MartinHagel
Mitglied
Am Rande der Gesellschaft
Wie oft ich schon gesagt habe, dass ich nie mehr trinken will, weiß ich nicht. Durch meine Trinkerei bin ich am Boden der Gesellschaft gelandet. Die Rede ist von dem Haus Langhans, ein Heim für „nicht abstinente“ Alkoholiker. Dort wohnen nur Männer und sie waren alle sehr viel älter als ich. Den Tipp, mich dort zu bewerben, bekam ich von einer Sozialarbeiterin der Entgiftungs - Station im Sankt Josef Krankenhaus in Berlin Weißensee. Nach ihrer Meinung war ich zu ambivalent, um eine Therapie durchzuhalten. Ich bewarb mich im Haus Langhans, weil ich zu dem Punkt wirklich weiter trinken wollte. Es dauerte ein halbes Jahr, bis ich einen Platz bekommen habe. Das Zimmer wurde frei, weil sich der Bewohner tot getrunken hatte. Eigentlich zieht dort niemand mehr aus, wenn er erst einmal dort gelandet ist.
Meine Betreuer_innen und Gutachter_innen vom Sozial Psychiatrischen Dienst waren sehr froh, dass ich dort einen Platz bekommen habe. Gleich am Anfang sagte ich, dass ich eine finale Entgiftung machen werde und dann ausziehen werde. Das fanden sie gar nicht gut. Das Heim hatte Vollversorgung und deshalb hatte ich nur 80€ im Monat als Taschengeld zur Verfügung. Das Konzept sieht vor, dass man durch rigide Geldeinteilung den Konsum von Alkohol zu steuern versucht. Fünf Bier waren geduldet.
Zwei mal in der Woche wurde gekocht und das war die einzige Aktion, die ich mit machte. Das Problem war, dass die meisten der Mitbewohner „Deutsche Küche“ haben wollten und ich koche gerne mediterran. Es war also immer ein Kampf in der Hausversammlung. Immerhin musste ich somit nicht mehr in die Suppenküche gehen. Mein Alkoholkonsum steigerte sich so extrem, dass ich zum Schluss drei Liter Wein am Tag getrunken habe. Nachts bekam ich den „Cold Turkey“ - ich rutschte praktisch in den kalten Entzug. Die Tatsache, dass ich immer mehr Alkohol brauchte, um „normal“ zu sein, nennt man in der Fachsprache „Toleranzsteigerung“ und es gehört zu der Alkoholkrankheit. Zuletzt konnte ich morgens vor lauter Zittern nicht einmal mehr meine Taschengeldliste unterschreiben.
Mein damaligen Betreuer_innen aus dem Haus Langhans, beobachten mich und sie schimpften immer, wenn ich so total im kalten Entzug am Morgen ins Büro kam. Sie machten gute Miene zum schlechten Spiel und sie konnten mir nicht helfen. Sie merkten aber bestimmt, wie ich unter dem Alkohol leidete. Das Problem ist, dass ich ein exzessiver Trinker bin – also nie genug bekommen kann, wenn ich mal am Saufen bin. Durch den Alkohol wurde ich sehr ignorant und engstirnig und den ganzen Tag lang dachte ich nur an Alkohol. Meine Bücher und mein Computer interessierten mich nicht. Der Fernseher lief den ganzen Tag lang, wie bei den meisten der Mitbewohner. Sie schafften es jedoch, Alkohol zu konsumieren – ohne in den „Cold Turkey“ zu verfallen. Ab und zu machte eine Flasche Korn die Runde – aber so stark angetrunken, wie ich zuletzt in meiner „nassen“ Phase, waren sie nicht. Ich bezweifle sogar, dass es Alkoholiker waren.
In meiner „nassen“ Phase fehlte es mir an Perspektiven und ich hatte keine Visionen, wie das weiter gehen könnte. Weihnachten kam näher und ich wollte zu meinen Eltern an den Bodensee fahren. Allerdings ging das nicht, wenn ich weiterhin trinken würde. So sagte ich meinen Betreuer_innen, dass ich eine Entgiftung im St. Hedwig Krankenhaus machen wollte. Die erste Reaktion war die, dass sie zu mir sagten, dass ich das nicht schaffen würde. Dennoch vereinbarte ich ein Vorgespräch und meine Bezugsbetreuerin kam mit zu diesen Gespräch. Ich hatte 3 Promille intus.
Es war höchste Zeit, dass ich zur stationären Entgiftung gegangen bin. Meine Bauchspeicheldrüse war kurz davor, sich zu entzünden. Ich habe wie gesagt, schon mehrere Entgiftungen hinter mir, diese war allerdings sehr schwer. Es dauerte zwei Wochen, bis meine körperlichen Entzugs- Symptome sich zurück bildeten. Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Schlafen. War ich am Anfang nur in die Entgiftung gegangen, weil ich an Weihnachten zu meinen Eltern fahren wollte, wurde mir immer mehr klar, dass ich da raus muss – aus dem Heim. Meine Betreuer_innen waren damit nicht einverstanden. Ich musste erst einmal in dem Heim bleiben. Damit begann dann meine „trockene“ Phase im Haus Langhans.
Es änderte sich einiges. Ich konnte mir wieder ein Sozialticket leisten und meinen Lieblingstabak mir kaufen. Ich musste jeden Tag pusten (Alkoholtest)– und ich schaffte es tatsächlich in dieser „nassen“ Umgebung trocken zu bleiben. Es war bestimmt ein wenig „Trotz“ dabei – aber mit der Zeit auch eine kleine Arroganz. Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich mich von meinen Mitbewohnern fernhalten musste, denn die Gefahr war zu groß, an getriggert zu werden. Das Problem war außerdem, dass die meisten eine rechtsgerichtete Meinung hatten. Je nach dem, wie der Alkoholspiegel war, sind sie auch manchmal aggressiv geworden. Meine Perspektive war, dass ich in die TWG (Therapeutische Wohngemeinschaft) von der Bürgerhilfe einziehen konnte. Doch es zog sich alles so lange hin.
Dadurch das ich das Sozialticket hatte, war ich sehr viel unterwegs. Meistens ging ich in die Staatsbibliothek am Potsdamer Platz. In der Staatsbibliothek kann man im Internet surfen und das nutzte sich aus. Oft war ich dann sehr lange dort.
Schließlich kam der Moment, wo ich dann umgezogen bin. Der Vorteil war, dass die Bürgerhilfe in Lichtenberg war, also weit weg von der Gegend um Weißensee. Diese Gegend meide ich heute noch sehr. Nach vier Jahren bin ich dann vor drei Jahren hier in die TWG „Das fünfte Rad e.V.“ gezogen und hier fühle ich mich wohl.
Martin Hagel
Wie oft ich schon gesagt habe, dass ich nie mehr trinken will, weiß ich nicht. Durch meine Trinkerei bin ich am Boden der Gesellschaft gelandet. Die Rede ist von dem Haus Langhans, ein Heim für „nicht abstinente“ Alkoholiker. Dort wohnen nur Männer und sie waren alle sehr viel älter als ich. Den Tipp, mich dort zu bewerben, bekam ich von einer Sozialarbeiterin der Entgiftungs - Station im Sankt Josef Krankenhaus in Berlin Weißensee. Nach ihrer Meinung war ich zu ambivalent, um eine Therapie durchzuhalten. Ich bewarb mich im Haus Langhans, weil ich zu dem Punkt wirklich weiter trinken wollte. Es dauerte ein halbes Jahr, bis ich einen Platz bekommen habe. Das Zimmer wurde frei, weil sich der Bewohner tot getrunken hatte. Eigentlich zieht dort niemand mehr aus, wenn er erst einmal dort gelandet ist.
Meine Betreuer_innen und Gutachter_innen vom Sozial Psychiatrischen Dienst waren sehr froh, dass ich dort einen Platz bekommen habe. Gleich am Anfang sagte ich, dass ich eine finale Entgiftung machen werde und dann ausziehen werde. Das fanden sie gar nicht gut. Das Heim hatte Vollversorgung und deshalb hatte ich nur 80€ im Monat als Taschengeld zur Verfügung. Das Konzept sieht vor, dass man durch rigide Geldeinteilung den Konsum von Alkohol zu steuern versucht. Fünf Bier waren geduldet.
Zwei mal in der Woche wurde gekocht und das war die einzige Aktion, die ich mit machte. Das Problem war, dass die meisten der Mitbewohner „Deutsche Küche“ haben wollten und ich koche gerne mediterran. Es war also immer ein Kampf in der Hausversammlung. Immerhin musste ich somit nicht mehr in die Suppenküche gehen. Mein Alkoholkonsum steigerte sich so extrem, dass ich zum Schluss drei Liter Wein am Tag getrunken habe. Nachts bekam ich den „Cold Turkey“ - ich rutschte praktisch in den kalten Entzug. Die Tatsache, dass ich immer mehr Alkohol brauchte, um „normal“ zu sein, nennt man in der Fachsprache „Toleranzsteigerung“ und es gehört zu der Alkoholkrankheit. Zuletzt konnte ich morgens vor lauter Zittern nicht einmal mehr meine Taschengeldliste unterschreiben.
Mein damaligen Betreuer_innen aus dem Haus Langhans, beobachten mich und sie schimpften immer, wenn ich so total im kalten Entzug am Morgen ins Büro kam. Sie machten gute Miene zum schlechten Spiel und sie konnten mir nicht helfen. Sie merkten aber bestimmt, wie ich unter dem Alkohol leidete. Das Problem ist, dass ich ein exzessiver Trinker bin – also nie genug bekommen kann, wenn ich mal am Saufen bin. Durch den Alkohol wurde ich sehr ignorant und engstirnig und den ganzen Tag lang dachte ich nur an Alkohol. Meine Bücher und mein Computer interessierten mich nicht. Der Fernseher lief den ganzen Tag lang, wie bei den meisten der Mitbewohner. Sie schafften es jedoch, Alkohol zu konsumieren – ohne in den „Cold Turkey“ zu verfallen. Ab und zu machte eine Flasche Korn die Runde – aber so stark angetrunken, wie ich zuletzt in meiner „nassen“ Phase, waren sie nicht. Ich bezweifle sogar, dass es Alkoholiker waren.
In meiner „nassen“ Phase fehlte es mir an Perspektiven und ich hatte keine Visionen, wie das weiter gehen könnte. Weihnachten kam näher und ich wollte zu meinen Eltern an den Bodensee fahren. Allerdings ging das nicht, wenn ich weiterhin trinken würde. So sagte ich meinen Betreuer_innen, dass ich eine Entgiftung im St. Hedwig Krankenhaus machen wollte. Die erste Reaktion war die, dass sie zu mir sagten, dass ich das nicht schaffen würde. Dennoch vereinbarte ich ein Vorgespräch und meine Bezugsbetreuerin kam mit zu diesen Gespräch. Ich hatte 3 Promille intus.
Es war höchste Zeit, dass ich zur stationären Entgiftung gegangen bin. Meine Bauchspeicheldrüse war kurz davor, sich zu entzünden. Ich habe wie gesagt, schon mehrere Entgiftungen hinter mir, diese war allerdings sehr schwer. Es dauerte zwei Wochen, bis meine körperlichen Entzugs- Symptome sich zurück bildeten. Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Schlafen. War ich am Anfang nur in die Entgiftung gegangen, weil ich an Weihnachten zu meinen Eltern fahren wollte, wurde mir immer mehr klar, dass ich da raus muss – aus dem Heim. Meine Betreuer_innen waren damit nicht einverstanden. Ich musste erst einmal in dem Heim bleiben. Damit begann dann meine „trockene“ Phase im Haus Langhans.
Es änderte sich einiges. Ich konnte mir wieder ein Sozialticket leisten und meinen Lieblingstabak mir kaufen. Ich musste jeden Tag pusten (Alkoholtest)– und ich schaffte es tatsächlich in dieser „nassen“ Umgebung trocken zu bleiben. Es war bestimmt ein wenig „Trotz“ dabei – aber mit der Zeit auch eine kleine Arroganz. Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich mich von meinen Mitbewohnern fernhalten musste, denn die Gefahr war zu groß, an getriggert zu werden. Das Problem war außerdem, dass die meisten eine rechtsgerichtete Meinung hatten. Je nach dem, wie der Alkoholspiegel war, sind sie auch manchmal aggressiv geworden. Meine Perspektive war, dass ich in die TWG (Therapeutische Wohngemeinschaft) von der Bürgerhilfe einziehen konnte. Doch es zog sich alles so lange hin.
Dadurch das ich das Sozialticket hatte, war ich sehr viel unterwegs. Meistens ging ich in die Staatsbibliothek am Potsdamer Platz. In der Staatsbibliothek kann man im Internet surfen und das nutzte sich aus. Oft war ich dann sehr lange dort.
Schließlich kam der Moment, wo ich dann umgezogen bin. Der Vorteil war, dass die Bürgerhilfe in Lichtenberg war, also weit weg von der Gegend um Weißensee. Diese Gegend meide ich heute noch sehr. Nach vier Jahren bin ich dann vor drei Jahren hier in die TWG „Das fünfte Rad e.V.“ gezogen und hier fühle ich mich wohl.
Martin Hagel