Esterweger Kladde

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Esterweger Kladde

Aechter uusen Huuse, da stait’n Kabuuse. Da schiet’t se in, da mieget se in,
do kwamm de olde Mann un stüppede sien Broot darin.

Die Klinge, die Klinge! ich verstecke sie unter der Zunge/süßer die Glocken nie - /dort! ein kariertes Buch - das Buch schnell ins gestreifte Hemd gesteckt, dann leise umgekehrt/vielleicht, vielleicht doch fort, fort von hier/
w e r j e d e n T a g n u r K u c h e n i ß t/in düstre Ecken hock ich mich - zerschunden/u n d K e k s u n d S c h o k o l a d e/mache Muster, Schnittmuster, schneide so hinein - so!/des Winterhagels Wut prallt auf die Baracken/Esterwegen, von wegen, Esterwegen!/Wilm - er schnitt mir das Haar doch so gerne/das Personal brüllt/eine weiße Raute fällt/fein und schmal wie der Halbmond meines Nagels/Schnitt für Schnitt und noch eine, noch eine - eine noch!/ich kreiere Ornamente, schneide kristalline Schneestrukturen, gezackte Tiere, Spitzendeckenmuster/d e r w e i ß j a n i c h t/
ritze Rhombenkettenpläne, rette mich in Fluchtpunktperspektiven/
w a n n S o n n t a g i s t/stilisiere Schnucken auf der Heide, klebe hinter jeder Seite Seidenbuntpapier/es schimmert grün - ist die Hoffnung/winzig kleine Kirchenfenster in Rot und Grün und Gelb und Blau - bellender Köter!/
die Kladde wird mir zur Kathedrale/Kindersprüche in die Mitte - ins Gesicht spuck ich sie dir!/u n d d a s i s t w i r k l i c h s c h a d e.

Die Klinge frißt sich langsam durch das Buch und jede Nacht hat hundert Stunden/für dich und deines Bruders Brut muß es nun reichen.

„Herr Obersturmführer, das bescheidene Poesiealbum ist für Ihre lieben Nichten und Neffen. Es fehlen hier nur - verzeihen Sie mir - die glänzenden Oblaten.“
 
Esterweger Kladde

Aechter uusen Huuse, da stait’n Kabuuse. Da schiet’t se in, da mieget se in,
do kwamm de olde Mann un stüppede sien Broot darin.

Die Klinge, die Klinge! ich verstecke sie unter der Zunge/süßer die Glocken nie - /dort! ein kariertes Buch - das Buch schnell ins gestreifte Hemd gesteckt, dann leise umgekehrt/vielleicht, vielleicht doch fort, fort von hier/
w e r j e d e n T a g n u r K u c h e n i ß t/in düstre Ecken hock ich mich - zerschunden/u n d K e k s u n d S c h o k o l a d e/mache Muster, Schnittmuster, schneide so hinein - so!/des Winterhagels Wut prallt auf die Baracken/Esterwegen, von wegen, Esterwegen!/Wilm - er schnitt mir das Haar doch so gerne/das Personal brüllt/eine weiße Raute fällt/fein und schmal wie der Halbmond meines Nagels/Schnitt für Schnitt und noch eine, noch eine - eine noch!/ich kreiere Ornamente, schneide kristalline Schneestrukturen, gezackte Tiere, Spitzendeckenmuster/
d e r w e i ß j a n i c h t/
ritze Rhombenkettenpläne, rette mich in Fluchtpunktperspektiven/
w a n n S o n n t a g i s t/stilisiere Schnucken auf der Heide, klebe hinter jeder Seite Seidenbuntpapier/es schimmert grün - ist die Hoffnung/winzig kleine Kirchenfenster in Rot und Grün und Gelb und Blau - bellender Köter!/
die Kladde wird mir zur Kathedrale/Kindersprüche in die Mitte - ins Gesicht spuck ich sie dir!/u n d d a s i s t w i r k l i c h s c h a d e.

Die Klinge frißt sich langsam durch das Buch und jede Nacht hat hundert Stunden/für dich und deines Bruders Brut muß es nun reichen.

„Herr Obersturmführer, das bescheidene Poesiealbum ist für Ihre lieben Nichten und Neffen. Es fehlen hier nur - verzeihen Sie mir - die glänzenden Oblaten.“
 

Tula

Mitglied
Hallo Marc

Ich habe mal anderswo nachgelesen, worum es hier wirklich geht. Vom Stil her ist es auf jeden Fall sehr interessant, der inhaltliche Einstieg erscheint mir aber doch sehr erschwert. Erst am Ende schwant es dem Leser, dass es nicht um unsere Zeit geht.
Wie dem auch sei, gern gelesen.

LG
Tula
 
Guten Abend, Tula!

Vielen Dank für die Schilderung deines Lese-Eindrucks!

Deinen Einwand, dass der Text am Anfang nicht so eingänglich ist, kann ich gut nachvollziehen. Ich habe auch lange überlegt, ob ich die ersten Verse auf Hümmlinger Platt (Emsland) einbringe und konnte mich dann doch nicht von ihnen trennen. Es ist ein Kinderrätsel in der Loruper Mundart...

Viele Grüße,
Marc
 

Perry

Mitglied
Hallo Artbeck,

dein Text ist eine wohltuende Abwechslung im allgemeinen "Lyrikbrei (mich selbst eingeschlossen)."
Mich haben die Mundartpassagen nicht gestört, weil sie einen passenden Hintergrund zur Sicht auf die Welt dieses in seine Kladde schreibenden Soldaten bilden.
LG
Manfred
 
Guten Abend, Manfred!

Dein Lob motiviert mich sehr. Vielen herzlichen Dank! Collagiere gerne unterschiedliche Komponenten und Kontraste...

Mit gutgelaunten Grüßen,
Marc
 



 
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