und eine mögliche Bedeutungsverschiebung erkenne ich nicht direkt.
Sorry für dieses Missverständnis ;) Ich hatte auch hier nachträgliche Änderungen des Orginaltextes kursiv markiert, damit sich niemand wundert, weil er den Text irgendwie anders in Erinnerung hatte. Habe das jetzt in die Anmerkung darunter geschrieben.

Viele Grüße
Martin
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Martin,

da der Text so viele gute Wendungen enthält, wird es immer schwieriger, sich für eine Fassung zu entscheiden. Mir gefällt dEine Auseinandersetzung damit.

Nur "Erleben" mag ich nicht.

cu
lap
 

Montgelas

Mitglied
lieber martin,

ja - es wird immer schwieriger sich zu entscheiden,

die vorschläge, die du presque_rien machst finde ich auch sehr gelungen..

"Was an uns wächst, webt sich zu Größ'rem"
gefällt mir sehr

mal sehen, was zum schluss dabei rauskommt !

sehr gespannt
wartet

montgelas
 

Svalin

Mitglied
Randnotizen

Hallo lapismont,

> Nur "Erleben" mag ich nicht.

Wie wäre es an dieser Stelle mit einem "begreifen wollen"? Das würde sehr gut mit den neu hinzugekommenen "Händen" aus Julias Version korrespondieren und verweist gleichzeitig auf ein Streben nach Erkenntnis. Vielleicht gelingt es damit auch, die grundsätzliche Determination durch das Spindel-Motiv ein wenig aufzuheben:

Wir sind doch Spindeln nur,
die durch Flimmerstaub rotieren
und stets begreifen wollen,
was sich in Fasern um uns legt.

Deshalb - schäme dich nicht!
Nicht für Verschlissenes
und was in deinen Händen
dir unansehnlich scheinen mag.

Viele Grüße
Martin
 

Montgelas

Mitglied
Re: Randnotizen

lieber svalin,

"begreifen" ist wirklich gut,
weil du damit tatsächlich von der
enge des spindelmotivs ein wenig befreit wirst.


meint

montgelas
 



 
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