Erlebnisshopping

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
„Bei uns genießen Sie Erlebnisshopping“ wirbt der gläserne Palast.
Das ist doch mal etwas ganz anderes. Wenn frau überwiegend in Discountern mit vier Buchstaben einkauft, ist das ja kein wirkliches Erlebnisshopping. Aber jetzt werden mir drei Etagen Erlebnis versprochen. Also nichts wie hin.
Schon das Betreten des futuristischen Gebäudes ist ein Erlebnis. Alles lichtdurchflutet, sehr hell. Irgendwie eine tropische Atmosphäre. So ein bisschen wie im Urwald. Grüne Pflanzen und viele Menschenaffen runden das Bild ab.

Am Eingang erwarten mich hübsche junge Hostessen, so ist auf ihren Namensschildern zu lesen, und geben mir Blümchen. Hostessen? Komisches Wort. Erinnert mich an Hornissen und an Esc ... Begleit-Service. Oder wissen Sie genau, was eine Hostess ist? Ich denke dabei automatisch an Königin Silvia, die ihren Männe als Hostess bei den Olympischen Spielen in München kennenlernte. Damals, als ... aber ich schweife ab. Ich gehe los, um möglichst viel in diesem Center zu erleben.

Im Erdgeschoss ist gleich ein Bady-Shop, Sie wissen schon, Naturkosmetik in Plastikflaschen. Vor dem Shop stehen als Blickfang zwei Öl glänzende männliche Six-Pack-Träger, nur mit Hosen bekleidet, machen Gesichter wie eine ägyptische Sphinx und verziehen keine Miene. Ich beherrsche mich, sie nicht zu berühren. Sind die echt? Doch, sie sind echt. Sie atmen. Im Inneren des Geschäfts esoterisch blickende Damen, die nach Vanille duften und unerlöst wirken. Naja, wenn ich den ganzen Tag nur von so einem Zeug umgeben wäre, wäre ich auch fertig. Ich ergattere eine Probe Apfel-Vanille-Erdbeer-Zitrone-Pflaume-Zimt-Shampoo und verdufte.

Dann ein Laden namens "Kross Optik". Voll kross äh krass. Ich meine, wie kann ein Geschäft so heißen? Dort ist nichts los. Hier kann ich nichts erleben. Was soll auch schon in einem Optikerladen los sein? Guterhaltene Mittdreißiger mit Fensterglasbrillen blicken gelangweilt auf die wenigen Kunden, die sich hierhin verirren. Ich traue mich nicht zu fragen, ob "Kross" der echte Name ist. Da kommt doch nur Umtaufen in Frage.

Nach mehreren Modegeschäften für junge Leute, also nicht für mich, ziehen Wohlgerüche in meine Nase. Ah - Bäckerei, Feinkost, Wurst und abschließend Schinken Kaiser. Kaiser! Ja, der Name passt. Der Kunde ist nämlich hier nicht nur König, sondern Kaiser und bekommt Schinkenwürfel, kleine Salzbrezeln und anderes bayerisches Zeugs gereicht. Fehlen nur noch Oktoberfestbier, Blasmusik und ein paar Krachledernde. Ich schlage mir den Bauch voll und gehe der Anmache eines einzelnen Kindes aus dem Weg, das unbedingt mit mir reden will. Nee, heute nicht!

Auf zur ersten Etage. Was sehe ich da? Schnitzel Haber! Schon wieder so ein bekloppter Name. Wieso heißt jemand Schnitzel mit Vornamen? Es kommt noch dicker hier. Eine richtige Fressmeile hat sich zusammengerottet: Chicken Store und Ostsee folgen noch. Die armen Tiere, die in solchen Dingern enden. Und übersetzen Sie bitte Chicken Store. Erleben kann ich hier nichts, denn die anderen Affen stehen Schlange, um Fettletts zu bestellen. Nein danke.

Dann lieber zu Quo vadis Reisen. Ja wohin denn? Nach Rom natürlich, sempre Roma, denn bei Quo vadis denke ich doch immer nur an den Uralt-Film mit Robert Taylor, der zum Christen mutierte, weil er die gefesselte Deborah Kerr vor dem Tod in der Arena bewahrt, nachdem er zum ersten Mal in seinem Leben gebetet hatte. Ich denke an Kaiser Nero und sein göttliches Feuer, an Petrus und an die Sklavin, die ihrem Herrn in den Tod folgt und dass der Film bestimmt Karfreitag wieder läuft ... aber ich sehe, auch hier gibt es nicht viel zu erleben. Ein paar Leute blättern total interessiert in Katalogen, während schicke Reisebüroverkehrsfrauen untereinander fachsimpeln.

Auf zur letzten Etage. Dort gibt es einen Teddybären-Shop. Sofort will man mir einen süßen kleinen Bären als Schlüsselanhänger andrehen. Ich gebe zu, echt niedlich. Aber nachdem ich einen Blick in das Geschäft geworfen habe, wird mir schlecht. Überall nur Bären! Aus Plüsch. Plus kreischender Kinder und Mütter und Großmütter, die alles so furchtbar süß hier finden. Hier muss ich weg. Sofort!

Da gehe ich lieber noch zum Ein-Euro-Laden, das ist vertrautes Terrain. Kaufe mir eine bunte Plastikdose, die ich nicht brauche und tue mir selbst leid, weil ich meine Lebenszeit mit Erlebnisshopping vertan habe. Und nun bloß weg hier. Auf zum Discounter!
 



 
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