Essay: prähistorische Liebe

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Essay: Prähistorische Liebe

Eine Suche im Dunkel der Geschichte...

Wochenendspaziergang durchs Neandertal gleich um die Ecke. Erinnerung an einen Spaziergang dort, Hand in Hand mit der ersten großen Liebe, dem Mann, der Beruf zum Hobby und Hobby zum Beruf erkor als Archäologe, Historiker, Ingenieur. Auf meine plötzliche Eingebung: "Kannten die prähistorischen Ahnen Liebe?" ein erstauntes Hochziehen der rechten Braue und ein leichtes Achselzucken...

Wenn die Wissenschaft auch keine Spekulationen liebt, sei es doch zumindest erlaubt, einige Hypothesen zu diesem mysteriösen Ereignis des Erscheinens der Liebe in der Geschichte aufzustellen.

Eines Tages oder vielleicht eines Nachts wurde einige zehntausend Jahre vor unserer Zeit die Geste gemacht, das Wort gesagt, das Gefühl geboren. Wir müssen zweifelsohne sehr weit in unserer Vergangenheit suchen bis die Entstehung dessen, was man später "Liebe" nannte, erstmals empfunden wurde. Können wir ihre Spur in den Skelettfunden, in den Tongefäßfragmenten, in den Überbleibseln von Schmuck, Zeichnungen und Gravuren finden, die uns diese Zeiten hinterlassen haben? In dieser ersten Episode unserer Geschichte der Liebe. Die Liebe ist dem Menschen eigen: es waren tatsächlich wir, die Cro-Magnons mit dem komplizierten Gehirn, die sie erfunden haben. Auch in der Dunkelheit der Zeiten besaß man Herz. Man liebte sich wie heute, vielleicht sogar mit größerer Freiheit, wenn das nicht das wahre Glück bedeutete...

In der Tierwelt bestand schon immer die Notwendigkeit für Wesen eines Geschlechts jene des anderen Geschlechts zum Fortbestand ihrer Art zu suchen. Einige Tierarten bilden sogar feste Paare, wie Wölfe oder Raubvögel, die sich lebenslang zusammentun. Es besteht also zwischen ihnen eine tatsächliche Anziehung zwischen den Geschlechtern. Ist das Liebe? Nein, hier müssen wir eindeutig noch von Instinkt sprechen. Um ein wirklich tiefes Gefühl der Zuneigung zu finden, das die Qualitäten des anderen wertschätzt und zur Grundlage für die Partnerwahl werden lässt, müssen wir auf die Weiterentwicklung des Gehirns und auf den Homo sapiens warten, also den modernen Menschen.

Unsere Vorfahren, Homo habilis, Homo erectus besitzen diese Anmut gegenseitiger Anziehung in unseren Augen nicht? War also die kleine Lucy, Berühmtheit unter den Homo australiensis vor über 3 Millionen Jahren, niemals verliebt?
Wir stellen sie uns wie ein Äffchen vor. Dieses aufrechte Wesen besaß sicher hinreißenden Charme und Ausstrahlung für ihresgleichen. Sie wirkte anziehend. Aber Liebe im heutigen Sinn, das ist mehr als ungewiss...
Auch der Homo erectus war solch subtiler Verhaltensweisen wohl noch nicht fähig. Er kannte noch keine Bestattung; die Toten wurden sich selbst überlassen, man fand zerstückelte Skelette neben Tierknochen... Der Homo sapiens ist der erste, der seine Verstorbenen mit großer Sorgfalt bestattete; das zeugt von einer unleugbaren Form der Zuneigung. Das Gefühl der Liebe geht sicher einher mit der Hochachtung den Toten gegenüber, mit dem Sinn für Ästhetik und für Ornamentik. Also mit rein menschlichen Charakteristika, die erst vom Cro-Magnon Menschen entwickelt wurden – in Afrika vor bis zu 100 000 Jahren.
Alles in allem das Auftauchen von Sensibilität....
Wir verfügen jedoch nur über wenige Indizien um sie nachzuweisen. Wir können die archäologischen Grabungen analysieren, die Gräber beispielsweise und uns vorstellen, sie zeigen die Sozialstrukturen auf oder die Beziehungen zwischen den Individuen untereinander. Aber das sind immer nur Interpretationsversuche. Wir verfügen auch über Gravuren, prähistorische Gemälde, Göttinnen Statuen... Doch die Kunst hat symbolischen Charakter, sie reflektiert eine Mythologie und keine Realität.

Spielen wir trotz allem weiter Liebesdetektiv. Was sagen uns die berühmten Gräber? Ein Beispiel: in den Grotten von Grimaldi in Italien fand man die Skelette von zwei Kindern, datiert auf ca. 30000 Jahre. Sie wurden Seite an Seite liegend exhuminiert, Hüfte und Oberschenkel waren bedeckt mit tausenden durchlöcherter kleiner Muscheln – vermutlich ursprünglich auf ihren Lendenschurz oder Gürtel genäht. In Dänemark fand man in einer Grabungsstelle aus dem 8. Jahrtausend v. Chr. eine junge Frau, gestorben im Alter von 18 Jahren, bei sich ihr Neugeborenes – das auf einem Schwanenflügel gelagert war (dessen Knochen bei Freilegung noch vorhanden waren). Die Sorgfalt die diesen Kindern zuteil wurde ist Zeichen einer tiefen Zuneigung.
Es ist ebenfalls bekannt, dass die prähistorischen Menschen der Solidarität fähig waren.
Wie zum Teufel wir diese Spuren von Solidarität finden sollen?
In Bonifacio auf Korsika legte man auf einem 8000 Jahre alten Gräberfeld das Skelett einer Frau frei, die mit 35 Jahren verstorben war. Diese hatte in ihrer Jugend einen schlimmen Unfall gehabt: sie war linksseitig gelähmt, konnte sich also nicht mehr fortbewegen, ein Teil ihres Gaumens und Kiefers war durch eine Knochenentzündung zerstört, was die Möglichkeit ihrer Nahrungsaufnahme auf Breiform beschränkte. In einem Zeitalter, in dem man von der Jagd, dem Fischfang, dem Sammeln von Weichtieren lebte, bedurfte sie also der völligen Pflege und Obhut der Ihren. Trotzdem hat man sie ernährt, gepflegt, unterstützt und damit über Jahre weiterleben lassen. Diese Fälle von Solidarität waren weit verbreitet, Beweis, dass es sehr wohl Gefühle tiefer Zuneigung zwischen den Individuen gab. Auch die Neandertaler, Zeitgenossen des Homo sapiens, kannten diese Formen der Solidarität.
Obwohl sie häufig als roh und brutal beschrieben wurden, waren sie entwickelter als zunächst vermutet. In alten Grabstätten der Neandertaler (vor 60000 bis 80000 Jahren) fand man die Reste von Schwerbehinderten deren Verletzungen aus ihrer frühen Jugend stammten und die trotzdem viele Jahre dank der Unterstützung ihrer Gruppe überlebten. Die Forscher entdeckten auch das Grab einer Neandertalerin, ausgeschmückt mit Auenblumen, die man im gegenüberliegenden Tal, einige Stunden Fußmarsch entfernt, gepflückt hatte. Dies ist der älteste bekannte Brauch von Blumenschmuck für ein Bestattungsritual.
Der Neandertaler und der Cro-Magnon hatten jeder auf seine Weise die Solidarität entdeckt, doch auch die Liebe?
Das ist eine schöne Annahme. Aber im Gegensatz zu den Neandertalern, die nur einige der ihren bestatteten, beerdigten die Cro-Magnons alle Verstorbenen mit der gleichen Sorgfalt. Ob Männer, Frauen, Kinder – allen wurde unabhängig vom Alter die gleiche Anteilnahme zuteil.
Die ersten Zeichen von Gefühlen tiefer Zuneigung.

Es entstand noch etwas anderes: die wundervolle Entwicklung der Felsmalereien vor 35000 Jahren. Die Bearbeitung des Steins, die feinziselierten Gravuren, die Präzision der Spuren, die Auswahl der Farben, die Perspektive, die Meisterschaft im Zeichnen um Reliefs herauszuarbeiten, all das offenbart verblüffende Fertigkeiten, Sinn für Ästhetik und Sensibilität. Die Revolution der Kunst, auch das ist vielleicht die Geburt der Liebe.
Ja. Die Liebesgefühle der ersten „modernen“ Jäger werden sich von den unseren nicht sehr unterschieden haben. Männer und Frauen des Cro-Magnon besaßen das gleiche Gehirn wie wir, sie sprachen, sie träumten wie wir, sie empfanden die gleichen Emotionen und Gefühle und unter diesen auch das wandelbarer Leidenschaft. Wir können uns diese ursprünglichen Lieben intensiver vorstellen, aufrichtiger, spontaner, frei von sozialen Reglementierungen oder Unterwerfung unter Normen. Das Paläolithikum war ein goldenes Zeitalter. Es wimmelte vor Tieren, Materialien gab’s im Überfluss, Menschen nur vereinzelt.... Sie lebten als Halbnomaden, in Gruppen von ca. 30 Personen, ziemlich verstreut, aber nicht isoliert. Sie tauschten Rohstoffe – Feuersteine, Muscheln, Felskristalle – Kenntnisse (man findet vergleichbare Gegenstände und Arbeitstechniken in sehr weit voneinander entfernten Gegenden), und sicher auch Liebespartner. Das Problem der Blutsverwandtschaft scheint ihnen nicht entgangen zu sein. Die Skelettfunde beweisen, dass es gut gebaute Menschen waren, ohne Anzeichen von inzestuös bedingten Deformationen. Die Ethnologie bestätigt diese Entdeckung: bei zahlreichen Gruppen von Jägern und Sammlern gab es überall auf der Welt jährliche Treffen wo man tauschte und Beziehungen knüpfte, etwas das die Forscher Exogamie nennen, also Heirat außerhalb der eigenen sozialen Gruppe.

Die ersten menschlichen Wesen lebten also als Paar, und sie waren monogam. Aber sicher! Ein Harem ist in paläolithischen Gruppen nur schwer vorstellbar. Wenn man von der Jagd lebt, kann man nicht mehrere Frauen haben: die Polygamie hätte den Mann am weiteren Jagen gehindert. Später bei den Bauern, da gab es sie, aber nicht bei den Jägern und Sammlern. Übrigens ergaben die bislang untersuchten Stätten, dass die Grundfläche ihrer Hütten klein war – gerade ausreichend für eine Kleinfamilie. Aus späterer Zeit fand man auch einige Doppelgräber: ein Mann gemeinsam bestattet mit zwei Frauen. Waren diese beiden seine Frauen? Wenn ja, wurden sie wahrscheinlich gleichzeitig getötet um ihn in seinen Tod zu begleiten, eine während der Antike bekannte Methode.

Im tschechischen Mähren fand man in der Nähe von Dolni Vestonice auf einem vor 25000 Jahren von Mammut Jägern genutzten Gelände eine junge Frau zwischen zwei jungen Männern, von denen einer seine Hand auf ihrer mit Ocker bestäubten Vulva lagerte. In der erwähnten Grotte von Grimaldi entdeckte man die Skelette eines sehr großen Mannes (1,94 m) in den Zwanzigern und einer Frau von rund dreißig Jahren, beide seitlich aneinander geschmiegt. Ein athletischer Jäger, der den Schönen der ligurischen Küste vor 30000 Jahren den Kopf verdrehte...

Aus dem Paläolithikum sind keine Fälle von gewaltsam durch Menschenhand Getöteten bekannt, keinerlei Verletzungen von Wurfgeschossen wie in den späteren Epochen.
Es war eine angenehme Zeit. Mit bereits ausgeprägten Machoattributen... -)
Die Frauen hüteten die Kinder, gerbten die Felle, kümmerten sich um den Haushalt, unterhielten das Feuer, aber der Mann trug die Hosen (aus Haut....)
Welch vergnüglicher Gedanke nicht nur für Prähistoriker, dass in dieser Zeit der Mann von seinen animalisch geprägten Sexualpraktiken in menschliche wechselte: er liebte von Angesicht zu Angesicht... Die Entdeckung der Missionarsstellung! Wer kam als erster auf die Idee anders zu lieben als die Tiere? Wenn der Liebesakt dieser Zeit auch nicht geprägt gewesen sein mag von raffinierten Vorspielen, haben die prähistorischen Menschen sich und ihre Sexualität doch geschätzt und geliebt. Die gefundenen weiblichen Skelette waren mit Schmuck bedeckt. Sie wurden mit gleicher Hingabe bestattet wie die Männer. Und dann gab es die Sprache. Warum sollten sie diese nicht genutzt haben um die Komplexität ihrer Gefühle zum Ausdruck zu bringen?

Kann uns die Kunst der prähistorischen Höhlen Auskunft über ihre Art zu lieben geben? Auf den Felswänden finden sich nur wenige menschliche Darstellungen und keine Szene eines Koitus und oder der Paarung von Tieren. Die Felsmalereien zeigen nur bestimmte Tiere, stellen nicht das tägliche Leben, sondern Symbole dar. Das Pferd symbolisiert Stärke; der Hirsch Virilität. In einigen Grotten gibt es auch Abbildungen von Vulva und Phallussymbolen.

Auf die Wände gezeichnete Geschlechtsteile? Vorgeschichtliche Erotikcomics ? Auch hier handelt es sich um Fruchtbarkeitssymbole. Die Sexualität war kein Bestandteil der mythologischen Symbolik in der Felsenmalerei. Am Ende der Altsteinzeit gab es dann die berühmten weiblichen Statuen, deren Gesichtszüge nicht ausgearbeitet sind, aber deren weibliche Attribute übergroß dargestellt wurden. Auch sie sind noch Fruchtbarkeitssymbole und keine realistische Abbildung der prähistorischen Frau. Das Schönheitsideal der übertrieben ausladenden Hüften entsprach wohl nicht der Wirklichkeit.

Im Neolithikum, vor über 10000 Jahren, dann die Revolution der Jungsteinzeit!
Ende Gelände mit den Jägern und Sammlern und ihren Hirtenpärchen. Ackerbau und Viehzucht und Dorfleben sind nun angesagt. Und gleichzeitig Aufgabenteilung, Eigentum, Hierarchie, Macht, Krieg... Alles ändert sich. Auch die Regeln des Liebesspiels?
Es ist in der Tat eine völlig neue Welt die da geboren wird: die der Bauern und Viehzüchter, die Wälder roden werden, Felder bestellen, ihre Häuser gruppenweise in Dörfern errichten, Wege errichten. Die Bevölkerungszahl steigt schnell an, Gesellschaftsformen strukturieren sich, die Mentalität ändert sich. All diese Wahnsinnsaktivitäten erfordern eine gesellschaftliche Organisation, Leaderschip, einschränkende kollektive Lebensregeln. Von nun an kann man seine Hütte nicht mehr nach eigenem Gusto errichten (die Wohnstätten gleichen sich, die Tongefäße ebenfalls), noch frei seine Lebenspartnerin oder seinen Lebenspartner wählen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass in dieser Zeit Normen für sexuelle Beziehungen aufgestellt wurden. Und Regeln für die Verbindung, die aus dem eigenen Besitz resultierten.

Was sehen wir nun auf den Zeichnungen der Keramiken jener Epoche?
Im Gegensatz zu der der Jäger und Sammler ist die Kunst der Bauern realistisch. Auf in der Sahara gefundenen Abbildungen (zwischen 5000 und 2000 Jahren v. Chr.) entdeckt man zahlreiche Darstellungen des Geschlechtsverkehrs. Es sind die ersten Bilder dieser Art. Sie zeigen zahlreiche Positionen und immer Paare. Keinen Gruppensex.... Im Rhonetal hat man kürzlich jungsteinzeitliche Gräber gefunden, in denen ein Mann gemeinsam mit zwei oder drei Frauen (folglich getötet) bestattet war. Das deutet nicht nur auf Polygamie, sondern auch auf eine nicht abzustreitende Form der Gewalt. Das Neolithikum bedeutete für die Frauen den Beginn neuer Einschränkungen. Und damit das Ende des goldenen Zeitalters?
 
E

ElsaLaska

Gast
Liebe Femi,

Zunächst: Natürlich ist das ein sehr guter Essay zu einem wahrlich interessanten Thema. Dennoch erlaube ich mir, einige Deiner Thesen zu hinterfragen. Als da wären:

1. „ Ist das Liebe? Nein, hier müssen wir eindeutig noch von Instinkt sprechen. Um ein wirklich tiefes Gefühl der Zuneigung zu finden, das die Qualitäten des anderen wertschätzt und zur Grundlage für die Partnerwahl werden lässt, müssen wir auf die Weiterentwicklung des Gehirns und auf den Homo sapiens warten, also den modernen Menschen.“

Das wissen wir nicht! Liebe Femi, das können wir nicht beurteilen! Wir wissen nicht, was in Tieren vorgeht, die in fester Gemeinschaft leben. Vielleicht ist das, was sie zusammenhält, sogar noch viel mehr „Liebe“, als wir Menschen je leben können, je leben wagen werden.

2. „... Der Homo sapiens ist der erste, der seine Verstorbenen mit großer Sorgfalt bestattete; das zeugt von einer unleugbaren Form der Zuneigung.“

JEIN! Auch das steht auf wackeligen Beinen. Die Totenrituale und Totenkulte besagen doch eigentlich nur, dass nun die Menschheit anfängt davon auszugehen, dass es mit dem schlichten Leben noch nicht vorbei sein kann, der Tod nicht einfach einen Schlusspunkt setzen kann. Schau Dir die Völker an, die heute noch ihre Toten völlig unspektakulär bestatten. Auf Anhieb fallen mir nur die Tibeter ein, die ihre Toten den Geiern zum Frass überlassen (in Persien gab es das ja auch früher). Sicherlich gibt es auch noch diverse afrikanische Nomadenvölker, die ihre Toten einfach in der Wüste liegen lassen. Das alles ist also noch nicht der Nachweis für vorhandene bzw. nicht vorhandene Liebe.

3.“ Diese Fälle von Solidarität waren weit verbreitet, Beweis, dass es sehr wohl Gefühle tiefer Zuneigung zwischen den Individuen gab. Auch die Neandertaler, Zeitgenossen des Homo sapiens, kannten diese Formen der Solidarität.
Obwohl sie häufig als roh und brutal beschrieben wurden, waren sie entwickelter als zunächst vermutet. In alten Grabstätten der Neandertaler (vor 60000 bis 80000 Jahren) fand man die Reste von Schwerbehinderten deren Verletzungen aus ihrer frühen Jugend stammten und die trotzdem viele Jahre dank der Unterstützung ihrer Gruppe überlebten.“

Hier muss ich drauf hinweisen, dass auch und gerade in Tierverbänden wie Rudel, Horde, Herde bestimmte verletzte Mitglieder weiterhin versorgt und beschützt werden! Instinkt? Oder Liebe?

4. „Die ersten menschlichen Wesen lebten also als Paar, und sie waren monogam. Aber sicher! Ein Harem ist in paläolithischen Gruppen nur schwer vorstellbar. Wenn man von der Jagd lebt, kann man nicht mehrere Frauen haben: die Polygamie hätte den Mann am weiteren Jagen gehindert.“

Einspruch! Gerade weil vermutlich viele Männer bei der Jagd umkamen, mussten die überzähligen Frauen versorgt werden. Es ist durchaus denkbar, dass ein Mann die Witwe seines Bruders mit in seine Familie hineingenommen hat. Ob das nun Polygamie ist oder nicht, ist doch relativ wurscht. Es handelte sich um Clans. Wer da mit wem nun geschlafen hat oder nicht? Irrelevant.

5.“ Die Entdeckung der Missionarsstellung! Wer kam als erster auf die Idee anders zu lieben als die Tiere?“

Schön schön, aber denk doch nur an die Bonobo-Schimpansen, deren Lieblingsstellung bekanntermassen die Missionarsstellung ist!

Das alles aber nicht als Kritik, sondern als ergänzende Einwürfe, liebe Femi.
Kleiner Druckfehler noch: leadership nur mit sh!
Liebe Grüsse Elsa
(auf neue Essays von Dir wartend!)
 
Autor,vereidigter Kritiker und immer noch Mensch

Liebe ergänzende Einwerferin, "Autor, vereidigter Kritiker und immer noch Mensch" :D

Aber das hoffe ich doch schwer, dass dein Feedback Kritik ist liebe Elsa, nur keine Hemmungen!!! "Autor, unkritisch doch Mensch" :eek: würd doch auch überhaupt nicht zu dir passen. Deine Einwürfe habe ich begeistert aufgefangen und tauche bereits federzückend erneut in meine prähistorischen Schublädchen ....

Zu 1.... "Wir wissen nicht, was in Tieren vorgeht, die in fester Gemeinschaft leben. Vielleicht ist das, was sie zusammenhält, sogar noch viel mehr "Liebe", als wir Menschen je leben können, je leben wagen werden."

Dazu bin ich bereits hier Zuhause mit heftigem Protest eingedeckelt worden. Hab ich im Text auch dämlich, zumindest bezugsmäßig missverständlich – nö, eindeutig falsch! zugeordnet dargestellt. Die Passage wurde Raubopfer einer Zusammenstreichwut, und schon waret passiert (Femi, schlampiger Autor und Mensch :eek: ) Ich bezog mich mit der Instinktinterpretation eben nicht auf die erwähnten monogamen Paare – vor allem bei Vögeln (großen Raubvögeln, Störchen, auch Eulen und vielen Papageienarten) sind Treue und Zeichen der Fürsorglichkeit stark ausgeprägt. So trauert ein Partner tief, wenn der andere stirbt, verweigert manchmal Nahrung und vernachlässigt das Putzen des Gefieders.
Der Punkt geht also volle Kanne an dich :D

Zu 2... "Die Totenrituale und Totenkulte besagen doch eigentlich nur, dass nun die Menschheit anfängt davon auszugehen, dass es mit dem schlichten Leben noch nicht vorbei sein kann, der Tod nicht einfach einen Schlusspunkt setzen kann. Schau Dir die Völker an, die heute noch ihre Toten völlig unspektakulär bestatten. Auf Anhieb fallen mir nur die Tibeter ein, die ihre Toten den Geiern zum Frass überlassen (in Persien gab es das ja auch früher). Sicherlich gibt es auch noch diverse afrikanische Nomadenvölker, die ihre Toten einfach in der Wüste liegen lassen. Das alles ist also noch nicht der Nachweis für vorhandene bzw. nicht vorhandene Liebe."

Da antworte ich jetzt mal frech mit einem klaren JEIN ;)
Der im Essay betrachtete Zeitraum umfasst die Altsteinzeit bis zum Wechsel ins Neolithikum. Dort fehlen uns die von dir beschriebenen Vergleichsmöglichkeiten späterer Kulturen noch. Wir sind in einem Abschnitt der Weltgeschichte, als Wesen ERSTMALS menschelten". In der Tierwelt hatten sie keinerlei Vorbilder für ausgeprägte Bestattungsrituale. Wenn dies nach deiner Vermutung bereits einen Glauben an weiteres Leben implementiert, muss diesen Urmenschen schon ein WISSEN um Zeitliches und eine Fähigkeit abstrahierender Vorstellungen zur Mystik (von Urreligion will ich nicht sprechen, das ist für diesen Zeitraum auch noch zu wenig erforscht) zueigen gewesen sein. Der Nachweis liebevoll bestatteter Verstorbener ist vielleicht kein Beweis für das Vorhandensein von Liebe, doch sicher ein wichtiger Ansatzpunkt bei der Spurensuche. Mit Liebe meine ich im Artikel immer die Gesamtheit aus körperlicher Anziehung, tiefer Zuneigung und auch Verantwortung füreinander.


3... "Hier muss ich drauf hinweisen, dass auch und gerade in Tierverbänden wie Rudel, Horde, Herde bestimmte verletzte Mitglieder weiterhin versorgt und beschützt werden! Instinkt? Oder Liebe?"

Das Verhalten von in Rudeln zusammenlebenden Tieren ist tatsächlich oft geprägt von einem großen Solidaritätsgefühl. Ihren schwachen Mitgliedern gegenüber verhalten sie sich je nach Art aber höchst unterschiedlich. Manche überlassen sie einfach beim Weiterziehen ihrem Schicksal. Je größer eine Herde, um so wahrscheinlicher, dass der Gruppenschutz greift. Der berühmte sichere Instinkt. Liebe?

Nun lebten unsere prähistorischen Vorfahren aber in sehr kleinen Sippen zusammen. Die gefundenen Behausungen waren in Zeiten der Jäger und Sammler winzig. (ist auch Antwort auf Punkt 4 Harem oder nich... dafür war einfach kein Platz in der Hütte. Witwen samt Anhang wohnten anscheinend extra,wenn auch sicher unterstützt von der Sippe.) Schluss mit Abschweifung – zurück zu den Schwachen: Sieche Mitglieder in einer Familie bedeuteten eine wesentlich größere Anstrengung für die Gemeinschaft als in späteren Jahrtausenden in den ersten dörflichen Verbänden, wo eine viel größere Gruppe sich ihrer annehmen konnte. Die Unterstützung deutet also mit Sicherheit auf individuelle Bindungen hin, auf die Zuneigung eines Mannes zu seiner Frau, einer Mutter zum Kind, eines Enkels zu Großvater...

5.... "Schön schön, aber denk doch nur an die Bonobo-Schimpansen, deren Lieblingsstellung bekanntermassen die Missionarsstellung ist!"

Na, aber besser hättest du mir den Ball aber gar nicht zuspielen können! Die ersten Bonobos "missionierten" erstmals zu genau der Zeit, als aus einer Reihe von Affen- und Menschenvorläufern
sich die entwickelten, die von da an freudig "missionierend" als Schimpansen oder Lupianer die Erde bevölkerten.... :D

Uff, in diesem Sinne – Chakra nochmal, weißt du, wo ich mein Magentahütchen verkramt habe – tauche ich für heute Abend in die Nebel eines wahren prähistorischen Tiefschlafs...

Die Babylonischen Süppchen köcheln schon ein wenig!

Lieber Gruß

Femi
 

itsme

Mitglied
......

Ein spannendes Thema eufemia. Ich glaube allerdings, die Vorstellung eines händchenhaltenden prähistorischen Pärchens in einer lauen Sommernacht ist ziemlich abwegig. Liebe, so wie wir sie verstehen ist eine Erfindung moderner Zeiten. Fragt man Antropologen warum die Spezies Homo Sapiens Sapiens so erfolgreich wurde, so nennen sie drei Fähigkeiten (das große Gehirn reichte nicht): Kooperationsfähigkeit, Empathie und Egoismus. Es gibt inzwischen unendlich viele Studien und Experimente dazu. Es gibt sogar einen mathemathischen Nachweis dafür.

Kooperativ sind auch Schimpansen? Stimmt. Der Unterschied ist, der Mensch ist es über den Clan hinaus geworden. Empathie findet sich auch bei Primaten und anderen höheren Arten? Stimmt. Der Mensch hat nur im Laufe der Zeit sein instinktives Verhalten durch sozio-kulturelle Gewohnheiten ergänzt. Egoismus ist für jede Art überlebenswichtig.

Über das Thema könnte ich stundenlang diskutieren. Gefällt mir gut dein Essay.
 
E

ElsaLaska

Gast
Und jetzt muss einfach die ...

"Liebesgefühle" -sind -doch -sowieso -nur -irgendwelche-elektrochemischen -Spinnereien -in -irgendeiner -Synapse -oder -dusslige -Hormonausschüttungen -

-KANNE kommen:D
Lieben Gruss
Elsa
 



 
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