Erfahrung

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HerbertH

Mitglied
Nichts vergisst sie, keine
Verbrennung, keine Narbe, keine
Feuchte, keine Runzel.

In ihrer Fläche wölben sich
wie Berge und Täler die Tiefen
und Höhen wie Poren und Pusteln.

Auf ihr ist Dunkelheit und Helle
wie Leberfleck und lichtlose Blässe
des Busens in stetem

Wechsel zu finden, wie Leder beschützt
sie die innenliegende Weiche der
verästelten Zellen und Bahnen.

In ihren Falten vergräbt sich
Schicksal und Deutung, am Ende
zerfällt sie in Schuppen und Horn,

reptilienhaft gegliederte Muster durch-
ziehen sie, aufragen aus ihr wie verkrümmte
Äste, doch weicher die Türme aus Zellen, die

in tiefe Einschnitte hineinwachsen, wo sie selbst
im inneren Dunkel sich aus dem Blicke verliert
und dort das innere Äußre abschirmt.

So wie die Haut.
 
H

Hakan Tezkan

Gast
lieber herbert,

bilder gut, sprachliches niveau auch, eigentlich, denn für mich ist das eine hochtrabende sprache, wirkt fast wie ein gedicht von shakespeare, nicht von den bildern und auch nicht unbedingt von der wortwahl her, sondern primär vom tonfall. ich weiß nicht wieso, aber beim lesen deines gedichtes sah ich einen mann aus dem 16. jahrhundert vor mir, der dieses gedicht mit pathetischen bewegungen vorträgt. und das nicht, weil du pathetisch schreibst, sondern weil dein tonfall dies bei mir, vielleicht bei mir allein suggeriert.
trotzdem: das gedicht hat qualität. gerne gelesen.

lg,
hakan
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Hakan,

das Lob aus Deinem Munde freut mich natürlich sehr. Deine Assoziation zu der Stimmung des Gedichtes passt eigentlich gut zum Titel "Erfahrung", zumindest, wenn der Mann des 16. Jahrhunderts einige Lenze zählt. Vielleicht kommt der Eindruck auch durch die relativ strenge Form zustande. Eine letzte Möglichkeit: Sprache transportiert Generationsunterschiede, zu Deutsch: ich schreibe vielleicht fühlbar anders, weil ich älter bin. Wenn das Gedicht hochtrabend rüberkommt, ist es sicherlich nicht so intendiert ;).

In letzter Zeit experimentiere ich viel. Das vorliegende Gedicht habe ich übrigens spontan "runtergeschrieben".

Die Rückkopplung über ausgelöste Assoziationen ist für mich immer sehr spannend. Leider habe ich kein reales Publikum, dem ich Gedichte vorlesen kann, das fände ich auch spannend. Ob ich mich dabei zu Pathos hinreissen liesse, weiss ich allerdings nicht :).

Danke fürs Lesen und Assoziieren.

LG

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Nichts vergisst sie, keine
Verbrennung, keine Narbe, keine
Feuchte, keine Runzel.

In ihrer Fläche wölben sich
wie Berge und Täler die Tiefen
und Höhen wie Poren und Pusteln.

Auf ihr ist Dunkelheit und Helle
wie Leberfleck und lichtlose Blässe
des Busens in stetem

Wechsel zu finden, wie Leder beschützt
sie die innenliegende Weiche der
verästelten Zellen und Bahnen.

In ihren Falten vergräbt sich
Schicksal und Deutung, am Ende
zerfällt sie in Schuppen und Horn,

reptilienhaft gegliederte Muster durch-
ziehen sie, aufragen aus ihr wie verkrümmte
Äste, doch weicher die Türme aus Zellen, die

in tiefe Einschnitte hineinwachsen, wo sie selbst
im inneren Dunkel sich aus dem Blicke verliert
und dort das innere Äußre abschirmt.

So wie meine Haut.
 
B

Beba

Gast
Intensiver Text, der zum noch einmal lesen anregt, was schon etwas heißt. Mir gfällt er.

Ciao,
Bernd
 

Perry

Mitglied
Hallo Herbert,
die Erfahrung als Spiegelbild des Alterns gefällt mir gut.
Einige Vergleiche klingen für mich etwas "strapaziert" (lichtlose Blässe, verästelte Zellen, reptilienhaft) und kommen zu oft in der Wie-Form vor.
LG
Manfred
 

HerbertH

Mitglied
Hallo,

@Bernd: vielen Dank, das hört man gerne.

@Perry: ein interessanter Einwurf. Im Ganzen ein Bild zu sehen, das war das Ziel, daher auch die vielen wie. Wenn ich mir die Haut meiner Hand auf der Oberseite anschaue, sehe ich Muster, deren Linienstruktur am ehesten Assoziationen an ein Reptil auslösen. Ich befürchte, dass die mögliche Wahl nicht so geläufiger Assoziationen beim Leser nicht die von mir intendierten Bilder geweckt hätte. Trotzdem vielen Dank für den Hinweis, ich denke darüber nach.

LG

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Nichts vergisst sie, keine
Verbrennung, keine Narbe, keine
Feuchte, keine Runzel.

In ihrer Fläche wölben sich
wie Berge und Täler die Tiefen
und Höhen wie Poren und Pusteln.

Auf ihr ist Dunkelheit und Helle
wie Leberfleck und lichtlose Blässe
des Busens in stetem

Wechsel zu finden, wie Leder beschützt
sie die innenliegende Weiche der
verästelten Zellen und Bahnen.

In ihren Falten vergräbt sich
Schicksal und Deutung, am Ende
zerfällt sie in Schuppen und Horn,

reptilienhaft gegliederte Muster durch-
ziehen sie, aufragen aus ihr wie verkrümmte
Äste, doch weicher die Türme aus Zellen, die

in tiefe Einschnitte hineinwachsen, wo sie selbst
im inneren Dunkel sich aus dem Blicke verliert
und dort das innere Äuß're abschirmt.

So wie meine Haut.
 

Leise Wege

Mitglied
Weckt Interesse beim lesen der ersten Zeilen.
Die Bilder klasse gewählt um Erfahrungswert auszudrücken.
Stimmig in sich - gefällt.
Lg Moni
 

Joh

Mitglied
Ich kann mich dem allgemeinen Lob anschließen, ein gut durchdachter Text mit Vergleichen, die für mich sehr stimmig sind, auch der sprachliche Rhythmus spricht mich an. Habe ich sehr gern gelesen.


ein Gruß, Johanna
 
D

Drew

Gast
Hallo,

auch wenn für mich manches nicht so nachvollziehbar war, in bezug auf "Erfahrung", so habe ich es gern gelesen, weil es mir gefällt, wenn einer so umfangreichen Sprachschatz besitzt.

drew
 

HerbertH

Mitglied
Nichts vergisst sie, keine
Verbrennung, keine Narbe, keine
Feuchte, keine Runzel.

In ihrer Fläche wölben sich
wie Berge und Täler die Tiefen
und Höhen wie Poren und Pusteln.

Auf ihr ist Dunkelheit und Helle
wie Leberfleck und lichtlose Blässe
des Busens in stetem

Wechsel zu finden, wie Leder beschützt
sie die innenliegende Weiche der
verästelten Zellen und Bahnen.

In ihren Falten vergräbt sich
Schicksal und Deutung, am Ende
zerfällt sie in Schuppen und Horn,

reptilienhaft gegliederte Muster ziehen
durch sie, aufragen aus ihr wie verkrümmte
Äste, doch weicher die Türme aus Zellen, die

in tiefe Einschnitte hineinwachsen, wo sie selbst
im inneren Dunkel sich aus dem Blicke verliert
und dort das innere Äuß're abschirmt.

So wie meine Haut.
 

HerbertH

Mitglied
Nichts vergisst sie, keine
Verbrennung, keine Narbe, keine
Feuchte, keine Runzel.

In ihrer Fläche wölben sich
wie Berge und Täler die Tiefen
und Höhen wie Poren und Pusteln.

Auf ihr ist Dunkelheit und Helle
wie Leberfleck und lichtlose Blässe
des Busens in stetem

Wechsel zu finden, wie Leder beschützt
sie die innenliegende Weiche der
verästelten Zellen und Bahnen.

In ihren Falten vergräbt sich
Schicksal und Deutung, am Ende
zerfällt sie in Schuppen und Horn,

reptilienhaft gegliederte Muster ziehen
durch sie, ragen aus ihr auf wie verkrümmte
Äste, doch weicher die Türme aus Zellen, die

in tiefe Einschnitte hineinwachsen, wo sie selbst
im inneren Dunkel sich aus dem Blicke verliert
und dort das innere Außen beschirmt.

So wie meine Haut.
 



 
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