Es war einmal . . .

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es war einmal . . .

Es war einmal vor langer Zeit ein Land der Geister, Zwerge, Elfen und Feen, der Zauberer und Hexen. Sie lebten friedlich miteinander und hatten ihr Auskommen. Doch irgendwann kamen Neid und Habgier in das Land. Der Neid bemächtigte sich eines Zauberers namens Urigleb und die Habgier glitt in sein Weib, das hieß Onkala.
Bald waren die beiden gefürchtet im Land, denn sie rissen alles an sich, was schön und begehrenswert war. Urigleb häufte Reichtümer an aus Gold und Edelsteinen, Onkala aber nahm alles, was des Menschen Herz erfreute: Musik, Gemälde, Skulpturen und Raritäten aller Art.
Um zu all diesen Sachen zu kommen, wendeten sie selbst gemeinste Tricks an. Sie redeten den Leuten ein, dass sie vom Anhören der Musik Gehörschäden bekommen würden, vom Betrachten der Kulturgüter aber kranke Augen. Sie brachten sogar Beweise dafür bei, indem sie die Musik so überlaut ertönen ließen, dass alle sich schnellstens die Ohren zu hielten und die anderen Dinge präsentierten sie in so gleißendem Licht, dass alle sich die Hände vor die Augen drückten.
Natürlich erkannten die Bewohner jenes Landes sehr bald den Betrug, aber erst einmal hatten Urigleb und Onkala gewonnen. Und die beiden ließen sich immer wieder Neues einfallen, um die friedliebende Bevölkerung um ihre Schätze zu betrügen. Sie konnten neu geschaffene Kunstwerke noch so geheim halten, Onkalas alles sehendem Auge blieb nichts verborgen. Ja, Onkala hatte die Gabe, alles sehen zu können, aber die Habgier verleitete sie, auch alles haben zu wollen, was sie sah.
Die fleißigen und einfallsreichen Bürger jedoch hielten nicht inne im Ausleben ihrer Fantasie. Sie dachten sich: Irgendwann wird Onkala keinen Platz mehr haben, um weitere Sammlerstücke zu horten! Einer bot sich ihr sogar an, ihr Museum zu verwalten und zu ordnen, damit jedes Stück gut zur Geltung kommt. Sie nahm das Angebot an. Bald machte ihr der Helfer klar, dass sie noch ein Haus braucht, damit die Kostbarkeiten nicht Schaden nehmen, wenn sie auf engstem Raum zusammen gepresst liegen.
Sie überredete ihren Mann, noch ein Haus zu kaufen. Und noch eins. Und noch eins. Dann musste ein Garten her, damit die Alabasterfiguren im Freien stehen konnten. Urigleb, der inzwischen der reichste Mann der Welt war, erfüllte seiner Frau auch diesen Wunsch. Er glaubte, dass sein Geld nie alle werden würde. Als Onkala auf Anraten ihres treuen Helfers sogar einen Palast von ihm wünschte, stimmte er sofort zu.
Aus den begabtesten Architekten des Landes wurden sieben auserwählt, den Palast zu entwerfen und schon am nächsten Tag begannen die Arbeiten. Nach wenigen Monaten war ein Bauwerk errichtet, das seinesgleichen suchte. Nie zuvor gab es solche Pracht und Herrlichkeit! Urigleb war stumm vor Staunen, Onkala aber jubelte in den höchsten Tönen. Natürlich gehörte zu dem Schloss auch ein riesengroßer Park. Alle Zimmer des Schlosses und jede Ecke des Parks war verschwenderisch mit Kunstwerken ausgestattet. Alles funkelte und blitzte vor Edelsteinen und edlem Metall. Geschickt angebrachte Beleuchtung erhöhte noch den Reiz und Onkala vergaß für ein paar Tage, nach weiteren Prachtstücken zu forschen.
Urigleb aber spürte die Ebbe in seinem Portemonnaie. Das Land hatte nun ein herrliches, einzigartiges Museum, aber er hatte nichts mehr. Griesgrämig zog er sich in seine Gemächer zurück. Er erhob gepfefferte Eintrittspreise für das Museum und verbrauchte all seine Zauberkraft damit, die Mauern um den Park sowie den Luftraum darüber für alle anderen Bevölkerungsschichten undurchdringlich zu machen, damit nicht etwa eine Fee oder sonst wer dorthin gelangt, ohne vorher zu bezahlen.
Auch Onkala zog sich in ihre Gemächer zurück, denn sie konnte es nicht ertragen, ständig staunenden Besuchern zu begegnen. Das Ehepaar spielte ernsthaft mit dem Gedanken, die Häuser, den Park und den Palast in die Luft zu sprengen, so sauer waren sie darüber, dass sie ihre Reichtümer nun doch mit den anderen teilen mussten.
Nun waren die Bewohner jenes Landes gezwungen, regelmäßig das Museum zu besuchen, denn wenn Urigleb und Onkala – die leider unsterblich waren – nicht genügend Geld bekamen, um ihren Lebensunterhalt zu fristen, drohten sie damit, die Bomben zu zünden, die sie überall im Park und im Palast angebracht hatten. Dabei wäre auch die ganze Stadt zerstört worden und das wollte natürlich niemand aus dem Volk.
So sehr die Leute auch ihre Kunstwerke liebten, der Gedanke, dass sie zwei nichtstuende Widerlinge durchfüttern mussten, verbitterte sie. Immer mehr ließen die Köpfe hängen. Andere aber amüsierten sich „auf Deibel komm raus“. Je nach dem, wie jeder seine Konflikte zu bewältigen vermochte.
Eines Tages ging Golpuk, der ungeliebte Sohn einer Fee, die sich im Vollrausch mit einem Zwerg eingelassen hatte, mit hängenden Schultern auf der Straße umher. Da sah er, wie ein Wagen mit verbotenem Tempo heranraste. Wenn nicht ein Wunder geschähe, würde der Wagen in den Laden des Zuckerbäckers rasen und die Wichtel und Elfenkinder töten, die dort gerade ihre Schulbrote kaufen wollten.
Golpuk stürzte dem Wagen entgegen in der Gewissheit, dass er zwar das Fahrzeug aufhalten, aber selber den Tod dabei finden wird. Später ließ er die Situation immer wieder an seinem geistigen Auge vorbeiziehen: er war mit einem Sprung bei dem Wagen, hob ihn an allen Rädern hoch, wartete, bis sich die Räder nicht mehr drehten und setzte den Wagen wieder ab. Mancher Passant erblickte das Gefährt in der Luft, das war hierzulande nichts Ungewöhnliches, aber niemand nahm Notiz von Golpuk. Es dauerte eine Weile, ehe dem jungen Mann klar war, dass er bei seiner Heldentat unsichtbar war. Seine Minderwertigkeitsgefühle wollten ihm nämlich weismachen, dass keiner ihn bemerkte, weil er nicht bemerkenswert war. Das stimmte aber nicht!
Golpuk erprobte im Geheimen seine ungeahnten Zauberkräfte – nie zuvor waren der Zauber einer Fee und die Macht eines Zwerges in einer Person vereint gewesen! Dann machte er sich auf zur Behausung von Urigleb und Onkala. Er beobachtete das Haus eine Weile, bis er wusste, dass sich die Tür nur öffnet, wenn Onkalas Katzenhund Gassi ging oder zu Besorgungen ausgeschickt wurde. Letzteres geschah jeden Donnerstag um halb Neun.
Ein paar Minuten vor halb Neun klingelte Golpuk bei Onkala. Sofort klang aus dem Haus der Gesang einer wunderschönen Sopranstimme und aus der Sockelstufe schob sich das hübsche Gesicht einer jungen Frau. Es lächelte: „Der junge Herr wünschen?“ Golpuk wusste, dass das nicht das wahre Gesicht Onkalas war, aber er stellte sich freundlich und verwickelte den Kopf in ein längeres Gespräch. Als der Katzenhund endlich aus der Tür sprang, war Golpuk schnell über ihn hinweg gesaust. Unsichtbar suchte er im Hause nach Urigleb, sichtbar stand er vor der Tür und redete mit dem blondlockigen Frauenkopf.
Bald hatte er den Zauberer gefunden und kämpfte gegen ihn, bis seine Jugend, sein Mut und seine Geschicklichkeit den verbitterten Greis bezwungen hatten. Er kettete den Besiegten mit den Ketten an die Wand, die im Kampf gegen ihn verwendet wurden und sagte: „Du wirst nicht länger ein Schmarotzer sein! Hier an dieser Wand wirst du verschimmeln!“
Dann suchte er nach Onkala, und als er sie gefunden hatte, kettete er sie neben ihrem Mann an und verband ihr alles sehendes Auge. Zu ihr sprach er: „Du wirst nicht mehr alles Gute und Schöne aus unserem Volk herauspressen. Und jetzt setzt den Eintrittspreis für das Museum auf ein Minimum herab, dann werde ich kommen und euch hin und wieder etwas zu essen geben.“
Urigleb und Onkala setzten sich noch eine Weile zur Wehr. Der Katzenhund kam von seinen Geschäften zurück und wollte seinen Herren helfen, aber Golpuk erschlug ihn. Endlich waren die beiden mürbe und zu allem bereit, was Golpuk wollte.
Die Bevölkerung freute sich, dass der Museumsbesuch nun auch den allerärmsten Leuten möglich war. Um Urigleb und Onkala scherte sich keiner. Golpuk bewahrte Stillschweigen, denn die friedliebende Einwohnerschaft hätte ihm die Gewalttaten nie verziehen.
März 2003
 
R

Rote Socke

Gast
Liebe oldicke,

und stets muss man bei Dir mit noch einer erzählerischen Steigerung rechnen, was obiges Werk beweist. Und wo haste nur die ausgefallenen Namen her? Und den Erzählatem hätt ich Dir kaum zugetraut. Von der ersten bis letzten Zeile sehr flüssig. Respekt!

LG
Volkmar
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

vielen dank, lieber volkmar! ehrlich gesagt, ist das wieder einmal so eine geschichte, deren grundzüge ich nachts geträumt habe und die ich dann zwischen morgentoilette und frühstück geschrieben habe. naja, den seinen gibt s der Herr im schlaf . . .
ganz lieb grüßt
 
R

Rote Socke

Gast
Ich beneide Dich. Muss ich mir doch alles mühsam erarbeiten und Dich überkommt es im Schlaf. Ich gönne es Dir und es erfreut die Leser, was wohl das Wichtigste ist :)

Schönen Tag noch
Volkmar
 

Inu

Mitglied
Hallo liebe flammarion

Das war ein interessanter Traum, den Du da geträumt hast und wenn man so etwas Spannendes träumt, möchte man es festhalten, das verstehe ich gut.. Hast Du auch die Namen geträumt? Das ist wirklich interessant!
Aber als Erzählung mit der Botschaft: Kampf g e g e n die Unersättlichen, die alles haben wollen und f ü r den freien Zutritt zu Kulturgütern (Museen) für alle Menschen, diese Aussage ist ein bisschen... naiv. So wie sie jetzt ist, erinnert mich die Geschichte an ein Märchen. :)

Die Bevölkerung freute sich, dass der Museumsbesuch nun auch den allerärmsten Leuten möglich war. Um Urigleb und Onkala scherte sich keiner.

Dein schöner, poetischer und gut geschriebener Text lässt mich ein bisschen ratlos. Ist noch keine abgeschlossene Geschichte, denke ich. Ich maße mir auch kein Bewertungsurteil an.

Liebe Grüße :)
Inu
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja, ja Christa - "Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf."

Schön geschrieben. Du weißt, ich bin nicht so ein Märchenfreund, aber das hier, das hat was.
Aber... ich schließe mich Inu an und wünschte mir, Du würdest dich noch ein Viertelstündchen aufs Ohr hauen und den Traum zu Ende träumen.

Gruß Ralph
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

vielen dank, ihr lieben. ja, was soll ich sagen? man träumt gewöhnlich die wahrheit: ick bin naiv bis zum abwinken. is so. aber nich naiv genug, einem anderen mein bett zu überlassen! und wer weiß, was du träumst, wenn du neben mir walroß liegst . . .
ganz lieb grüßt
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
seufz!

ach, mein lieber, du würdest neben mir doch gar nicht zum schlafen kommen, geschweige denn zum träumen. kannste nich mal als geist zu mir kommen? wir würden gewiß stundenlang quatschen! ganz lieb grüßt
 



 
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