Essay, "Der Himmel ist blau wie eine Orange"

3,70 Stern(e) 3 Bewertungen
Der Himmel ist blau wie eine Orange." Nein, diese provokante Feststellung stammt nicht nicht vom gleichnamigen smarten Popduo, sondern vom Schriftsteller Stéphane Mallarmé. Banane der Mann? (Mallarmé, nicht Orangeblue). Nicht zu Zeiten der Symbolisten und Surrealisten.... bestätigt das Zitat doch das Sprichwort "Über Geschmack und Farben lässt sich nicht streiten." Trotzdem überrascht dieser Ausspruch, da in jeder Kultur Interpretationsregeln und ein verankertes Farbempfinden existieren.

Niemand wird sonderlich auffallen, wenn Mann in einer Theaterpremiere eine rote Krawatte zum blauen Dreireiher trägt. Doch spaziert besagter Mann im tomatenroten Anzug und blauer Krawatte zu den Wagnerfestspielen in Bayreuth zieht er verblüffte Blicke auf sich, selbst wenn Haarpracht und Erscheinung auf einen Künstler tippen lassen.... Es gibt natürlich Situationen, in denen genau dieses Outfit absolut hipp und sogar empfehlenswert wäre. Mitten im Rosenmontagsgetümmel auf der Kölner Domplatte beispielsweise..... Die Mode kann selbst für immer gültig geglaubte Gewohnheiten völlig umkrempeln. Mittlerweile hat es nichts Auffälliges mehr, wenn sich nicht nur ältere Damen die Haare färben lassen. Schöpfe in den lebhaftesten Rotschattierungen - von violett bis rosa, grüne oder blaue Strähnen schlendern durch die Straßen. Aber der Normalsterbliche tut sich immer noch schwer mit gleicher Toleranz gegenüber dem Papst beim Ostersegen oder der in Skandälchen ergrauten Queen beim xten Thronjubiläum – höchstens ein Bundeskanzler darf da ein wenig nachhelfen (aber nur ein bisschen in schwarz *gg*).

Die Universalität der Farbsymbole ist wirklich beeindruckend: ob geografisch, kosmisch, biologisch, psychologisch oder mystisch – auch wenn zwischen den Völkern große Unterschiede bestehen. Zunächst die erstaunliche Übereinstimmung, das Spektrum des Regenbogens in sieben Bereiche einzuteilen. Dies trotz der Tatsache, dass das menschliche Auge nach Aussage der Psychologen mehr als 700 verschiedene Farbtöne unterscheiden kann. Es besteht ebenfalls ein allgemein gültig empfundener Zusammenhang zwischen den sieben Grundfarben mit den sieben Musiknoten, den sieben Himmel der Mythologie und ... den sieben Tagen der Woche!

Bei den vier Elementen werden rot und orange dem Symbol des Feuers zugeordnet, gelb oder weiß der Luft, grün dem Wasser und der Vegetation, schwarz und braun der Erde. Wissenschaftliche Abhandlungen oder geografische Karten benutzen fast ausschließlich diese Zuordnungen.


Gegensätzlich auch das Empfinden von schwarz und weiß. Bereits Aristoteles ordnete weiß der Freude und schwarz der Trauer zu. So assoziieren viele Kulturen das Schwarze mit den Mächten der Nacht, dem Dunkel, negativen Strömungen. Für andere stellt schwarz den Inbegriff des Keimens und den Urbeginn dar: Am Anfang war nichts. Dunkelheit herrschte.... (1,Mose, 1:1 Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und es lag Finsternis auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4 Und Gott sah, dass das Licht gut war; da schied Gott das Licht von der Finsternis; 5 und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis Nacht. Und es ward Abend, und es ward Morgen: der erste Tag....)

Für die Indianer Amerikas haben Farben wie Götter Anteil am großen kosmischen Plan. Bei den Mayas bezeichnen vier Farben die Schutzgeister der vier Himmelsrichtungen. Weiß – Norden (der erste Baum); gelb – Süden (der Mais, die nahrungsspendende Erde); schwarz – Westen (die Mutter, die Nacht); rot – Osten (Honig und Reichtum). Die Azteken besaßen, wie viele indianische Völker, kein Wort um grün oder blau zu bezeichnen. Das war seltsamerweise ebenfalls bei Asterix und seinen Galliern der Fall. (Wie wussten sie dann, wo ihr Rasen zu Ende war und das Meer begann? *grübel*)

In der Kunst der alten Ägypter gab es sowohl eine biologische, als auch eine ethische Farbsymbolik. Schwarz entsprach der Wiedergeburt und der ewigen Rettung. Es ist die Farbe der Bitumenmasse, mit der die Mumien bestrichen und konserviert wurden. Grün bedeutete Gesundheit und Jugend; gelb Gold und Licht; weiß die Freude; blau die Götter der Lüfte; rot Aggressivität, das Böse und Perverse. Die Schreiber schrieben die Namen böser Prophezeihungen in roter Tinte.

In den Religionen sind Farben Teile des göttlichen Lichts. Die christliche Tradition lässt die Farben im Auschmücken der Handschriften und in Kirchenfenstern hervortreten. In der Dreieinigkeit entspricht weiß dem göttlichen Vater, blau dem Sohn und rot dem Heiligen Geist. Weiß ist darüber hinaus Symbol des Glaubens und der Keuschheit, rot der Liebe und Barmherzigkeit, schwarz der Buße und grün der Hoffnung. Die Jungfrau Maria trägt immer einen blauen Mantel. Himmelblau selbstverständlich. Auch Messgewänder besitzen einen komplexen symbolischen Charakter und ihre Farben wechseln je nach Festtag.

Die Willkürlichkeit dieser Symbole tritt offen zutage, wenn wir uns orientalische oder afrikanische Religionen anschauen. Selbst innerhalb ein und derselben Religion gibt es gegensätzliche Zuordnungen. In der islamischen Tradition ist weiß die Farbe par excellence. Schwarze Tiere sind ein schlechtes Omen, trotzdem trug der Prophet bei seinem Eintritt in Mekka einen schwarzen Turban. Und die Kaaba ist ebenfalls schwarz bedeckt.

Bei Verkehrsampeln opponieren grün (erlaubt) und rot (verboten). Von Rotgrünblindheit betroffene Fahrer können sich also nur am Aufleuchten der oberen oder unteren Lichter orientieren....

Der Einfluss der Farben auf Stimmungen und Verhalten wurde lang und breit nicht erst von der modernen Farbpsychologie untersucht. Pastellfarben beruhigen, lebhafte Farben sollen anregen. In einem blassblau gestrichenen Büro arbeitet es sich also langsamer als in einem rotbewandeten?

Bereits in Goethes "Farbenlehre" oder Newtons "Opticks" stoßen wir auf den Zusammenhang zwischen einzelnen Farben und damit assoziierten Gefühlen, vom Aufbau des Auges und den physikalischen Abläufen des Sehens.

An den Anfang seiner Farbenlehre stellte Goethe das Gedicht


Wär’ nicht das Auge sonnenhaft
Wie könnten wir das Licht erblicken?
Lebt' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt' uns Göttliches entzücken?


Ja, ja, das Leben ist keinesfalls immer nur schwarz oder weiß. Bisweilen erscheint es uns gar rosarot......
 
E

ElsaLaska

Gast
Liebste Femi,

ich erlaube mir, Deinen lesenswerten und teilweise nachdenklich machenden Essay um folgende Info über die Farben der menschlichen (unsichtbaren) Energiezentren -Chakren- nach indischem Glauben, zu ergänzen:
Rot, das Wurzelchakra, Vitalität, Fortpflanzung, Nahrungsbeschaffung
Orange, das Sexualchakra: Sexualität, Kreativität
Gelb, Solarplexuschakra: das Ego, der Wille, die Macht
Grün, das Herzchakra: die hoffnungsvolle, die gebende Liebe
Blau, das Halschakra: Kommunikation
Türkis, das Dritte Auge: Spiritualität, erweiterte Wahrnehmung
Violett, Scheitelchakra: unsere Verbindung zum Kosmos.

Diese Farbzuordnung erscheint mir ebenfalls sehr interessant. Nehmen wir z.B. das Violett (Scheitelchakra), eine sehr spirituelle Farbe, sogar in der katholischen Kirche, oder Orange (Sexualchakra), eine sehr sinnliche Farbe, andererseits auch die Farbe der buddhistischen Mönchsgewänder (das "Feuer der Askese", in dem die Leidenschaften verbrannt werden).

Alles in allem ein sehr interessantes Gebiet, die Farbenlehre.

Einen lieben Gruss
Elsa
 
Liebste Elsa,

klasse, dass du gleich voll mit ins Thema einsteigst!

über die Chakren habe ich heute Abend (mit einem Gläschen Wein - rot (du weißt, was das bedeutet...-)) bereits einen höchst vergnüglichen Diskussionsaustausch gehabt!!!

Diesen Aspekt habe ich im Text ganz klar sträflichst vernachlässigt ((- ...

Mittlerweile habe ich Hunger und arbeite noch ein wenig am nächsten Essay mit Titel "Babylonische Süppchen".

Bin gerade auf dem vorgeschichtlichen Trip, wie du im Essay über die prähistorische Liebe nachlesen kannst...

Nein, musst dir keine ernsthaften Sorgen machen - der Fuß zur Realität ist fest verankert, viele neue Gedichte im Kopf...

Mist, morgen klingelt der Wecker kurz vor vier!!!!! Wo hab ich nur dieses orange Neglige hingestopft??? Ich schau mal in die türkise Kommode bevor ich unter die rote Bettwäsche krabbele.

Liebste grüne Grüße
von deiner blauen (nur leicht)FeeMI
 
E

ElsaLaska

Gast
Liebe Femi,

ich schau mir den Essay über die prähistorische Liebe gleich mal an. Auf das Babylonische Süppchen bin ich aber neugieriger.
Du hast ja einen richtigen kreativen Flow im Moment!

Die Farben der Chakren würde ich noch irgendwie einbauen, muss ja nicht so ausführlich werden.
Laut moderner Esoterik (das mag ich ja nicht so gerne), gibt es noch ein achtes Chakra über dem Scheitel ausserhalb des Körpers, das die Farbe MAGENTA besitzen soll.

Liebe Grüsse
Elsa (noch irgendwie im Urlaubsfeeling;) )
 



 
Oben Unten