Es war sein Wunsch 3

3

Ungeduldig schaute Lu auf seine Uhr. Viertel nach zwölf. Es war eine viertel Stunde vergangen, seitdem Brick sich nun mit ihm treffen wollte und langsam fing Lu an sich zu fragen, wo er wohl steckte. Er hatte recht dringlich am Handy geklungen, und obwohl er ihn erst seit einem Tag kannte, war Lu froh darüber gewesen, mit einem Menschen in Kontakt zu treten, mit dem man wenigstenz eine gepflegte Konversation führen konnte. Und vielleicht sogar eine Möglichkeit sich über sein Dilemma von heute früh auszusprechen. Mit seinen Bandmitgliedern gab es da keine große Möglichkeit für.
Die Hohlköpfe aus seiner Band waren kein "redseliges Material", wie er eines Morgens realisiert hatte. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie lustig waren, aber wirklich verstehen, tat er sich nicht wirklich mit ihnen. Außerdem wurde die meiste Zeit sowieso nur von Sex geredet und in was für lustige Situationen es sie doch schon gebracht hatte. Für viel Gefühlskrämerei gab es da keinen Platz.
Geistesabwesend schweifte sein Blick umher und blieb wieder an seinen Händen hängen, die nervös an seiner Cappuccinotasse rumspielten. Er hatte ihn noch nicht angerührt und das unberührte Herz aus Milchschaum, das auf dem Cappuccino ruhte, starrte ihn hämisch an, als ob es sich über Lu und seine frühmorgendliche Auseinandersetzung mit dem roten Schönling lustig machen wollte. Er starrte grimmig zurück und stieß seinen Löffel in die Tasse, um den Milchschaum zu verrühren.
Er nahm einen kräftigen Schluck von dem schon kalt gewordenen Kaffee und verzog das Gesicht. Ein bitterer Geschmack von zu lange stehengelassenen und billigen Kaffeebohnen machte sich in seinem Mund breit und Lu ließ die Tasse angewidert auf die Untertasse sinken.
"Der Kaffee ist widerlich nicht wahr?", sagte eine Stimme neben ihm.
Lu blinzelte und schaute neben sich. Ein Mann von etwa 40 Jahren saß neben ihm und guckte ihn belustigt an.
"Kein Wunder, dass der nur 90 Cent kostet!", sagte er und kramte in seiner Jackentasche rum. Lu war im ersten Moment so überrascht, dass er vergaß zu antworten, schaute aber mit neugieriger Miene auf den Flachmann, den der Mann aus seiner Tasche hervorzauberte. "Auch 'n Schuss?", fragte ihn der Mann freundlich und Lu bejahte mit einem Nicken. Er sah ihm recht sympatisch aus mit seinem buschigen schwarzen Bart und den Zöpfen in den Haaren. Außerdem konnte er eine kleine Ablenkung gebrauchen, um die Zeit totzuschlagen! Lu hob seine Tasse.
Ein kräftiger Schluck aus dem Flachmann füllte seinen angefangenen Cappuccino. "Danke!", sagte Lu und nahm den Löffel in die Hand um den Inhalt seiner Tasse nochmals umzurühren. "Papperlapapp!" rief der Mann. "Nicht der Rede wert." und wandte sich seinem Kaffee zu. Nachdem er seinen Milchkaffee mit einem großen Schluck halb geleert hatte, machte er sich behänd daran, ihn wieder mit dem Inhalt des Flachmannes aufzufüllen. Er zwinkerte Lu zu während er seinen Alkoholspender wieder in seiner Jacke verschwinden ließ und er hob seine Tasse. "Prosit!", rief er fröhlich aus und Lu stieß mit ihm an. "Wohl bekomms!" sagte Lu noch, bevor der Geschmack von schlechtem Kaffee, abgestandener Milch und hochprozentigem, dunklen Rum seinen Mund betäubte.
"Weißte, ich komm' hier schon seit Jahren hin!" sagte der Mann und strich über seinen Bart. "Und der Geschmack vom Kaffee hat sich kein Bisschen verändert. Eine Unverschämtheit!" Lu nickte schweigsam und nippte an seinem Kaffecocktail. Er betrachtete den Mann. Das wettergegerbte Gesicht seines Gegenübers war kräftig und von harten Zügen gezeichnet und seine üppige Gesichtsbehaarung ließ ihn wie ein Wilder aussehen, wären da nicht seine hellen Augen gewesen, die Lu mit einer wissenden Belustigung musterten.
"Wasn los?" fragte er.
Lu schaute seinen Gegenüber prüfend an, ließ einen resignierenden Seufzer hören und öffnete langsam den Mund.
"Weißt du, ich wollte immer mal berühmt werden. Ich habe kein Talent, wenn es darum geht ernsthaft zu arbeiten oder zu lernen." Er musterte seine Tasse und führte sie zum Mund. "Aber ich weiß nicht, ob das wirklich die richtige Idee ist. Gestern hatte ich zum ersten Mal einen Auftritt vor einem Publikum von über 100 Leuten und es war wirklich ein super Gefühl!" Lu setzte seine Tasse ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben und schaute seinem Gegenüber in die Augen. "Trotzdem fühle ich mich... leer... und das liegt nicht an dem Kater, den ich gerade habe." sagte Lu und lächelte unbeholfen. "Letzte Nacht habe ich etwas getan, worauf ich nicht stolz bin, weißt du? Es war zwar 'ne Menge Alkohol im Spiel, aber das ist auch keine Entschuldigung..." Lu wandte seinen Blick ab und nahm einen Schluck aus seinem Kaffeecocktail.
Der bärtige Mann grinste breit und fragte: "Illegal oder eher unmoralisch?"
"Zweiteres" gab Lu ein wenig beschämt zurück und behielt den eher illegalen Drogenteil der letzten Nacht im Stillen für sich.
Gröhlend fing der Mann an zu lachen und zog erschrockene, aber auch missbilligende Blicke der anderen, wenigen Kaffeebesucher auf sich. Galant ignorierte er den Rest des Kaffees und Lu konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Frauenprobleme?" fragte er lachend und ohne eine Antwort von Lu abzuwarten, fing er an zu erzählen.
 



 
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