Familia Gladiatoria

Martin Iden

Mitglied
Die Geschichte ist ein Auszug aus meinem neuen Roman FAMILIA GLADIATORIA

L. Stertinius Scorpio wächst als Sohn eines Gladiatorenarztes auf und ist stark fasziniert von der düsteren Aura der Gladiatur. Nicht ungewöhnlich für junge Römer betreibt er Gladiaturfechten als Kampfsport. Da er den Paten des Viertels beleidigt hat, wird er unter fadenscheinigen Umständen zur Gladiatorenkaserne verurteilt, ein fast sicheres Todesurteil. Er muß an einer Naumachie und einer gruseligen Reenactmentshow, der "Schlacht von Troja" teilnehmen. Marcus Valerius, der procurator der "Großen Schule" in Rom erkennt sein Talent und nimmt ihn kurzerhand in seine eigene Gladiatorentruppe auf. Scorpio muß allerdings die Identität eines Scheinsklaven annehmen. Auf einer Tournee durch Italien und Afrika, gemeinsam mit dem Banditen Pertinax avanciert Scorpio zum Star der Arena und Liebling des Kaisers Domitian.
Der mag ihn allerdings auch gerne als seinen eigenen Gladiator. Mit Hilfe seines bewunderten Freundes, dem Aristokraten Metellus gelingt es ihm, seine Freilassung zu erreichen. Doch am Ende ist Scorpio ziemlich genau dort, wie am Anfang, und wegen seiner Liason mit einer Aristokratin wird er schließlich aus Rom und Italien verbannt. Angeekelt flieht Scorpio nach Kleinasien, wo er in den Handel mit wilden Tieren einsteigt. Mit einer eigenen Gladiatorentruppe kehrt er nach Rom zurück, wo Kaiser Trajan die größten Gladiatorenspiele aller Zeiten veranstalten läßt. Daran will Scorpio trotz seiner Erfahrungen profitieren, doch er hat noch mächtigere Gegner als früher.





Kapitel II
Aufrecht und unbesiegbar mußt du sterben, was macht es, wenn du einen Tag mehr herausschindest, wir sind in eine Welt hineingeboren, die keine Gnade kennt.

Seneca



Marcus Valerius Cotta, der Procurator der "Großen Schule" war schlechter Laune. Er hatte drei afrikanische Mähnenlöwen im Sturm vor der Küste Siziliens verloren. Die Biester waren ausgebrochen und "hatten für Verwirrung gesorgt", wie sein Agent ihm geschrieben hatte. Marcus Valerius mußte grinsen, als er sich ein Rudel seekranker Löwen vorstellte, das eine Besatzung seekranker Matrosen auf die höchsten Maste jagte. Doch das war sein kleinstes Problem, der Kaiser Domitian hatte ihn mit der Ausrichtung einer naumachia beauftragt. Von allen Spektakeln, die die römischen Caesaren von Zeit zu Zeit dem Volk schenkten, war das das aufwendigste und teuerste. Domitian wollte gerne mit Claudius konkurrieren, der damals auf dem Fuciner See 150 Galeeren und 19.000 Kriminelle gegeneinander antreten ließ. Diesmal würde es etwas bescheidener ausfallen, doch 70 Galeeren und kleinere Fahrzeuge würden genügen, um den verstorbenen Bruder des Kaisers, Titus, in den Schatten zu stellen. Die Römer hatten damals gemunkelt, daß Domitian die Hand im Spiel hatte, als sein Bruder nach nur drei Jahren Regierung starb. Im Gegensatz zu Titus war Domitian nicht beliebt, er wurde respektiert und gefürchtet, während Titus ein menschenfreundlicher Caesar war. In einem Punkt allerdings waren sich die beiden Flavier ähnlich: Wehe demjenigen, der sie bei der Ausrichtung von Spielen enttäuschte. Wehe dem Inspekteur der Kulissen, wenn das Sonnensegel schlecht gespannt war, wehe dem obersten Löwenwärter, wenn irgend etwas unplanmäßig verlief! Domitian hatte bei solchen Gelegenheiten ein furchtbar langes Gedächtnis. Mit Marcus Valerius Vorgänger hatte er sich einmal einen üblen Scherz erlaubt. Er hatte dem alten Q. Sergius mit den Worten Caligulas gedroht, "er habe nicht nur Inseln, sondern auch Schwerter", am selben Abend ließ er Q. Sergius zum Gastmahl auf den Palatin überbringen. Von einem Centurio der Prätorianergarde! Der alte Q. Sergius war zu ängstlich gewesen, um der geglaubten Exekution oder Verbannung zu entgehen, hatte er sich die Venen öffnen lassen, um seiner Familie das Vermögen zu erhalten. Ihm, Marcus Valerius sollte so etwas nicht passieren, er hatte sich im Umgang mit seinem kaiserlichen Herrn ein eisernes Nervenkostüm zugelegt, aber ihm schwindelte der Kopf. Ein halbes Jahr hatte er gebraucht, um sich aus Ostia, Cap Misenum und die Götter mochten wissen, woher 70 ausgediente Galeeren zu besorgen. Es waren uralte, lecke Kähne, und er hatte sie auf eigene Rechnung neu kalfatern müssen. Um die schiffe vom Tiber bis zum 14. Bezirk Transtiberim zu transportieren, wo der Kaiser Augustus eigens für Naumachien einen künstlichen See angelegt hatte, mußte M. Valerius einen ganzen Tag lang die Via Aurelia und die Brücke des Sulpicius für den Warenverkehr sperren und 2 Dutzen Maultiergespanne requirieren. Die Klagen der Anwohner stapelten sich bereits, sollten sie sich doch beschweren. Um die Schiffe mit Ruderern bemannen zu können, war ein ganzes Marinegeschwader aus Ostia abkommandiert worden. Es hatte nicht einmal gereicht, und Marcus Valerius hatte daher kurzerhand die Besatzung eines rhodischen Handelsschiffes am auslaufen gehindert und die Ruderer zwangsrekrutieren müssen. Das würde noch Ärger und diplomatische Verwicklungen bringen, aber damit sollte sich die kaiserliche Kanzlei beschäftigen. Damit war Marcus Valerius aber noch lange nicht sein größtes Problem los, nämlich woher er genügend Marineinfanteristen nehmen sollte, die einigermaßen glaubhaft eine Seeschlacht nachspielen konnten. Damals unter Claudius sollen 19.000 Kriminelle gekämpft haben, mehr als drei Legionen. Er hatte sich daher schon vor Monaten an die größeren Städte Italiens und Illyriens gewandt, damit sie ihm ihre Strafgefangenen nach Rom schickten. So viele schwere Jungs konnte aber selbst der Sumpf Roms nicht aufbringen, so daß man kurzerhand auch eine Menge eher harmloser Ganoven festgenommen hatte. Taschendiebe, Vagabunden, Sittenstrolche und kleine Gauner, die sich keine Protektion leisten konnten und daher nicht rechtzeitig gewarnt und geschnappt wurden. Die wirklich ausgekochten Gauner Roms konnten sich ins Fäustchen lachen, denn wenn sich das Volk die Naumachie ansah, würden sie bei Einbrüchen reiche Beute machen. Die meisten dieser Kerle hatten vermutlich noch nie ein Schwert in der Hand gehabt. Banditen Gladiaturfechten beizubringen! Genauso gut konnte man Räuber gleich auf Staatskosten ausbilden, er aber hatte dafür den Abschaum der Menschheit auf dem Hals. Aber immerhin, ein Gutes hatte diese Naumachie, denn sie würde Platz schaffen in der Gladiatorenkaserne, denn voraussichtlich würde mindestens ein Drittel der Akteure die Seeschlacht nicht lebend überstehen. Marcus Valerius schlechte Laune wurde nicht besser beim Anblick von T. Flavius Verus. Dieser störrische Jude hatte ihm gerade noch gefehlt! "Salve, Magister! Na, wie machen sich deine neuen Schützlinge?" "Ehrlich gesagt, schlecht, Domne. Etliche dieser Leute haben galoppierende Schwindsucht, und die meisten haben noch nie eine Waffe in der Hand gehabt.Ich habe meine Jungs bemüht, ihnen ein paar Kniffe beizubringen." Ja, Ja, schon gut, hast du sonst noch schlechte Nachrichten für mich?" "Ja, Domne, einer der Verurteilten hat sich erhängt." Wie konnte das passieren, ich brauche jeden Mann!" "Er war so unverfroren, das in den Latrinen zu tun, der einzige Ort, wo er allein war." "Wie sieht es mit Neuzugängen aus, wieviele hat der Carcer Mamertinus abgeliefert?" "Nur einen, ein gewisser Lucius Stertinius, offenbar ein stadtbekannter Rowdy, soll sich mit M. Caelius, dem Herrn der Subura angelegt haben." "Das muß ein armer Irrer sein, was soll man dazu noch sagen?" "Na ja, er hat immerhin zwei seiner Schläger besiegt, soll sie ziemlich übel zugerichtet haben." Er soll mit den anderen Komparsen eingekleidet werden, ich denke dabei an phönizische Tracht." "Soll der Junge wirklich an der Naumachie teilnehmen? Ich mein ja nur, er ist zur Gladiatorenschule, aber nicht zum Tode verurteilt worden und hat gewisse Qualitäten." "Du hast doch gehört, ich brauche noch Freiwillige, wie gut er ist, das wird sich nach der Naumachie erweisen. Verschone mich mit deinen Bedenken, sei froh, daß du das nicht organisieren mußt! Sag mir lieber, ob die bestellten Bühnenrequisiten endlich gekommen sind!"


Marcus Valerius Cotta übertraf sich in der Organisation des Spektakels selbst. Wen interessierte es schon, daß die Schiffe uralte lecke Kähne waren, das traurige klink, klink der Pumpen wurde vom martialischen Geschmetter der Blechbläsr übertönt. Das Einzige, was er seinem Herrn nicht auf Bestellung liefern konnte, war Kaiserwetter. Es regnete in Strömen, dennoch waren alle Tribünen vollbesetzt, und selbst die Anhöhen wimmelten von Schaulustigen. Es schien, als sei ganz Rom auf den Beinen, um sich das Schauspiel anzusehen, das sein Kaiser veranstaltete.


Lucius erinnerte sich später nicht mehr daran, welche berühmte Seeschlacht er und die anderen Akteure nachspielen mußten. Er erinnerte sich später nur noch daran, daß die Kostüme irgendwie phönizisch aussahen. Daran und an den Regen, vor allem an den Regen! Die Naumachia Augusti, der See, auf dem das Schauspiel stattfand, war sonst ein schlammiger, von Schnaken umschwirrter Teich, wo sich Liebespärchen ein Stelldichein gaben. An diesem Tag aber schäumte er wie der Atlantische Ozean. Den meisten Akteuren war durchaus nich nach kämpfen zumute, und einige dieser Marineinfanteristen waren schon seekrank geworden und lehnten sich verschämt über die Reling, bis sie von fluchenden Matrosen mit kurzen Tauenden zurückgetrieben wurden. Die Acheron war einmal ein stolzes Schiff gewesen, zuletzt diente sie als Geleitfahrzeug in der Adriaflotte. Jetzt aber zog sie in ihre letzte Schlacht, um verschrottet zu werden. Ihre Besatzung war vom gleichen Kaliber, total kaputte, korumpierte Typen, aus allen Teilen des Imperiums zusammengefangen. Den Ruderern stand bereits das Wasser bis zu den Knöcheln, ein uralter lecker Kahn! Doch das geräusch der Pumpen übertönte das Geplärr der Blechbläser und der Wasserorgel, die das Zeichen zum Beginn des Kampfes gab.

"Ave, Caesar Imperator, morituri te salutant!"

Zuerst wurde im griechischen Stil gekämpft, und die Schiffe versuchten sich auszumanövrieren und zu rammen. Doch der See war viel zu klein, als daß so viele Galeeren dort weiträumige Manöver durchführen konnten, und bald schon bildeten sich Knäuel aus zweien, dreien oder noch mehr Galeeren. Jetzt wurde im römischen Stil gekämpft, und als die Enterbrücken herunter sausten, wurde im Nahkampf Freund wie Feind erschlagen. Gleichzeitig wurden auch Brandgeschosse verwendet, und einige Galeeren standen bereits in Flammen. Da branten nicht nur die Schiffe, sondern auch die Männer, und als auf den überfüllten Decks geentert wurde, wurden die Körper der Akteure wie Brotlaiber durchbohrt. Die Szene glich einem Alptraum, die Decks waren mit Blut besudelt, und am Boden wanden sich Sterbende und Verwundete, die nach Lucius Füßen zu schnappen schienen. Doch aus einer Gischtwolke näherte sich jetzt eine Triere griechischen Stils, die genau von dwars auf die Acheron zuhielt. Lucius wurde vom Anprall zu Boden geschleudert und fiel über Bord. Auf umhertreibenden Trümmerteilen bekämpften sich immer noch Gegner. Lucius versuchte so weit wie möglich von ihnen weg zu tauchen. Er näherte sich einer Planke, als er näherschwamm, entdeckte er, daß bereits ein Mann oben lag.

"Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen!" "Erlaubnis erteilt, was bist´n du für einer?" "Ich bin Lucius Stertinius, Verurteilter!" "Angenehm, Marcus Antonis Pertinax, der Schrecken der Via Appia!" "Marcus Antonis, heh? so siehst du aus!" "Vorsicht Lucius, mein Vater war ein Freigelassener der Antonia minor, und der große Marc Anton höchstpersönlich war mein Urgroßvater, ich bin nämlich ein Bastard mußt du wissen!" "Du bist ein Bandit." "Das ist so ein häßliches Wort, kann ich etwas dafür, daß Rom seine Veteranen nicht anständig versorgt?" "Du bist also auch ein Deserteur!" "Ich war principal in der XV. Apollinaris pia fidelis, um genau zu sein, war ich sogar zweimal principal." "Ah, sie haben dich also degradiert!" "Mach mich bloß nicht von der Seite an, Lucius, das kann ich nicht vertragen! Ja, sie haben mich degradiert und vor versammelter Mannschaft ausgepeitscht, diese Schweine. Meine alten Kumpels Aulus und Gaius haben mich zusammengeflickt. Mit denen zusammen bin ich dann ganz elegant stiften gegangen. Aber wir haben den wahren geist der XV. hochgehalten, wir, die ehemaligen Dekurionen und Principale. Niemand konnte uns widerstehen, wenn wir nachts Höfe, Güter und selbst Dörfer überfielen. Die XV. weiß gar nicht, welches strategische Genie sie an mir verloren hat. Oh, Lucius, du hättest uns sehen sollen, wenn wir feine Damen und Herren ausraubten oder gefangennahmen. Das hatte Stil, aber es war unser Untergang,m solange wir nur arme Schlucker ausraubten, hat das keine Sau interessiert. Als wir aber einen Senator samt seinen Puppenjungs an der Via Appia hochnahmen, setzte der Caesar einen Preis auf unsere Köpfe und hetzte uns die Prätorianer auf den Hals. Nur durch Verrat haben sie uns drangekriegt, vertrau niemals den Weibern, Lucius! Jetzt rück aber mal raus, was bist du für einer, bist du Stabuler, Baldower oder Serfer? Schon mal nen großen Masematten gehandelt? Serfer, Stabuler, Masematten? Nie davon gehört!"
"Mensch, Alter, du kommst wohl vom Mond? Ich hab dich gefragt, ob du Dieb, Einbrecher oder Brandstifter bist und schon mal ein großes Ding gedreht hast. Du bist wohl ein bißchen schwach auf der Brust! Also, was brachte dich unter die Gladiatoren?" "Ich habe Marcus Caelius, den Patron der Subura beleidigt und zwei seiner Sklaven mißhandelt." "Mehr nicht? warum hast du dich nicht gleich mit dem Caesar angelegt, die Tempel beraubt oder die Stadt abgefackelt? Aber Respekt, hätte ich dir gar nicht zugetraut, ich glaube ich mag dich, hast du Flachs?" "Häh, was?" Na, ob du Pinke hast, Geld, pecunia, Moos, Zahldreck!" "Das werde ich dir gerade auf die Nase binden!" "Oh, du hast Geld, das sieht man dir an. Halt dich mal an den alten Marcus Antonius Pertinax. Wenn du für micdh mit bezahlst, kann ich es arrangieren, daß uns Palaistrio der Masseur krankschreibt. Und jetzt hilf mir paddeln, Lucius Stertinius und vergiß nicht, zu hinken, wenn uns die Prätorianer aufsammeln.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

sehr interessant.
das lesevergnügen würde erhöht, wenn du mehr absätze machen würdest. jeder gute autor macht vor einem neuen gedanken einen absatz.
auch die wörtliche rede sollte absätze bekommen vor jedem anführungszeichen unten.
lg
 



 
Oben Unten