Erwischt im Bordell

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gueko

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Erwischt im Bordell
Andreas und ich gehen am Nachtigall vorbei. Das ist ein Nobel-Etablissement im Zentrum unserer Landeshauptstadt. Ein Nobel-Etablissement ist für uns umgangssprachlich, es steht für Nobel-Puff. Verstohlen schauen wir in die Auslagen, an denen beinahe barbusige Mädchen kleben. Also in Wahrheit nur Abziehbilder von beinahe barbusigen Mädchen. Die beinahe barbusigen Mädchen selbst sind wohl drinnen – und wahrscheinlich barbusig. „Da versteht man von wo das Wort barbusig kommt.“ sage ich und lache. Wir denken jedoch nicht daran, da hinein zu gehen, das ist zu nobel für uns. Nobel sagen wir immer, wenn uns etwas zu teuer ist. Ins Nachtigall gehen nur sehr reiche Männer hinein, oder eben jene, die wir als reiche Männer bezeichnen, also die Geschäftsleute aus unserem Ort beispielsweise. Die treffen sich öfters mal dort und trinken da Champagner. Das erfuhr ich aus einem Gespräch, welches ich einmal belauschte. Champagner ist uns zu teuer. Deshalb schauen Andreas und ich uns nur kurz an und ziehen fast zur gleichen Zeit die Augenbrauen leicht in die Höhe. Das ist unser Zeichen für „Denkst du auch was ich gerade denke?“ Unabhängig davon, was wir wirklich denken, lächeln wir so, wie es unsere Freundinnen zu Hause immer als schmutzig bezeichnen. Ohne zu wissen, was unsere Freundinnen unter schmutzig verstehen, weil das was ich dabei denke nicht schmutzig ist, sonst würde ich sie, also eigentlich nur meine Freundin, öfters beschmutzen. Ich steige in Hundekot. „Scheiße!“ denke ich und sage „Scheiße!“
„Scheiße sagt man nicht – und so steigst du nicht in mein Auto!“ sagt Andreas. Ich versuche den Hundekot am Asphaltboden abzustreifen, immer noch gehend. Das wirkt sehr seltsam auf manche Passanten, die mich beobachten, wie ich einige Male nacheinander den linken Fuß ein Stück nach vor setze um dann mit dem rechten Fuß zwei bis drei Mal über den Asphalt zu wischen. „Super, wie du das verteilst.“ sagt Andreas. Ein Typ in unserem Alter geht vorbei und sagt: „Das soll Glück bringen!“ – und lacht. Jetzt läuft er gegen einen Laternenmast. „Dir aber nicht!“ sage ich – und lache. Der Typ hat eine Platzwunde am Kopf. Das sehe ich, als er sich zu uns umdreht. „Hoppala!“ sage ich und „Oje!“. Dann frage ich noch: „Soll ich eine Rettung rufen?“ Der Typ sagt: „Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass du die gleich brauchst!“ und geht auf mich zu. Andreas und ich schauen uns an, ziehen die Augenbrauen nicht in die Höhe, denken aber offensichtlich dennoch das gleiche, weil wir uns umdrehen und losrennen. Im selben Augenblick, in dem wir am Nachtigall vorbeilaufen, kommt ein nobler Herr heraus, den Andreas umstößt, weil er ihm nicht mehr ausweichen kann. Darauf hin kommt ein anderer Herr aus dem Etablissement, der ein Angestellter sein muss, weil sein Anzug nicht so nobel ist. Er ist einen Kopf größer als ich und um wenigstens eine Schulter breiter. Er nimmt mich bei meiner Jacke und hält mich fest. Dann sagt er: „Entschuldige dich sofort bei unserem Gast!“ „Aber ich war’s ja nicht!“ sage ich und sehe Andreas noch um die nächste Hausecke verschwinden. Der Herr steht auf und ich staune ob seiner noblen Erscheinung, die durch den Sturz etwas verschmutzt wurde, grinse und sage dann doch: „Entschuldigung, Herr Bundesminister!“ Jetzt denke ich etwas Schmutziges und bekomme eine Ohrfeige, aber nicht wegen meiner schmutzigen Gedanken, sondern weil der Typ mit der Platzwunde diese Gelegenheit ausnutzt. In diesem Moment kommt meine Freundin aus dem Etablissement.
 

Duisburger

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Hallo,

das ist vollkommen unglaubwürdig, dazu auch noch voller Ungereimtheiten und stellenweise sprachlich ungelenk.
Ein Bundesminister, sofern er wirklich das Bedürfnis verspüren sollte, eine bezahlte Dame zzu besuchen, geht nie und nimmer in einen profanen Puff, auch nicht in einen noblen.
Dafür gibt es diskretete freie Callgirls, die man besuchen oder sich in noch diskretere Hotels zurück ziehen kann.
Ein Nobel-Etablissement ist für uns umgangssprachlich, es steht für Nobel-Puff.
Doch wohl eher umgekehrt.
Dass dann noch deine Freundin aus dem Puff kommt, setzt dem allen die Krone auf. Und welche Rolle spielt eigentlich der Laternentyp? Und wer hat da wen erwischt? Du den Minister, deine Freundin dich (vor dem Puff wohlgemerkt)?


lg
Duisburger
 

gueko

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Du glaubst das nicht?

Hallo Duisburger!
Du glaubst nicht, dass das wirklich passiert ist? Dabei war ich doch sooo authentisch. Oder? Ach nein, wir sind ja da gar nicht in der Kategorie Biographie... ;-)

Was für die Helden meiner Geschichte umgangssprachlich ist, dass lasse sie bitte selbst entscheiden. Und der Laternentyp ist - hättest du die Geschichte tatsächlich aufmerksam gelesen, wärst du selbst drauf gekommen - der einzige Grund warum der Ich und der Andreas nochmal beim Puff vorbeigekommen sind. Also das ist eine abgerundete Geschichte mit einem offenen Ende.

Vielleicht ist sie nicht ganz so lustig, wie ich dachte - das kann ja sein. Und deine Wertung zeigt mir, dass ich dich offensichtlich nicht unterhalten konnte...

und stellenweise sprachlich ungelenk.
Dazu sage ich: ich habe mich tatsächlich bemüht, das so hinzukriegen (Wiederholungen von sage / lache / ... erfolgten hier sehr bewusst) um aus den Formulierungen einen Rückschluss auf Alter und Charakter der beschriebenen Personen zu ermöglichen. Wenn ein Kritiker aber bei ICH-Erzählungen immer Rückschlüsse auf den Autor ziehen möchte, wird das schwierig, zumindest für den kritisierten Autor. Jedenfalls sind das literarische ICH und Andreas keine Studenten der Literaturwisschenschaft, das ist doch zu bemerken, oder?

Danke für deine Meinung!
gueko
 

Duisburger

Mitglied
Nein, ich glaube es nicht.
Was für die Helden meiner Geschichte umgangssprachlich ist, dass lasse sie bitte selbst entscheiden.
Was ungangssprachlich ist, entscheidet die Gesellschaft, nicht ein Einzellner. Und "Puff" ist doch immer noch umgangssprachlich, oder? "Nobel-Etablissement" wohl kaum, den das ist eine geschäftliche Umschreibung, die gut klingen soll.
Andreas und ich schauen uns an, ziehen die Augenbrauen nicht in die Höhe, denken aber offensichtlich dennoch das gleiche, weil wir uns umdrehen und losrennen.
Jo, hast recht.
Wenn ein Kritiker aber bei ICH-Erzählungen immer Rückschlüsse auf den Autor ziehen möchte, wird das schwierig, zumindest für den kritisierten Autor.
Das tue ich wo? Mit "ungelenk" meine ich solche Sätze:
Das ist ein Nobel-Etablissement im Zentrum unserer Landeshauptstadt.
Warum so kompliziert und nicht gleich die Stadt nennen, da es doch für die Geschichte unerheblich ist, ob es die Landeshauptstadt ist.
an denen beinahe barbusige Mädchen kleben
in denen. und du meinst whrscheinlich bilder, die in einem Schaukasten kleben. Schreibe das doch.
Ohne zu wissen, was unsere Freundinnen unter schmutzig verstehen, weil das was ich dabei denke nicht schmutzig ist, sonst würde ich sie, also eigentlich nur meine Freundin, öfters beschmutzen.
Öhm, wie meinen?
So geht es weiter. Du hast dich um einen lockeren und lustigen Schreibstil bemüht. Und so liest sich das dann auch für mich. Bemüht.
Jedenfalls sind das literarische ICH und Andreas keine Studenten der Literaturwisschenschaft, das ist doch zu bemerken, oder?
Und das hat was mit dem Schreiben einer Kurzgeschichte zu tun?

Duisburger
 

gueko

Mitglied
Fehlende Distanz

Hallo Duisburger!

Ich habe den Text sicher zu frisch eingestellt, mir fehlt noch etwas die Distanz, um Kritik sachlich annehmen zu können. Dafür will ich mich erst Mal entschuldigen: Entschuldigung.

Ich habe mir nun ein paar deiner Texte angesehen und muss - blass vor Neid - anerkennen, dass du sicher weißt, wovon du schreibst, wenn du kritisierst.

Zu deiner Kritik selbst: Die in deinem zweiten Beitrag zitierten Textpassagen in Verbindung mit deiner Kritik "ungelenk" helfen mir mehr, als die Verallgemeinerung im ersten Beitrag.

Ein paar Passagen fand ich halt für mich sehr komisch und eine davon ist auch diese Umkehrung der Umgangssprache. Du hast Recht: Puff ist Umgangssprache, aber ICH schrieb ja auch
Nobel-Etablissement ist für uns umgangssprachlich
und für mich dachte ich, dass eben genau die Umkehrung das Witzige sei - offensichtlich nicht für andere.

Bevor ich also weiter die Kritiken kritisiere nehme ich mich zurück, lass den Text hier so, wie er mir gefällt und denke paralell dazu über deine Anregungen nach. Verbessern kann ich den Text ja immer noch und vielleicht gibt es noch den einen oder anderen Hinweis von anderer Seite.

Danke, dass du bereit bist auch Texte, die dir nicht so gut gefallen, zu kommentieren und mir als Autor damit hilfst.

Alles Gute und auf ein Wiederschreiben
gueko
 
Ich muss Duisburger zustimmen. Beim Lesen war ich auch etwas verwirrt. Generell denke ich, dass die Idee nicht schlecht ist, aber es gibt zuviele Ungereimtheiten, die verwirren.

Was mir gefällt ist die Art, wie die beiden Protagonisten miteinander reden oder dem Leser was erklären (ist ein gutes Mittel, erlaubt viel Raum für Lacher), z.B. "Nobel sagen wir immer, wenn uns etwas zu teuer ist"

Ich würde versuchen folgendes zu korrigieren:
1) Nobelpuff: im österreichischen Kabarett wird normalerweise (und mit Erfolg) der Kontrast zwischen Hochsprache und Dialekt stark ausgespielt. Z.B. in der Form:
"Vorarlberg ist zu klein für mich" ist nichts anderes als die politische korrekte Version von "Die Bodenseebrunzer san ma z'deppert" (die Bodenseeurinierer sind mir zu blöd).

D.h. Hochsprache wird mit einem ganz bewussten krassen Kontrastdialektwort gepaart.

Du versuchst den umgekehrten Weg (wobei Puff: ist heutzutage nicht wirklich zuviel nicht-Hochsprache). Das klappt meiner Meinung nach nicht. Die "Subtilität" habe ich nicht mitgekriegt

2) Mach aus dem Minister einen Bürgermeister oder so.
3) Die Pointe ist meines Erachtens gut gedacht, die Freundin wird nämlich vorher vorgestellt, und auf einmal ist sie hier. Um sie aber besser aufzusetzen, lass den Erzähler mehr von der Freundin erzählen, also wie z.B. frigid, anständig, etepetete sie ist.
Mich erinnert das an das Dienstmädchen von der Jahrhundertwende, das in einem Haushalt angestellt ist, und das folgende Ehrverständnis hat: Mit dem Herrn geht sie gern(?) ins Bett (ist ja ihr vermeintlicher "Job"), mit ihrem Liebhaber - einem Postler - aber nicht, weil den liebt sie und für den will sie sich bis zur Hochzeit aufheben.

Ich glaube die Geschichte hat Potenzial, versuch's vor allem am Ende schlüssiger zu machen und bei der Sprache der Protagonisten zu bleiben.

Marius
 

gueko

Mitglied
Erwischt im Bordell

Verstohlen schielen wir auf die Auslagenscheiben des Nobel-Puffs Nachtigall, an dem ich und Andreas vorbeischlendern. Abziehbilder beinahe barbusiger Mädchen verhindern den Einblick in die amouröse Anonymität dieses Nachtlokals. Dessen Besucher nennen es Nobel-Etablissement. Deshalb denken wir auch nicht daran, da hinein zu gehen. Das ist zu nobel für uns. Nobel sagen wir immer, wenn uns etwas zu teuer ist. Ins Nachtigall gehen nur sehr reiche Männer hinein. Also die Geschäftsleute aus unserem Ort beispielsweise. Die treffen sich dort und trinken Champagner. Ein Geschäftspartner erzählte das einmal meinem Chef und ich habe es belauscht. Mein Chef ist ja keiner, der sich so etwas leistet. Der fragte nur was der Champagner kostet und als er die Summe hörte reagierte er mit dem Hinweis, dass das Service dann sicher alles sein müsse, außer gewöhnlich. Ein gutes Service bekomme er aber auch bei seiner Frisörin. Ohne Champagner, mit Kaffee. Nicht nackt, aber auch freundlich. Und die Massage der Kopfhaut würde durchaus einen Interpretationsspielraum offen lassen, wenn man die Augen schließe. So weit mein Chef, der sich einen Besuch im Nachtigall leisten könnte, aber in so Dingen so spart wie bei meinem Gehalt.
Andreas und ich schauen uns nur kurz an und ziehen fast zur gleichen Zeit die Augenbrauen hoch - das ist unser Zeichen für denkst-du-auch-was-ich-gerade-denke - unabhängig davon, was wir wirklich dabei denken - und lächeln. Beim Anblick der beinahe barbusigen Abziehbildmädchen scheint uns beiden etwas einzufallen. Wir lächeln so, wie es unsere Freundinnen als schmutziges Lächeln bezeichnen, wenn wir bei anzüglichen Themen lächeln. Ohne zu wissen, warum unsere Freundinnen das als schmutzig bezeichnen. Meine Freundin ist - zugegeben - ein bisschen prüde im Umgang mit meinem Lieblingsthema. Denn das, was ich dabei denke, ist nicht schmutzig. Ich beschmutze meine Freundin nicht. Meine Meinung dazu ist, dass Männer eben viel offener sind wenn es um das Thema Sex geht. Meiner weitreichenden Phantasie stellt sich nur der freie Wille meiner Freundin entgegen. Der schränkt jedoch einiges davon ein. Dennoch nennt sie mich einen Verbalerotiker. Ins Puff gehe ich dennoch nicht – schon gar nicht in so ein teures.
Ich steige in Hundekot. „Scheiße!“ denke ich und sage „Scheiße!“ „Scheiße sagt man nicht – und so steigst du sicher nicht in mein Auto!“ sagt Andreas. Den Hundekot versuche ich am Asphaltboden abzustreifen, immer noch gehend. Das verschafft mir reichlich Beachtung von Passanten, die mich dabei beobachten, wie ich einige Male nacheinander den linken Fuß nur ein Stück nach vor setze um dann mit dem rechten Fuß zwei bis drei Mal über den Asphalt zu wischen, immer darauf bedacht, die gleiche Stelle des Asphalts nur einmal zu wischen. „Super, wie du das verteilst.“ lobt Andreas.
Ein Typ in unserem Alter quert unseren Weg und sagt: „Das soll Glück bringen!“ – und lacht. Lacht nur kurz, weil er den Laternenmast übersieht, gegen den er mit seinem Kopf stößt. „Dir aber nicht!“ sage ich – und lache. Lache nur kurz, weil ich sehe, dass der Typ eine Platzwunde am Kopf hat. „Hoppala!“ sage ich und „Oje!“. Ich frage ihn: „Soll ich eine Rettung rufen?“ Der Typ sagt: „Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass du die gleich brauchst!“ und geht mit geballten Fäusten auf mich zu, will offensichtlich seine Dummheit mit Gewalt kompensieren. Andreas und ich schauen uns kurz an – machen unser Zeichen für denkst-du-auch-was-ich-gerade-denke, drehen uns um und laufen los.
Auf unserer Flucht kommen wir wieder am Nachtigall vorbei. Dort kommt ein nobler Herr heraus, den Andreas umstößt, weil er ihm nicht mehr ausweichen kann. Darauf hin kommt ein anderer Herr aus dem Etablissement, der ein Angestellter sein muss, weil sein Anzug nicht so nobel ist. Er ist einen Kopf größer als ich und um wenigstens eine Schulter breiter. Er nimmt mich bei meiner Jacke und hält mich fest. Dann sagt er: „Entschuldige dich sofort bei unserem Gast!“ „Aber ich war’s ja nicht!“ sage ich und sehe Andreas noch um die nächste Hausecke verschwinden. Der gefallene Herr steht auf und ich staune ob seiner noblen Erscheinung, die durch den Sturz etwas verschmutzt wurde, grinse und sage dann doch: „Entschuldigung, Herr Chef!“ Jetzt denke ich etwas Schmutziges und bekomme einen Schlag ins Gesicht. Nicht wegen meiner schmutzigen Gedanken, sondern weil der Typ mit der Platzwunde mich eingeholt hat und die Gelegenheit ausnutzt. In diesem Moment kommt meine Freundin aus dem Etablissement.
 

gueko

Mitglied
Ausgebessert

@Marius und @Duisburger
Jetzt habe ich natürlich schon sehr lange darüber nachgedacht - aber Ding braucht Weile - ob gut oder nicht entscheiden dann doch auch die Leser. Eure Anregungen haben mir dabei schon geholfen.
Und ich habe mich auch gar nicht mehr bemüht - es war ganz einfach zu schreiben...;-)
Gruß
Günter
 



 
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