Fadenriss

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Bursch

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Annemarie kannte das, was jetzt folgte. Im achten Jahr verehelicht mit ihrem Helmut, dem Herrn Studienrat, war ihr klar, dass er nach Begleichung der Rechnung in ihrem Lieblingsristorante in der Hauptzeile der niederrheinischen Kleinstadt G. und nach ersten, durch das Gaststätten-Ambiente angeregten Ansätzen zu einer Generalanalyse des italienischen Nationalcharakters sowie des politischen Erscheinungsbildes dieses Landes mit dieser Eruierung nicht mehr würde aufhören können bis zur Rückkehr bei seinen Eltern, wo sie den dreijährigen Ben hinterlassen hatten.
Tief atmete sie beim Verlassen des Lokals die kalte Luft des späten Samstagabends vor dem zweiten Advent ein, genoss den Anblick der menschenleeren Hauptstraße, deren Weihnachtsbeleuchtung bei leise rieselndem Schnee doppelt romantisch wirkte, steuerte ihren unentwegt vortragenden Gatten mit sanfter Geste einem längeren Verdauungsmarsch entlang den meist noch erleuchteten Schaufenstern zu, verlagerte wie er die diversen Einkaufstaschen mit den Geschenken für die Lieben in die eine Hand, um mit der anderen Helmuts freie Rechte zu ergreifen, und verharrte als erstes vor den Schaufenstern des Teppichhändlers N.
Helmut war beim Vergleich der beiden, wie er sich ausdrückte, "verspäteten Nationen" Italien und Deutschland angelangt, schlug stets von neuem, kritisch und kundig, den Bogen zur Jetztzeit, als Annemarie den gemeinsamen Marsch erneut stoppte, diesmal vor den Auslagen des Raumausstatters B., den sie in den letzten zwei Jahren kaum noch frequentiert hatten. Gut, die Einkäufe zum Fest waren am Nachmittag abschließend getätigt, es war nichts mehr vonnöten. Aber das da, dieses Objekt war von solcher Anziehungskraft, dass sie unwillkürlich, ihren Herrn Gemahl mitten im Satz und durchaus unwirsch unterbrechend, ausrief: "Mann! Der fünfarmige Leuchter, das wär's ja nun echt gewesen für Tante Ursula. Echt schade."
Eine Einlassung, die so sehr aus bedauerndem Herzen kam, so wuchtig dastand in der kalten Luft der leise berieselten Adventsnacht, dass es dem Herrn Gemahl nicht etwa nur für Sekunden, nein, für den Rest des ehelichen Spaziergangs bis zur Ankunft am Haus seiner Eltern die hochkarätig-analytische Sprache verschlug.
Nichts kam mehr. Fadenriss.
 
Hallo,

bei mir lief sofort das Kopfkino mit.
Allerdings sind mir die meisten Sätze zu lang. Ist natürlich rein subjektives Empfinden.

Ich habe ein paar Vorschläge direkt in den Text geschrieben. Sind nur Vorschläge, kein Muss.

LG
Christa

Annemarie kannte das, was jetzt folgte. Im achten Jahr verehelicht mit ihrem Helmut, dem Herrn Studienrat, war ihr klar, dass er nach Begleichung der Rechnung in ihrem Lieblingsristorante in der Hauptzeile der niederrheinischen Kleinstadt G. und nach ersten, durch das Gaststätten-Ambiente angeregten Ansätzen zu einer Generalanalyse des italienischen Nationalcharakters sowie des politischen Erscheinungsbildes dieses Landes mit dieser Eruierung nicht mehr würde aufhören können bis zur Rückkehr bei seinen Eltern, wo sie den dreijährigen Ben hinterlassen hatten. [red](Da würde ich 2 oder sogar 3 Sätze draus machen.)[/red]
Tief atmete sie beim Verlassen des Lokals die kalte Luft des späten Samstagabends vor dem zweiten Advent ein, genoss den Anblick der menschenleeren Hauptstraße, deren Weihnachtsbeleuchtung bei leise rieselndem Schnee doppelt romantisch wirkte, steuerte ihren unentwegt vortragenden Gatten mit sanfter Geste einem längeren Verdauungsmarsch entlang den meist noch erleuchteten Schaufenstern zu, verlagerte wie er die diversen Einkaufstaschen mit den Geschenken für die Lieben in die eine Hand, um mit der anderen Helmuts freie Rechte zu ergreifen, und verharrte als erstes vor den Schaufenstern des Teppichhändlers N. [red](Auch hier würde ich mehrere Sätze draus machen. Vorschlag: Tief atmete sie beim Verlassen des Lokals die kalte Luft des späten Samstagabend vor dem dem zweiten Advent ein. Sie genoss den Anblick der menschenleeren Hauptstraße, deren Weihnachtsbeleuchtung bei leise rieselndem Schnee doppelt romantisch wirkte. Mit sanfter Geste steuerte sie ihren unentwegt vortragenden Gatten einem längeren Verdauungsmarsch entlang der meist noch erleuchteten Schaufenstern zu. usw.)[/red]
Helmut[red] war[/red] beim Vergleich der beiden, wie er sich ausdrückte, "verspäteten Nationen" Italien und Deutschland angelangt, schlug stets von neuem, kritisch und kundig, den Bogen zur Jetztzeit, als Annemarie den gemeinsamen Marsch erneut stoppte, diesmal vor den Auslagen des Raumausstatters B., den sie in den letzten zwei Jahren kaum noch frequentiert hatten. Gut, die Einkäufe zum Fest [red]waren[/red] am Nachmittag abschließend getätigt, es [red]war[/red] nichts mehr vonnöten. Aber das da, dieses Objekt [red]war[/red] von solcher Anziehungskraft, dass sie unwillkürlich, ihren Herrn Gemahl mitten im Satz und durchaus unwirsch unterbrechend, ausrief: "Mann! Der fünfarmige Leuchter, das [red]wär's [/red]ja nun echt gewesen für Tante Ursula. Echt schade."
Eine Einlassung, die so sehr aus bedauerndem Herzen kam, so wuchtig dastand in der kalten Luft der leise berieselten Adventsnacht, dass es dem Herrn Gemahl nicht etwa nur für Sekunden, nein, für den Rest des ehelichen Spaziergangs bis zur Ankunft am Haus seiner Eltern die hochkarätig-analytische Sprache verschlug.
Nichts kam mehr. Fadenriss.
 

Bursch

Mitglied
Hallo Christa Reuch!

Vielen Dank für deine wohltuend sachlichen Vorschläge. Das mit dem gehäuften "war/waren" hast du klar erkannt, geht eleganter. Die Wurmsätze stehen bewusst da, paraphrasieren den Endlosmonolog "des Herrn Studienrats".;)

Gruß zurück
von Bursch
 



 
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