Er pflückte sie aus den Zweigen der Korkeiche

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ENachtigall

Mitglied
Er pflückte sie aus den Zweigen der Korkeiche
Nach dem letzten Jahrhundertsturm
schaukelte sie leicht verstimmt
mehrere Monde lang
und den Hals wolkenwärts gerichtet
den stummen Korpus
gegen das stämmige Rot

Die frisch geschälte Rinde
hatte der wütende Wind
kilometerweit landeinwärts gepeitscht
Sie klebte am Schaufenster der Hutmacherin
als suchte sie die runde Nähe der künstlichen Köpfe
und strandete schließlich
auf der Schwelle des Geigenbauers Haus

Ein gefundenes Fressen
für einen mageren Hund
der, ganz vernarrt, das geduldige Stück
einen bleichen Tag lang umherschleppte
bis in den Schlaf
noch unter der Eiche
zermalmten die Zähne den kostbaren Fund

Ein Streuner wie du sah ihn dort träumen
einer, der verlorene Gedanken
aus den Blättern zu zupfen vermag
Gerissen stach ihm eine Saite ins Auge: die Violine
aus den Ästen geborgen, spielte
mit einem Streich Liebe
den Resonanzraum intakt

Und so wurde auch diese Zeit alt und gut
 
P

Pete

Gast
Eine wunderbar, melancholische Metapher.

Warum nur hat niemand Berufener als ich dieses Werk kommentiert, wo ich doch ein Gedichtbanause bin!

Grüße

Pete
 

ENachtigall

Mitglied
Banausen

Banause stammt aus dem Griechischen und bezeichnete dort einen Handwerker... der Antike, der seine Arbeit ohne den Einsatz von Sklaven bewältigte.
Der also deshalb keine Zeit hatte für: schöngeistige Dinge (Philosophie, Kunst...)
Hallo Pete,

meinem Gedicht ist es viel mehr Kompliment von Banausen und Sklaven a.D. gelesen und beachtet, als von Muse geküßten Chirurgen seziert zu werden. In diesem Sinne hast Du uns ein echtes Lächeln geschenkt. Vielen Dank dafür!

Lieben Gruß

Anonymia
 
P

Pete

Gast
Danke :)

Ich lese mich gerade ein in die Welt der Poesie und bemühe mich um Verständnis.

Danke für Deine Aufmunterung.
 



 
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