Totgeschrieben - Epilog

xavia

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Epilog

Veronika und Katharina machen einen Spaziergang

Drei Jahre später schiebt Veronika wie schon seit vielen Jahren den Rollstuhl ihrer Freundin Katharina am Fluss entlang, Petes Bistro entgegen.
[ 5]»War das nicht eben der Typ aus der Zeitung, der das tolle neue Krebsmittel erfunden hat?«, fragte sie, als ein Paar mit Hund an ihnen
vorbeigegangen war. »Hoffen wir, dass das auf den Markt kommt, bevor wir es brauchen. Oder lieber, dass wir es gar nicht brauchen.«
[ 5] »Auf den Mann habe ich gar nicht geachtet, habe nur die Frau neben ihm angesehen. Das war dieselbe, die damals versucht hat, uns zum Narren zu machen mit ihren Anrufen für den Super-Doktor. Die hat einen Roman veröffentlicht, da wird er genau beschrieben, unser Doktor. Unser Ex-Doktor, muss ich ja sagen. Ein schlimmer, wirklich kitschiger Roman. Ich habe ihn aus Neugier gekauft, als ich ihr Foto hinten drauf sah. Und der zweite Teil ist auch nicht besser. Da stirbt ihr Doktor mit denselben Symptomen wie unserer. Einfallslos.«
[ 5] »Tatsächlich?« horchte Veronika auf, »Wie ist es denn dazu gekommen, dass er gestorben ist?«
[ 5] »Vergiftet.«
[ 5] »Wer hat ihn denn vergiftet? Und womit? Schreibt sie das auch?«
[ 5] »Seine Patientin war's. Mit Rizin, dem ›Gift des Jahres‹. Und sie kommt damit davon. Ein unethisches Ende für einen Krimi, der wird bestimmt nicht verfilmt.«
[ 5] »Was ist denn aus der Patientin unseres Ex-Doktors geworden, weißt du das?« wollte Veronika nun wissen.
[ 5] »Ja, meine Liebe, das habe ich gestern herausgefunden, lass uns lieber noch eine Runde drehen, das möchte ich dir nicht im Bistro erzählen.«
[ 5] Veronika schob Katharina am Bistro vorbei und reduzierte das Tempo. »Ich bin ganz Ohr.«
[ 5] »Gestern stand doch diese Geschichte in der Zeitung, dass eine junge Frau ihren Professor erstochen hat, in seinem Büro.«
[ 5] »Ja, das habe ich gelesen. Sehr seltsam, diese Geschichte. Und dieser Dummkopf hat sich das Messer aus der Milz gezogen, statt auf Hilfe zu warten, um es ihr dann in die Kehle zu rammen. Das muss eine blutige Angelegenheit gewesen sein. Als die Ambulanz kam, waren beide verblutet. – Weißt du denn mehr als in der Zeitung stand?« Veronika hockte jetzt vor dem Rollstuhl und hielt sich an den beiden vorderen Holmen fest, um der Freundin in die Augen sehen zu können.
[ 5] »Ein wenig mehr. Man hat so seine Quellen«, sagte Katharina verschwörerisch und freute sich, Veronika auf die Folter spannen zu können. Doch die wusste viel über sie und schloss messerscharf:
[ 5] »Deine Bekannte bei der Kripo? Hat sie aus dem Nähkästchen geplaudert?«
[ 5] »Touché. Sie hat mir verraten, wer diese mordende Studentin war.«
[ 5] »Lass mich raten«, bat Veronika, »die Ex-Patientin unseres Ex-Doktors?«
[ 5] »Genau. Sie hatte schon vier Suizid-Versuche hinter sich und dieses Mal ist es ihr gelungen.«
[ 5] »Also irgendwie ein Happy End?«
[ 5] »Ich wusste ja, dass du eine makabre Ader hast, aber damit stellst du selbst dich in den Schatten. Denk doch nur an den armen Professor, er hatte eine Frau und zwei Kinder!«
[ 5] »Was mag denn ihr Motiv gewesen sein?«
[ 5] »Auch darüber kann ich dich aufklären, denn wie du weißt, habe ich einen guten Draht zu Dr. Thomsen, bei der die Akten dieser Studentin gelandet sind, nachdem unser Doktor tot war. Anscheinend hatte die Unglückliche eine schwere Kindheit mit viel Missbrauch durch die Männer in ihrer Umgebung. Wahrscheinlich hat sich da einiges an Wut aufgestaut.«
[ 5] »Was für eine Geschichte«, staunte Veronika. »Und wenn es in Wirklichkeit so war wie in dem Roman, dann hat sie auch unseren Ex-Doktor auf dem Gewissen?«
[ 5] »So sieht es aus, ein perfektes Verbrechen. Vielleicht hat ihr Bruder ihr das Gift gemischt, weil er in die Autorin verliebt war und seine Schwester hat ihm dann die Drecksarbeit abgenommen.«
[ 5] »Der Wissenschaftler ist ihr Bruder?«
[ 5] »Ja, das ist doch offensichtlich. Ihre Mutter war bei uns in der Praxis. Er ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten und seine Schwester auch. Sowas sehe ich auf einen Blick.«
[ 5] »Ein mordendes Geschwisterpaar? – Du hast wirklich eine blühende Phantasie«, staunte Veronika, stand wieder auf und schob die Freundin zurück in Richtung des Bistros. Katharina lachte ihr glucksendes Lachen, das tief aus ihrem Bauch kam.
[ 5] »Ja, meine Liebe, was wäre das Leben ohne Phantasie?«
ENDE​
 



 
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