Entlieben

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Cynthia

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Entlieben

Als sie erwachte, schaute sie geradewegs in ein paar meeresblaue Augen. Was war geschehen? Nach und nach gelang es ihr die Bruchstücke ihrer Erinnerung zu einem Bild zusammenzusetzen.
Alles nahm seinen Anfang, als sie vor vielen Monaten einem Menschen begegnete, der ihr sogleich als etwas ganz Besonderes auffiel. Sein Name war Legna. Er sagte Dinge, von denen sie wusste, dass sie diese genau so gesagt hätte, wären ihr nur die passenden Worte eingefallen. Er hatte eine magische Anziehungskraft auf sie und sie drängte danach mehr über diesem Menschen zu erfahren. Sie fühlte etwas in ihrem Inneren, das sie nicht in Worte fassen konnte. Bald waren ihre Gedanken täglich, dann stündlich und schließlich ständig bei Legna. Jetzt wusste sie... sie war verliebt.
Legna jedoch hatte war sehr beschäftigt. Er hatte weder Zeit noch Interesse sich in einen anderen Menschen zu verlieben. Zudem hatte er zuvor viele Enttäuschungen auf seinem Weg ertragen müssen. Einem Menschen vertrauen, das wollte er nie wieder.
Die Situation schien aussichtslos zu sein. Sie wusste es. Doch das Gefühl ließ sich nicht abstellen so sehr sie es auch versuchte. Die Aussichtslosigkeit und die Gewissheit, dass keines dieser Gefühle ihn jemals erreichen würden machten sie traurig. „So kann es nicht weiter gehen! Ich muss etwas tun, denn ich werde von Tag zu Tag betrübter. Meine Verliebtheit wandelt sich in Liebeskummer.“
Sie hatte gute Ideen dem Liebeskummer zu entkommen. Als erstes stürzte sie sich in Kontakte. „Menschen um mich herum lenken ab und bringen mich auf andere Gedanken.“ Doch schon bald erkannte sie, dass sie auch mit diesen Mensche zusammen ständig diese Traurigkeit und die Gedanken an Legna in sich trug. Egal was sie tat, wo sie war, alles erinnerte sie an ihn. Ein Lied, gleichgültig ob laut oder leise, fröhlich oder traurig. Eine Mohnblume, ein Kleeblatt, ein Baum, ein Haus, Sonne. Mond, Sterne die Farben des Regenbogens, das blau des Himmels...
Sie behandelte Menschen, die sie doch eigentlich liebte mürrisch und ungeduldig und der Tag war für sie eine Qual und mit Furcht vor der nahenden Nacht. Sie vergaß zu essen und zu leben. Die Tage rauschten an ihr vorbei wie ein kurzer Augenblick.
Das sah ein Freund. Er nahm sie in den Arm und blickte ihr in die traurigen Augen. „Was tust du? So kann es nicht weitergehen!“ Ja, endlich wieder durchatmen und lachen können. Das wünschte sie sich so sehr.
Bald schon tauchten immer mehr Freunde auf, die genau zu wissen schienen was für sie das Beste sei. Du musst dich bewegen! Mache Sport, das fegt die Gedanken fort und du bis befreit!
Lese ein schönes Buch, schreibe ein Gedicht, eine Geschichte...
Ja, die Bewegung tat gut, hielt aber nicht auf Dauer was sie sich erhoffte. Das Buch interessierte sie nicht. Gedichte zu schreiben weckte in ihr nur traurige Gedanken. Alles endete in einem einzigen Gedanken. Der Gedanke an Legna. „Vergiss ihn! Mit der Zeit wird es schon gehen!“ Niemand konnte sich in ihre Gefühlswelt hineindenken.
Nach einer Nacht voller wirrer Träume sah sie den Weg, den sie gehen musste glasklar vor sich. Hatte sie sich verliebt, so sollte es doch auch möglich sein sich wieder zu entlieben. Ja! Nur wie konnte sie es anstellen? Sie überlegte zunächst wo sie die Verliebtheit in ihren Inneren spürte.
Sie war vor allem im Herzen zu lokalisieren, dann im Bauch und ein wenig im Kopf. Welcher Arzt ist den auf dieses Gebiet spezialisiert? Ein Internist wird mit Sicherheit wissen was zu tun ist... „Hm... sie scheinen aber nach meinen Untersuchungen völlig in Ordnung zu sein. Ich glaube ich kann leider nichts für sie tun.“ „ Und warum geht es mir dann so schlecht? Warum habe ich diese schweren Steine in meinem Inneren?“ „Das sollte mal ein Psychologe untersuchen. Wenn die Menschen gesund sind und es dennoch schmerzt, gibt es nur noch diese Möglichkeit.“
Also ging sie zu einem Psychologen. „ Eindeutiger Fall von Liebenskummer, aber das wird schon vergehen. Bisher ist daran noch niemand gestorben. Ich verschreibe ihnen ein Medikament, das fürs Erste hilft ihre Stimmung aufzuhellen. Danach wird’s schon wieder.“
Die Tabletten hatte sie alle eingenommen aber keine Veränderung alles blieb wie zuvor.
Da erblickte sie eines Morgens beim Lesen der Zeitung eine Annonce. „Neueröffnung einer Praxis für Liebeskummeropfer.“ Genau das was sie suchte! Schnell einen Termin gemacht. Der Arzt hatte schon auf anderen Gebieten viele Erfolge zu verzeichnen und sich so in der Stadt einen Namen gemacht.
Hoffnungsvoll betrat sie die Praxis. Eine kurze Untersuchung. Ein Gespräch und die Sache war klar. „Ihr Fall scheint etwas komplizierter zu sein. Sie hätten nicht so lange warten dürfen. Ich stelle schon einige Versteinerungen in ihrem Inneren fest. Außerdem ist ihr Herz aus Überfluss an Liebe schon so vergrößert, dass es kurz vor dem Zerreißen ist. Das muss ja ein unglaublicher Druck sein. Wir müssen operieren! Dabei werden wir ihr Herz an einer Stelle ein wenig anbohren und so den Überfluss an Liebe herauslaufen lassen. Nicht ungefährlich, denn wenn es passiert, dass zuviel Liebe herausläuft haben wir ein Problem. Oft haben wir so eine Operation auch noch nicht durchgeführt.“ Sie ging das Risiko ein. Eine Woche später lag sie schon auf dem Operationstisch und wurde mit einer Narkose in den Tiefschlaf versetzt.
Als sie wieder erwachte und die meerblauen Augen entdeckte waren ihre erstes Wort: „Legna!?!“
Ja, Legna stand an ihrem Bett! „ Was ist geschehen, Legna?“ „Die Ärzte haben die Liebe, die dein Herz beinahe zum Zerreißen gebracht hat herauslaufen lassen. Da ich schon lange auf der Liste der Liebesspendebedürftigen stand, haben sie mir diese Liebe, übertragen.“
 



 
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