Erwachen

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Erwachen

Ein Ziepen... kein Schmerz.
Nur ganz kurz und kaum spürbar.

Zuerst kaum merklich, dann immer fordernder, schmerzhafter.

Die Sensoren unter meiner Haut senden nun in immer kürzeren Zeitabständen Signale in mein Bewusstsein aus. Langsam nehme ich diese störenden Nadelstiche wahr.

Das Bordsystem des Schiffes reißt mich aus dem gnädigen Tiefschlaf.
Mein erster Gedanke ist der an die zur Neige gehenden Energievorräte der Tiefschlafkammern.

Früher nannte ich die Tiefschlafkammern scherzhaft immer Schneewittchensarg... eben weil sie aus durchsichtigem Metallplastik hergestellt wurden und den Insassen in zeitloser Schönheit konserviert haben... und natürlich ihre Form wegen... die Kammern haben Ähnlichkeit mit einem Sarg.

Nun sind sie mir eine Zuflucht geworden... kostbar.

Mir fällt ein, dass ich vor der letzten Tiefschlafphase errechnet hatte, dass die Energie noch - wenn nichts schief geht - für ein bis zwei Cryovorgänge reichen wird.

Danach werden mir auch meine Implantate nichts mehr helfen.

Der maschinelle Kortex wird noch lange funktionieren, auch wenn die biologischen Komponenten schon längst abgestorben und verrottet sind.

Seelenlos… eine Maschine?

Ist dies das Schicksal, das mich erwartet?

Als die Kammer sich öffnet, wird sie von einem unerträglichem Gestank, der mir den Atem nimmt, regelrecht geflutet.

Schon seit Monaten sind die regenerativen Systeme immer kurz vor dem Totalversagen!

Sauerstoff und Nahrung werden noch vom Bordsystem wieder aufbereitet. Doch wie lange noch.

Ich fresse meinen eigenen Dreck. Die Bordsysteme entziehen auch den letzten verwertbaren Anteil an Feuchtigkeit und Nährstoffen aus dem, was mein Körper so ausscheidet. Vitamine und Proteine werden hinzugesetzt…
Ich will nicht länger darüber nachdenken… mir wird übel dabei.

Langsam beginne ich zu begreifen, weshalb mich die Bordsysteme aus dem Tiefschlaf gerissen haben:
Eine der Anweisungen an die Schiffsintelligenz lautet, die Schiffsbesatzung zu wecken, wenn außergewöhnliche Umstände es erfordern.

Dies ist wohl so ein Umstand.

Ich öffne den Meteoritenschutz der Außenfenster. Mit einem tiefen Summen gleitet das Schott langsam nach unten.

Ich kann den Anblick kaum ertragen.

Ich kämpfe mit der aufsteigenden Übelkeit und der Panik, die sich in den hintersten Winkeln lauernd, in mein Bewusstsein schleichen möchte.
Ich möchte schreien... vor Wut alles kurz und klein schlagen…!

Meine Implantate reagieren sofort; sie lassen es nicht zu: Eine geringe Menge Psychopharmaka flutet meinen Kreislauf… zu wenig. wie ich schnell bemerke.
Dieses lauernde Etwas, das aus den Tiefen meines Unterbewusstseins hervorkriecht, tötet alle Hoffnungen und rationalen Gedanken.

Mein Gesichtsfeld verengt sich, ich nehme meine Umgebung nur noch schemenhaft durch einen Tunnelblick war.

Mein Herz beginnt zu rasen, der Atem schnell und rasselnd und immer dieses beklemmende Erstickungsgefühl… ich möchte mir die Haut, die mich so einengt, vom Körper reißen... in der trügerischen Hoffnung, dann freier zu atmen.

Mühsam gelingt es mir, die Panik zurück zu drängen.
Ich konzentriere mich auf einen letzten rationalen Gedanken... wie lange halten die Energiereserven den Betrieb der Bordsysteme noch aufrecht…?

Langsam beruhige ich mich und schaffe es, die Gedanken wieder klarer werden zu lassen.
Tief einatmen, und ausatmen… mein jahrelanges mentales Training hilft mir, die Panik wieder in die dunkelsten Winkel meines Geistes zurückzudrängen.

Und doch...
etwas bleibt...

VERZWEIFLUNG… und diese klebrige Angst, die wie eine übelriechende, ätzende Schleimspur zurückbleibt, hinterlassen von diesem körperlosen Etwas PANIK, das mir jeden rationalen Gedanken buchstäblich aus dem Gehirn saugt, wann immer es hervorkriecht.

NICHTS.
Nichts aber auch gar nichts... da sind nur Leere und Stille die mich umgeben.
.
Keine Sterne, Sonnen oder Planeten. Nicht einmal Staub.

NICHTS.

ABSOLUTES NICHTS!

Ich ertappe mich bei dem Gedanken in eine der Luftschleusen zu kriechen und mich ins All hinaus zu katapultieren.

Explosive Dekompression…

Ein schneller Tod?

Nach 5 Sekunden werde ich das Bewusstsein verlieren, halte ich noch die Luft an werden meine Lungen zerrissen.
Egal.

Noch nicht…

Längst schon sind die Ziele dieser Mission bedeutungslos geworden.
Scouts... psychisch und physisch geschult und modifiziert. Mit dem Modernsten, das menschliche Nano-Technologie zu leisten imstande gewesen ist, ausgestattet.

Die Suche... neue bewohnbare Welten erkunden, kartographieren und diese Daten auf die lange Reise nach Hause zu schicken.
Nach Hause…?
Einer Welt, die an ihrem eigenen Dreck zu ersticken droht… aber trotzdem mein Zuhause.

Längst schon zweifle ich an dem Gedanken, dass die letzten Ergebnisse ihr Ziel auch wirklich erreicht haben könnten.

Ich wusste, dass dies eine Reise mit einem One-Way-Ticket war.
Längst schon hatte ich den Point- of-no-return passiert.

Schmerzen waren das letzte Mittel, mich vor dem drohenden Wahnsinn zu bewahren.
Der Schmerz... das letzte, dass ich noch kontrollieren konnte, kontrollieren durfte.

Ich konnte mehr ertragen als ein nicht modifizierter.

Schmerzmittel und Psychopharmaka hatten allerdings auch irgendwann mal ein Ende. Meine Nano-Implantate konnten nur begrenzte Mengen ausschütten.
Nachladen ging dann nicht mehr. Wenn der Vorrat aufgebraucht war…

Scheißdreckskonstruktion… nicht bis zu Ende gedacht von diesen verdammten Technoheinis.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Zyklen ich mittlerweile schon so durchlebt habe. Panik, Verzweiflung, Hoffnung immer wiederkehrend, sich endlos wiederholend.

Zahllose Schnitte mit dem Vibrationsmesser entstellen mittlerweile mein Gesicht und meinen ganzen Körper.
Irgendwann hat dann der Wundbrand eingesetzt und damit begonnen mich langsam aufzufressen.

Doch der Schmerz lässt mir immer noch das letzte Maß an Kontrolle...

Der SCHMERZ... ich konzentrierte mich mehr und mehr darauf, um nicht auch noch den letzten Rest meines Verstandes zu verlieren.

Ein Körper, einzig noch gestützt durch das metallene Endoskelett, dessen metallene Oberfläche durch Schichten verfaulenden Fleisches und sich zersetzenden Muskelgewebes langsam sichtbar wird.
Bewegungen die mehr an eine Marionette erinnern… doch es gibt hier keinen Puppenspieler, der die Fäden zieht.

Das was ich einmal war, sitzt nun im Pilotensitz... Sekret und Eiter tropfen zähflüssig aus meinen leeren Augenhöhlen. Mein Fleisch löst sich auf, und mit jedem Absterben einer Zelle verliere ich mehr und mehr meiner Menschlichkeit.

Meiner Fähigkeit beraubt, menschlich zu denken.

… Grüne Wiesen... blauer Himmel. Es liegt ein Geruch von frischem Heu in der Luft. Ich liege im Gras und beobachte die Vögel, die sich von der Thermik des warmen Tages in luftige Höhen tragen lassen.
Ich genieße die Wärme der Sonne und das zarte Rauschen, das die feine Brise erzeugt, wenn der Wind durch das Gras weht.

Ich werde mir bewusst, dass dies nicht real ist.
Nicht real sein kann.
Ich bin bereits Lichtjahre von allem entfernt, das ich mit diesen Erinnerungen in Verbindung bringen könnte.

Ich träume.

Das, was von meiner Menschlichkeit noch übrig ist... träumt.

Nicht zu mehr fähig, als Erlebtes und lang Vergangenes wieder und wieder abzuspielen.

Kein Bewusstsein...
oder doch?
... bin ich noch fähig zu denken, oder sind dies nur noch elektronische Impulse der Nanotechnologie die in meinen geschundenen Körper implantiert wurden?

Egal...
ich träume, ich hinterfrage nicht mehr.

Dieser Gestank... lange schon sind auch die letzten humanoiden Geruchsrezeptoren verrottet. Niemand ist mehr an Bord der diesen unerträglich beißenden Geruch ertragen müsste.

Eine Mischung aus Fäkalien, Verwesung, Plastik und verschmorter Isolierung.
Erwachen...

nie mehr...

Zeit zu träumen...
 

Val Sidal

Mitglied
Killsbugsfast,

so kann man das nicht machen.
Die Idee, Aufwachen einer MenschMaschine aus der Stase während einer Interstellarreise, kann man aufgreifen. Aber dann musss man daraus etwas auch machen.

Hast du dich in den Protagonisten versetzt? Wohl nicht...

Nur ein Beispiel:
Der Protagonist würde mit dem Maschinenanteil seines Cortex ganz andere Dinge ganz anders denken und sagen.

Die Perspektive stimmt nicht: der Text ist zwar "ICH-erzählt", aber die Sicht auf die Szene ist dein Blick, lieber Autor. Du nimmst aber an der Reise gar nicht teil:

Ich träume. [blue]Er träumt.
[/blue]
Das, was von meiner Menschlichkeit noch übrig ist... träumt.
[blue]Das, was von seiner Menschlichkeit noch übrig ist... träumt.[/blue]

Nicht zu mehr fähig, als Erlebtes und lang Vergangenes wieder und wieder abzuspielen.
Zusammen mit weiteren Konstruktions- und sonstigen Mängeln, die ich hier nicht alle aufarbeiten will, weil (nach meiner Einschätzung) der Text nicht zu retten ist, hast du damit ein Problem vor den Füßen, das du auch dann nicht heilen könntest, wenn dir mehr und bessere Mitteln zur Verfügung stünden. Die schlichte Korrektur der Erzählperspektive würde zu solchen Katastrophen führen, wie:
NICHTS.
Nichts aber auch gar nichts... da sind nur Leere und Stille die [blue]ihn[/blue] umgeben.
.
Keine Sterne, Sonnen oder Planeten. Nicht einmal Staub.

NICHTS.

ABSOLUTES NICHTS!
Die Idee der Szene hat was. Wenn du einen anderen, glaubwürdigeren Versuch vorlegen würdest, würde ich ihn lesen.
 



 
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