Erhöhte Lebensqualität
Ich sitze an meinem Terminal und schäle Kartoffeln für das „Intercontinental“. Man hat zwar schon erreicht, daß alle Kartoffeln die selbe Form haben, aber ohne Schale kommen sie nicht aus der Erde. In Europa ist die gesamte Landwirtschaft voll automatisiert. Die USA haben seinerzeit damit begonnen, kamen aber in Konflikt mit den Viehzüchtern. Jetzt kommt das gesamte Obst und Gemüse und was sonst noch angebaut wird aus Europa und aus den USA kommt das Viehzeug. Nur in den Gegenden, wo Südfrüchte, Kaffee, Tabak und Tee wachsen, herrscht noch Mischwirtschaft. Viele sagen Misswirtschaft dazu. Aber dann drehen sich alle Blondinen um, denn jede wäre gerne eine „Miss“ und der Titel der „Miss Wirtschaft“ ist noch nicht erfunden.
Mir macht es Spass, von zu Hause aus für ein Hotel Kartoffeln zu schälen. Alle Hotels wissen das und geben ihre Bestellungen bei mir auf. Früher war ich Meeresbiologe, speziell für Pflanzen und Algen. Vielleicht fühle ich mich deshalb so zu den Kartoffeln hingezogen.
Ich beobachte, wie sie geschält und gewaschen werden und untersuche jede einzelne auf Augen. Die mit den Augen werden solange geschält, bis sie nicht mehr gucken.
Ich gönne mir das Vergnügen, die Kartoffeln auf dem gesamten Bildschirm zu betrachten. So kann mir nichts entgehen. Auf dem gesamten Bildschirm, das bedeutet, dass die ganze Zimmerwand voller Kartoffeln ist. Wenn der Computer nichts zu tun hat, wechseln berühmte Gemälde und schöne Landschaften einander ab auf meiner Wand. Niemand hängt sich heute noch irgendwelche Bilder hin, dafür hat man doch diesen Bildschirmschoner. Manchmal bekommen auch unbekannte Maler die Chance, ihre Werke über sämtliche Bildschirme wandern zu lassen. Wenn dann mehr als tausend Leute sagen, dass ihnen diese Bilder gefallen, dann werden sie archiviert und öfter gezeigt.
Auf der Taskleiste beginnt ein Stern zu blinken, das bedeutet, dass ich eine Nachricht von der Hausverwaltung bekomme. Schnell führe ich den Cursor auf den Stern und empfange die Mitteilung, dass heute der Hof erst um zwölf Uhr mittags geflutet wird. Verdammt, zwölf Uhr erst! Wie soll ich es nur solange aushalten? Meine Kiemen sind jetzt schon ganz trocken!
Ja, ich habe mich damals freiwillig gemeldet, als junge Leute gesucht wurden, die ihre Lebensqualität erhöhen wollten. Es ist nahezu eine Verdopplung der Lebensqualität, wenn man auf der Erde und im Meer leben kann, oder? Ich war von der Idee restlos begeistert. Etliche Jahre ging auch alles gut, ich schwamm munter zwischen all den Fischen umher, sah zauberhafte Gewächse ganz aus der Nähe – mir steigt noch heute das Wasser in die Augen, wenn ich an die herrlichen Korallenriffe denke! Natürlich konnten wir Ichtiander nur begrenzte Zeit unter Wasser verbringen, weil sonst unsere Lungen verkümmert wären. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Kiemen nicht zu lange ohne Wasser bleiben. Also werde ich mir wohl wieder ein paar Hände voll Wasser an den Hals klatschen müssen.
Der Innenhof unseres Wohnblocks ist doppelt nutzbar. Es gibt einen Buddelkasten, eine Wippe und mehrere Beete mit Grünpflanzen, sogar ein kleiner Baum streckt seine vielblättrigen Zweige gen Himmel. Und regelmässig wird der Hof zum Schwimmbecken für mich und die anderen Behinderten in unserem Haus. Es ist fantastisch anzusehen, wenn das klare Salzwasser in die Luft fliesst. Ein Kraftfeld hält das Wasser in der Schwebe. Der Hof mit dem Spielplatz und den Gewächsen bleibt trocken. Das Treppenfenster in der dritten Etage ist der Zugang zum Badevergnügen. Meist warten dort schon etliche Behinderte auf den Freigabe-Pieps. Dann geht es mit Hurra ins kühle Nass.
Warum wir nicht mehr an der See leben? Nun, ganz einfach: es stellte sich heraus, dass im Meerwasser Substanzen enthalten sind, die der menschliche Organismus nicht verträgt. Natürlich war alles gründlich untersucht worden, um derartiges auszuschliessen, aber die Natur ist nunmal eine riesige Chemiefabrik. Wieviele Tanker hatten schon Öl verloren, wieviele Abfälle hat der Mensch dem Meer übergeben? Daraus haben sich allmählich Substanzen entwickelt und entwickeln sich noch. Irgendeine davon war der Wissenschaft entgangen und die Ichtiander wurden krank, sterbenskrank. Es blieb nichts weiter übrig, als sie nicht mehr einzusetzen. Nun leben wir Behinderte in der Stadt unserer Wahl. Unsere Hofbassins können auch von allen anderen Mietern kostenlos benutzt werden. Versteht sich, dass das ganz auserwählte Personen sind. Wo bleibt denn sonst der Gewinn für die Freibadbetreiber?
Im Winter wird das Wasser ein wenig angewärmt, dennoch sind wir dann unter uns. Für normale Menschen ist es zu kalt, aber wir haben eine genetisch veränderte Haut. Leider kann aus Kostengründen das Bassin nicht ständig gefüllt sein. Na, es ist ja schon elf. Zwölfe wird’s auch noch werden. Dann kann ich endlich meine erhöhte Lebensqualität voll ausschöpfen!
Ich sitze an meinem Terminal und schäle Kartoffeln für das „Intercontinental“. Man hat zwar schon erreicht, daß alle Kartoffeln die selbe Form haben, aber ohne Schale kommen sie nicht aus der Erde. In Europa ist die gesamte Landwirtschaft voll automatisiert. Die USA haben seinerzeit damit begonnen, kamen aber in Konflikt mit den Viehzüchtern. Jetzt kommt das gesamte Obst und Gemüse und was sonst noch angebaut wird aus Europa und aus den USA kommt das Viehzeug. Nur in den Gegenden, wo Südfrüchte, Kaffee, Tabak und Tee wachsen, herrscht noch Mischwirtschaft. Viele sagen Misswirtschaft dazu. Aber dann drehen sich alle Blondinen um, denn jede wäre gerne eine „Miss“ und der Titel der „Miss Wirtschaft“ ist noch nicht erfunden.
Mir macht es Spass, von zu Hause aus für ein Hotel Kartoffeln zu schälen. Alle Hotels wissen das und geben ihre Bestellungen bei mir auf. Früher war ich Meeresbiologe, speziell für Pflanzen und Algen. Vielleicht fühle ich mich deshalb so zu den Kartoffeln hingezogen.
Ich beobachte, wie sie geschält und gewaschen werden und untersuche jede einzelne auf Augen. Die mit den Augen werden solange geschält, bis sie nicht mehr gucken.
Ich gönne mir das Vergnügen, die Kartoffeln auf dem gesamten Bildschirm zu betrachten. So kann mir nichts entgehen. Auf dem gesamten Bildschirm, das bedeutet, dass die ganze Zimmerwand voller Kartoffeln ist. Wenn der Computer nichts zu tun hat, wechseln berühmte Gemälde und schöne Landschaften einander ab auf meiner Wand. Niemand hängt sich heute noch irgendwelche Bilder hin, dafür hat man doch diesen Bildschirmschoner. Manchmal bekommen auch unbekannte Maler die Chance, ihre Werke über sämtliche Bildschirme wandern zu lassen. Wenn dann mehr als tausend Leute sagen, dass ihnen diese Bilder gefallen, dann werden sie archiviert und öfter gezeigt.
Auf der Taskleiste beginnt ein Stern zu blinken, das bedeutet, dass ich eine Nachricht von der Hausverwaltung bekomme. Schnell führe ich den Cursor auf den Stern und empfange die Mitteilung, dass heute der Hof erst um zwölf Uhr mittags geflutet wird. Verdammt, zwölf Uhr erst! Wie soll ich es nur solange aushalten? Meine Kiemen sind jetzt schon ganz trocken!
Ja, ich habe mich damals freiwillig gemeldet, als junge Leute gesucht wurden, die ihre Lebensqualität erhöhen wollten. Es ist nahezu eine Verdopplung der Lebensqualität, wenn man auf der Erde und im Meer leben kann, oder? Ich war von der Idee restlos begeistert. Etliche Jahre ging auch alles gut, ich schwamm munter zwischen all den Fischen umher, sah zauberhafte Gewächse ganz aus der Nähe – mir steigt noch heute das Wasser in die Augen, wenn ich an die herrlichen Korallenriffe denke! Natürlich konnten wir Ichtiander nur begrenzte Zeit unter Wasser verbringen, weil sonst unsere Lungen verkümmert wären. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Kiemen nicht zu lange ohne Wasser bleiben. Also werde ich mir wohl wieder ein paar Hände voll Wasser an den Hals klatschen müssen.
Der Innenhof unseres Wohnblocks ist doppelt nutzbar. Es gibt einen Buddelkasten, eine Wippe und mehrere Beete mit Grünpflanzen, sogar ein kleiner Baum streckt seine vielblättrigen Zweige gen Himmel. Und regelmässig wird der Hof zum Schwimmbecken für mich und die anderen Behinderten in unserem Haus. Es ist fantastisch anzusehen, wenn das klare Salzwasser in die Luft fliesst. Ein Kraftfeld hält das Wasser in der Schwebe. Der Hof mit dem Spielplatz und den Gewächsen bleibt trocken. Das Treppenfenster in der dritten Etage ist der Zugang zum Badevergnügen. Meist warten dort schon etliche Behinderte auf den Freigabe-Pieps. Dann geht es mit Hurra ins kühle Nass.
Warum wir nicht mehr an der See leben? Nun, ganz einfach: es stellte sich heraus, dass im Meerwasser Substanzen enthalten sind, die der menschliche Organismus nicht verträgt. Natürlich war alles gründlich untersucht worden, um derartiges auszuschliessen, aber die Natur ist nunmal eine riesige Chemiefabrik. Wieviele Tanker hatten schon Öl verloren, wieviele Abfälle hat der Mensch dem Meer übergeben? Daraus haben sich allmählich Substanzen entwickelt und entwickeln sich noch. Irgendeine davon war der Wissenschaft entgangen und die Ichtiander wurden krank, sterbenskrank. Es blieb nichts weiter übrig, als sie nicht mehr einzusetzen. Nun leben wir Behinderte in der Stadt unserer Wahl. Unsere Hofbassins können auch von allen anderen Mietern kostenlos benutzt werden. Versteht sich, dass das ganz auserwählte Personen sind. Wo bleibt denn sonst der Gewinn für die Freibadbetreiber?
Im Winter wird das Wasser ein wenig angewärmt, dennoch sind wir dann unter uns. Für normale Menschen ist es zu kalt, aber wir haben eine genetisch veränderte Haut. Leider kann aus Kostengründen das Bassin nicht ständig gefüllt sein. Na, es ist ja schon elf. Zwölfe wird’s auch noch werden. Dann kann ich endlich meine erhöhte Lebensqualität voll ausschöpfen!