Erstlingswerk

chrisi

Mitglied
Ich versuche mich neuerdings an einem Stück klassischer Natur, was die Thematik anbelangt. Würde mich über Meinungen bezüglich des ersten Teiles (bzw. dessen Rohbau) freuen! Szene 1


(Ein junger Schauspieler sitzt auf einem Stuhl vor einem kleinen Tisch. Nur eine Kerze spendet dem Raum ein wenig Licht. Mit beiden Händen hält er ein Glas Wein. Sein Blick ist leicht gesenkt und er wirkt erschöpft. Er wischt eine Träne aus seinem Gesicht.)


S: Des jungen Körpers Konsistenz,
noch saftig frisch im Leben,
ist Geist, zwar fern noch der Demenz,
Kadaverfäulnis eben.

Verdorben in dem Spiel der Zeiten,
mir ekelt nun, wo einst gelacht!
Was konnte bloß mir Glück bereiten?
Warum, dass ich wie heut nicht dacht?

Es konnt’ sich nicht im Jugendrausch,
der Geist in mir gesunden.
Und hat zum Schluss- welch Rollentausch,
den Überdruss gefunden.

Als Bohemien mit Konsequenz,
dem schnellen Glück ergeben.
Welch trübe, kühle Differenz!
Zieht Liebe ab vom Leben.

Des Heuchlers Lust und Leidenschaft,
mit Gott und dort mit Phrasen,
hat Leiden ohne Schaft mit Kraft,
die Lust mir jüngst verblasen.

Das Spielen meiner wahren Rollen,
ach wären sie erfunden!
Mit großen Geistern, Liebestollen,
der Bühne schönste Stunden.

Nur schwach im Schatten, liegt das wahre,
kümmerliche Häufchen Ich.
Gar fern der theaterlich Fanfare:
Leidenschaft! Ich brauchte dich!


(Er nimmt die Kerze, steht auf und tritt einen Schritt nach vorne. Er blickt in Richtung einer Kommode.)


Für wahr! Mein Schweiß wird kalt,
beim endlos langen warten.
Der Drang in mir schon wiederhallt,
nach Musen, feinen, zarten.

Verraten wurd’ ich und verkauft,
von all dies fromm Instanzen.
Die Sehnsucht letzte Züge schnauft,
die Welt scheint schlecht im Ganzen.

Nicht nur der Weltenball in sich,
nein alle seine Triebe!
Drum scheint es mir heut sicherlich,
verkehrt, wenn ich noch bliebe.


(Er schreitet zur Kommode und nimmt ein langes Messer aus der obersten Schublade.)


Drum frisch zur Tat wird nun geschritten,
alle Mittel sind mir lieb1
Gehängt, vergiftet und geschnitten,
wär’s doch verkehrt, wenn ich noch blieb!

Und was danach, nach mut’ger Tat?
Der Hölle ewig Feuer?
Die Schrift erscheint mir als Verrat,
doch Irrtum käme teuer.

Der boshaft Teufel will mich nicht,
zurück würd’ er mich schicken!
Der Erde fahles Angesicht,
ich könnt’s nicht mehr erblicken!


(Das Zimmermädchen Marie öffnet die Türe und erschrickt angesichts des Messers in ihres Herren Händen.)


S: Nichts bekommt man auf dieser Welt!
M: Herr, was ist es, das ihnen missfällt?


(Überrascht dreht er sich Richtung Marie und legt das Messer unauffällig zurück auf die Kommode.)


S: Nichts meine Liebe! Ich probte nur!
M: Mir scheint, ein Stück von sehr trüber Natur.

S: Es handelt mein Kind, vom Tod und vom Sterben,
doch lass dir nicht deshalb die Laune verderben!

M: Ja, mein Herr, ich will es versuchen.
S: Marie, wirst du ich auch morgen besuchen?
M: Gewiss doch mein Herr! So darf ich nun gehen?
S: Ja, wenn schon morgen wir wieder uns sehen!


(Marie ab.)


S: Marie, Marie! So fromm, voll Scham,
ach wärst du doch geblieben.
Auch wenn ich mich aus altem Gram,
nie wieder will verlieben!


(Er setzt sich wieder auf den Stuhl, nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche und schläft über den Tisch gebeugt ein.)


(Plötzlich öffnet sich die Türe. Ein alter, fülliger Mann betritt den Raum. Er beginnt mit kräftiger, selbstsicherer Stimme zu sprechen.)


V: Nun lasse nicht die Hoffnung schwinden,
mein kindlich kluger Sohnemann,
dein Lebensglück fängt doch erst an,
doch suchen musst du vor dem Finden!

S: Ihr guten Geister aller Götter!
Verzeiht, wenn er nicht überschäumt.
Die Freud, von mir dem jungen Spötter,
der schon so oft von ihm geträumt.

V: Ach muss sich Sohn jetzt überwinden,
für seinen alten Herrn Papa,
ein Stündchen seiner Zeit zu finden,
der selbst einst durchaus gastlich war.

S: An Gastlichkeit, mein lieber Vater,
herrscht in mir noch keine Not1
Erkenn doch endlich meine Mater:
Vater, du bist längst schon tot!

V: Und wenn, soll’s mir gestattet sein,
in diesen kurzen Nächten.
Beim Sohnemann ein Stelldichein,
bei dem es steht zum Schlechten.

S: Fast rührt mich die Betroffenheit,
in deinen blassen Falten.
Als Kind hätt’ ich mit Sicherheit,
mein Herz dir nun entfalten.

V: Mach dir bewusst mein Sohn, geschwind:
Hör auf dein Glück zu schleifen!
Auch heute bist du noch ein Kind,
nach Sternen willst du greifen!

So viel erreicht in jungen Jahren.
Im Schauspiel hoch gefeiert!
Ist dir nie Böses wiederfahren,
zum Trotz- dein Glück verschleiert.

Nun nimm die Kraft und deine Jugend,
lasse sie verbinden!
Und mache dir zur ersten Tugend,
auf Erden Glück zu finden.
 

Nemesis

Mitglied
hi chrisi,
also ehrlich ein wundervolles werk wie ich finde,
hab aber zwei stellen gefunden an denen ich noch machen würde:

-von all diesEN fromm Instanzen

-doch lass dir nicht deshalb die Laun_ verderben

Bin der Meinung das würde besser klingen. Sonst nur weiter so ;)

Grüße
 
S

Sohn des Rhein

Gast
Hallo Chrisi,

erst einmal: Viel Erfolg für Dein Stück.

Der Teil, den Du hier gepostet hast, ist prinzipiell zu kurz, um irgend eine großartige Kritik zu äußern, nur so viel: Die Sprache ist teilweise zu verwickelt, finde ich... Es dürfte für potentielle Zuschauer ungemein anstrengend sein, dem ganzen zuzuhören und das Ganze zu verstehen. Die Szene mit Marie ist viel zu kurz; wieso kam sie überhaupt? Und wenn der Besuch am nächsten Tag ebenso kurz ist (sie ist sein Zimmermädchen- kann/wird er sie da nicht täglich sehen?), so frage ich mich nach dem allgemeinen Sinn solcher Besuche.... Auch der "Faust" scheint zu sehr durch, meiner Meinung nach: Die allgemeine Stimmung des Protagonisten, und dann das mit dem "proben"....

Allgemein habe ich das Gefühl, dass die Handlung zu schnell abläuft; verweile ein länger bei den einzelnen Szenen, erschlage die potentiellen Zuschauer nicht mit komprimierten Informationen.

Viele Grüße und viel Erfolg,
Sohn des Rhein
 

chrisi

Mitglied
Lieber Nemesis!

Danke für deine kritik und dein Lob! Was deine Verbesserungsvorschläge betrifft- sie sind tatsächlich eine verbesserung. Danke dafür. Das bisher hier veröffentlichte ist der unfertige und nicht einmal überarbeitete Rohbau eines kleinen Teils eines Stücks. Deshalb sind Kritiken wie deine hilfreich und wertvoll!

Beste Grüße!
Chrisi
 

chrisi

Mitglied
Lieber Sohn des Rhein!

Danke erstmal, dass du dir so viel zeit für mich genommen hast.
Ich möchte nun versuchen, zu deiner kritik stellung zu nehmen.

Ja, der teil ist tatsächlich sehr kurz. Ungeduld ist keine tugend, ich weiss. Auch die Sprache ist, wie du richtig erkannt hast, altmodisch, bewußt an jene vergangener Tage angelehnt. Ich versuche damit eine Stimmung zu erzeugen, die klar ein szenario vor unserer zeit unterstreicht. Ob dies gefällt, oder nicht? -Danke für deine meinung, ich würde mich über weitere freuen!

Was den auftritt der marie und das proben betrifft: Der protagonist probt nicht, er spielt tatsächlich- wenn auch triebschwach- mit dem gedanken sein ihm zur qual gewordenes leben zu beenden. Marie betritt in der sekunde den Raum, in dem der leser glauben könnte (wenn es auch dem dramaturgischen reglement entgegengesetzt ist), er würde sich tatsächlich mit dem messer töten.
Ich weiss, dass dies noch viel verständlicher herausgebracht werden muss, als autor läuft man gefahr zu glauben, dass auch der leser ohnehin weiss, wie es weiter geht.
Also: Marie betritt im moment der ersten grösseren spannung das feld und soll sich so beim leser bzw. zuseher als zentrale und entscheidende figur vorstellen, auch wenn ihr auftritt kurz ist. Ist das verkehrt? Ich weiss es nicht, wie schön, dass es die leselupe gibt.

Punkto Faust: Es gibt ähnlichkeiten, was den protagonisten betrifft, doch ist eine verzweifelte, von suizidgedanken geplagte hauptfigur nicht in unzähligen dramen anzutreffen? Ist es nicht fast eine dramaturgische pflicht einen solchen helden zu erzeugen? Aber keine angst, mephisto bleibt in der schublade.

Komprimierte informationen: Du hast recht. Der grösste schwachpunkt meiner meinung nach! Es ist gar nicht leicht, ohne grossartige handlung oder information lesenswürdig zu bleiben- ich werde daran feilen!

Besten dank und viele grüsse!

Chrisi
 

chrisi

Mitglied
Entscheidende Frage an alle: Ist die sprache zu verworren? Kann man der handlung folgen? Würde mich über eure meinungen freuen! (...danke sohn des rhein...)

euer chrisi
 
S

Sohn des Rhein

Gast
Hallo Chrisi,

Was ich gemeint hatte mit dem "Proben":
Faust beschwört den Erdgeist, der jedoch wieder verschwindet und Faust verzweifelt zurückläßt. In dieser Situation tritt Wagner ein, meint, Faust hätte ein griechisches Trauerspiel zitiert.... Das war die Stelle, die ich meinte...

Betreffs Sprache: Es ist nicht das "Altertümliche", das beim Zuhören stören würde (ich gehe von einem Publikum aus, denn darum geht es bei dramatischer Dichtung ja :)); es ist eher dieses verschachtelte (wie ich finde! nix objektives, wohlgemerkt!) Deiner Strophen.

Beispiel:

Das Spielen meiner wahren Rollen,
ach wären sie erfunden!
Mit großen Geistern, Liebestollen,
der Bühne schönste Stunden.

Was genau willst du damit sagen? So leicht zugänglich ist das nicht, aber die Strophe braucht nur ein paar Sekunden, um gesprochen zu werden, danach kommt die nächste... Unwahrscheinlich, dass ein Zuhörer so schnell das ganze erfassen könnte.

Als Gedicht ist es sicherlich sehr reizvoll, aber für eine Aufführung ist es, meiner Meinung nach, zu "brain-twisting" :).

Viele Grüße,
Sohn des Rhein

PS: Für den Gesamtüberblick: Worum soll es letzten Endes gehen? Wird das ganze ein großes Werk mit fünf ausgedehnten Akten oder eher was kurzes? Was wird weiterhin passieren, wie konkret hast Du das Geschehen geplant?
 

chrisi

Mitglied
Entschuldige bitte meine verzögerte antwort, ich war einige tage nicht im lande.
Was deine ansicht über die verschachtelung der sprache betrifft, so bin ich auf zwei dinge gekommen: Einerseits sind meine zeilen sicher schwerer verständlich, als die heute gängige pop-trivial sprache.Andererseits geht aber auch vielleicht gerade von dieser nicht allzu leichten zugänglichkeit ein gewisser reiz aus. Wäre eventuell ein kompromiss aus beidem eine schöne lösung? Ich denke eher nicht.

Was deine fragen bzgl. des gesamtüberblicks betrifft: gute frage! Ich weiss es selbst nur bedingt. Die rahmenhandlung steht bereits, über länge, aktzahl und detailtiefe wird dann wohl die zeit und meine motivationfähigkeit entscheiden: Ich hoffe, dass es zumindest kurz&gut wird!

Viele liebe grüsse und danke für deine kompetenten beiträge!

Chrisi
 



 
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